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Gutes Rollenspiel nährt sich aus Konflikten. Ohne sie gibt es kein spielerisches Verhandeln über Probleme, ergo: Stillstand. Aber wie lassen sich kämpferische Konflikte spannend darstellen, ohne, dass jeder (Rollen-)Spielabend zum Dungeon Crawler wird, und was können Alternativen sein? Antworten versucht dieser Artikel zu geben.

Seien es geographische oder soziale Hürden, die ausgefochten werden wollen, oder sogar ein Kampf, den ein Charakter mit sich selbst austrägt. Unsere Figuren kämpfen im Rollenspiel fast ständig. Die ursprünglichste Art des Kampfes stellt dabei sicherlich das Gefecht, mit mal mehr mal weniger gepflegten Ausrüstungsgegenständen gegen mal mehr, mal weniger gepflegte Bandit*innen, dar. Aufeinandertreffen, Initiative, Kämpfen, Plündern, Weiterziehen ist oftmals die Devise. Aber eben jene Kämpfe in monate- ja jahrelangen Kampagnen spannend und aufregend zu halten, ist die viel größere – aber auch lohnendere – Herausforderung, als das Abspulen eines Schema F – oder K in diesem Falle.

Bloß nicht gegen Windmühlen kämpfen – Gründe für (und gegen!) Gefechte

Im Normalfall stehen die SC für ihre Überzeugungen oder persönlichen Motivationen ein, wenn sie kämpfen. Entweder freiwillig oder gezwungenermaßen, um sich aus einer Situation zu befreien, deren Ausgang (noch) ungewiss ist.

Erfahrungsgemäß sorgt eine Involviertheit, eine persönliche Motivation der SC für spannendere Kämpfe und gibt ihnen einen Grund, zu den Waffen zu greifen, was sich immer plastischer ausspielen lässt. So ist es sinnvoll, sich bereits bei der Charaktererstellung zu überlegen, was einen Charakter so provoziert, dass er kämpfen möchte oder wofür er bereit ist, potenziell den Charaktertod zu sterben.

Kampf oder nicht Kampf, das ist hier die Frage. © Depositphotos | info.zonecreative.it
Kampf oder nicht Kampf, das ist hier die Frage. © Depositphotos | info.zonecreative.it

Ein Kampf kann außerdem spieltechnisch eine Möglichkeit bieten, der bereits erwähnten unsteten Situation einen Twist und ein bis dato unbekanntes Ergebnis zu verpassen. Denn Kämpfe, deren Ausgang bereits klar ist, etwa, weil sie in der Vergangenheit stattfinden oder für den Abenteuer-Weitergang ein bestimmtes Ergebnis notwendig ist, sind mehr vertane Zeit – sowohl für SL als auch die SC – als gelebter Spielspaß. Gelüstet es so sehr nach Kampf, ist es sinnig zu überlegen, ob nicht ein liebevoll gebastelter Dungeon mehr bietet. Ein Kampf sollte nie notwendig sein, um im Abenteuer voranzukommen. Egal wie gut der* die Übeltäter*in der Gruppe einheizen könnte, schränkt es ein und beraubt die SC ihrer persönlichen Motivationen, wenn sie an bestimmte Informationen der Handlung nicht ohne einen Kampf kämen.

Dabei können Gefechte sehr wohl Hinweisgeber sein, sowohl inhaltlich als auch die Stimmung betreffend. Etwa wie die Gegner*innen ticken und was sie antreibt. Kann dies überzeugend im Kampf dargestellt werden – und zwar mit mehr als einem böse klingenden Grummeln – spart dies in späteren Dialogen Exposition, die unauffällig unter die SC gebracht werden will.

Es mag einer der wichtigsten Aspekte eines guten Kampfes im Pen-and-Paper sein, ihn nicht als reines Würfelspiel zu betrachten, sondern als eigene Szene. Es kann Kämpfe ungemein bereichern, weiter Umgebungen, Ausrüstung und Gegenüber zu beschreiben und für die SC genauso, ihre Handlungen auszuschmücken, anstelle zu sagen: „Ich greife mit Waffe xy auf diesen Gegner an und würfle Schaden.“ Hier bedarf es eines gegenseitigen Einverständnisses zwischen allen Beteiligten am Spieltisch, sich selbst, aber auch den anderen immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, nicht in den reinen Brettspielmodus zu verfallen.

Ein weites (Schlacht)Feld – Größe und Schwierigkeit(en)

Vor allem die Frage der Schwierigkeit der Gegner*innen, dürfte viele SL mal um mal beschäftigen. Muss zu Beginn einer Kampagne mit den SC umgegangen werden, als wären sie aus Porzellan, sind sie im Verlauf einer Abenteuer-Reihe oft unbesiegbare Superheld*innen mit Langeweile. Kämpfe sollten sich also am Level der Gruppe orientieren, aber dennoch keine stetig steigende Schwierigkeitskurve haben. Denn eine gewisse Ungleichheit im Kampf ergibt in den Regeln der meisten Spielwelten durchaus Sinn, da sie die Ungleichheiten ihrer selbst darstellen. Jedoch sollten sie nicht in Extreme verfallen, gar den Kampf überflüssig machen.

