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Göttinen und Heldinnen spielen in vielen Geschichten aus Kulturen der ganzen Welt eine wichtige Rolle. Wir schenken in diesem Artikel den besonders kampfreudigen unter ihnen unsere Aufmerksamkeit. Begleitet uns auf eine Reise von den Amazonen Griechenlands bis zur Löwengöttin des alten Ägyptens.

Bekannte Sagen und Legenden werden zumeist von männlichen Protagonisten dominiert. Die Namen von Helden wie Achilles, Odysseus oder Herakles sind auch heute noch in aller Munde. Eines der ältesten Werke der Dichtung, das Gilgamesch-Epos, rückte den namensgebenden König in das Zentrum der Handlung. In Deutschland wurde der Protagonist des Nibelungenlieds, Siegfried der Drachentöter, im 19. und 20. Jahrhundert gar zu einem Volkshelden erhoben.

Doch sollte man sich von diesem ersten Eindruck nicht täuschen lassen. Tatsächlich spielen in vielen Sagen und Legenden Kriegerinnen und Heldinnen eine größere Rolle, als man zunächst annehmen möchte. Dabei gewähren sie vielfach Einblick in die Geschlechterrollen ihrer jeweiligen Kultur.

Bildnis von Kriemhild von Heinrich Füssl
Bildnis von Kriemhild von Heinrich Füssl

Auch hierfür kann das Nibelungenlied als Beispiel anhand seiner wichtigsten weiblichen Figuren Kriemhild und Brünhild dienen. Die Denkweise des Mittelalters mit ihrem Fokus auf einer männerbestimmten Gesellschaft ist in vielerlei Hinsicht dargestellt. So verkörpert Kriemhild den Wunsch ihre individuellen Bedürfnisse mit dem patriarchischen Herrschaftsanspruch zu kombinieren. Dies misslingt am Ende jedoch, als ihr eigenmächtiges Handeln in der Ermordung Hagens gegen die Konventionen der Geschlechterrollen verstößt. Durch die zur damaligen Zeit unangemessene „Anmaßung“ als Frau das Leben eines Helden zu nehmen, hat Kriemhild auch ihr eigenes Leben verwirkt.

Brünhild hingegen verkörpert zunächst das genaue Gegenteil. Die Königin von Island verfügt über magische Kräfte, die ihr unmenschliche Fertigkeiten verleihen. So erscheint sie zu Beginn als unbändige Naturgewalt, die den Herrschaftsanspruch der Männer nur durch den Sieg über sich akzeptiert. Geleistet werden kann das nur durch den Helden Siegfried, der durch eine List die Vermählung von Brünhild mit Kriemhilds Bruder Gunther in die Wege leitet. In einer finalen Demonstration männlicher Überlegenheit bändigt Siegfried die kampfstarke Brünhild im Ehebett Gunters zum letzten Mal. Der anschließende Verlust ihrer Jungfräulichkeit durch ihren Gatten beraubt sie schließlich ihrer magischen Fertigkeiten. Die damals angenommene Ordnung ist dadurch wieder hergestellt.

Herrinnen über Leben und Tod

Jedoch gibt es zahlreiche Beispiele von Mythologien, in denen Frauen eine zentrale Rolle zugewiesen wurde. Dazu zählen vielfach auch die Aspekte von Krieg und Kampf, wie in unserem Artikel über Kriegsgottheiten aufgeführt wird. So gilt in der griechischen Mythologie Athena als Verkörperung der strategischen Kriegsführung und Konfliktbewältigung als Mittel zur Verteidigung. Damit steht sie im Gegensatz zu ihrem Bruder Ares, der die blutrünstigen und chaotischen Seiten des Krieges verkörpert. Die Verehrung der Athena spielte damit deutlicher auf Kriege als Mittel zum Zwecke eines Sieges und nicht die eigentliche Kriegsführung an.

Bildnis von Durga
Bildnis von Durga

Ein weiteres prominentes Beispiel einer Gottheit als Verteidigerin ist Durga aus der indischen Mythologie. Diese zehnarmige Göttin symbolisiert Stärke und Entschlossenheit zum Schutze ihrer Anvertrauten, ähnlich einer Muttergestalt. Sie ist bekannt für ihren Kampf gegen einen mächtigen Dämonen, der schlussendlich nur von der Göttin überwältigt werden konnte.

