Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Zum-Einschlafen-Leser*innen, Vielleser*innen und diejenigen, die praktisch in ihrem Bücherregal wohnen: Sie alle kennen das Phänomen. Lesen macht einfach keinen Spaß mehr. Kann man etwas dagegen tun? Gibt es ein Heilmittel? Oder bleiben die Türen nach Mittelerde, Narnia und Wunderland nun auf ewig verschlossen?

Irgendwann einmal kommt für jede*n Leser*in die Zeit, da Bücher eine einzige Pflicht sind. Kein Gefühl der Freude beim Gefühl von druckfrischem Papier oder dem Geruch alten Leims. Das Licht des E-Book-Readers brennt in den Augen und obwohl sowohl das digitale Bücherregal als auch das an der Wand prall gefüllt sind, ist einfach nichts zum Lesen da (und wenn etwas anderes behauptet ist, ist es eine Lüge).

Ich muss das aber noch lesen, das liegt schon so lange hier rum!

Musst du wirklich? Klar ist es schade, wenn das Geburtstagsgeschenk von vor drei Jahren gerade einmal angelesen wurde. Aber die Charaktere sind so platt, dass man sie ohne Probleme unter der Tür durchschieben könnte. Sie tropfen vor tausendmal gelesenen Klischees und mindestens die Hälfte ist so unsympathisch, dass man sie am liebsten ungespitzt in den Boden rammen würde. Darüber könnte man vielleicht hinwegsehen, wenn der Plot nicht so unsäglich langweilig wäre. Nichts an diesem Buch ist neu und es scheint all die alten Traditionen auf möglichst schlechte Art und Weise wiederzukäuen.

Zugegeben, gegen manche Pflichtlektüre kann man nichts machen. Da hilft wirklich nur Zähne zusammenbeißen und durch. Aber umso wichtiger ist es doch, dass Freizeitlektüre Spaß macht.

Leseunlust Deluxe

Angenommen, es geht nicht um Bücher, die du für Schule, Arbeit oder Studium lesen musst, sondern solche, denen du dich in deiner Freizeit widmen kannst (und willst). “Aber Vanessa, es ist ganz egal, welches Buch ich in die Hand nehme. Irgendwie sind die alle doof!“. Okay, das passiert. Welche Bücher sind es denn, die du zu Hause liegen hast? Geschenke? Spontankäufe, weil der Klappentext okay klang, das Cover schön aussah oder sie dir empfohlen wurden mit den Worten „Das musst du gelesen haben“?

Wer zwingt dich denn, diese Bücher zu Ende zu lesen? Wenn du keinen Spaß daran hast, dann lass es sein. Versuch es in ein paar Wochen, Monaten noch einmal, wenn es dir wichtig ist, dieses Buch zu lesen. Wenn nicht: es ist keine Schande, ein Buch abzubrechen. Dasselbe gilt übrigens auch für Serien und Spiele. Verschenk es mit Anlass oder ohne oder stell es in einen der offenen Bücherschränke, die es immer mehr in Fußgängerzonen gibt. Auch BookCrossing ist eine witzige Idee, wenn du wissen möchtest, welchen Weg dein Buch in Zukunft geht. Mach jemand anderen damit glücklich, wenn es dich nicht glücklich macht.

Und was jetzt?

Wenn du merkst, dass die Leseunlust dich gepackt hat, geh in einer ruhigen Minute in dich. Gibt es Gründe, dass du gerade nicht genug zu Ruhe kommst, um ein Buch wirklich zu genießen? Ein Beispiel: Im Mai und Juni war ich ziemlich gestresst. An der Arbeit war eine Menge los, ich schrieb an meiner Masterarbeit, mit der ich viel zu spät begonnen hatte (Aufschieberitis lässt grüßen), und Corona trug auch nicht unbedingt zur Entspannung bei. Ich hatte mindestens vier angelesene Bücher herumliegen, die nichts mit meiner Masterarbeit zu tun hatten, und nicht eines davon schaffte es, mir etwas Ruhe und Entspannung zu verschaffen. Allerdings hatte ich das Gefühl, etwas lesen zu müssen, das nichts mit meinem Thema zu tun hatte. Bücher waren für mich immer eine Möglichkeit der Flucht und ich wollte nicht einsehen, dass das plötzlich enden sollte. Nicht dann. Nicht, wenn ich es dringend brauchte.

