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Nach drei Jahren war es wieder so weit: Die Leipziger Buchmesse 2023 öffnete ihre Pforten. Vom 27. bis 30. April 2023 versammelten sich Buchliebende wieder an Ständen und Lesebühnen. Alles sollte wie vor Corona sein, aber war es das wirklich? Und wer gewann den Seraph?

Die Buchmesse in Leipzig hat unter der Coronapandemie gelitten: Sie wurde nicht nur 2020 virusbedingt ausgesprochen knapp abgesagt, sondern auch 2021 und 2022. Einige hatten die Messe bereits für tot erklärt!

Die Massen strömen zur Leipziger Buchmesse 2023.
Die Massen strömen zur Leipziger Buchmesse 2023.

2023 sollte sie jedoch endlich wieder stattfinden und mit ihr die Manga-Comic-Con und das Lesefest Leipzig liest. In diesem Jahr wurde einiges geändert – allen voran der Termin. Die Leipziger Buchmesse findet traditionell Mitte März statt, doch 2023 wurde sie auf Ende April verschoben. Wahrscheinlich war die Hoffnung, bei einem etwas späteren Termin sei mit weniger aktivem Virusgeschehen und weniger Einschränkungen durch Schutzmaßnahmen zu rechnen.

Außerdem ist das Wetter im April oft etwas besser (und die Wahrscheinlichkeit für ein Schneechaos wie 2018 geringer), dann könnten sich Besucher*innen im Außenbereich der Messe besser verteilen. Das Wetter spielte, bis auf kleinere Regenschauer, mit. Ob jedoch das Wochenende vor dem 1. Mai eine gute Terminwahl war, sei nicht nur aufgrund der Parallelveranstaltungen wie ein Bundesliga-Spiel und ein Schlagerkonzert dahingestellt.

Doch trotz der Konkurrenz durch Helene Fischer und RB Leipzig konnte die Kombination aus Buchmesse, Manga-Comic-Con und den zahlreichen Lesungen 274.000 Menschen anziehen und damit gar nicht so viel weniger als 2019 (da waren es 286.000 Besucher*innen). In reinen Zahlen war die Messe also ein voller Erfolg.

Vertraut und verändert

Doch nicht nur der Termin war ein anderer, auch in den Hallen war einiges verändert. Die neue Anordnung von Ständen, Bühnen und Gängen hatte vielleicht ihre Ursache in Schutzgründen, was bis auf die Spender mit Desinfektionsmittel in den Toiletten dann die einzigen Maßnahmen gegen das noch immer kursierende Coronavirus wären. Masken waren freiwillig und wurden selten getragen.

Vielleicht sollten die veränderten Positionen aber auch kaschieren, dass weniger Ausstellende nach Leipzig gekommen waren und die Anwesenden oft kleinere Stände hatten als in den Vorjahren. So fehlte beispielsweise KDP, der Selfpublishing-Service von Amazon, ganz, während Branchengrößen wie die Verlagsgruppe Random House, zu der bekannte Verlage wie Heyne und Penhaligon gehören, ihre Stände verkleinert hatten. Doch auch mit etwas breiteren Gängen und mehr Lesebühnen ließ sich nicht verbergen, dass es weniger Ausstellende gab: Einige Teile der Hallen 1 und 5 waren sogar abgesperrt.

Neu auf der Buchmesse: ein Gamesroom.
Neu auf der Buchmesse: ein Gamesroom.

Zudem gab es andere, thematische Änderungen: Ein Teil der Manga-Comic-Con war aus Halle 5 in Halle 3 zur Phantastik geschwappt. Man konnte ohne Hallenwechsel an einem Duell Yu-Gi-Oh teilnehmen oder am Stand von Nintendo Splatoon 3 testen, bevor man sich zur Lesung auf einer der beiden Phantastik-Leseinseln oder in einem der zeltartigen Lese-Treffs aufmachte, am explizit ausgewiesenen Signierbereich auf ein Autogramm hoffte oder bei zahlreichen Kleinverlagen und Selfpublisher*innen stöberte.

Das neue Design der Leseninseln konnte dabei leider nur teilweise überzeugen. Sie waren in sich abgeschlossen und die Sitzsäcke stapelbaren Stühlen gewichen, letztlich saßen die Zuhörer*innen wie in einem großen Stand. Durch die abgeschlossenen Bereiche waren die Lesenden besser zu hören und es gab weniger akustische Überlagerungen der einzelnen Veranstaltungen, bei Autor*innen mit vielen Fans konnte es jedoch eng werden. Eventuell hätten solche Lesungen auf die große Bühne verlegt werden können.

Das neue Design der Leseinseln – Hier liest Christian von Aster.
Das neue Design der Leseinseln – Hier liest Christian von Aster.

Die große Bühne in Halle 3 war eine positive Neuerung. Hier fanden verschiedene Programmpunkte statt, von denen etliche auch online gestreamt wurden. Das Streaming etlicher Veranstaltungen sollte in Zukunft beibehalten werden, bietet es doch mehr Leuten die Möglichkeit, an diesen Ereignissen teilzuhaben.

Inhaltlich wechselte es auf der großen Bühne zwischen Diskussionsrunden über Preisverleihungen und Workshops bis zu einer Runde Live-Rollenspiel – oft phantastisch.

Bücher auf der Leipziger Buchmesse 2023

Auf der Leipziger Buchmesse gab es selbstverständlich auch Bücher. Durch den verschobenen Termin fehlten jedoch die Frühlingsneuerscheinungen, die teilweise bereits im März erschienen waren. Trotzdem ließen sich spannende neue Bücher kaufen und taschenweise wegschleppen.