Die Ägypter kannten eine ähnliche Göttin in Form von Sachmet, auch genannt „Die Mächtige“. Die Unsterbliche mit dem Löwenkopf galt als wild und kriegerisch. Aus diesem Grund wurde sie von Pharaonen um Beistand angerufen, wenn diese in den Kampf zogen. Gleichzeitig wurde aber auch ihre zerstörerische Seite gefürchtet. In einer Geschichte soll sie auf Anweisung ihres Vaters Re boshafte Menschen töten. Jedoch gerät sie in einen Blutrausch und verliert alle Kontrolle, sodass sie schlussendlich mit einem Trick zum Schlafen gebracht werden muss. Außerdem galt sie als Ursprung von Seuchen und Krankheiten. Diese dienten quasi als biologische Waffen der antiken Kriegsführung. Gleichzeitig konnte sie ihre Anhänger aber auch vor diesen Übeln bewahren. Aus diesem Grund wurde sie auch als Schutzpatronin der Heiler und Ärzte verehrt.

Außergewöhnliche Heldinnen

Doch nicht nur unsterbliche Göttinnen sollten die verschiedensten Kulturen prägen. Über die ganze Welt hinweg finden sich Erzählungen von außergewöhnlichen Heldentaten durch Frauen.

Ein Beispiel hierfür ist Scáthach. Diese Kriegerin der irischen Mythologie war bekannt für ihre Fertigkeiten im bewaffneten und unbewaffneten Kampf. Darüber hinaus war sie für die Erfindung der tödlichen Waffe Gáe Bulg verantwortlich. Diese besondere Harpune konnte aufgrund ihrer mehrfachen Widerhaken besonders grausam im Kampf gegen Feinde eingesetzt werden. Obwohl sie angeblich viele Helden trainierte, brachte sie den Umgang mit dieser Waffe nur ihrem berühmtesten Schüler bei: dem irischen Volkshelden Cú Chulainn.

Blenda führt ihre Landsfrauen in den Kampf
Blenda führt ihre Landsfrauen in den Kampf

Weiter nordöstlich von Irland findet sich auch eine bekannte Kriegerin. Blenda ist der Name einer Heldin, die angeblich ihre Landsfrauen in einen Kampf gegen eine einfallende dänische Armee führte. Laut der Legende waren die Männer ihrer Heimat Småland in einen Krieg gegen Norwegen geschickt worden. Die Dänen dachten aus diesem Grund, leichtes Spiel mit der Eroberung des Gebietes zu haben. Doch Blenda schickte Nachricht an alle Siedlungen in der Umgebung und versammelte die daraus stammenden Frauen um sich. Mit einer List gelang es ihnen die einfallenden Dänen bei einem Festgelage betrunken zu machen und anschließend im Schlaf zu ermorden. Als Belohnung für ihren Mut erhielten die Frauen neue Rechte, beispielsweise Gleichberechtigung in der Erbfolge mit den Männern. Blenda wurde als Paradebeispiel für Mut und Einfallsreichtum angesehen.

Ähnlich wird Gordafarid im iranischen Nationalepos Schāhnāme (Buch der Herrscher) dargestellt. Bei einem Angriff einer feindlichen Armee auf die Festung ihrer Vaters, stellt sie sich deren Befehlshaber Sohrab entgegen. Obwohl sie das Duell mit diesem verliert, gelingt es ihr später aufgrund einer List wieder in Freiheit zu gelangen. Ihr tapferes Eingreifen schaffte es, den Vormarsch der auf Persien marschierenden Truppen zu verzögern. Aus diesem Grund wird sie noch heute von iranischen Frauen als Symbol von Weisheit und Tapferkeit verehrt.

Natürlich darf auch die griechische Mythologie nicht fehlen, wenn es um die Aufzählung von Heldinnen geht. Eine der entschlossensten von ihnen war Atalanta. Die Jägerin widmete ihr Leben der Göttin Artemis und nahm an mehreren Expeditionen teil. So schloss sie sich beispielsweise der Jagd nach dem Kalydonischen Eber an. Dieses Untier wurde von Artemis als Bestrafung für ein vergessenes Opfer entfesselt. Seitdem verwüstete es die Gegend um Kalydon. Als einzige Frau nahm Atalanta an der Jagd nach diesem Monstrum teil, zum Unbill einiger männlicher Mitstreiter. Doch stellte sie ihren Wert schnell unter Beweis, als sie als erste das Biest mit einem Schuss verletzte und dabei das Leben zweier Jäger retten konnte. In einigen Quellen wird sie darüber hinaus noch als einziges weibliches Mitglied der Argonauten auf der Suche nach dem goldenen Vlies erwähnt. Hierbei finden sich aber auch gegenläufige Angaben: In einigen Varianten soll sich Jason geweigert haben einen Frau an Bord zu nehmen, aufgrund des Konfliktpotentials innerhalb der ansonsten rein männlichen Mannschaft.

