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Papier, Stifte, Akten, Seiten – ungewöhnliche Ressourcen warten in Bücher der Zeit darauf, eingesetzt zu werden, um jeweils seine eigene Geschichte zu schreiben. Wie viel bleibt vom Thema übrig? Oder ist es am Ende ein weiteres Eurogame mit Gimmick und ohne wirkliches Thema?

Das harte KLACK beim Öffnen und Schließen der „Bücher“ erinnert mich an meine Schul- und Studienzeit. Die Idee, echte Klammern zu verwenden, wie man sie sonst nur aus Aktenordnern kennt, war für mich auf jeden Fall ein Novum im Brettspielebereich und erzeugt allein dadurch Interesse. Aber Anfangsinteresse ist nicht genug, um ein gutes Spiel erkennen zu können. Entsprechend haben wir uns das Spiel genauer angeschaut.

Triggerwarnungen

keine typischen Trigger

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Spielablauf

Die ein bis vier Spielenden erhalten jeweils drei Bücher – Industrie, Wissenschaft und Handel. In diesen sind zu Spielbeginn zwei immer gleiche Seiten enthalten. Außerdem erhalten sie jeweils einen Satz aus Bonuskartenstapeln – einen pro Buchfarbe.

Daneben gibt es noch die allgemeine Chronik, die auf einem Podest aus Pappe neben das Spielfeld gelegt wird und den Rundenfortschritt anzeigt.

Die Auslage pro Person erfordert eine Menge Platz auf dem Spieltisch
Die Auslage pro Person erfordert eine Menge Platz auf dem Spieltisch

Zu Beginn jeder Runde wird hier eine Seite weitergeblättert und sobald das Ende der Chronik erreicht ist, endet auch die aktuelle Partie von Bücher der Zeit. Die Spielenden sind in jeder Spielrunde jeweils einmal am Zug und führen eine der sechs stets gleichbleibenden Aktionsmöglichkeiten aus. Zusätzlich darf eine der beiden sichtbaren Seiten aus der Chronik verwendet werden. Über die Aktionen erhält man neue Seiten für die eigene Auslage, schreibt diese in eines seiner Bücher, verwendet sichtbare Seitenpaare für die großen Effekte, blättert sie um für kleinere Effekte, schließt eines der Bücher, um wieder an die vorderen Seiten zu kommen, oder verwendet gesammelte Ressourcen, um auf den drei Fortschrittsleiten aufzusteigen.

Durch die Effekte der Seiten gelangt man an die Ressourcen von Bücher der Zeit: Stifte, Blätter und Ordner. Manchmal erlauben sie auch, Versionen anderer Aktionen zu nutzen, und verleihen so weitere Seiten oder Fortschritt auf den Leisten.

Bei der Auswahl der eigenen Aktion ist Timing oft eine interessante Frage. Denn das Schreiben von Seiten sowie der Fortschritt auf Leisten kann so oft wiederholt werden, wie man will und bezahlen kann. Also kann es durchaus sinnvoll sein, zu warten, bis man die Aktion direkt einige Male in Folge ausführen kann. Aber wie lange sollte gewartet werden, bis die besseren Seiten, die man schreiben will, dann verfügbar werden? Zu welchem Zeitpunkt schreitet man auf der Fortschrittsliste voran und wertet dann bestimmte Symbole in den Büchern aus? Wann überspringt man einen Bonus der Fortschrittsleiste, um das nächsthöhere Ziel auf den Bonuskarten zu aktivieren? Und schafft man das Ziel überhaupt, oder verbaut man sich die Möglichkeit, das niedrigere Ziel zu werten?

