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Irene Winters hat die unsichtbare Bibliothek gerettet, dabei jedoch einige unersetzliche Bücher verbrennen müssen. In dieser Situation bringt ein Drache sie auf die Spur eines Buches. Schnell merkt Irene, dass es bei der Jagd nach dem Buch um alles geht – um ihr Leben und die Neutralität der Bibliothek.

Die unsichtbare Bibliothek, ein Ort außerhalb von Zeit und Raum und zugleich Tor zu anderen Welten. In diesen alternativen Welten sind Bibliothekare auf der Jagd nach seltenen Büchern, welche die Verbindung der Bibliothek mit diesen Welten stärken. Elfen, Drachen, Technologie, Magie, ein schwelender Konflikt zwischen Chaos und Ordnung. All dies klingt nach einem Universum an Möglichkeiten für spannende Geschichten. Phantastische Geschichten, fernab klassischer Fantasy-Romane mit einem sanften Anklang von Detektivgeschichten. Wird der vierte Band aus der Reihe um die unsichtbare Bibliothek dieses Potential ausschöpfen?

Story

Die allesamt menschlichen Bibliothekare der unsichtbaren Bibliothek können verschiedene Welten erreichen. Bei diesen handelt es sich um Parallelwelten der uns bekannten Erde. Diese haben jeweils ihre eigene historische Entwicklung durchlebt und können sich in unterschiedlichen zeitlichen Epochen befinden. Einige dieser Parallel-Erden stehen der Ordnung nahe, während  andere ein höheres Chaos-Niveau aufweisen. Dabei gilt für gewöhnlich, dass Welten hoher Ordnung dazu tendieren, wenig bis keine Magie aufzuweisen, dafür aber höhere Technologien entwickeln. Jene, welche eher zum Chaos tendieren, besitzen wiederum häufig einen geringeren Technologiegrad, verfügen jedoch über ein größeres Maß an Magie. Für den freien Willen der Menschen ist ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Chaos und Ordnung oder eine gewisse Tendenz zur Ordnung am zuträglichsten. In Welten hoher Ordnung regieren die Drachen, in denen mit zu hohem Chaos sind die Menschen nur Statisten der Elfen. Dies ist das Setting für die Romane um die unsichtbare Bibliothek.

Irene Winters beschafft Bücher aus den Parallelwelten.

Irene Winters beschafft für die unsichtbare Bibliothek seit Jahren die seltensten Bücher. Dabei sind die Bibliothek und die für sie arbeitenden Bibliothekare seit Jahrtausenden darum bemüht, die Neutralität zu wahren. Die Bibliothek ist auf Ausgleich bedacht und begünstigt weder Elfen noch Drachen in ihrem schwelenden Konflikt zwischen Chaos und Ordnung. Diese Neutralität ist der wichtigste Schutz der Bibliothek. Dies bedeutet, dass Bibliothekare weder für die Kräfte des Chaos noch der Ordnung Stellung beziehen oder für diese arbeiten. Dieses Nichteinmischen in die internen Angelegenheiten von Drachen und Elfen hat die Bibliothek bisher davor bewahrt in deren Konflikte verstrickt zu werden.

Dennoch wird Irene von einer Drachenfrau ein brisanter Auftrag angeboten. Sie soll für sie ein seltenes Buch finden. Mit diesem könnte die Drachenfrau einen hohen Posten am Hof ihrer Königin erlangen, die Bibliothek jedoch könnte dadurch ihre Neutralität verlieren. Aus diesem Grund lehnt Irene den Auftrag ab. Scheinbar ist jedoch ein anderer Bibliothekar in Versuchung geführt worden, und so nehmen Irene und ihr Lehrling doch die Jagd nach dem Buch auf. Irene muss die Neutralität der Bibliothek unter allen Umständen wahren, selbst wenn sie dafür einem anderen Bibliothekar entgegentreten muss. Sie begeben sich in eine Parallelwelt und landen in einem New York der 1920er Jahre, in der Zeit von Prohibition, Gangstern und Verbrechen.

Schon bald müssen sie sich mit der Polizei auf der einen und Gangstern auf der anderen Seite auseinandersetzen. Doch gleichzeitig gilt es die Spur des Bibliothekars aufzunehmen, welcher im Auftrag eines Drachen ebenfalls Jagd auf besagtes Buch machen soll. Dabei muss Irene darauf achten, sich nicht in die politischen Ränkespiele einiger Drachen verstricken zu lassen.

Aufbau, Spannungsbogen und Charaktere

Die Geschichte steigt sofort in die Handlung ein. Die Protagonistin kann sowohl den treuen Leser als auch den Neueinsteiger schnell für sich einnehmen. Die Spannungskurve ist durchdacht und sauber über den Verlauf der Geschichte aufgebaut. Insgesamt ist das Tempo der Story durchweg hoch, kann sich jedoch bis zum Finale noch steigern. Dabei gelingt es der Autorin über den gesamten Roman eine durchgängig vielschichtige Geschichte zu erzählen und dabei dem Leser genau die Informationen zukommen zu lassen, die er benötigt, um die Welt und den Fortgang der Geschehnisse zu erfassen.

