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Zurück nach Eldraine? Für viele Magic: The Gathering-Spieler*innen eine schöne Vorstellung. Mit Die Wildnis von Eldraine ist ein neues Standard-Set auf der besagten Ebene entschieden. Doch lohnt sich die Rückkehr auch spielerisch? Wir haben das Set unter die Lupe genommen.

Die Kadenz der veröffentlichten Magic: The Gathering-Sets bleibt weiterhin hoch. Nach Herr der Ringe im Juni und dem eher enttäuschenden Commander Masters im August ist im September schon das nächste Standard-Set erschienen. Mit Die Wildnis von Eldraine geht es zurück in ein Setting, das zuletzt 2019 in dem Set Der Thron von Eldraine aufgegriffen wurde. Wir haben uns für euch das Set genau angeschaut und verschiedenste Aspekte untersucht. Also Krone geradegerückt und hinein ins Abenteuer!

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Es war einmal – Der Hintergrund

Ging es in Der Thron von Eldraine um eine Geschichte, die am ehesten an die Artus-Sage erinnern konnte, hat sich der Schwerpunkt nun merklich verschoben. Das Land von Eldraine ist verhext worden: Ein merklicher Teil der Bevölkerung schläft ein und wacht aus diesem Schlaf nicht wieder auf. Die Zwillinge Rowan und Will Kenrith, bekannt schon aus dem ersten Set, machen sich auf, um diesen magischen Schlaf vom Land zu nehmen. Dabei agieren sie völlig unterschiedlich. Während Will als neuer König versucht, das Königreich durch Diplomatie zu vereinen, ist es Rowans Idee, durch reine Macht die Bewohner*innen von Eldraine unter einem Banner zu vereinen, koste es was es wolle. Neben den beiden Hauptfiguren spielt der Halb-Fee Kellan eine wichtige Rolle in der Geschichte. Er wird von Talion, dem Herrn der Feen, beauftragt, die drei Feen auszuschalten, die für den verzauberten Schlaf verantwortlich sind. Als Austausch für diese Tat soll er mehr Informationen über seinen Feen-Vater erhalten, den er nie kennengelernt hat. Die drei Hexen, Agatha, Hylda und Eriette, sind diejenigen, die den Fluch auf Eldraine geladen haben. Eriette, die den Zauber dabei aufrechterhält, wird unterstützt von dem Planeswalker Ashiok, der wie seine Begleiterin ganz eigene Ziele zu haben scheint. Die Geschichte endet in einem furiosen Kampf zwischen Will und Rowan, da Rowan entschieden hat, dass der Schlaf Eldraine den Frieden bringen würde, den das Land nach der Invasion durch die Phyrexianer dringend braucht.

Im letzten Moment flieht Rowan, und Kellan erfährt, wer sein Vater ist: Oko, wichtiger Protagonist des ersten Eldraine-Sets.

Das Set bereitet dabei den Auftakt für den nächsten großen Story-Arc, den Wizards of the Coast ins Feld führt. Das erste Jahr bildet dabei der Omenpath, der die Nachwehen des Marschs der Maschinen behandelt. Diese Omenpaths ermöglichen nun auch Personen, die keine Planeswalker sind, ihre Welt zu verlassen und andere zu besuchen. Und genau einen solchen Omenpath nimmt am Ende der Geschichte auch Kellan, um mehr über seinen Vater zu erfahren.

Zugegebenermaßen braucht man den Hintergrund des Sets nicht kennen, um beim Kartenspielen Spaß zu haben. Trotzdem bietet das Set einen angenehmen und recht leichtgängigen Rahmen, der trotz des weltbedrohenden Szenarios sich beim Lesen wie ein fantastisches Märchen anfühlt. Eine exzellente Arbeit der beteiligten Autor*innen.

Märchenhafte Neuheiten? – Neue Mechaniken

Wie jedes neue Set beinhaltet Die Wildnis von Eldraine auch einige neue Mechaniken. Den Auftakt machen dabei die sogenannten Rollen Token. Dabei handelt es sich um Verzauberungs-Token, die man an Kreaturen anlegt und die relativ geringfügige Auswirkungen haben. Jede Kreatur kann dabei auch nur eine Rolle gleichzeitig besitzen. Eine Monster-Rolle gibt der Kreatur beispielsweise +1/+1 und lässt sie Trampelschaden verursachen. Die Rolle Junger Held hingegen lässt eine Kreatur, wenn ihr Widerstand 3 oder weniger ist, jedes Mal eine +1/+1 Marke erhalten, wenn diese angreift. Die Rollen werden spannend, wenn man ein Deck nutzt, das entweder Verzauberungen kopieren kann oder bei dem die Anzahl der Verzauberungen auf dem Feld zusätzliche Auswirkungen haben.

