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Lust auf eine Reise in einer blauen Telefonzelle? Mit dem neuesten Jenseits des Universums-Produkt entführt uns Magic: The Gathering in die Welt von Dr. Who. Wir haben uns für euch die Produkte angeschaut und überprüfen, ob sich die Investition auch für Personen lohnt, die nicht Fans der Serie sind.

Immer wieder wird die eigentliche Magic: The Gathering-Produktpalette um Inhalte erweitert, die mit dem eigentlichen Hintergrund der unterschiedlichen Ebenen nichts zu tun haben. Nach dem vor kurzen erschienenen Herr der Ringe-Produkten ist nun Dr. Who an der Reihe. Das britische Franchise hat auch hier zu Lande viele Fans, doch taugt es auch für ein MtG-Produkt? Wir haben für euch den Schallschraubenzieher gegriffen, sind in die Tardis gestiegen und haben die neuen Decks auf Herz und Nieren getestet.

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13 Doctors sollt ihr sein – Die Produkte im Überblick

Anders als das zuvor genannte Herr der Ringe Set kommt Dr. Who nicht mit einer vollen Produktpalette daher. Stattdessen gibt es vier Commander-Decks und Collector-Booster. Die Collector-Booster enthalten dabei grundsätzlich keine anderen Karten als die Commander-Decks. Wer also schlicht alle Karten aus dem Set besitzen möchte, und kein Augenmerk auf spezielle Varianten legt, ist mit den Commander-Decks schon vollends bedient. Die Collector-Booster enthalten dann unterschiedliche Varianten und Foilings der bestehenden Karten. Die zuvor äußerst seltenen Surge-Foil-Karten, bei denen leuchtende Streifen diagonal die Karte zieren, treten hier äußerst häufig auf. Hier zeigt sich die Krux der immer neu aufkommenden Varianten, die das Besondere dadurch verlieren, dass sie entweder dauernd wiederkommen oder ständig etwas Neues eingeführt wird. Die Problematik zeigt sich noch deutlicher bei den nummerierten Karten. Von allen 13 Doctors, die im Set enthalten sind, gibt es jeweils eine nummerierte Variante. Von diesen gibt es dann knapp über 500 Karten, jeweils der Iteration des Doctors entsprechend. Vom achten Doctor gibt es somit 508 nummerierte Karten. Die Jagd nach diesen serialisierten Karten ist vor allem auf dem amerikanischen Markt deutlich ausgeprägter als bei europäischen Sammler*innen. Trotzdem zeigen sich auch dort deutliche Ermüdungserscheinungen, ist der Markt doch merklich übersättigt. Collector-Booster aufzureißen, um damit Gewinn zu machen, ist daher wahrscheinlich eine schlechte Idee. Das eigentlichen Herzstücke dieses Sets sind aber die Commander-Decks, die wir uns im Nachfolgenden genauer ansehen wollen.

Durch Raum und Zeit – Neue Karten und Mechaniken

Die vier neuen Commander-Decks kommen mit insgesamt 198 komplett neuen Karten daher, die bisher in keinem Magic: The Gathering-Produkt zu finden waren. Zur Orientierung sei gesagt, dass die normalen Commander-Decks aus den Standard-Sets jeweils zehn neue Karten enthalten. Alle diese Karten sind somit nur in Legacy-, Vintage- und Commander- Spielen erlaubt.

Alle Karten der Decks, egal ob völlig neu gestaltete oder Nachdrucke bestehender Karten, haben dabei neue Zeichnungen bekommen, um den Stil von Dr. Who einzufangen.

Neben diesen neuen Karten gibt es zwei hinzugekommene Mechaniken: Begleiter des Doctors und Schreckliches Dilemma.

