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Wer ist nicht fasziniert von Drachen, den häufig geflügelten majestätischen Wesen, die in der einen oder anderen Form in so vielen Kulturen auftauchen? Johan Egerkrans hat in seinem neuen Prachtband eine wundervoll illustrierte Abhandlung über die Wesen in Ost und West erschaffen.

Drachen – Monster, Götter, Betrüger, Weise, Glücks- und Unheilsbringer. Die Gottschlangen tauchen in nahezu jeder Kultur auf. Mensch stellt sich zurecht die Frage, wie ähnliche mystische Kreaturen weltweit wichtige Elemente der Mythologie einnehmen können. Johan Egerkrans geht dieser Frage auf den Grund, erläutert dabei Historie, Mythos, den Unterschied zwischen Ost und West und vieles mehr – stets mit einer Prise Humor.

Inhalt

Nach einem kurzen Vorwort von John Blanche, Art Director von Games Workshop, gliedert sich der Band in fünf Kapitel:

  1. Drachen (Ursprung, Mythos, Verwandlung im Laufe der Zeit in Lyrik und Erzählung)
  2. Kosmische Drachen (Urzeitliche Monster aus der frühen Sagenwelt)
  3. Legendäre (westliche) Drachen und Drachentöter
  4. Östliche (asiatische) Drachen
  5. Drachen aus der weiteren Welt
Johan Egerkrans ist der Autor dieses Werkes © johanegerkrans.com

In einem kurzen Essay geht Egerkrans zuerst der generellen Frage nach, was den Glauben an mystische, drachengleiche Wesen auf der ganzen Welt und in fast allen Kulturen verankert hat. Ob nun Urangst, genetische Erinnerungen aus der Zeit, da die ersten Nager zwischen Dinosauriern huschten oder gar das verkörperte Alpha-Raubtier, bleibt jedoch offen.

Interessant zeigt sich die Wandlung des Drachen vom Monster zum Dämon im Rahmen der Christianisierung bis hin zu modernen Drachen im zeitgenössischen Kino. Dazu wird auch die Rolle des Drachentöters thematisiert, denn auch jener hat eine Wandlung in der Erzählkunst erfahren. Von Beowulf zu James Bond ist es ein weiter Weg und betrachtet man die erzählerische Rolle von Drachen in ihren Geschichten, ist ein wahnsinniges Superhirn mit Laser-Satelliten auch nichts anderes als ein Drache. Das erste Kapitel stimmt Lesende gut auf die folgenden genaueren Betrachtungen ein und schafft Grundwissen.

So versorgt, geht es tief in die Mythologie, aber auch zu den Wurzeln des Christentums. Ob nun Apep, Behemoth, Tiamat oder auch die Schlange im Paradies – alles sind Monster, die Zerstörung oder mindestens Versuchung bringen und eine Gefahr sind. Dieses Kapitel setzt einigermaßen gute Kenntnis der griechischen und ägyptischen Mythologie voraus, erklärt aber stets die wichtigsten Eckpfeiler, um Lesende nicht zu verlieren.

© Johan Egerkrans
© Johan Egerkrans

Im Kapitel über legendäre Drachen und ihre Häscher schmunzelt man immer wieder über den leicht spöttischen Ton, in dem auf die Monster der griechischen, zentraleuropäischen, nordischen, slawischen und christlichen Mythologie eingegangen wird. Lesende erhalten aber einen guten Überblick über die Hydra (aus Lerna), den kolchischen Drachen (der das goldene Vlies beschützte), Fafnir (Wer ist es gewesen? Loki natürlich!), aber auch Sankt Georg und Beowulf und weit mehr. Der spöttische Ton bezieht sich hier vor allem auf den meist eher ungeschickten Aufbau von Sagen, deren Geschichten untereinander verwoben sind. Griechische Prinzessinnen hatten offenbar eine Vorliebe fürs Zerstückeln, aber das nur am Rande.

Das Kapitel über asiatische Drachen ist leider deutlich geringer im Umfang, zeigt aber gut auf, wie unterschiedlich die Rolle dieser Wesen in den dortigen Legenden ist. So handelt es sich beim chinesischen Drachen (Lung oder Long) um einen Glücksbringer, der oft auch Erkenntnis bringt. Beim japanischen Drachen (Ryu) haben wir ein moralisches Zwitterwesen, welches in seiner Rolle dem chinesischen Drachen ähnelt, aber oft auch ein gefährliches, zu bekämpfendes Monster ist. Im Weiteren wird auf Naga, den Drachenkönig und das Kirin eingegangen.