Also, was tun?

Comfort Food aus Tinte und Papier

Ganz einfach. Ich habe mir einen Roman vorgenommen, den ich schon kannte und gerne mochte. Einen, den ich beinahe in- und auswendig kannte und der es bisher immer geschafft hat, mich in seinen Bann zu ziehen. Bei dem ich sowohl Charaktere als auch Plot mag. Kurz gesagt, Milchreis mit eingelegten Kirschen zwischen zwei Buchdeckeln.

Klar weiß ich schon, was passiert, und es gibt wenig Überraschungen. Das bedeutet aber nicht, dass es nichts Neues zu entdecken gibt. Noch ein Vorteil: dadurch, dass ich die Charaktere und den Plot bereits kenne, muss ich nicht wahnsinnig aufmerksam sein, wenn ich zwar lesen möchte, meine Gedanken aber immer wieder abschweifen. Und dennoch werde ich am Ende ein Buch gelesen haben, was mir hoffentlich die Ruhe gibt, die ich gesucht habe. Und vielleicht gibt es mir auch die Entspannung und Motivation, mit einem unbekannten Buch zu beginnen.

Der Kreislauf des Lesens

Zeiten, in denen Lesen sich mehr nach Arbeit als Vergnügen anfühlt, gibt es immer wieder; komplett wird sich das leider nicht vermeiden lassen. Das Wichtigste ist dann, meiner Meinung nach, die Leselust nicht völlig zu verlieren. Egal, ob das bedeutet, das alte Lieblingsbuch zum elften Mal zu lesen oder in ein ganz anderes Genre hineinzuschnuppern als das, was du üblicherweise liest.

Oder auch einfach mal eine Lesepause einzulegen und die Bücher dort zu lassen, wo sie gerade sind: im Regal, auf dem Nachttisch, auf dem kleinen Sims hinter der Toilette. Dich nicht unter Druck setzen zu lassen, wenn lesetechnisch gerade einfach nichts geht. Es kommt der Tag, wenn dir entweder das Buch in die Hände fällt und dich fesselt wie keines zuvor – oder zumindest wird es sich so anfühlen. Oder der Stapel ungelesener Bücher weckt doch wieder mehr deine Neugierde als dein Pflichtgefühl.

Was auch immer es ist, was dich vom Lesen abhält, versuch nicht, etwas zu erzwingen, wenn das für dich nicht funktioniert. Und vielleicht sind es ja gerade die alten Kinder- und Jugendbücher, die die Lust am Lesen zurückgeben können. Ich wünsche dir zumindest, dass es funktioniert und du bald wieder in neue (und selbstverständlich auch alte) Welten eintauchen kannst.

Und wenn du dann soweit bist, dass du wieder Lesefutter brauchst oder Lust auf Neues, Unbekanntes hast: nun, du weißt, wo du regelmäßig Leseempfehlungen bekommen kannst.

 

Artikelbilder: © aaron007, © Dirima, © yulan | depositphotos.com
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Nina Horbelt

1 Kommentar

  1. Hallo,
    ein schöner Artikel, Danke.
    Eine ähnliche Erfahrung habe ich gerade gemacht.
    Eigentlich liebe ich Bücher, aber in den letzten Monaten hat mich nichts interessiert oder angesprochen. Sogar meine Lieblings-Mangareihe konnte mich nicht locken.
    Ich habe dafür aber viele Serien geschaut. Und am Anfang fand ich es irgendwie nervig, dass ich so uninteressiert an Büchern war.
    Aber gerade letzte Woche dacht ich so. „Ach, dieses Buch aus deinem SUB könntest du ja mal anschauen.“ Und schwupp war es durchgelesen. 😅
    Manchmal tut eine Pause vielleicht auch ganz gut.

    Liebe Grüße Jenny

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