Die Fähigkeit Begleiter des Doctors funktioniert ähnlich wie die Begleiter- oder Partner- Fähigkeiten im Commander-Format. Wenn man einen der 13 Doctors als Commander wählt, kann man einen Begleiter des Doctors als zusätzlichen Commander spielen. Diese*r bietet nicht nur zusätzliche Fähigkeiten, sondern erweitert das Farbspektrum des eigenen Decks potenziell um eine weitere Farbe. So kann man das eigene Deck noch weiter dem eigenen gewünschten Spielstil anpassen. Die Begleiter gibt es in allen Farben, so dass alle Variationen möglich sind. Erwähnt sei, dass diese Fähigkeit nur mit Karten funktioniert, die nur die Kreaturentypen Time-Lord und Doctor besitzen. Eine Kombination mit Wandelwicht-Commandern wie beispielsweise Orvar die Allgestalt aus Kaldheim ist explizit nicht möglich.

Schreckliches Dilemma wiederum ist eine Variation der bisherigen Abstimmungsregelungen. Beim schrecklichen Dilemma müssen einzelne Spieler*innen, wenn sie eine gewisse Voraussetzung erfüllen, sich zwischen zwei Umständen entscheiden. Wir stellen diese bei der Vorstellung der einzelnen Commander-Decks nochmals beispielhaft vor. Erwähnenswert sei noch, dass man bei einer solchen Abstimmung auch ein Ergebnis wählen kann, dass eigentlich nicht erfüllbar ist. Beispielsweise kann man wählen, so dies eine Option ist, eine Kreatur zu opfern, auch wenn man gar keine besitzt.

Jedes Deck enthält neben seinen 100 Karten und zehn Spieltoken auch zehn Planechase-Karten und ein Collector-Booster-Sample. Die Planechase-Karten kann man für eine Commander-Variation nutzen, bei der man regelmäßig die Ebenen wechselt. Das ganze Spiel wird so noch chaotischer. Die Collector-Booster-Sample enthalten zwei Karten, die auch in den Collector- Boostern sein könnten und sollen Spieler*innen so überzeugen sich auch Collector-Booster zu kaufen. Zu erwähnen sei dabei, dass es die eigentlichen Collector-Booster nur auf Englisch gibt, die Collector-Booster-Sample aber auch auf Japanisch, Französisch und Deutsch, je nachdem welche Sprache das Commander-Deck hat, das man erwirbt. Das sorgt dafür, dass diese Sonderdrucke der Karten in den entsprechenden Sprachen nur über die Collector-Booster-Sample erhältlich sind. Schon in der Vergangenheit haben einzelne Drucke aus diesen Sample-Boostern absurde Preise erreicht, hier lohnt es sich potenziell die entsprechenden Karten länger liegen zu lassen.

Bevor wir uns nun die einzelnen Decks anschauen, wollen wir kurz noch über die Länder sprechen. Die Auswahl an Ländern ist meist die größte Schwachstelle von vorgefertigten Commander-Decks, ist diese doch potenziell zu langsam oder sorgt vor allem bei dreifarbigen Decks dafür, dass man nicht spielen kann, was man möchte.

Hier findet sich aber eine Vielzahl fantastischer Reprints. Sowohl die sogenannten Slow Lands aus den beiden Innastrad-Erweiterungen, die Check Lands und die Pain Lands aus Modern Horizons 1 sind hier verwendet worden und sorgen für eine gute Mana-Kurve. Ein Novum, das wir so nicht in bisherigen Commander-Decks gesehen haben. Wer die Länder also losgelöst von den Commander-Decks sucht, bekommt sie gerade recht günstig über den Sekundärmarkt.

Jetzt wird es legendär! – Lehren der Vergangenheit

Das erste Commander Deck Lehren der Vergangenheit beschäftigt sich inhaltlich mit den Doctors eins bis acht und vertritt die Farben grün, blau und weiß. Konzeptionell möchte das Deck vor allem historische Zaubersprüche nutzen, also Artefakte, legendäre Karten und Sagen. Viele der Karten nutzen dabei Synergie-Effekte, um legendäre Karten nochmals stärker zu machen. Der vorgeschlagene Commander, der vierte Doctor, ermöglicht einem beispielsweise jeden Zug eine historische Karte oder ein historisches Land oben von der Bibliothek zu spielen und danach einen Speise-Spielstein zu erzeugen. Der sechste Doctor ist wahrscheinlich die stärkere Commander-Wahl aus dem Deck, kopiert er doch pro Spielzug einen historischen Zauberspruch, nur dass dieser dann nicht mehr legendär ist. Die Spielidee ist damit geradlinig. Man möchte so schnell wie möglich so viele historische Zaubersprüche wie möglich nutzen, um das Spielfeld zu dominieren. Stärkste Nachdrucke des Decks sind wahrscheinlich Heroische Intervention und Drei Besuche. Die stärksten neuen Karten sind die Stadt der Toten und überraschenderweise der Zeitreisende Dinosaurier, der alle historischen, bleibenden Karten, die ins Spiel kommen, auch zu 7/7 Dinosauriern macht.

