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Phyrexia ist auf dem Vormarsch. Unzählige Welten des Magic: The Gathering-Universums werden überrannt und verzweifelte Bündnisse entstehen. Wir schauen uns das neueste Set an, ob es noch Hoffnung für die Planeswalker und die freien Völker gibt und ob es sich spielerisch lohnt.

Mit Marsch der Maschinen kommt der aktuelle Handlungsbogen langsam zu seinem Ende. Die Phyrexianer, furchtbare Schrecken aus Metall und Fleisch, erobern Welt um Welt und drängen die Völker zurück. Mit dem Rücken zur Wand bilden sich seltsame Bündnisse aus ehemalig Verfeindeten, die man so nicht erwartet hätte. Nach dem Start in Dominarias Bund und dem letzten Set Phyrexia: Alles wird eins, die beide klare Stile aufwiesen, springen wir nun zwischen unterschiedlichsten Welten hin und her. Ob das einen sinnvollen Hintergrund produziert und ob uns die neuen Karten gefallen haben, erfahrt ihr in unserer Review.

Mit dem Rücken zur Wand – Der Hintergrund

Mit der Vervollständigung, der geistigen Übernahme einer ganzen Reihe von Planeswalkern in den letzten Sets, sah es übel aus für die Verteidigung gegen Phyrexia. Nach der Nutzung des Invasionsbaums gelang es den Phyrexianern schließlich auf unterschiedliche Welten zuzugreifen und diese direkt anzugreifen. Doch dieser Vormarsch findet in Marsch der Maschinen sein Ende. Legendäre Streiter*innen der unterschiedlichsten Welten tun sich zu mehr oder minder freiwilligen Bündnissen zusammen und drängen die phyrexianische Invasion so zurück. Wrenn wird an den Invasionsbaum gebunden und schafft es so, die Invasion aufzuhalten. Elspeth und Karn töten schließlich Elesh Norn und befreien Nissa und Ajani vor ihrer Vervollständigung. Die anderen Prätoren werden zurückgedrängt oder getötet.

Was hier etwas wirr und vor allem schnell klingt zeigt sich leider auch im Hintergrund so. Natürlich ist der deutlich länger ausgeführt als diese kurze Zusammenfassung hier. Trotzdem wirkt das Zusammenführen der Kampagne gehetzt, hat man dieses über so viele Sets aufgebaut, um es dann schnell zu beenden. Hier hätten wir uns die Ausdehnung auf zwei Sets gewünscht, um den nötigen Rahmen zu ermöglichen.

Die sind jetzt Verbündete? – Die Karten

Marsch der Maschinen ist das aktuelle Standardset und besteht aus 281 Karten sowie weiteren 65 sogenannten Legenden des Multiversums. Letztere funktionieren ähnlich wie das mystische Archiv aus Strixhaven, Akademie der Magier oder die Retroartefakte aus Krieg der Brüder. Damit sind sie Draft- und Sealed-legal, dürfen jedoch nicht im Standard-Format gespielt werden.

Zwei Mechaniken sind im Set neu dazugekommen: Inkubieren und Hilfestellung.

Eine Karte mit Inkubieren erzeugt, wenn sie das Spielfeld betritt, einen Artefaktspielstein mit +1/+1-Marken. Für zwei farblose Mana kann dieser dann wiederum dauerhaft zu einer Phyrexianer-Artefaktkreatur werden. So erzeugt man direkt mehr Spielfeldkontrolle und kann die Artefaktspielsteine zuvor für unterschiedlichste Deckideen nutzen.

Hilfestellung erlaubt einer ins Spiel kommenden Kreatur +1/+1-Marken auf ein einzelnes Ziel zu verteilen. Wenn man dabei eine andere Kreatur als diejenige mit Hilfestellung als Ziel wählt, erhält sie bis zum Ende des Zuges alle Fähigkeiten der Erstgenannten. Die Erzpriesterin der Schatten hat beispielsweise Todesberühung und bringt, wenn sie Spielenden oder einer Schlacht Schaden zufügt, eine Kreatur aus irgendeinem Friedhof zurück ins Spiel. Moment? Einer Schlacht?

