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Brettspiel als Hobby wird immer populärer und kommt langsam im vielbeschworenen Mainstream an. Da ist es nicht verwunderlich, dass der Markt an unabhängigen Brettspielschaffenden größer wird. Ein Trend, der auch der Videospielwelt und ihrer Vielfalt nicht geschadet hat, ganz im Gegenteil. Der Tabletop Creator hilft beim Erschaffen des entsprechenden Materials.

Wohl ein Großteil der Brettspielenden hat insgeheim oder ganz offen schon einmal über ein eigenes Spiel nachgedacht. In einem Atemzug genannt zu werden mit Eric M. Lang, Klaus Teuber oder Antoine Bauza, das hätte was. Eine kleine Fan-Erweiterung für das eigene Lieblingsspiel gestalten oder ein hübsches Print-and-Play für einen schönen Anlass zum Verschenken. Für alle diese Szenarien will der Tabletop Creator von Pixelatto Games eine Software-Lösung bieten.

Die Software ist zum Designen, Bearbeiten und teilweise auch Automatisieren aller erdenklichen 2D-Grafiken für Brettspiele geeignet: von Spielkarten über Marker und Token hin zu Spielbrettern. Es ist (noch?) nicht dafür gedacht, Würfel, dreidimensionale Spielsteine oder dergleichen zu erstellen. Kann das Programm dabei helfen, unseren Traum vom eigenen Spiel in greifbarere Gefilde zu rücken?

Features

Das Hauptmenü begrüßt mit einer sehr aufgeräumten Gesamtübersicht. Von dort erreicht man alle wichtigen Punkte sofort, inklusive des digitalen Handbuchs und dem sehr aktiven Discord-Kanal.

Das Hauptmenü
Das Hauptmenü

Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Software nur in englischer Sprache verfügbar, aber ein noch ausgegrauter Punkt in den Einstellungen zum Wechseln der Sprache zeugt vom Willen, die Software zu lokalisieren. Überhaupt sind die Einstellungen die empfohlene erste Anlaufstelle. Neben der Möglichkeit, einen Dark Mode einzustellen, helfen hier unter Performance einige Regler schwächeren Computern, indem beispielsweise die Vorschau von Grafiken runterskaliert wird. So kann man effektiver arbeiten.

Die Performance-Einstellungen
Die Performance-Einstellungen

Ansonsten finden sich erwartungsgemäß die Buttons für neue Projekte, Projekte laden und letzte Projekte. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, was mit der Software möglich ist, empfiehlt es sich auch, sich einmal die Demos anzugucken. Hier sind einige Klone von bekannten Spielen wie Cards against Humanity, UNO oder Magic – The Gathering, sowie einige Klassiker wie Memory, Poker oder Domino. Insbesondere die Klone der Magic-Karten sind zum Herumprobieren hervorragend geeignet, da dort viele der Einstellungs- und Gestaltungsmöglichkeiten von vornherein gegeben sind.

 

Navigation der einzelnen Bereiche

Sind wir erst einmal in einem Projekt, finden wir auf der linken Seite vier Hauptarbeitsbereiche. An oberster Stelle befinden sich die Blueprints. Hier kann man Vorlagen für den weiteren Arbeitsverlauf festlegen, also beispielsweise ein wiederkehrendes Layout für ein Karten-, Marker- oder Spielbrettset gestalten. Aktuell fehlt noch die Möglichkeit, Spielelemente in Hexform direkt anzulegen – dies ist nur über Umwege möglich.

So sieht eine Blaupause aus
So sieht eine Blaupause aus

Die zweite Schaltfläche ist Components. Hier können mithilfe der vorher gebauten Blaupausen nun die exakten Spielmaterialien gebaut werden. Hierfür werden sogenannte Sets angelegt, denen man eine der Blaupausen zuordnet. Hat man nun dieses Set angelegt und fügt ihm neue Items hinzu, startet man sofort in der Blaupause. In der Übersicht der Sets lässt sich auch sehr leicht anpassen, wie viele Instanzen von einem Item beim Export erzeugt werden sollen. Mit einem einfachen Mausklick können alle Items auf die Rückseite gedreht werden, oder man blendet die Ansicht eines ganzen Sets aus, um Performance einzusparen.