Es gilt jeweils nur das oberste Ziel eines jeden Stapels. Die darunterliegenden bringen mehr Punkte, sind aber schwerer zu erfüllen
Es gilt jeweils nur das oberste Ziel eines jeden Stapels. Die darunterliegenden bringen mehr Punkte, sind aber schwerer zu erfüllen

Gerade für die Ziele und die Fortschrittsleisten muss vorausgeplant werden. Im roten Buch, das den Handel symbolisiert, ist sogar die Reihenfolge der Seiten wichtig für die Erfüllung des eigenen Ziels, so dass es hier besonders schwierig – aber auch besonders lukrativ – ist, das Ziel zu erfüllen. Bei den Seiten gilt es stets abzuwägen, ob man sie auf Grund der Symbole, die man für seine Ziele benötigt, oder auf Grund der Effekte beim Schreiben oder Umblättern auswählt. Wenn man Glück hat, passt beides zusammen. Hat man aber Pech, kommt das eine Symbol, das man unbedingt benötigt, einfach nicht ins Spiel. Oder andere Spielende haben die entsprechenden Seiten schon für ihre Zwecke an sich genommen.

Dieser Punkt ist auch der einzige Moment der Interaktion: Die gemeinsame Auslage an Seiten, aus denen ausgewählt wird. Jegliche Effekte von Seiten, Ziele, Boni und so weiter sind nur auf die eigene Situation bezogen und es ist irrelevant, wie die Bücher der anderen aussehen. Wir haben also einen weiteren Vertreter der Multiplayer-Solitaire Spiele vor uns, die sich in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit erfreuen. Wie bei vielen ähnlichen Spielen leidet der Spielspaß von Bücher der Zeit mit steigender Anzahl der Spielenden genau unter diesem Faktor. Die Züge der anderen sind für das eigene Spiel einfach nicht relevant genug, dass es spannend ist, diesen zu folgen. Da die Züge Potenzial für Analyse-Paralyse bieten, kann es zu gehöriger Downtime zwischen den eigenen Zügen kommen. Im vorliegenden Fall ist das so gravierend, dass die Community-Wertung auf BoardGameGeek das Spiel sogar nur für 1-3 Spielende überhaupt als spielbar erachtet, wobei zwei die ideale Zahl zu sein scheint. Dem folge ich in meiner Bewertung nicht ganz. Es ist zu viert spielbar, und zu dritt hält sich die Downtime noch hinreichend in Grenzen. Ich stimme jedoch zu, dass es mit steigender Spieler*innenanzahl weniger Spaß macht, so dass ich es zu viert nicht unbedingt empfehlen würde.

Die Spielzeit ist nahezu linear von der Anzahl der Spielenden abhängig. Grob waren es 30 Minuten pro Person in unseren Testspielen, in der ersten Partie natürlich länger. Aber mit hinreichend Erfahrung wird Bücher der Zeit auch zu dritt wohl in gut einer Stunde spielbar sein.

Durch die zufälligen Seiten der Chronik und das zufällige Auftauchen der verfügbaren Seiten bietet Bücher der Zeit eine gewisse Varianz. Die drei verschiedenen Bücher haben unterschiedliche Stärken, was unterschiedliche Strategien ermöglicht. Diese bleiben am Ende aber relativ ähnlich. So  ist zwar ein gewisser Wiederspielanreiz vorhanden, wirklich viel Neues gibt es aber pro Partie nicht. Eine hohe Anzahl Partien wird nur für solche Gruppen interessant sein, die sich wirklich tief in ein Spiel einarbeiten und jedes letzte bisschen Optimierung herausholen wollen.

Ausstattung

Dreh- und Angelpunkt von Bücher der Zeit sind natürlich die Bücher selbst. Diese bestehen aus Ringbindern sowie jeweils einer Pappplatte als Front und Rücken der Bücher. Das wirkt nicht nur optisch ansprechend, sondern ist auch mechanisch robust. Die Seiten, die man nach und nach in die eigenen Bücher einbaut, sind sehr dünn. Das Artwork ist passend aber sticht nie hervor. Etwas unpraktisch ist das Format der Seiten. Um genug Platz für Artwork und alle Symbole in ausreichender Größe zu bieten sind sie deutlich größer als normale Spielkarten. So groß, dass sie für Menschen mit kleinen Händen beim Mischen zu einer echten Herausforderung werden.

Die Pappkarten für die Sonderziele und Pappmarker für Ressourcen sind aus robuster Pappe.

Insgesamt enthält Bücher der Zeit zwar nicht übermäßig viel Material, aber durch das Papppodest und die Bücher ist es nicht ganz einfach, dieses in der Schachtel unterzubringen.

