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Von A wie akkurat bis Z wie zielgruppenorientiert: In Das ABC der Rollenspiele dreht sich alles um Pen-and-Paper. Autor Steffen Grziwa gibt im Buch einen Einblick in die Entwicklung des Hobbies, stellt Systeme vor und erklärt die wichtigsten Begriffe. Wie gut der Almanach für Neulinge funktioniert, erfahrt ihr hier.

Rollenspielende kennen diese Situation: Wie erkläre ich dem Gegenüber, was Pen-and-Paper ist und wie bunt die Welten dahinter sein können? Das dachte sich wohl auch Steffen Grziwa, unter anderem bekannt als Mitarbeiter bei Rocket Beans TV und einer der Spielleiter des Formats „Pen & Paper“. Seine Lösung: Das ABC der Rollenspiele. Das handliche Buch soll eine „Hilfestellung“ für alle sein, die noch wenig Berührungspunkte mit dem Thema haben oder kompakte Infos zur Geschichte des Hobbys suchen. Grziwa greift dabei auf eigene Erfahrungen aus gut 20 Jahren zurück.

Triggerwarnungen

Horror, Tod

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A wie Anfangen

Anfangen ist das Stichwort, mit dem wohl jede Reise ins Rollenspiel beginnt. In einem ersten Kapitel stellt Grziwa die verschiedenen Einstiegsmöglichkeiten ins Hobby vor und erläutert erste Grundbegriffe. Neulingen werden bekannte Einstiegsboxen empfohlen, ebenso wie kostenlose Rollenspiele. Positiv anzumerken ist zudem die Vielfalt, welche direkt vermittelt wird: Es gibt viele Spielsysteme, die unterschiedliche Settings abdecken. Ausprobieren lohnt sich daher für Neulinge, wie für alte Hasen.

Das Buch richtet sich speziell an Neulinge im Rollenspiel.

Hinzu kommen Beispiele, wo Interessierte Kontakt zu anderen finden können für eine neue Spielrunde. Prominent platziert ist hier Am Tavernentresen, einem Discord-Kanal, in dem der Autor sehr aktiv ist. Abschließend stellt Grziwa klar: „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.“ Er appelliert daran, dass der Spielspaß aller Menschen am Tisch (oder in der virtuellen Runde) im Vordergrund stehen sollte. Die nächsten Kapitel sind mit Blick auf neue Spielende sowie Spielleitungen geschrieben worden, und können am Stück gelesen werden.

Der Schreibstil ist insgesamt sehr locker gehalten, die Lesenden werden in der Ihr-Form angesprochen. Begriffe wie das „Vernichten von Snacks“ beim Spieleabend verstärken diesen Eindruck. Der Autor versteht sich nicht als Oberlehrer, der nur eine Lösung sieht. Stattdessen wird immer wieder im Buch darauf verwiesen, am besten eigene Erfahrungen zu machen, und durch das Ausprobieren einen Spielstil in der Gruppe zu erarbeiten. Mit Blick auf Neulinge im Hobby ist das löblich, da es mögliche Anfangsscheu nehmen kann, etwa bei den ersten Rollenspiel-Versuchen als Charakter.

B wie Begriffswahl

Ein Kapitel widmet sich dem Erfinder von Dungeons & Dragons, Gary Gygax.

Passend zum Titel wird jedem Buchstaben im ABC der Rollenspiele mindestens ein Wort zugewiesen, welches erläutert wird. Statt möglichen 26 Kapiteln liefert das Buch Informationen zu insgesamt 38 Begriffen. Teilweise werden Buchstaben dafür doppelt belegt, beispielsweise Kampf und Kampagne sowie Monster und Musik.

