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Wie viel Schrecken verträgt die Magic: The Gathering Welt? In Phyrexia: Alles wird eins scheint es zu Ende zu gehen mit allem, was bisher Bestand hatte. Die Phyrexianer expandieren von ihrer Sphäre in andere Welten. Können sie in diesem Set aufgehalten werden?

Phyrexia. Namenlose Schrecken. Grausame Experimente. Entmenschlichte Wesenheiten. Schon seit Längerem, seit die Eldrazi keine große Bedrohung mehr zu sein scheinen, sind die Phyrexianer der Hauptantagonist der Magic: The Gathering Welt. Im aktuellen Set von Wizards of the Coast breitet sich der Einfluss immer weiter aus. Doch lohnen sich die neuen Karten?

Im Land des Wahnsinns – Der Hintergrund

Schon über die vorherigen Sets hat sich die große Katastrophe angedeutet. In immer mehr Sphären tauchten Praetoren auf, die Kommandoebene von New Phyrexia. Im aktuellen Set gehen die unterschiedlichen Planeswalker nun zum Gegenschlag über und versuchen New Phyrexia, das ehemalige Mirrodin, direkt anzugreifen. Vor Ort treffen sie jedoch auf eine Welt aus Schrecken, Metall und Entmenschlichung und viele ihrer Mitstreiter*innen werden den Weg zurück nicht schaffen. Viele Planeswalker werden dabei „vollendet“, verlieren somit ihre Eigenständigkeit und sind nur noch willfährige Marionetten. Welche genau, kann man im Hintergrund nachlesen, denn neben den Geschichten, die die Karten erzählen, hat Wizards of the Coast auch offizielle Hintergrundgeschichten geschrieben. Wer dort tiefer einsteigt, bekommt gut geschriebene Plotstränge, die absichtlich viel offen lassen. So gibt es beispielsweise auch zwischen den verschiedenen Prätoren von Phyrexia mehr oder minder offene Feindseligkeiten.

Der Hintergrund schlägt sich auch in den fantastisch gelungenen Artworks nieder. Eine ganze Reihe der Zeichnungen erinnern an H.R. Gigers Werke. Maschinen und Humanoide verschmelzen zu seltsamen Wesenheiten, Augen sind entweder nicht zu sehen oder in deutlich zu großer Zahl vorhanden. Der Stil wirkt fremdartig, unangenehm, bedrohlich. Gleichzeitig ergibt sich das Problem, dass viele Kreaturen auf den ersten Blick ähnlich aussehen. Ein Umstand, der vor allem in Limited Formaten stören kann.

Elesh Norn, Mutter der Pappe – Die Karten

Phyrexia: Alles wird eins besteht aus 271 Karten. Neben der Wiederkehr von Wucherung als Karteneffekt gibt es drei neue Fähigkeiten auf Karten.

Toxisch ist eine Variation von Infizieren. Während Infizieren statt Schaden an Kreaturen -1/-1 Marker verteilt und an Spieler*innen den Schaden als Giftmarken zufügt, verhält sich Toxisch etwas anders. Kreaturen bekommen von den Toxischen normalen Schaden, Spielende erhalten darüber hinaus Giftmarken. Die Anzahl der Giftmarken wird über den Toxisch-Wert der Kreatur definiert. Eine solche mit Toxisch 2 beispielsweise gibt Gegner*innen zwei Giftmarken, unabhängig davon wie viel Schaden sie verursacht hat.

Für Mirrodin ist eine Fähigkeit der Rebellen, die so gegen die Phyrexianer Widerstand leisten möchten. Hierbei handelt es sich um Ausrüstungs-Karten, die, wenn sie ins Spiel kommen, automatisch einen 2/2 Token erzeugen, an den die Ausrüstung angelegt wird. So sind die entsprechenden Gegenstände direkt einsatzbereit.

Als letztes sind Öl-Marken neu hinzugekommen. Viele bleibende Karten besitzen diese und haben entweder einen Effekt, wenn sie diese ausgeben, oder erhalten wiederum einen solchen, wenn sie eine gewisse Anzahl an Öl-Marken erreicht haben. Da es eine ganze Reihe Optionen gibt Öl-Marken zu verschieben oder neue dazu zu bekommen, ergeben sich hier verschiedene Möglichkeiten.