Die mythischen Schwestern von Wonder Woman

Natürlich kommen bei der Erwähnung von griechischer Mythologie und Kriegerinnen die berühmtesten Kämpferinnen in den Sinn: die Amazonen. Diese in den Kampf ziehenden Frauen werden als mutig, geschickt im Umgang mit Waffen und kriegerisch beschrieben. Die Legende besagt, dass sie sich ihre rechte Brust abschnitten, um besser Bogen schießen und mit dem Speer werfen zu können. Daraus rührt angeblich auch der Name, der vom Wort „amazos“ (brustlos) abgeleitet ist. Allerdings wird diese Erklärung heute noch angezweifelt, besonders da Amazonen meist mit zwei Brüsten dargestellt sind.

Die Amazonenschlacht von Anselm Feuerbach
Die Amazonenschlacht von Anselm Feuerbach

Amazonen spielen in vielen griechischen Erzählungen eine wichtige Rolle oder werden zumindest erwähnt. Bereits Homer schließt sie in seiner Iliad mit ein und diese Geschichte diente als Inspiration der Graphic Novel Das Herz der Amazonen. Bekannt ist beispielsweise auch die Rolle der Amazonen im Herakles-Mythos. Eine der Aufgaben des Halbgottes ist es, den Gürtel der Amazonenkönigin Hippolyte zu erlangen. Durch eine List von Hera kommt es allerdings zum Kampf zwischen dem Sohn des Zeus und den Kriegerinnen, in Folge dessen viele der Amazonen (in einigen Varianten die Königin selbst) ihr Leben verlieren. Am Ende wird dem siegreichen Helden jedoch der ersehnte Gürtel übergeben.

Auch in der Phantastik erfreuen sich die kriegerischen Frauen der griechischen Mythologie großer Beliebtheit. Am bekanntesten dürfte zweifelsfrei die Amazone sein, die mit Superman und Batman als Dreigestirn von DC Comics gilt: Wonder Woman. Warum diese bedeutsam für die Entwicklung des feministischen Blockbusters gewesen ist, könnt ihr in unserem speziell diesem Thema gewidmeten Artikel nachlesen.

Doch auch in anderen Welten finden sich Amazonen, beispielsweise als spielbare Klasse im Hack-and-Slash-Klassiker Diablo II oder als Charakterarchetyp in der Welt von Das schwarze Auge.

Ein dem Kampf gewidmetes Leben

Einen ähnlichen Fokus auf den Kampf legen die Schildmaiden der skandinavischen Sagen. Diese Frauen finden in mehreren Erzählungen Erwähnung und haben ihr Leben bewusst dem Krieg gewidmet. Die eingangs bereits aufgeführte Brünhild ist ein bekanntes, aber nicht das einzige Beispiel für eine Schildmaid.

Lathgertha, eine der wohl bekanntesten Schildmaiden
Lathgertha, eine der wohl bekanntesten Schildmaiden

Schildmaiden könnten hierbei auch die Inspiration für die Walküren gewesen sein. Diese Kriegerinnen geleiteten im Auftrag Odins die Gefallenen in die ewige Halle Walhalla. Somit ist es nicht verwunderlich, dass diese Gestalten der nordischen Mythologie auch mit Totengeistern oder Todesengeln assoziiert werden. Die Anzahl der Walküren ist jedoch begrenzt und schwankt je nach Quellen zwischen neun und dreizehn. In der Kunst werden sie mittlerweile häufig in einer romantisierten Gestalt mit prächtigen Rüstungen, mit Federn geschmückten Helmen oder auf geflügelten Pferden reitend dargestellt. Letzteres geht wahrscheinlich auf die falsche Übersetzung des Begriffs „Walkürenpferd“ zurück, welcher als Metapher für einen Wolf stand.

Auch Schildmaiden und Walküren haben ihren Weg in die Phantastik gefunden. Eines der bekanntesten Beispiele dürfte die Schildmaid Éowyn aus Der Herr der Ringe sein. Spielern von God of War werden sie außerdem als äußerst widerstandsfähige optionale Bosse in Erinnerung geblieben sein.

Somit endet unser kurzer Überblick zu Heldinnen und Kriegerinnen in Sagen und Legenden. Natürlich gibt es hier noch mehr Beispiele, die aufgrund von Platzmangel leider nicht ihren Weg in unseren Artikel gefunden haben. Lasst uns jedoch in den Kommentaren gerne wissen, wer eure liebsten Heldinnen aus den Bereichen Mythologie und Folklore sind!

 

Quellen

Artikelbilder: Wikimedia Commons, Bearbeitet von Verena Bach

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