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Ökosysteme – dem echten geht es immer schlechter, aber in Spielen erfreut sich das Thema großer Beliebtheit. Vor Kurzem erschien mit Erde ein weiterer Titel, in dem es gilt, ein Ökosystem aufzubauen. Kann es sich aus der Masse ähnlicher Spiele hervorheben?

Es fing damit an, dass wir den Mars kolonisieren wollten. Terraforming Mars – in der normalen Version, nur mit Karten in der Ares Expedition oder in Kürze auch als würfelgesteuerte Variante. In hoher Schlagzahl folgten weitere Spiele, die sich mit Ökosystemen, Habitaten von Tieren oder Natur allgemein beschäftigen.

Aufbau für drei Personen.

Nicht wenige davon gewannen Preise, wie etwa Flügelschlag oder Cascadia, die Kennerspiel bzw. Spiel des Jahres werden konnten. Arche Nova schaffte es „nur“ auf die Empfehlungsliste zum Kennerspiel des Jahres, aber auch das war für ein Spiel dieser Komplexität mehr als beeindruckend. Der Themenkomplex Natur dominiert mit Titeln wie diesen seit einigen Jahren die Spieleszene. Umso überraschender erscheint es, dass es dennoch immer wieder neuen Spielen mit ähnlichem Thema gelingt, Aufsehen zu erregen. Aktuell ist Erde (im Original ebenso generisch: Earth) in Spielerkreisen in aller Munde.

Spielablauf

Die ein bis fünf Spielenden in Erde versuchen jeweils, ein möglichst erfolgreiches Ökosystem aus verschiedenen Pflanzen zu schaffen. Dazu wird im Verlauf des Spiels fruchtbare Erde generiert. Diese wird dann ausgegeben, um Karten in ein jeweils eigenes 4×4-Felder großes Raster zu legen. Auf diesen Karten wiederum pflanzen wir Sprossen und Stämme. Nebenbei werden dann noch unnütze Karten kompostiert. All das immer mit einem Blick auf die Ökosystem- und Faunakarten der aktuellen Partie, denn über diese gilt es, wertvolle Bonuspunkte zu ergattern.

Zu Beginn erhalten die Spielenden jeweils eine Insel- und eine Klimakarte. Diese sind beidseitig und bei jeder der beiden wird sich für eine der beiden Seiten entschieden, wodurch Startfähigkeiten und -ressourcen bestimmt werden. Danach wird das Spiel in Runden gespielt, bis jemand die sechzehnte Karte auslegt und damit das eigene Spielfeld komplettiert. Dann wird die aktuelle Runde noch zu Ende gespielt und es erfolgt die Endwertung.

Im eigenen Zug wird jeweils eine von vier Aktionen gewählt und ausgeführt. Die anderen Spielenden erhalten dann jeweils eine deutlich schwächere Version der gewählten Aktion. Die Aktionen bringen entweder Karten ins Spiel oder generieren in unterschiedlichen Kombinationen die Ressourcen des Spiels – Erde, Sprossen, Wachstum, Kompost und Handkarten.

Auf dem eigenen Tableau liegen nicht nur individuelle Startkarten, sondern es sind auch die Aktionen abgebildet.

Anders als bei anderen Spielen wie Puerto Rico oder Villages of Valeria ist in Erde der „Bonus“ dafür, dass man die Aktion selbst nimmt, ungleich größer. Als Beispiel kann man fünf Erde erhalten und zwei Karten kompostieren, wenn man selbst die entsprechende Aktion wählt, während die anderen sich entscheiden dürfen, zwei Erde zu bekommen oder zwei Karten zu kompostieren. Nicht unterschätzt werden darf dabei jedoch, dass nach der eigentlichen Aktion alle ausliegenden Karten der entsprechenden Farbe ebenfalls aktiviert werden dürfen und dann weitere Ressourcen generieren oder eine Ressourcenart in eine andere umwandeln. Hierbei ist die Reihenfolge, in der die Karten in der eigenen Auslage liegen, zu beachten, so dass beim Bau entsprechend geplant werden muss.

Handkarten und Erde können in beliebiger Menge gesammelt werden, während Sprossen und Wachstum stets auf Florakarten platziert werden müssen, wo sich jeweils nur begrenzt Platz für diese befindet. Dafür sind Erde und auf der Hand verbliebene Karten am Spielende allerdings auch nichts wert, die anderen Ressourcen hingegen schon. Wir fühlten uns an Handkarten und Nahrung beziehungsweise Eier und untergeschobene Karten in Flügelschlag erinnert.

Das Spielprinzip von Erde ist simpel und mit Spielmaterial zur Hand in fünf, maximal zehn Minuten erklärt und schon nach wenigen Zügen von den meisten Spielenden komplett verstanden. Diese Einfachheit täuscht allerdings etwas, denn auf den Karten befinden sich derart viele unterschiedliche Symbole und Eigenschaften, dass es auch Expert*innen nicht immer sofort gelingen wird, zu erkennen, welche Karte man wann und wo am besten platziert. Hier lassen sich sehr starke Ketten aus Effekten bauen, aber wenn die Reihenfolge der Karten falsch ist, kann das auch schief gehen: Ressourcen werden produziert, für die kein Platz mehr ist, oder es werden welche benötigt, die erst später im Zug erzeugt werden. Bedenkt man dann, dass es auch noch eine ganze Reihe Karten gibt, die sich auf umliegende Karten, die Reihe oder die Spalte beziehen, wird es noch einmal komplexer. Analyse-Paralyse kann in Erde durchaus vorkommen, wenn Spielende dazu neigen, alles perfekt optimieren zu wollen!