Die Kapitel lassen sich grob in mehrere Oberkategorien aufteilen. Dazu zählen zunächst Basiswissen und Grundbegriffe, etwa NSC, Quests oder Würfel. Es folgen Beispiele und Vorstellungen verschiedener Genres und bekannter Systeme. Hier lässt sich der deutsche Fokus des Autors erkennen, der von vier größeren Rollenspielen spricht: Call of Cthulhu, Dungeons and Dragons, Das Schwarze Auge und Shadowrun. Darüber hinaus wird auch eine Reihe an Universellen Systemen oder Erzählspielen vorgestellt, wie etwa Itras By.

Wer schon immer etwas über die Historie von Pen-and-Paper lernen wollte, erfährt dies ebenfalls in mehreren Kapiteln. Beleuchtet wird beispielsweise Gary Gygax, Erfinder von Dungeons & Dragons, sowie die Satanic Panic in den USA. Erläutert werden zudem verschiedene Begriffe für unterschiedliche Spielstile und Kampagnen, von Homebrew bis Westmarches.

Die X-Karte als Druckvorlage im Buch.

Kritik gibt es lediglich bei dem Kapitel zum Buchstaben X. Dort ist eine X-Karte abgedruckt, deren Bedeutung sich über das Kapitel Safety Tools erschließt. Den Lesenden wird der Vorschlag gemacht, die einzelne Seite beliebig oft zu kopieren und die damit gewonnenen X-Karten zu nutzen. Mehr Informationen enthält die Seite nicht. Das Symbol soll für die eigene Runde als Druckvorlage dienen. Bei den sonst detaillierten und persönlichen Bezügen in den anderen Kapiteln entsteht hier der Eindruck, dass dem Autor keine bessere Begrifflichkeit für X eingefallen ist. Dabei existieren mögliche Alternativen: etwa der Umgang mit Xenophobie im Rollenspiel, die Entwicklung der X-ten neuen Edition oder eine kurze Erläuterung, warum Xylophone die besten Instrumente für Bard*innen sind, unabhängig vom System. Abseits davon lässt die Auswahl der Kapitel kaum Wünsche offen.

C wie Critical Role und Co.

Der Autor geht mehrmals auf den Hype rund um Critical Role ein.

Thematisiert werden im Almanach ebenfalls moderne Entwicklungen des Rollenspiels, etwa unter Online Spielen, sowie YouTube und Twitch. Bei ersterem erzählt Grziwa von verschiedenen Angeboten und Internetseiten, mit denen eine Online-Runde immersiver gestaltet werden kann. Zweiteres verweist auf die stark gewachsene Popularität des Hobbys in den vergangenen zehn Jahren. Während für das deutsche Publikum hier Orkenspalter TV und Rocket Beans TV mit ihren Produktionen als Vorreiter genannt werden können, wird international der riesige Erfolg von Critical Role vorgestellt. Hilfsvideos und andere Projekte finden ebenfalls Erwähnung. Der Autor erklärt an mehreren Stellen im Buch, dass bei Rollenspielrunden zwischen professionellen Shows und tatsächlichen Runden Unterschiede bestehen. Nicht alle Gruppen benötigen Battlemaps oder Schauspielkurse, um Spaß am Spieltisch zu haben. Und das ist völlig in Ordnung.

D wie Denkanstöße für Gruppen

Eine gute Pen-and-Paper Erfahrung lebt davon, dass sich alle am Tisch wohl fühlen. Diese Regel findet sich immer wieder im ABC der Rollenspiele. Möglichkeiten, wie ein Konflikt oder ein Thema in der Gruppe angesprochen werden kann, finden sich beispielsweise im Kapitel zu Feedback. Tipps für das gemeinsame Erzählen der Geschichte werden im Abschnitt Ja sagen behandelt. Ebenfalls relevant sind die bereits erwähnten Safety Tools, welche ebenfalls eine eigene mehrseitige Passage bekommen. Die genannten Werkzeuge dienen dazu, Grenzen aller Personen am Tisch anzuerkennen und einzuhalten. Vorgestellt wird das Consent Sheet sowie Lines and Veils für die Behandlung gewisser negativ behafteter Themen. Der Fokus auf diese sozialen Aspekte im Pen-and-Paper ist lobenswert und gehört definitiv in einen Ratgeber für Neulinge.