Feilschen erweitert einen Zauberspruch um einen zusätzlichen Effekt, wenn man die entsprechenden Zusatzkosten bezahlt. Hierfür muss man ein Artefakt, eine Verzauberung oder einen Spielstein opfern, den man kontrolliert. Der Buboh-Störenfried ist beispielsweise eine Zwei-Mana-Kreatur, die ohne Feilschen einfach 2/2 ist. Wenn man die Zusatzkosten jedoch bezahlt hat, schickt sie eine Artefakt- oder Verzauberungs-Karte, die ein Gegner kontrolliert, ins Exil. Feilschen ist nicht nur in sich tauglich, sondern hat auch einige starke Vertreter-Karten, die wir uns später genauer ansehen werden.

Feier ist ein weiteres Schlüsselwort. Es wird jedes Mal ausgelöst, wenn in einem Zug zwei oder mehr permanente Karten unter der eigenen Kontrolle ins Spiel gekommen sind, die keine Länder sind. Eine Kreatur erhält so beispielsweise +1/+1-Marken. Feier ist leider nicht so stark wie Feilschen, ist der Effekt doch ziemlich abhängig vom aktuellen Spielfeld-Status und damit deutlich schlechter steuerbar.

Wenig überraschend ist eine Mechanik aus dem ersten Eldraine-Set zurück: Abenteuer. Die entsprechenden Karten sind zweigeteilt und besitzen so unterschiedliche Effekte. Optisch erinnert das an ein aufgeschlagenes Buch. Wenn man den Abenteuer-Effekt, der immer auf der linken Seite steht, zuerst nutzt, geht die Karte nicht in den Friedhof, sondern ins Exil. Von dort kann man dann die rechte Hälfte der Karte spielen. Abenteuer ist recht stark, ermöglicht dies einem doch Karten zweimal zu nutzen, was einem Kartenvorteil gleichkommt. Gleichzeitig offenbart man seinem Gegenüber jedoch schon, was man spielen wird, sieht er die Karte doch aus dem Exil kommen.

Die neuen Mechaniken sind gut erlernbar und nicht zu kompliziert. Die Auswirkungen sind sowohl stark genug, dass sie einen Einfluss aufs Spielgeschehen haben, dieses aber nicht vollends dominieren.

Päckchen wie bunte Süßigkeiten – Boostervarianten und Inhalte

Die Wildnis von Eldraine erscheint als Draft-, Set- und Collector-Booster. Zum Glück veröffentlicht Wizards of the Coast anscheinend keine Jumpstart-Booster mehr für reguläre Sets. Wir werden sie nicht vermissen. Neben den Karten, die Standard-legal sind, enthält jedes Booster auch eine oder mehrere sogenannte Bezaubernde Märchen. Hierbei handelt es sich ausschließlich um Nachdrucke bereits existierender Karten, die durch die Bank weg Verzauberungen sind. Diese werden dadurch nicht Standard- oder Pioneer-legal, sondern bleiben dies nur in den Formaten, wo sie dies schon vorher waren, und verhalten sich somit wie die Multiverse Legends aus Marsch der Maschinen. Wizards of the Coast nutzt diesen Slot jedoch für dringend benötigte Nachdrucke bestehender Karten, was merklich die Verbreitung erhöht und damit den Preis auf dem Sekundärmarkt gedrückt hat. Karten wie Nekropotenz, Rhystische Studien, Zeit der Verdopplung, Erdrückender Zehnt oder Todespakt treten hier wieder auf. In dem Slot finden sich noch mehr fantastische Nachdrucke, auch als normal seltene Karten. Anhaltender Ansturm ist so beispielsweise aus einem Zehn-Euro-Bereich auf knapp einen Euro gefallen. Und auch wenn die Sammelgemeinschaft murren mag, da Karten nachgedruckt werden: Aufgeblasene Preise und damit auch fehlende Zugänglichkeit sind der Tod jedes Sammelkartenspiels.

Einige der Verzauberungen gibt es auch als Anime-Artworks, gezeichnet von japanischen Mangaka. Auf nummerierte Karten, die nur in einer begrenzten Anzahl existieren, verzichtet man hier. Stattdessen finden sich in manchen Collector-Boostern diese Anime-Artworks als Confetti-Foils. Hierbei zeichnet sich das Foiling durch eine Vielzahl kleiner Punkte aus.

Wie schon bei den vorhergehenden Sets richten sich die Produkte danach, was man mit ihnen anfangen möchte. Draft-Booster sind dafür da, im Draft oder Sealed Format genutzt zu werden. Die Set-Booster eignen sich für alle Konsument*innen, die einfach gerne Päckchen aufreißen möchten. Wer alle möglichen Karten in Foil und potenziell ohne Rahmen haben möchte greift zu den merklich teureren Collector-Boostern.