Wie bei jedem Standard-Set gibt es auch hier eine Reihe interessanter Nachdrucke. Phyrexianische Arena und Phyrexianischer Auslöscher waren in der Vergangenheit beide kostspielige Karten. Durch das Erscheinen in diesem Set sind die Preise massiv gefallen. Wer hier zuschlagen möchte, findet gute Möglichkeiten auf dem Sekundärmarkt. Nachdrucke von Ländern sind ebenfalls immer gut und in diesem Set finden sich fünf der sogenannten „fast lands“ wieder, die zuvor teuer waren. Die wahren Stars dieses Sets sind aber einige der neuen Karten. Schon vor Veröffentlichung wurde Elesh Norn, Mutter der Maschinen als unglaublich starke Karte angesehen. Die weiße Prätorin verdoppelt jeden eigenen Effekt, der ausgelöst wird, wenn das Spielfeld betreten wird. Gleichzeitig verhindert die Karte diese Effekte bei Gegner*innen. Auch wenn man zunächst gedacht hat, Elesh Norn würde die einzige wirklich teure Karte aus dem Set werden, hat sich in den letzten Wochen eine zweite Karte am Sekundärmarkt etabliert: Atraxa, große Vereinerin ist ebenfalls deutlich teurer geworden. Das liegt vor allem an ihrem Einsatz im Legacy-Format, das sie im Augenblick dominiert.

Jede der fünf Farben erhält in Phyrexia: Alles wird eins, eine neue legendäre Kreatur, einen Dominus. Diese Karten verdoppeln je einen Effekt. Mondrak, der weiße Dominus, verdoppelt beispielsweise alle Token, die man legt. Tekuthal, der blaue Dominus, verdoppelt wiederum jede Wucherung, die man durchführt. Jeder dieser Domini hat außerdem die Möglichkeit, auf sich selbst Unzerstörbarkeits-Marken zu legen. Alle fünf sind fantastisch und lohnen sich auch als Langzeitinvestition. Bis auf Mondrak sind im Augenblick auch alle recht günstig zu haben.

Phyrexia: Alles wird eins bietet eine Vielzahl von interessanten neuen Karten. Wir haben hier gerade erst an der Oberfläche gekratzt. Doch eine Sache ist dabei absurd: Die Anzahl der unterschiedlichen Versionen der gleichen Karte.

Wie viele Versionen bitte? – Produkte und Kartenvariation

Schon seit Längerem führt Wizards of the Coast unterschiedliche Produkte zu jedem Set, und Phyrexia: Alles wird eins ist dabei keine Ausnahme. Hier finden sich die fast schon klassischen Draft-, Set-, Jumpstart- und Collector-Booster. Wie bereits in unserer Review zu Dominarias Bund, können wir vom Jumpstart-Produkt leider nur abraten. Wieder gibt es nur fünf verschiedene Booster-Varianten. Der einzige Unterschied zwischen Booster-Varianten mit der gleichen Farbe ist dabei die zweite seltene oder sagenhaft seltene Karte, die jedem Pack beiliegt. Draft- und Set-Booster wiederum haben die gewohnte Qualität. Erstere eignen sich für das beliebte gleichnamige Format, die Zweiteren sind dafür da, wenn man einfach Booster aufreißen möchte.

Die Collector-Booster kommen, wie schon in den letzten Editionen, mit einem eigenen speziellen Foiling daher. Das sogenannte Step-and-Compleat Foiling überzieht die gesamte Karte nicht nur mit einer glänzenden Oberfläche, sondern lässt an unterschiedlichsten Stellen das phyrexianische Symbol sichtbar werden. Die Kartenoberfläche selbst ist dabei sehr glatt. An dem Foiling scheiden sich merklich die Geister, es ist offensichtlich nicht für jede*n Kund*in geeignet.

Als ob dies noch nicht genug verschiedene Varianten der gleichen Karten wären, gibt es bei Phyrexia: Alles wird eins noch ein spezielles Bundle mit einem Compleat Booster. Dieser enthält zehn Basisländer und zwei sagenhaft seltene Karten, alle als Oil Slick Raised Foils. Was das jetzt schon wieder ist? Noch eine Foiling-Variante, bei der einzelne Aspekte der Karte, in einem exklusiven Artwork, spürbar von der Karte hervorgehoben werden. Selbst durch zwei Kartenhüllen ist diese Oberfläche an der Vorderseite noch leicht spürbar.

Die Varianten sehen ohne jede Frage fantastisch aus, der Variantenreichtum steigt aber damit in absurde Höhen. Das krasseste Beispiel dafür ist Elesh Norn, Mutter der Maschinen. Diese gibt es nicht nur in allen vorgenannten Varianten, sondern auch noch von fünf Künstler*innen. So kommt hier Phyrexia: Alles wird eins auf zwölf Varianten der gleichen Karte! Dieser Umstand ist Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite drückt die Anzahl solcher Varianten immer den Preis für die normalen Varianten ohne spezielles Artwork und nichts ist für das Hobby besser als günstige Einzelkartenpreise. Für Sammler*innen ist dieser Umstand wiederum ein Fluch, fühlt sich durch die Übersättigung doch irgendwie jede Variante etwas beliebiger und die Suche nach der einen speziellen Variante müßig an. Und diese Problematik geht im Zweifelsfall Hand in Hand mit der schon jetzt schnellen Abfolge von neuen Sets.