Wenn auch im Rahmen des Buches erklärt wird, weswegen westliche und östliche Drachen im Fokus stehen, geht Egerkrans am Ende dann doch nochmal auf die nordamerikanische gehörnte Wasserschlange, die Uktena, ein.

Drachen sind heute so aktuell wie eh und je. Sie sind vielschichtige und mächtige Symbolträger wie schon seit Tausenden von Jahren, und das wird sich wohl nie ändern. Lang leben die Drachen!

Mit diesen Worten endet die überaus interessante und immer mit einem Augenzwinkern aufbereitete Abhandlung.

Schreibstil und Illustration

© Johan Egerkrans
© Johan Egerkrans

Die Übersetzung von Maike Dörries lässt in keinem Bereich Wünsche offen. Auch wenn der Autor dieser Zeilen kein Schwedisch beherrscht, gefallen die eingängigen, gut verständlichen, und humorvollen Passagen zu den verschiedenen Kreaturen und lassen selten Fragen offen.

Obwohl es sich um eine populärwissenschaftliche Abhandlung handelt, gehen auch die Details genug in die Tiefe, so dass Lesende gut verstehen, wo Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei Drachen liegen.

Was jedoch den Lesefluss immer wieder lockert und vor allem dem Auge gefällt, sind die wunderbaren Illustrationen von Egerkrans. „Modern und klassisch zugleich“ titulierte der Münchner Merkur im Februar 2020 zu seinem Band über nordische Götter und das trifft auch hier zu. Gekonnt fängt Egerkrans das Fürchterliche und Faszinierende der Drachen ein.

Über den Autor

Johan Egerkrans ist ein schwedischer Illustrator und Autor, der seit über 20 Jahren als professioneller Illustrator und Konzeptkünstler für Bücher, Spiele, Comics und Filme arbeitet. In den letzten Jahren hat er sich auch dem Schreiben zugewandt und eine Reihe äußerst populärer Bücher geschrieben und illustriert, darunter: Vaesen über skandinavische Folklorewesen, Norse Gods über die nordischen Götter und The Undead, das sich in die Überlieferungen von Vampiren und Wiedergängern aus aller Welt vertieft. Vaesen wurde auch in ein viel gelobtes Rollenspiel verwandelt, das von Free League Publishing veröffentlicht wurde. Darüber hinaus hat er an Covern und Illustrationen für eine Reihe von international anerkannten Autor*innen wie J. R. R. Tolkien, Astrid Lindgren und Isaac Bashevis Singer gearbeitet.

Die harten Fakten:

  • Verlag: WooW Books
  • Autor: Johan Egerkrans
  • Erscheinungsdatum: 13. April 2022
  • Sprache: Deutsch (Aus dem Schwedischen übersetzt von Maike Dörries)
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 155
  • ISBN: 978-3-96177-101-1
  • Preis: 24 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

Drachen – wer hat nicht eine gewisse innewohnende Faszination für diese Kreaturen, die Albtraum und Heilsbringer sein können? Ob nun in Film, Legende oder Buch, sie sind allgegenwärtig und ihre Rolle in Erzählungen findet sich heute in wahnsinnigen Oberbösewichtern oder weisen Gelehrten wieder.

Johan Egerkrans teilt diese Faszination und hat mit dem Band Drachen eine populärwissenschaftliche Aufbereitung über Mythos, Herkunft und die verschiedenen Formen und Rollen in vielen Kulturen erschaffen. Stets mit einer Prise Humor erfahren Lesende viele interessante Details über Drachen und ihre verschiedenen Inkarnationen weltweit.

Besonders wissen die vielen Illustrationen zu gefallen, die nicht nur den Lesefluss angenehm auflockern, sondern auch das Fürchterliche und Faszinierende an Drachen aufgreifen. In diesem Sinne: Lang leben die Drachen und möge ihre Bedeutung niemals enden!

 

  • Humorvoller eingängiger Sprachstil
  • Umfangreich recherchiert
  • Wundervolle Illustrationen
 

  • Gewisses Vorwissen im Sagenbereich erforderlich

 

Artikelbilder: © WooW Books
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Saskia Harendt
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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