Dieser Ausschnitt der Anleitung zeigt sehr gut, wie viele Informationen übersichtlich auf einer Karte Platz finden.

Für die erste Partie, oder generell für Runden, die ein simpleres Spiel wünschen, gibt es eine Einstiegsvariante, in der ein Teil der Sonderwertungen (Ökosysteme) nicht verwendet wird und die anderen Sonderwertungen (Faunakarten) immer gleich viele Punkte bringen. Im normalen Spiel bringen sie mehr, je weniger Leute vorher die gleiche Karte erfüllen konnten.

Durch eben diese Ökosystem- und Faunakarten sowie die unterschiedlichen Startkarten unterscheiden sich die Partien von Erde voneinander. Eine Strategie, die in einer Partie sehr stark ist, muss in der anderen nicht ebenfalls sinnvoll sein. Die hohe Varianz in den verfügbaren Karten erhöht die Wiederspielbarkeit ebenfalls.

Was die Personenanzahl angeht, funktioniert Erde am besten mit drei oder vier Spielenden. Das liegt vor allem daran, dass der Unterschied dazwischen, ob man eine Aktion selbst nimmt, oder an dieser bei anderen partizipiert, so groß ist. Zu zweit ist man selbst zu oft an der Reihe, und bei fünf kann es zu oft passieren, dass zu viele Aktionen in Folge genommen werden, die das eigene Spiel nicht fördern, was dann zu Frust führen kann.

Da es neben dem Rennen um die Faunakarten und der Partizipation an den Aktionen anderer keine weitere Interaktion in Erde gibt, ist eine zu große Runde ebenfalls nicht ratsam.

Einen Solo-Modus gibt es ebenfalls, aber diesen haben wir nicht getestet, weshalb wir hierzu nichts berichten können.

Ausstattung

Die Karten in Erde zeigen Fotos echter Tiere, Pflanzen, Landschaften, und so weiter – bei Terraforming Mars noch viel gescholten, sind es hier stimmige Bilder, die gut zum Spiel passen. Gerade auf den Florakarten befinden sich eine ganze Menge Symbole, aber es ist gut gelungen, diese dennoch halbwegs übersichtlich zu halten, so dass die wichtigsten Eigenschaften auf den ersten Blick klar werden. Die Karten sind von ordentlicher Qualität.

Das restliche Spielmaterial ist durchwachsen. Gerade die Stämme und Kronen, die durch Wachstum generiert werden, sind zwar aus Holz statt Plastik, jedoch sind sie auch recht uneinheitlich, so dass große Stapel aus ihnen schnell instabil werden. Und wenn sie einmal umfallen, ist es fast unmöglich, nachzuvollziehen, wo sie hingehören.

Erde wird in der Retail-Variante durch Pappmarker dargestellt. Im Kickstarter erhielt man stattdessen Holzmarker. Bei diesen gibt es allerdings nur eine Größe, während es bei der Pappe einzelne und Fünfer gibt, was große Mengen sinnvoller darstellbar macht.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Skellig Games
  • Autor*in(nen): Maxime Tardif
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 60-90 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4 5
  • Alter: 12+
  • Preis: ca. 47 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Homepage des Spiels bei Skellig Games gibt es neben den deutschen Regeln auch einen Wertungsblock zum Herunterladen. Auf der Seite finden sich auch ein paar Videos zur Erklärung des Spiels sowie Errata zu einer Handvoll Karten.

 

Apropos Errata: Bei BoardGameGeek gibt es eine inoffizielle FAQ, die ein paar Karten und Dinge erklärt, die etwas unklar formuliert sind. Diese ist aktuell leider nur auf Englisch erhältlich.

Fazit

Erde ist ein faszinierendes Spiel und das Neueste aus einer Reihe von Spielen mit ökologischen Themen, die aktuell beliebt zu sein scheinen. Es werden auch hübsche Bilder verwendet, Pflanzen gepflanzt, und so weiter – aber am Ende fühlt sich das Ganze dann doch etwas generisch an.

Auf Grund des Karten-basierten Engine-Building wird es oft mit Terraforming Mars verglichen, hat mit diesem aber am Ende weniger gemeinsam als mit Spielen wie Flügelschlag oder Arche Nova. Genau zwischen diesen beiden würde ich es auch einsortieren: Wer das eine als etwas zu seicht und das andere als deutlich zu lang empfindet, wird an Erde große Freude haben.

Das Spielmaterial von Erde ist, wie bei einem ökologischen Thema zu erwarten, aus Naturmaterialien statt Plastik, was aber leider auch zu Ungenauigkeiten führt, die im Spiel störend sein können. Nimmt man dazu die Tatsache, dass bereits bei Auslieferung Errata zu einigen Karten existieren, deutet das alles nicht auf allzu große Sorgfalt bei der Produktion hin, was den Gesamteindruck etwas trübt.

Die große Beliebtheit, das aktuell gefragte Thema, und eine Komplexität, die für das Kennerspiel des Jahres im richtigen Rahmen liegt, machen Erde dennoch zu einem heißen Kandidaten für zumindest einen Platz auf der Auswahlliste zu diesem Preis.

  • Simple Regeln und dennoch erhebliche Tiefe

  • Aktuell gefragtes Thema

  • Kaum Downtime

 

  • Durchwachsenes Spielmaterial

  • Thema etwas generisch

  • Multiplayer-Solitaire

 

Artikelbilder: © Skellig Games
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Maximilian Düngen
Fotografien: Holger Christiansen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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