Zeit für ein märchenhaftes Duell? – Die Commanderdecks

Wie so viele Standardsets bietet Die Wildnis von Eldraine zwei verschiedene Commander-Decks an. Herrschaft der Feen setzt dabei auf kleinere fliegende Kreaturen in Schwarz und Blau. Tugend und Tapferkeit hingegen unterstützt Verzauberungen in Grün und Weiß. Beide Decks sind recht ordentlich geworden, wobei spannende Nachdrücke eher die Ausnahme sind. Tugend und Tapferkeit bringt wenigstens den Tempel von Heliods Großmut, ein hochspezialisiertes Verzauberungsland, wieder zurück. Das Feendeck hingegen enthält einen Dreisten Langfinger, der eine ganze Weile richtig teuer war. Wer spielbare Decks sucht, findet hier eine gute Auswahl, wer aber auf besonders spielstarke Decks gehofft hat oder richtig teure Nachdrucke erwartet hat wird eher enttäuscht.

Die Commanderdecks sind in Ordnung ausgefallen

Und was ist für Turniere drin? – Karten und Format-Auswirkungen

Mit großer Spannung wird bei jedem Set auf die neuen Karten geschaut, und Die Wildnis von Eldraine hat hier einige spannende neue Möglichkeiten zu bieten. Die größten Auswirkungen auf aktuelle Turnierformate dürften dabei die drei Karten Agathas Seelenkessel, Appell an den Spiegel und Suchender Druide haben. Agathas Seelenkessel wird dabei als Combo-Karte benutzt, bei der man Fähigkeiten von Kreaturen umverteilt und so recht sicher in eine Endlosschleife gelangt.

Appell an den Spiegel ist ein Vier-Mana-Tutor, was erst einmal nicht so spannend klingt. Wenn bei diesem jedoch Feilschen genutzt wurde, kann man einen Zauberspruch mit einem Manawert von vier oder weniger direkt ausspielen. Auf diese Weise wird die Karte, die man sucht, direkt ins Spiel gebracht und macht sofort Druck. Alle aktuellen Turniervarianten, die Sheoldred die Apokalypse spielen, sind so noch stärker geworden. Suchender Druide schließlich unterstützt Decks, die sowieso schon mehrfarbig sind, wird er doch schnell größer. Gleichzeitig bietet er einen indirekten Kartenvorteil.

Die häufige Nutzung schlägt sich bei allen drei Karten auch im Preis auf dem Sekundärmarkt nieder. Jenseits dieser Karten gibt es aber auch noch eine gewaltige weitere Anzahl spielbarer Karten in den unterschiedlichsten Seltenheitsstufen. Doch nicht tot sieht als gewöhnliche Karte aktuell Turnierspiel, und Die Bohnenranke empor erscheint ebenfalls in diversen Decks.

Wer sich nicht so sehr in der aktuellen Turnierszene herumtreibt und stattdessen potenziell sein Commander-Deck verstärken möchte findet ebenfalls großartige Möglichkeiten. Egal, ob man eine der drei namensgebenden Hexen als Commander nutzen möchte, Rowan und Will selbst ins Feld führen will oder mit der Monddonner-Kavallerie einen Kraterhuf-Behemoth in Weiß nutzt ist einem selbst dabei überlassen.

Wie im Traum? Ein Fazit

Die Wildnis von Eldraine ist ein ausgezeichnetes Set geworden. Draft- und Sealed-Formate funktionieren dabei ausgezeichnet, die Verzauberungen habeneinen nicht so dominierenden Einfluss wie zuletzt die Kreaturen in Marsch der Maschinen. Das Set bietet eine ausgezeichnete Mischung aus starken neuen Karten und sinnvollen Nachdrucken für neue und alte Spieler*innen. Gleichzeitig sind die Mechaniken angenehm zugänglich, auch Neulinge können sich damit gut auseinandersetzen und werden nicht von hochkomplizierten Mechaniken erschlagen. Die gut geschriebene Geschichte ist das I-Tüpfelchen auf einem rundherum gelungenen Set, das Lust auf mehr macht.

  • Gute Reprints über den Verzauberungs-Slot
  • Interessant geschriebene Hintergrundgeschichte
  • Gute neue Karten, die Formate beeinflussen ohne diese völlig zu dominieren
 

  • Commander-Decks könnten etwas stärker sein

 

Artikelbilder: © Wizards of The Coast
Layout und Satz: Andreas Hübner
Lektorat: Rick Davids
Fotografien: Markus Kastell

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