Bücher der Zeit ist derzeit im Onlinehandel leider nur über wenige Quellen verfügbar, was zu weniger Konkurrenzdruck beim Preis führt. Hierdurch ist dieser leider auf einem Niveau, der für das gebotene Spielmaterial erstaunlich hoch ist.

 

Die harten Fakten:

  • Verlag: Giant Roc
  • Autor*in(nen): Filip Głowacz
  • Illustrator*in(nen): Zbigniew Umgelter, Aleksander Zawada
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 60-90 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4
  • Alter: 10+
  • Preis: 55 EUR
  • Bezugsquelle: Direkt beim Verlag oder in der Spiele-Offensive, lokaler Fachhandel

 

Bonus/Downloadcontent

Weder beim Verlag Giant Roc noch bei der Spiele-Offensive, über die das Spiel finanziert wurde, ist das deutsche Regelwerk online verfügbar. Bei BoardGameGeek findet man jedoch die englische Regel zum Herunterladen sowie eine FAQ, Diese findet sich auch beim englischen Originalverlag Board&Dice.

Etwas kurios: Eine Regel ist bei der Übersetzung ins Deutsche verändert worden. Hierdurch wird die Aktion Seiten umblättern in der deutschen Fassung erheblich schwächer als es der Fall sein sollte.

Fazit

So generisch wie das Artwork auf der Schachtel war leider auch das Spiel selbst
So generisch wie das Artwork auf der Schachtel war leider auch das Spiel selbst

Geschichte schreiben mal anders – statt große Taten zu vollbringen, werden in Bücher der Zeit wortwörtlich Bücher gebaut. Nach und nach fügen wir drei Büchern Seiten hinzu, um so unsere persönliche Geschichte zu erschaffen, oder besser gesagt unsere Engine, und dabei Symbole in unseren Büchern zu sammeln. Denn auch wenn das Ganze optisch nach Büchern aussieht, bleibt thematisch relativ wenig übrig, wenn man sich Bücher der Zeit einmal genauer ansieht. Wenn wir den Titel des Spiels mal in seine Einzelteile zerlegen, sind die Bücher wenigstens im Material noch zu finden. Der Faktor der Zeit / Geschichte hingegen ist im Spiel faktisch nicht vorhanden. Vielmehr handelt es sich bei Bücher der Zeit um ein ziemlich abstraktes Eurogame, bei dem die Spielenden zwar am gleichen Tisch sitzen, aber im Grunde genommen nicht viel mit einander zu tun haben – außer auf das Ende der anderen Spielzüge zu warten.

Es gilt, in einer begrenzten Anzahl Spielzüge die eigenen Punkte zu optimieren, indem Ressourcen gesammelt, umgewandelt und eingesetzt werden, um die richtigen Symbole zu sammeln, die wir für unsere Ziele brauchen. Diese genau sechzehn Spielzüge sind es auch, die dafür sorgen, dass die eigentliche Engine nur selten wirklich nutzbar ist – das Spiel ist einfach zu kurz konzipiert, als dass man einzelne Seiten mehr als zwei Mal nutzen wird.

Es muss vorausschauend geplant werden, was viel Überlegen erfordert und damit zu Analyse-Paralyse führen kann. Für Runden, die gerne auch das letzte bisschen Optimierung aus einem Spiel quetschen, kann das funktionieren – leider werden diese von dem relativ hohen Zufallsfaktor im Auftauchen der Symbole abgeschreckt werden, da dies das Vorausplanen erschwert bis unmöglich macht. Am Ende bleibt also ein Spiel, dass ein paar Mal durchaus interessant ist, aber außer dem optischen Gimmick der Bücher nicht viel bietet, um aus der Masse hervorzustechen oder dauerhaft Spaß zu bieten.

  • Schönes Spielmaterial
  • Mechanismen greifen gut ineinander Hoher Zufallsfaktor

 

  • Keine Interaktion
  • Hoher Zufallsfaktor
  • Thema aufgesetzt

Titelbild/Artikelbilder: © Giant Roc
Layout und Satz: Kai Frederic Engelmann
Lektorat: Susanne Stark
Fotografien: Holger Christiansen

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