Insgesamt ist Lehren der Vergangenheit wahrscheinlich das schwächste Deck aus der Rotation. Man sieht den Spielplan des Decks aus großer Entfernung schon und erlebt als Gegner*in so kaum Überraschungen. Gleichzeitig ist es auch für nicht so erfahrene Spieler*innen so beherrschbar, muss man doch nicht auf unzählige Faktoren gleichzeitig achten.

Ganz schön seltsam – Paradoxon-Power

Paradoxon-Power nutzt die Doctors zwölf und dreizehn und hat als Farbidentität grün, blau und rot. Während das vorherige Deck dabei auf historische Zaubersprüche setzte, möchte Paradoxon-Power vor allem Karten von anderen Orten als der Hand spielen. Sei es aus der Command-Zone oder aber aus dem Exil oder dem Friedhof. Der dreizehnte Doctor verteilt auf Kreaturen, die von anderen Orten als der Hand gespielt werden, beispielsweise +1/+1 Marken. Zusätzlich werden zu Beginn des Endsegmentes alle eigenen Kreaturen enttappt, auf denen eine Marke liegt. Die Zielsetzung ist somit einerseits Karten von anderen Orten zu spielen und möglichst viele Marken zu verteilen. Auch dieses Konzept funktioniert recht gut, bekommt man doch schnell eine Vielzahl von Karten von anderen Orten aufs Feld und kann gleichzeitig recht aggressiv spielen, enttappen die eigenen Kreaturen doch wieder im Endsegment. Der beste Nachdruck des Decks ist klar der Blütenteppich, eine Karte, die so endlich wieder erschwinglich geworden ist. Die beste neue Karte ist wahrscheinlich die Quantenverschiebung, die einem ermöglicht einen Token einer Kreatur zu erzeugen. Durch Abprall wird dieser Zauber im nächsten eigenen Versorgungssegment nochmals kostenlos kopiert. Das Deck funktioniert in sich sehr gut, hat aber weniger starke Nachdrucke oder besonders herausragende Einzelkarten zu bieten. Wer sich nur ein Commander-Deck holen will, greift wahrscheinlich zu einem der anderen.

Und nun die Geschichte von der anderen Seite – Meister des Bösen

Das Meister des Bösen Deck widmet sich der Vielzahl von Antagonist*innen, die das Dr. Who-Universum zu bieten hat. Die Farbidentität des Decks ist dabei blau, schwarz und rot. Der vorgeschlagene Commander ist Davros, Schöpfer der Daleks. Dieser möchte recht gleichmäßig Schaden auf Gegner*innen verteilen, um immer mehr Daleks zu erzeugen und danach Schreckliche Dilemma auszulösen. Die alternative Commanderin ist Missy, die die Cybermen anführt. Diese ist zwar mit sechs Mana recht teuer auszuspielen, macht aber aus getöteten nicht-token Kreaturen Cybermen und fügt Mitspielenden entweder Schaden zu oder lässt einen selbst Karten ziehen. Mit Umpusten und den Beinschienen des Blitzes sind auch hier großartige Nachdrucke zu finden, die man eigentlich immer brauchen kann. Mit der Cyber-Umwandlung ist ein guter blauer Zauber gegen gegnerische Kreaturen hinzugekommen. Auch dieses Deck kann an sich überzeugen, kränkelt aber an einem seltsamen Umstand: Die beiden vorgeschlagenen Commander möchten völlig unterschiedliche Dinge erreichen und haben untereinander kaum Synergie-Effekte. Hier würde es sich wahrscheinlich anbieten, sich für eine der beiden Richtungen zu entscheiden und das Deck dementsprechend umzubauen. Für die Dalek-Ausrichtung würde sich die Kombination mit Wandelwichten anbieten. Das Deck von Missy wird wiederum ein klassisches Artefaktdeck. Beide Variationen lassen sich gut bauen, erfordern aber ein gewisses Maß an Vorerfahrung.