Übersicht der Komponenten in einem Set
Übersicht der Komponenten in einem Set

Unheimlich praktisch, insbesondere für Spiele mit viel Text, ist die Möglichkeit des Imports und Exports zu Excel. Hier kommt eine Möglichkeit ins Spiel, die bereits durch die Software nanDeck für das Erstellen von Spielmaterial präsent war: mithilfe von Code Spielkarten erzeugen. Doch die Excel-Dateien, die Tabletop Creator ausspuckt, sind auch für Laien gut zu verstehen. In der Praxis hat sich erprobt, eine Karte (oder Marker, et cetera) fertig zu gestalten und dann den Export zu starten, um in der Excel-Datei weiterzuarbeiten. Selbst die Bilder, die genutzt werden sollen, können hier festgelegt werden, wenn sie in der Dateistruktur des Projekts korrekt abgelegt werden.

Die Variablen
Die Variablen

Die nächste Schaltfläche auf der linken Seite beinhaltet die Variables. Hier können Icons definiert werden, die durch einen Programmierhinweis innerhalb der Akkoladen auf dem Material platziert werden. Beispielsweise kann so statt eines sperrigen Hinweises „Wenn diese Karte verbraucht wird, passiert X“ ein sprachneutraler Hinweis mithilfe der gewählten Ikonografie gesetzt werden. Oder im Beispiel der Magic-Klone kann durch {skull} das Symbol für schwarzes Mana auf die Karte gesetzt werden. Der Name der Variablen kann frei definiert werden. Um nicht mit speziellen, durch die Software festgelegten, Variablen in Konflikt zu geraten, gibt es eine Hinweisschaltfläche mit den bereits vergebenen Prompts wie {amount} oder {item}.

Der Import-Dialog
Der Import-Dialog

Der letzte größere Arbeitsbereich ist der Export. Und hier zeigt der Tabletop Creator schon im Arbeitsbereich, wie mächtig er sein kann. Neben den generellen Einstellungen, welche Sets man exportieren will, kann man aus drei Modi wählen, in die exportiert werden soll: Individual Image, PDF oder Tabletop Simulator. Grundsätzlich ist der Export in alle drei Varianten gleichzeitig oder separat möglich. Individual Images ist schnell abgehandelt und bietet nicht viele Einstellungsmöglichkeiten außer DPI oder Beschnitt. Hierbei werden alle Elemente in den Sets als einzelne jpg-Dateien ausgespuckt.

 

Ein Ausschnitt aus den vielfältigen Export-Funktionen
Ein Ausschnitt aus den vielfältigen Export-Funktionen

Der Export zu Tabletop Simulator bietet alle Einstellungen, um später im beliebten Computerprogramm das Spielmaterial hochzuladen. Hier fehlt uns selbst leider die Erfahrung, um feststellen zu können, wie gut der Import klappt: Laut Meinungen im Netz scheint es sehr einfach zu funktionieren. Für den Druck des eigenen Prototyps oder einer Print-and-Play-Variante ist dann der PDF-Export spannend. Auch hier bietet das Programm alle Einstellungen, die man sich vorstellen kann – von simplen Anpassungen wie globale Skalierung oder Seitengröße bis zu Schnittmarken, Beschnittzugabe oder der Möglichkeit, die Items statt für doppelseitigen Druck für das Falten optimiert auszudrucken.

Der WYSIWYG-Editor

Das Herzstück der Software ist der sehr variable WYSIWYG-Editor (kurz für „What you see is what you get“, also ein Editor, bei dem in der Vorschau des Endproduktes gearbeitet wird). Um hier auf alle Möglichkeiten des Tools einzugehen, ist das ganze viel zu umfangreich, daher gibt es hier nur einen Überblick.

Der Text in der Box kann hier bearbeitet werden.
Der Text in der Box kann hier bearbeitet werden.