Auch die Phantastik war stark vertreten, sie hatte sogar einen eigenen, extra ausgewiesenen Bereich in Halle 3 und, wie in den Vorjahren, eine entsprechende thematische Messebuchhandlung.

Das Angebot an Lesestoff war auch abseits der Phantastik reichhaltig, auch durch die große Vielfalt der Ausstellenden (Naziverlage werden leider immer noch zugelassen). Die Standkosten auf der Buchmesse in Leipzig sind niedriger als in Frankfurt, entsprechend waren etliche Kleinverlage und Selfpublisher*innen mit eigenem Stand vertreten und präsentierten die Phantastik in vielen Spielarten. Inhaltliche Trends ließen sich nicht aufstöbern, doch die Tendenz zu optisch ansprechenden, teils dekorierten Büchern ist ungebrochen.

Live-Rollenspiel? Ja, Live-Rollenspiel

Dieses ist nicht mit Larp zu verwechseln, es war tatsächlich eine Runde Pen-and-Paper mit einigen bekannten Autor*innen. Autor und Streamer Christoph Hardebusch leitete am Freitag zwei Stunden lang Die schwarze Katze, als Spielende schlüpften mit Anabelle Stehl, Liza Grimm, Markus Heitz und Mikkel Robhran vier online sehr aktive, rollenspielerprobte Autor*innen in die Rolle der sprechenden Katzen. Diese Veranstaltung zog einiges an Publikum an, manche wollten vielleicht nur sitzen oder ihre Stars sehen, doch viele haben sich über das Abenteuer der Samtpfoten offensichtlich sehr amüsiert.

Die schwarze Katze auf der großen Bühne.
Die schwarze Katze auf der großen Bühne.

Etwas mehr Einführung in Rollenspiel an sich wäre hier bestimmt eine gute Ergänzung gewesen, ebenso wie die Gelegenheit für das Publikum, die Würfelergebnisse zu sehen. Eine Möglichkeit, das gezeigte Rollenspiel selbst zu testen oder zu kaufen, hätte das Ganze besonders im Sinne der Nachwuchsförderung abgerundet. Offensichtlich steckt hier noch eine ganze Menge Potenzial drin!

Der Seraph 2023 

Auf der Leipziger Buchmesse wurde auch der Seraph verliehen. Dieser Preis wird seit 2012 für deutschsprachige Phantastik in den Kategorien Bestes Buch und Bestes Debüt vergeben, seit 2018 wird außerdem der Beste Independent-Titel ausgezeichnet.

In diesem Jahr fand die Verleihung nicht, wie in den Vorjahren, auf einer der Leseinseln statt, sondern auf der großen Bühne in Halle 3. Zusätzlich wurde die Veranstaltung im Livestream übertragen und war somit einem noch breiteren Publikum zugänglich.

Traditionell lasen die Preisträger*innen daraufhin auf der Langen Nacht der Phantastik aus den prämierten Werken. Zum ersten Mal dieses Jahr fand dieses Event im Anker in Leipzig statt, unter musikalischer Begleitung der Band Janus. Beides sorgte für eine außerordentlich gelungene Atmosphäre. Zu Gast als Lesende waren außerdem Markus Heitz, der einen Kurzgeschichten-Auszug über Vampire zum Besten gab, sowie der britische Autor Ben Aaronowitch, dessen Peter Grant-Reihe internationalen Erfolg feiert. Da dieser zuletzt auf die Bühne kam, war es schon spät. Sauer ist uns bei dieser Lesung aufgestoßen, dass der dem Autoren zur Seite gestellte Übersetzer kaum auf Deutsch wiedergegeben hat, was Aaronowitch auf seine Fragen geantwortet hat. Stattdessen kamen während der Übersetzung abwinkende Handbewegungen und Witzeleien – das ist unprofessionell und für diejenigen im Publikum, die nicht des Englischen mächtig sind, eine unnötige Barriere. Der ansonsten überragend schöne Abend wurde so zum Ende heraus etwas abgeschwächt.

Trotzdem hat der Seraph mit dieser größeren, gut besuchten Veranstaltung mit einem internationalen Gast deutlich gezeigt, dass die Phantastik nicht in irgendeine Ecke gehört, sondern auf die große Bühne.

2023 zeichnete die Jury die folgenden Bücher mit einem Seraph aus:

Kategorie Bestes Buch: Pantopia von Theresa Hannig (wir haben Pantopia rezensiert)

Kategorie Bestes Debüt: Medusa: Verdammt lebendig von Lucia Herbst

Kategorie Bester Independent-Titel: Der salzige Geschmack unserer Freiheit von Christopher Abendroth

Die Messe lebt

Letztlich bleibt der soziale Austausch der wichtigste Aspekt der Leipziger Buchmesse. 2023 war die Freude, bekannte Gesichter – teilweise nach Jahren – wiederzusehen, besonders groß. Auch nach Messeschluss kehrte in den Hallen auf zahlreichen Partys keine Ruhe ein, während andere in ganzen Gruppen zu verschiedenen Lesungen aufbrachen. Diese sind bei der Leipziger Buchmesse nicht wegzudenken und erfreuten sich auch in diesem Jahr großer Beliebtheit.

Ob die Messe in Zukunft eher eine Veranstaltung mit Bühnenprogramm, Buchhandlung und zahlreichen Lesungen wird statt einer Präsentation des Programms, bleibt abzuwarten. Tot ist sie jedoch keinesfalls, das hat die Leipziger Buchmesse 2023 deutlich gezeigt!

Artikelbilder: © Leipziger Messe / Tom Schulze 
Layout und Satz: Norbert Schlüter
Lektorat: Jessica Albert
Fotografien: Marie Mönkemeyer

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