Plötzlich kompliziert – Die Zeit hat ´nen Knick

Das letzte Commander-Deck in weiß, rot und blau ist gleichzeitig das spannendste und komplizierteste der Decks mit den Doctors neun bis elf. Der zehnte Doctor schickt beispielsweise Karten mit Zeitmarken ins Exil und diese erhalten Aussetzen. Dadurch wird zu Beginn jedes Versorgungssegmentes eine Zeitmarke von der Karte entfernt. Wenn sie keine Marke mehr besitzt, kann man sie umsonst ausspielen. Viele der Karten des Decks nutzen diese oder ähnliche Fähigkeiten, um auf Karten Zeitmarken zu legen oder die Anzahl der Marken zu manipulieren. Das eigene Spielfeld wird so rasant voll, so dass man schnell den Überblick verlieren kann. Gleichzeitig enthält dieses Deck die stärksten Nachdrucke und Neuzugänge. Hochzeitsring, Abschied und erneut Beinschienen des Blitzes sind fantastische Karten, über die sich jede*r Commander-Spielende freut. Gleichzeitig sind mit dem Fleisch-Doppelgänger, Dinosaurier auf einem Raumschiff und Alle überleben! Unglaublich starke neue Karten hinzugekommen. Alle überleben! ist dabei die teuerste Karte aus dem gesamten Set, verhindert sie doch sowohl, dass man selbst das Spiel verliert, als auch das jemand anderes in diesem Zug das Spiel gewinnt. Insgesamt macht das Deck viel Spaß, erfordert aber einen guten Überblick übers Spielfeld und unzählige Würfel, die man als Zeitmarken auf diverse Karten verteilt. Diese alle im Blick zu behalten und daraus noch sinnvolle Spielzüge zu generieren ist durchaus anspruchsvoll.

Und jetzt ab in die Tardis? – Ein Fazit

Die Dr. Who-Commander-Decks sind durch die Bank gut gelungen. Sie folgen mehr oder minder klar einem sichtbaren Konzept, haben eine gute Auswahl an Ländern und bringen sowohl starke Nachdrucke als auch fantastische neue Karten mit sich. Die Decks eignen sich somit sowohl als Grundlage für andere Commander-Decks, wenn man sie auseinandernehmen möchte, wie auch als Spielerlebnis direkt aus der Packung. Die Stärke der Decks ist so nah beieinander, dass nicht ein Deck die anderen zwanghaft dominiert. Wenn man sich nur ein einzelnes Deck holen möchte, empfehlen wir den Griff zu Die Zeit hat ´nen Knick. Leider ist dieses Deck bei vielen Händler*innen deutlich im Preis gestiegen. Wenn man es irgendwo noch bezahlbar erwerben kann, ist es auf jeden Fall eine gute Investition. Der Griff zu den Collector-Boostern lohnt sich nur für Spieler*innen, die Lust haben die unterschiedlichsten Varianten von Karten zu bekommen. Die Suche nach den limitierten nummerierten Doctors können wir nicht empfehlen. Die Dr. WhoAnhänger*innen in unserem Freundeskreis sind von der Umsetzung unterschiedlicher Serieninhalte hellauf begeistert und für Konsument*innen, die bisher keinen Kontakt mit Dr. Who hatten, mag dies ein guter Einstieg sein. Wer somit ein komplexeres Commander-Produkt sucht, kann bei den Dr. Who-Decks ohne Bedenken zugreifen.

  • Fantastische neue Karten
  • Tolle Reprints, starke Länder
  • Flair der Serie wird gut eingefangen
 

  • Komplexität relativ hoch

 

Artikelbilder: © Wizards of the Coast
Layout und Satz: Andreas Hübner
Lektorat: Nina Horbelt

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