Wie man es aus anderer Layout-Software wie beispielsweise Adobe InDesign gewohnt ist, arbeitet der Editor mit Ebenen. Diese Ebenen werden zu Beginn in den Blaupausen festgelegt und platziert. Hier wird auch definiert, ob diese Ebenen in der Komponenten-Ansicht bearbeitbar sind oder nicht. Praktisch, wenn man die Karten durchnummerieren möchte, ohne dies bei jeder einzelnen Karte zu tun: Einfach eine uneditierbare Ebene mit {#} als Inhalt einfügen, und die Karten im Set sind nummeriert.

  • In den Ebenen können sogenannte Panel eingefügt werden. Diese legen fest, was für ein Objekt platziert wird. Von diesen gibt es insgesamt sechs Stück.
  • Text erlaubt es, Textboxen zu platzieren. Schrift kann hiermit gesetzt und editiert werden. Neben einem gewöhnlichen Texteditor kann auch mit Rich Text Tags gearbeitet werden, um die Schrift zu beeinflussen oder um Unicode wie zum Beispiel ein ♥ einzufügen.
  • Bei Image fügt man ein Bild ein, entweder aus einer Datei oder per KI generiert. Das Bild kann noch rudimentär bearbeitet und maskiert werden, wenn man kein viereckiges Bild haben möchte.
  • Mit Procedurals setzt man einfache Formen ein, um Rahmen oder Hintergründe zu generieren.
  • Ähnlich wie bei den Variables kann mit Icon ein kleines Symbol gesetzt werden. Hier liefert der Tabletop Creator auch eine große Anzahl an vorgefertigten Icons. Dies ist ideal, um sich Inspiration zu holen und nicht für einen Prototyp direkt teure Grafiken anfertigen lassen zu müssen.
  • Scan Code liefert aktuell nur die Möglichkeit, QR-Codes zu erzeugen und einzusetzen. Wir haben es bisher aber nicht geschafft, einen lesbaren zu erzeugen.
  • Die letzte Möglichkeit, ein Panel einzusetzen, ist Linked. Hierbei kann man eine Kopie eines bereits vorhandenen Panels erzeugen und dabei Werte wie Größe oder Rotation ändern. Ein Beispiel für die Anwendung wäre zum Beispiel, wenn man ein Kartenset erstellen will, bei dem die Karte auch „auf dem Kopf liegend“ gelesen werden kann, also auf den jeweiligen Hälften gespiegelt denselben Inhalt zeigt.
Ein paar Beispiele der mitgelieferten Icons
Ein paar Beispiele der mitgelieferten Icons

Das Handbuch

Das Handbuch ist sehr gut gelungen
Das Handbuch ist sehr gut gelungen

Zu Beginn der Testphase des Tabletop Creators hätte ich nicht gedacht, dass das digitale Handbuch einen eigenen Abschnitt verdient hätte. Doch dieses gar nicht so umfangreiche Hilfsmittel ist von vorne bis hinten gut durchdacht. Jeder Abschnitt ist so aufgebaut, als wäre die lesende Person ein leeres Blatt Papier. Es wird nur sehr wenig Grundwissen vorausgesetzt und das macht das Handbuch so gut.

Jeder Menüpunkt wird ausreichend ausführlich erläutert und mit guten Bildern oder sogar GIFs begleitet. Auch das eher rudimentäre First Steps ist gut umschrieben und motiviert, tiefer in die Materie einzusteigen. Und für ein solches Projekt ist im Handbuch überraschend gut die Ordnerstruktur für einzelne Projektdateien dokumentiert. Hier hat jemand an die unerfahrenen Benutzer gedacht.

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: Pixelatto Games
  • Publisher: Pixelatto Games
  • Plattform: Windows
  • Sprache: Englisch
  • Mindestanforderungen:
    • Setzt 64-Bit-Prozessor und -Betriebssystem voraus
    • Betriebssystem: Windows 10 64 bit
    • Prozessor: 2.3 GHz
    • Arbeitsspeicher: 4 GB RAM
    • Grafik: 2GB VRAM
    • DirectX: Version 11
    • Speicherplatz: 500 MB verfügbarer Speicherplatz
  • Im Early Access seit: 13. Dezember 2021
  • Preis: 84,99 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Steam

 

Bonus/Downloadcontent

Auf Steam kann man sich eine kostenlose Demoversion zum Testen herunterladen.