Die größte Veränderung in Marsch der Maschinen ist nämlich ein völlig neuer Kartentyp. Die Schlacht löst einen Effekt aus, wenn sie das Spielfeld betritt und wird dann einer anderen spielenden Person zugewiesen und besitzt eine eigene Anzahl an Verteidigungsmarken. Alle Spielenden, außer die verteidigende Person, können die Schlacht angreifen, so wie beispielsweise auch Planeswalker als Ziel gewählt werden können. Werden die Verteidigungsmarken auf 0 reduziert, gilt die Schlacht als besiegt und der Besitzende darf die Rückseite ohne Manakosten wirken, beispielsweise eine weitere Kreatur

Die Stärke der Schlachten variiert stark und richtet sich meist nach dem Initialeffekt. Invasion von Ikoria ist beispielsweise ein Tutor-Effekt und wird daher als stark angesehen. Die Rückseite ist zwar eine starke Kreatur, aber nebensächlich. Zumindest in allen 1:1-Szenarien ist jeder Schaden, den man einer Schlacht zufügt, Schaden, den man nicht dem Spielenden zufügt.

Spannend ist beim neuen Kartentyp, dass er Belagerung als hier genutzte Variante nennt. Wir können in der Zukunft noch mit anderen Schlachten rechnen, die keine Belagerungen sind.

In den 271 Karten des Sets finden sich fünf neue Prätoren, dieses Mal als doppelseitige Variation. Diese kann man für einen gewissen Manabetrag umdrehen und dann die Saga auf der Rückseite nutzen. Wenn diese abgeschlossen ist, kehrt der Prätor wieder mit seiner Vorderseite zurück.

Vor allem für Commander-Spielende dürften die neuen legendären Kreaturen-Verbündeten interessant sein. Diese Karten bestehen aus zwei schon bekannten legendären Kreaturen, die sich für den Widerstand gegen Phyrexia zusammengetan haben und so einen Teil ihrer Fähigkeiten kombinieren. Warum nicht Thalia und das Gitrog-Monster als Commander nutzen oder mit Baral und Kari Zev ehemalige Feinde zusammenbringen?

Die schon zu Beginn erwähnten Legenden des Multiversums sind wiederum 65 Kreaturen, die alle auch in der Geschichte von Marsch der Maschinen auftauchen, aber allein agieren. Der teuerste Nachdruck ist hierbei mit weitem Abstand Ragavan, flinker Dieb. Aber auch eine ganze Reihe anderer Karten wie Atraxa, Stimme der Prätoren oder die ursprünglichen fünf Prätoren finden sich hier.

Das neue Set legt insgesamt dabei ein deutlich langsameres Spieltempo hin als noch Phyrexia: Alles wird eins. Große legendäre Kreaturen dominieren hier das Spielgeschehen und zumindest in allen Constructed-Formaten muss man sich mit diesen auch zwangsweise auseinandersetzen.

Alles ist besonders? – Produkte und Kartenvariation

Wie jede aktuelle Edition hat auch Marsch der Maschinen unterschiedliche Varianten der gleichen Karte zu bieten. Alle legendären Kreaturen des Standard-Sets besitzen neben ihrer normalen Kartenvariante eine, die auf ihre Heimatebene anspielt. Dabei bedient sich Wizards of the Coast sowohl schon bestehenden Varianten wie zum Beispiel der goldene Rahmen aus Straßen von Neu Capenna, erfindet aber auch neue Varianten wie Medaillen für die Bewohner*innen von Ixalan. Das neue Set wirkt dadurch sehr bunt und lässt manchmal einen klaren Stil vermissen. Gleichzeitig aber zeigt sich eine deutlich größere Variation als in Phyrexia: Alles wird eins, wo alles gleich aussah. Alle Legenden des Multiversums kommen gleich standardmäßig in diesem besonderen Rahmen daher. Diese gibt es auch als Foil-Etched-Variante, die dann wiederum ihr ursprüngliches Artwork zeigen.

Darüber hinaus findet sich in den Collector Boostern eine neue Foiling Variante, das sogenannte Halo Foil. Diese haben in Foil eine Art Wellenform auf der Karte, das je nach Lichteinfall anders glänzt.