E wie Erscheinungsbild

Für den Pen-and-Paper Ratgeber wurde ein quadratisches Hardcover-Format gewählt. Der Einband erinnert mit der rötlichen Leder-Optik an ältere Wälzer, in denen Wissen verborgen ist. Die Aufschrift sowie eine goldene Umrandung auf dem Buchdeckel sind leicht hervorgehoben, was für zusätzliche Haptik sorgt. Alle wichtigen Begriffe sind alphabetisch zum Nachschlagen im Inhaltsverzeichnis zu finden. Auf einen Index für weitere Themen wurde verzichtet.

Die abwechslungsreichen Bilder zeigen die Bandbreite im Pen-and-Paper.

In den einzelnen Kapiteln finden sich jede Menge Bilder unterschiedlicher Art. Dazu zählen Logos von Firmen, Titelseiten verschiedener Rollenspielsysteme, Symbolbilder, Beispielcharaktere, Szenen aus Videospielen und vieles mehr. Auch Spielrunden aus verschiedenen Streams werden abgebildet. Auf jeder der 187 Seiten ist wenigstens ein Foto zu sehen, was den sonstigen Textfluss deutlich auflockert. Am Ende des Buches befindet sich ein Bildnachweis.

Für die bessere Übersicht sind einzelne Wörter im Text fett markiert, was beim schnellen Nachschlagen hilft. Die Schriftgröße im gesamten Ratgeber ist einheitlich, was ebenfalls den Lesefluss unterstützt. Positiv hervorzuheben ist außerdem die inklusive Sprache in Form von Gendersternchen, die im gesamten Buch verwendet wird.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Lappan Verlag
  • Autor*in(nen): Steffen Grziwa
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 187
  • ISBN:987-3-8303-3668-6
  • Preis: 16,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo,

 

F wie Fazit

Das ABC der Rollenspiele möchte Neulingen das Thema Pen-and-Paper näherbringen. Dafür wird auf den 187 Seiten eine Menge an Wissen in 38 Kapiteln vermitteln. Autor Steffen Grziwa gibt auf Basis seiner eigenen Erfahrungen aus 20 Jahren Rollenspiel Einblicke in die Szene. In einem eher lockeren Ton wird erzählt, welches die bekanntesten Systeme im deutschen Raum sind und was es darüber hinaus noch alles gibt. Der Ratgeber stellt verschiedene Entwicklungen im Hobby vor, von den historischen Anfängen in 1974 mit Dungeons and Dragons bis zu aktuellen Phänomenen wie Online-Spielrunden von Critical Role.

Magie und Zauberei sind Kernelemente in vielen Rollenspielen.

Die Lesenden werden mit Beginn der ersten Seite an die Hand genommen, und lernen die nötigsten Grundbegriffe kennen. Im Buch finden sich immer wieder Möglichkeiten und Vorschläge, wie die eigene Spielrunde gestartet, gestaltet und verbessert werden kann. Im Fokus, das wird regelmäßig vermittelt, steht hierbei der Spaß. Lobend hervorzuheben ist die Wahl von inklusiver Sprache sowie die Vorstellung verschiedener sozialer Elemente wie Feedback-Gesprächen und Safety Tools, damit alle am Tisch sich wohlfühlen.

Beim Text wurde mit hervorgehobenen Begriffen und der Aufteilung in alphabetische Kapitel auf den Lesefluss geachtet. Aufgelockert werden die Abschnitte durch ein bis mehrere Bilder auf jeder Seite. Einen einheitlichen Stil gibt es nicht, dafür ist die Varianz an Themen zu groß. Wer als erfahrene*r Rollenspieler*in Neulingen gerne helfen möchte oder selbst neu in das Hobby hineinschnuppern will, bekommt für den Preis einen soliden Ratgeber an die Hand.