Eine Varianz in der Größe der Gegner*innen-Zahl ist genauso eine Einzelfall-Entscheidung, wie die Schwierigkeit. Generell bietet das Ausprobieren mit unterschiedlicher Gegner*innen-Anzahl die Chance, andere Stimmungen und auch andere Spielweisen zu erschaffen. Feldschlachten in Symbaroum fühlen sich beispielsweise anders an, als eine Schießerei in einer Gasse in Cthulhu und verfolgen auch andere Ziele, was Stimmung und Inhalt angeht. Eine gesunde Mischung, auch je nach Kampagne verhindert, dass sich die Gruppe zu sehr an eine Art gewöhnt.

Abwechslung in Gefechte bringen

Lage, Lage, Lage – Abwechslung durch Orte und Gegner*innenformen

Um ehrliche wie unehrliche Zweikämpfe spannend zu halten, kann eine gehörige Portion Experimentierfreude nicht schaden. Oft reichen schon kleinere Anpassungen an das bekannte Regelsystem oder einen allseits bekannten Gegner*innentypus, um eine völlig neue Herausforderung zu bieten und zu neuen Herangehensweisen zu verführen. Die größte Hürde für die SL stellt hierbei das mitunter schwierige Austarieren dar, Gegner*innen nicht zu stark oder zu schwach werden zu lassen. Oft helfen hierbei nur das eigene Bauchgefühl und das Ausprobieren im eigentlichen Spiel.

Ungewöhnliche Lokalitäten wie einsame Gebirgspässe, Sümpfe oder dichte Wälder bieten nicht nur Kapazitäten für versteckte Schätze und kauzige Eremit*innen-NSC, sondern auch die Art, wie gekämpft wird, zu verändern. Ist kein exotischer Hintergrund zu haben hilft ein schnelles Improvisieren; umgeschmissene Tavernen-Tische oder ein brennendes Wäldchen können ähnliche Folgen haben. Die Bewegungsfreiheit wird eingeschränkt, bestimmte Waffentypen lassen sich nicht mehr so effektiv einsetzen. So müssen die Spielenden umdenken und verlieren nicht so schnell das Interesse, den Kampf auszuspielen.

Außergewöhnliche Orte sorgen für außergewöhnliche Kämpfe. © Depositphotos | krotvdpo
Außergewöhnliche Orte sorgen für außergewöhnliche Kämpfe. © Depositphotos | krotvdpo

Missionstypen – Von Kurierfahrer*innen und Bodyguards

Mit Kniffen, wie sie auch in Videospielen verwendet werden, lässt sich zusätzlich Abwechslung in die etablierte Kampfform der „last party standing“ bringen. Anstelle so lange gegenseitig aufeinander einzudreschen, bis lediglich eine Seite übrigbleibt, kann beispielsweise mit verschiedenen „Missionstypen“ versucht werden, die Spieler*innen bei der Stange zu halten.

Missionstypen lassen sich wunderbar und einfach ins Rollenspiel übertragen. Zum Beispiel kann ein im bisherigen Abenteuer gerettetes Artefakt nun zum*zur Auftraggeber*in gebracht werden. Anstelle von den Kontrahent*innen zum Halt gezwungen zu werden und an Ort und Stelle zu kämpfen, kann es Ziel des Gefechts sein, einen Transport-Wagen mit dem Artefakt heil zum Ende er Karte zu manövrieren. Vielleicht eskortieren die Held*innen aber auch eine*n Adelige*n, der*die im Kampf beschützt werden will. Denn bekannte Muster zu umgehen, kann helfen, aus Routinen auszubrechen. Anstelle maximalen Schaden anzurichten, muss nun ausnahmsweise möglichst wenig Schaden angerichtet werden, um die Gegner*innen, die einen gewichtigen Ruf haben, nicht zu verletzen, weil ansonsten rechtliche Konsequenzen drohen.

After the war? – Abseits des Kampfes

Insgesamt sind die Geschichten, die sich aus Gefechten ergeben, ein nicht zu unterschätzender Faktor, dieselben abwechslungsreich zu halten. Mit richtigen und nachvollziehbaren Chancen, Risiken sowie Konsequenzen gehen Charaktere mit einer anderen Einstellung an die Kämpfe, wie auch aus ihnen heraus. Große Veränderungen, etwa ein*e Paladin*in, der*die im Kampf die Hand verliert, sollte nicht nur regeltechnische Auswirkungen haben, sondern auch nach dem Kampf zur Sprache kommen. Kämpfe bieten sich somit als Ausgangspunkt für neue Geschichten abseits des Schlachtfeldes an, die sich lohnen, auszuspielen.