Der Dialog der Bild-KI

Es gibt seit dem letzten Update einen kostenlosen DLC, der eine Bild-KI in die Feature-Liste mit aufnimmt. Beim Bearbeiten von Bilddaten für einzelne Komponenten ist es nun möglich, neben einer Dateiauswahl ein Menü zu öffnen, um sich per Beschreibung ein Bild per künstlicher Intelligenz kreieren zu lassen. Das klappt sehr gut, auch wenn mein Rechner dabei schon in die Knie gegangen ist und sehr lange für die Generierung brauchte. Zudem ist die Erschaffung von KI-Bildern ein rechtlich noch sehr brisantes Thema, weswegen ich davon abrate, es außerhalb von privater Rumspielerei für das Erstellen von Prototypen zu nutzen.

Fazit

Der Tabletop Creator kann zu einem wertvollen Hilfsmittel für die Brettspiel-Community werden. Nach etwas Eingewöhnungszeit findet man ein Layout-Programm, das wesentlich zugänglicher ist als Platzhirsche wie InDesign oder Scribus. Und es hat den klaren Fokus auf das Hobby Brettspiel.

Vom GUI (Graphical User Interface) bis zum Handbuch ist alles darauf ausgerichtet, dass man möglichst schnell an das Gestalten des eigenen Spielmaterials kommt. Der WYSIWYG-Editor bietet sehr umfangreiche Möglichkeiten, um die einzelnen Elemente zu bearbeiten, und verzichtet auf unnötigen Schnickschnack. Die Automatisierungen gerade durch die Excel- oder CSV-Anbindung funktionieren reibungslos. Und seit dem neuesten Update ist es auch für den professionellen Druck interessanter geworden, da in den Export-Optionen nun auch ein festes Farbprofil vergeben werden kann. Dies ist ideal, wenn die Druckerei besondere Ansprüche stellt.

Der Preis von knapp 85 Euro ist nicht ohne, aber dafür erhält man eine Lizenz auf Lebenszeit – es gibt also keine versteckten Abo-Kosten oder ähnliches. Dank des hervorragenden Handbuchs und des aktiven Discord-Channels fühlt man sich auch kaum allein gelassen. Das der Tabletop Creator nach nun eineinhalb Jahren immer noch im Early Access ist, mutet merkwürdig an, lässt aber hoffen, dass Pixelatto Games noch weiter an neuen Features arbeitet. Das Programm ist bei weitem noch nicht perfekt, aber für den aktuellen Entwicklungsstand kann ich ohne Bedenken fünf von fünf Punkten vergeben.

  • Sehr mächtiger WYSIWYG-Editor
  • Kein Abo-Modell
  • Sehr gutes Handbuch
 

  • Einstieg kann schwierig sein
  • KI-DLC braucht viele Ressourcen und ist rechtlich fragwürdig
  • Keine Hex-Gestaltung möglich

Artikelbilder: © Pixelatto Games
Layout und Satz: Kai Frederic Engelmann
Lektorat: Tim Billen
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.  

1 Kommentar

  1. Inzwischen würde ich die Software massiv abwerten. Viele versprochene oder gezeigte Elemente sind immer noch nicht implementiert (Hexfelder anyone?). Die Vorgängersoftware wurde komplett aufgegeben. Dafür hat sich der Preis glatt verdopppelt. Auch die Einbindung in TTS ist extrem aufwendig geblieben.

    Und wenn man bedenkt, das man Affinity Designer für unter 50€ bekommt, dann ist das hier massiv überteuert, denn aktuell hat es Adobe, Serif, etc. nur voraus, dass es ein paar passende Vorlagen mitbringt. Die kann man sich aber mit etwas Suche von dritter Seite meist kostenlos runterladen.

    Ist positiv gestartet, hat aber inzwischen viel Goodwill verspielt.

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