  • Übersichtlich, viele Tipps und Bilder
  • Safety Tools vorgestellt
  • Rundumschlag zum Hobby
 

  • Vereinzelt bessere Begriffe möglich

 

Artikelbilder: © Lappan Verlag, © depositphotos Autor: Maugli
Layout und Satz: Andreas Hübner
Lektorat: Sabrina Plote
Fotografien: Andreas Schellenberg

Dieses Produkt wurde privat finanziert.

3 Kommentare

  1. Die Gendersternchen haben mich ehrlich gesagt vom Kauf abgehalten. Ich verstehe dieses Verunstalten von erklärenden Texten nicht, gerade solche, die große Interaktion zwischen den Spielern beschreiben, sowas ist einfach nur anstrengend.
    Bei Rezensionen wie diesem Text, kann ich es noch überlesen, ein „Spieler*innen“ stört mich da nicht so sehr, wie in einem ganzen Buch.

    Safetytools habe ich nie ganz verstanden, aber ich bin auch spät ins Hobby eingestiegen und habe nie mit sehr jungen Spielern gespielt, die so manches doch einmal überfordern könnte… wobei ich dann als Spielleiter von vornherein entschärfen würde.
    Im Falle von von erwachsenen Spielern, würde ich einfach erwarten, dass man Trigger anspricht, da brauche ich keine Tools.

    Ansonsten ist das Buch eine schöne Idee, nur eben nichts für mich.

    • Hallo Jo.Ko.,
      danke für den Kommentar! Safetytools sind gerade für neue Gruppen und Konstellationen ein schönes Mittel, um den Spaß am Spieltisch zu garantieren. Ich selbst leite gerne Horror-Systeme, in denen es teilweise sehr morbide zugehen kann. Dabei kann ich den Leuten am Tisch nicht in den Kopf schauen. Lines and Veils sind eine gute Möglichkeit, die vorher besprochenen Grenzen (Beispiel: Die Gruppe verletzt keine Kinder) einmal zu sammeln und dann bei kurzem Hinweis zu reagieren, wenn das Thema doch auftreten sollte. Nicht immer fühlen sich Menschen gut dabei, gewisse Dinge offen vor einer Gruppe anzusprechen. Das soll mit den beschriebenen optionalen Regeln wie einer X-Karte umschifft werden. In fest etablierten Runden, in denen alle ihre Grenzen bereits kennen, wird das weniger Anwendung finden.

      Bezüglich Gendern empfinde ich es nicht als verunstaltend, einen Text so zu formulieren, dass er alle Personen inklusiv ansprechen soll. Gerade, wenn er neue Menschen in das Hobby führen soll. Im privaten Gebrauch hätte ich persönlich Formulierungen wie „Spielende“ bevorzugt. Ich kann mit der Entscheidung des Autors jedoch leben.

      • Ich persönlich würde kein Horror-System spielen, wenn ich mit bestimmten Elementen nicht klar käme, dafür gibt es genug andere Generes, die man bespielen kann. Man kann natürlich im Vorfeld darüber reden, was man nicht möchte, aber im klassischen Fantasy bin ich da doch viel flexibler, da ich nichts wegstreichen muss, was Kern der Fantasy ist.
        Wenn ein Spieler die X-Karte verwendet muss das Thema doch angesprochen werden, oder nicht? – Ich hätte die Befürchtung, dass das zu Frust bei den anderen Spielern führt, wenn die Karte zu oft verwendet wird. Auch hier: Vorher absprechen, das nimmt dem Spiel dann später nicht den Fluss. – Aber ich habe keine Erfahrung damit, es sind nur Befürchtungen.

        Inklusiv ansprechen mag noch okay sein, aber erklärende Texte, die komplexere Regeln mit Interaktion zwischen verschiedenen Spielern beschreiben, werden so unnötig kompliziert.
        Also „Alle ansprechen, aber viele verstehen es nicht“ scheint mir unsinnig, zudem habe ich nicht den Eindruck, dass man damit mehr Leute anspricht, ich kenne nicht einen einzigen Menschen persönlich, der sich davon mehr abgeholt fühlt.

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