Zu guter Letzt kehren die schon aus Krieg der Brüder bekannten nummerierten Karten zurück. Von allen Legenden des Multiversums und den fünf Prätoren aus dem Standardsets findet sich in den Collector Boostern mit einer Chance von unter 1 % eine nummerierte Karte. Diese haben auf dem Sekundärmarkt schon absurde Preise erzielt, hat der 001/500 Ragavan, flinker Dieb für fast 10.000 USD den Besitzer gewechselt. Spätestens an dieser Stelle hat Magic The Gathering dann den Kontakt zu jeder Art von Gelegenheitsspielenden völlig verlassen. Die nummerierten Karten werden auf dem Sekundärmarkt teuer gehandelt und locken potenziell Kund*innen an, die am eigentlichen Spiel gar kein Interesse haben, aber gleichzeitig bereit sind große Summen für Sammlerstücke auszugeben. Das mag auf den ersten Blick als deutlicher Nachteil für normale Spielende erscheinen, indirekt drückt dies aber deutlich den Preis von normalen Kartenvarianten, werden doch unzählige Booster geöffnet, um eine der heiß ersehnten Karten zu treffen.

Als Booster-Varianten gibt es weiterhin Jumpstart-, Draft-, Set- und Collector-Booster. Wie schon in unseren letzten Rezensionen können wir von Jumpstart-Boostern abraten, gibt es doch weiterhin nur fünf Varianten von diesen. Die immer beigefügten Rares sind zwar deutlich spielbarer geworden, wer aber einfach nur Booster öffnen möchte, ist mit Set-Boostern am besten bedient. Bis auf nummerierte Karten und jenen im Halo-Foiling kann man hier alle Varianten treffen.

Fünf Freunde wollt ihr sein? – Die neuen Commander-Decks

 Die Commander Decks
Die Commander Decks

Marsch der Maschinen bringt gleich fünf neue Commander Decks mit, die stilmäßig für unterschiedlichste Spielansätze Möglichkeiten bieten. Mit Eminenz kehrt die gleichzeitig beliebteste und unbeliebteste Commander-Fähigkeit zurück. Dieses Mal ist die Fähigkeit jedoch harmlos, hat doch der entsprechende Commander, Sidar Jabari aus Zhalfir nur Auswirkungen auf Ritter. Insgesamt fallen die neuen Commander-Decks leider unspektakulär aus. Vor allem großartige ältere Nachdrucke sucht man vergebens. Kalonische Hydra, Adeline, strahlende Katharerin und Held der Klingenfeste sind gute Nachdrucke, aber für fünf Decks leider viel zu wenig. Wenn man sich hier für ein einzelnes Deck entscheiden möchte, sollte man Kavallerieangriff nehmen. Ansonsten empfiehlt es sich einzelne Karten aus den Commander-Decks auf dem Sekundärmarkt zu erstehen.

Und das ist das Ende? – Ein Fazit

Da das Set so neu ist, kann über tatsächliche Auswirkungen auf Turnier-Formate im Augenblick nur spekuliert werden. Jedoch zeigt sich schon jetzt am Sekundärmarkt, dass die Nachdrucke über die Legenden des Multiversums die Preise nach unten treiben. Wem also noch die alten Prätoren oder ein Teil der anderen mystisch seltenen Karten fehlt, kann hier ohne Fehler zuschlagen. Insgesamt fühlt sich das Set dabei so an, als wäre es vor allem auf Commander-Spielende ausgerichtet worden. Viele Karten entfalten ihre ganze Wirkung erst mit mehreren Mitspielenden. Durch die Vielzahl an legendären Kreaturen entstehen schon jetzt viele neue Commander-Decks. Im Standard-Format dürfte die Unterstützung für Mono-Red Burn Auswirkungen haben, unter Anderem der neue Urabrask dürfte dabei gespielt werden.

Mit Marsch der Maschinen ist Wizards of the Coast ist ein wirklich gutes Standard-Set gelungen. Eine gute Mischung aus bekannten Karten, legendären Kreaturen und neuen Varianten macht Booster aufreißen und Constructed-Formate zu einem spaßigen Unterfangen. Der recht bunte Stil ist nicht für jede*n Spielende*n etwas, aber hat uns großen Spaß gemacht. Einzig die Hintergrundgeschichte ist etwas zu kurz gekommen, hat man doch scheinbar in zu kurzer Zeit zu viel Fäden zusammenführen wollen. Wer aber Lust auf ein spaßiges Magic: The Gathering-Produkt hat, kann hier ruhig zugreifen.

  • Großartige Legenden aus dem Multiversum

  • Schöne neue Artworks

  • Viele Variationen in unterschiedlichen Stilen

 

  • Hintergrund wirkt zu schnell abgeschlossen

  • Nummerierte Karten nicht für Gelegenheitsspielende

 

Artikelbilder: © Wizards of the Coast
Layout und Satz: Mika Eisenstern
Lektorat: Sabrina Plote
Fotografien: Markus Kastell
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt

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