Giftig oder ausgerüstet? – Die neuen Commander-Decks

Die neuen Commander Decks

Phyrexia: Alles wird eins bringt zwei neue Commander-Decks mit. Ein Abzan Commander Deck in grün-weiß-schwarz mit dem Namen Verderbender Einfluss, das vor allem den Schwerpunkt auf Giftmarken legt, und ein Boros Deck, Aufstand der Rebellen, das wiederum auf unterschiedliche Ausrüstungsgegenstände setzt. Beide Decks funktionieren schon direkt aus der Packung recht gut, wobei das zweifarbige Boros-Deck etwas besser abschneidet. Hier merkt man die doch etwas schwache Mana Basis des dreifarbigen Decks, das so leider weniger gute Ergebnisse liefert. Trotzdem machen beide Decks Spaß. In Aufstand der Rebellen findet sich mit Beispielloses Manöver auch der erste Nachdruck einer der Zaubersprüche aus Ikoria, die man umsonst wirken kann, wenn man den eigenen Commander kontrolliert. Auf weitere Nachdrucke kann somit gehofft werden.

Wie in der Vergangenheit sind die Commander Produkte gut gelungen und machen schon direkt Spaß. Wer nur einzelne Karten aus den Decks braucht, sollte aber auf den Sekundärmarkt setzen.

Überall Elesh Norn? – Auswirkungen auf unterschiedliche Formate

Schon im Vorfeld wurden die Auswirkungen des Sets auf bestehende Formate heiß diskutiert. In den aktuellen Turnierformaten haben sich einzelne Karten schon etabliert und mischen die entsprechenden Spiele deutlich auf. Den größten Einfluss haben dabei wohl die neue Atraxa und die Verehrte Fäulnispriesterin, die einem erlaubt schnell Giftmarken zu verteilen. Wenn man Pech hat, ist es im Spiel gegen die kleine Kreatur schon in Zug 2 oder 3 vorbei. Die große Flut an Elesh Norns, die im Vorfeld erwartet wurde, ist dann doch ausgeblieben. Die ein oder andere seltene Karte wie Skrelv, übergelaufene Milbe, hat ebenfalls ihren Platz gefunden. Insgesamt ist der Einfluss auf unterschiedliche Formate gefühlt deutlich größer als mit dem Krieg der Brüder Set. Ob das gut ist, müssen alle für sich selbst entscheiden. Formatveränderungen stärken zwar einerseits das neue Set, lassen aber die Aufrüstspirale gefühlt auch wieder schneller drehen.

Phyrexia: Alles ist eins? – Ein Fazit

Das neue Standardset bringt einen faszinierenden Stil mit, den man so selten bei Magic: The Gathering gesehen hat. Alles wirkt fremd, verdreht, abstoßend. Gleichzeitig passiert in der Handlung so viel, dass man sich schon fast fragt, ob man diese Progression nicht mehr auf vergangene Sets hätte verteilen können. Die Mischung aus nachgedruckten und neu eingeführten Karten, die relevant bleiben könnten, hält sich in etwa die Waage. Der Einfluss ist, wie zu erwarten, im Standard-Format relativ hoch, in anderen Formaten haben sich nur Einzelkarten etabliert, deren langfristiger Einfluss sich noch zeigen wird. Wer Booster aufreißen möchte, sollte wahrscheinlich zu Set-Boostern greifen. Wer mehr alternative Artworks und vor allem das phyrexianische Foiling möchte, muss Collector-Booster kaufen. Von den Jumpstart Boostern können wir nur abraten. Letztere sind schlicht ein Produkt, das für Niemanden geeignet erscheint. Insgesamt bleibt ein positiver Eindruck zurück. Das Set ist etwas stärker als der Krieg der Brüder und bringt mit Toxisch nicht zuletzt eine Mechanik zurück, die MtG Spieler*innen entweder hassen oder lieben. Zugegeben, die unterschiedlichen Artworks des neuen Sets muss man nicht mögen. Insgesamt bekommt man hier aber ein sehr solides Standard-Set mit starken Karten und schönen Spiel-Effekten.

 

  • Verstörende Artworks

  • Gute neue Karten

  • Endlich Progression im Hintergrund

 

  • Zu viele Varianten von einzelnen Karten

  • Manche Karten sehen sich zu ähnlich

 

Artikelbilder: ©Wizards of the Coast
Layout und Satz: Mika Eisenstern
Lektorat: Susanne Stark
Fotografien: Markus Kastell
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt

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