Auch delikatere Themen, wie der Tod eines Charakters im Kampf und die damit einhergehende Trauerbewältigung oder die Auswirkungen von posttraumatischem Stress auf die Kämpfer*innen können – vorausgesetzt, alle in der Gruppe sind damit einverstanden, es auszuspielen – thematisiert werden. Sie können genauso Aufhänger für neue Szenen oder ganze Abenteuer sein, die ein bestimmtes Gruppenmitglied in den Fokus stellen und somit zu mehr Tiefe verhelfen. So kann aus dem Abziehbild eines kampfsuchenden Murderhobos eine zwar tapfer kämpfende Person, aber eben doch mit Sorgen und Ängsten werden. Diese können dann wiederum die Gruppe beschäftigen. Kampf ist nicht gleich Kampf, er stellt eine Weggabelung dar. Sie führt zu vielen neuen Geschichten, die eventuell auch ohne Kampf auskommen.

Mächtiger als das Schwert? – Alternativen zum Kämpfen

Für die Freund*innen des zivilisierteren Zeitvertreibs muss nicht in jedem Fall ein Waffengang anstehen. Oft bieten Systeme alternative Formen an, über Werte und Themen zu verhandeln. R.Talsorians Witcher aber auch die 2d20-Systeme von Modiphius (etwa Star Trek Adventures oder Dune) bieten beispielsweise Regeln für den sozialen Kampf an, für Ermittlungssysteme und wissenschaftliche Deduktionsmethoden. Aber egal ob jetzt ein*e Dorfschulz*in überzeugt, oder eine Anomalie spezifiziert werden muss, funktionieren sie im Grunde ähnlich: Der Kampf und seine Widersacher*innen werden auf eine eigentlich kampffremde Ebene abstrahiert und übertragen. Die Feind*innen stellen dann nicht mehr Ghule und Gangster*innen dar, sondern Worte, Argumente und Rätsel.

Somit müssen die Gefechte zwar nicht immer mit Waffengewalt ausgetragen werden. Es bleibt aber Geschmackssache, ob es für die eigene Gruppe notwendig ist, bestimmten, ehemals rein spielerischen Aspekten ein Regelkostüm überzustülpen, welches oftmals ja genauso einengend wirken kann, wie Kampfregeln. Denn obwohl viele Rollenspiele Regeln brauchen, steht nirgends geschrieben, dass alle angewendet werden müssen. Insbesondere bei Kämpfen spielt die Immersion eine noch größere Rolle als sonst. Schließlich will auch während der Initiative-Pausen mitgefiebert und -gedacht werden. Häufiges Nachschlagen und Verwirrung über die Umsetzung von mitunter unnötig komplizierten Sonderregeln führen zum Gegenteil. Letztendlich kommt es wie so oft auf die Gruppe an, wie viele Regeln sie ausspielen möchte. Im Zweifelsfall ist weniger – gerade zum System-Einstieg – mehr.

Fazit

Kämpfe und Gefechte halten im Idealfall das Rollenspiel spannend, indem es Spielende in neue Lagen versetzt und andere Wege anbietet, die liebgewonnen Charaktere auszuspielen und auszuarbeiten. Die gefährlichste Falle bei Kämpfen ist es, sie wie ein Brettspiel zu behandeln und den rollenspielerischen Aspekt aus den Augen zu lassen. Ohne die richtige Stimmung, die passenden Details kann ein Kampf ein Loch in die vielbeschworene Immersion beim Rollenspiel reißen.

Daher sind auch persönliche Motivationen und bedeutungsvolle Kämpfe wichtig, da sie nicht nur das Vorstellen der solchen vereinfachen, sondern weil sie ebenfalls Anknüpfungspunkte bieten, die Charaktere persönliche Dilemmata und Konsequenzen erleben zu lassen. Ein Blick abseits des Schlachtfeldes lohnt immer, auch in Anbetracht, ob nicht doch eine andere Art des Kampfes in Frage kommt.

Insgesamt betrachtet helfen Experimentierfreudigkeit und der Wille, neues auszuprobieren, Kämpfe nicht zum Krampf werden zu lassen.

 

 

 

Artikelbilder: © Deposithotos | zeferli@gmail.com
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Sabrina Plote

1 Kommentar

  1. Viel wichtiger als die angesprochenen Aspekte, sie vornehmlich das Innenleben der Personnagen betreffen, finde ich, wird Spannung in Konflikten (seien es Kämpfe oder Verhandlungen uvm.) durch das Wissen erzeugt, dass der Ausgang des Konflikts nachhaltig die Kampagnenwelt verändern wird:
    Können die Spieler einen Teilbereich des Mega-Dungeons sichern?
    Gelingt es den Personnagen, von ihrer Festung aus die Wildnis zu zähmen?
    Wird Sicherheit für die Handelswege erreicht?
    Muss sich ein Hauptgegner mit seinen Truppen komplett aus der Region zurückziehen?
    Das sind Erfolge, für die Spieler Risiken einzugehen bereit sind.

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