Die Protagonistin Irene Winters wirkt glaubhaft; ihre Motive sind nachvollziehbar und können überzeugen, sind jedoch nicht vorhersehbar. Auch Nebencharaktere werden lebendig gezeichnet und verkommen nicht zu zweidimensionalen Statisten. Die Charaktere wirken insgesamt stimmig. Ebenso überzeugend ist die Welt, in der die Geschichte spielt. Diese spielt mit vertraut erscheinenden Elementen, setzt diese jedoch gekonnt zu einem reizvollen Ganzen zusammen und lässt somit ein ganz eigenes, neues Setting entstehen. Die zugrundeliegende Konzeption der Welt ermöglicht eine Vielzahl von Möglichkeiten, so dass es immer wieder zwischen vertraut erscheinenden Dingen Neues zu entdecken gibt.

Schreibstil

Der Leser erlebt die Geschichte aus der Sicht eines personalen Erzählers. Die Story wird in der aktiven Vergangenheit und weitestgehend aus der Sicht der Protagonistin Irene Winters erzählt. An einigen Stellen wechselt die Erzählperspektive zu ihrem Lehrling, wenn dieser in eigenen Handlungssträngen in Aktion tritt. Diese seltenen Wechsel in der Perspektive sind leicht nachvollziehbar, so dass der Leser nicht aus der Geschichte gerissen wird. Der Schreibstil von Genevieve Cogman ist abwechslungsreich, verspielt und dabei sehr angenehm und flüssig zu lesen. Dabei wirkt die Ausdrucksweise zu keinem Zeitpunkt gekünstelt oder gar kompliziert. Zudem gelingt es der Autorin, ohne sich in Beschreibungen zu ergehen, die verschiedenen Welten tiefgründig und faszinierend zu beschreiben. Das entsprechende Setting wird vielmehr geschickt in den Fortgang der Story eingewoben und der Leser kann sich schnell einfühlen.

Irene Winters hat es nicht leicht und genau dies macht den Roman erst lesenswert. Die Protagonistin soll leiden, in Schwierigkeiten geraten und dazu gezwungen werden, sich aus ihrer Komfortzone herauszubewegen. Andernfalls würde man eine solche Geschichte auch nicht lesen wollen. Nach diesem oder ähnlichen Konzepten funktioniert nahezu jeder Roman. Beispielsweise sei nur der Antagonist erwähnt, der dem Leser in einer Vielzahl von Romanen begegnet. Genevieve Cogman arbeitet selbstverständlich auch mit diesen bewährten Autorenwerkzeugen. Reizvoll ist jedoch auch die Leichtigkeit, mit der es ihr gelingt, allein durch kleine Details aus einem zuvor wenig bedeutsamen und geringfügigen Problem komplexe Schwierigkeiten für die handelnden Charaktere entstehen zu lassen. Dabei fließt dies so geschickt in den Text ein, dass der Leser zu keinem Zeitpunkt den Eindruck hat belehrt zu werden oder gar einen Kunstgriff der Autorin zu vermuten.

Die Autorin

Genevieve Cogman lebt im Norden Englands und ist eine britische Autorin von Rollenspielen und Fantasy-Romanen. Sie hat einen Master in medizinischer Statistik und arbeitet für den National Health Service. Als Autorin wirkte sie unter anderem an Exhalted von White Wolf, The Dresden Files von Evil Hat Productions und GURPS von Steve Jackson Games mit. Ihr Debütroman, The Invisible Library, erschien im Januar 2015 und wurde vom Independent zu einem der zehn besten phantastischen Bücher des Jahres gewählt.

Die deutsche Übersetzung, Die unsichtbare Bibliothek, folgte im Dezember desselben Jahres. Die gleichnamige Reihe besteht mittlerweile aus vier Bänden, welche in deutscher Sprache als Taschenbuch, E-Book und Hörbuch verfügbar sind. Ein fünfter Band ist auf der Homepage der Autorin bereits angekündigt und soll The Mortal Word heißen.

Erscheinungsbild

Das Cover fügt sich nahtlos in die bestehende Reihe ein. In schräger Draufsicht ist eine Stadt abgebildet. Im Vordergrund sind einige Segelschiffe und vereinzelt Dampfschiffe zu sehen. Über dem Hintergrundbild des Einbandes findet sich unten links mittels Folie aufgebracht die Abbildung eines Bücherstapels sowie zweier Kerzen mit Kerzenständer. Oben ist der Name der Autorin gesetzt, darunter der Titel des Buches. Der Roman ist broschiert und wirkt hochwertig. Die Schriftgröße ist angemessen, Layout, Papier, Satz und Druck bieten keinen Gund zur Beanstandung und können überzeugen. Auch das Lektorat bewegt sich auf hohem Niveau, gröbere Fehler, welche den Lesefluss unterbrechen, fielen nicht auf.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Bastei Lübbe
  • Autorin: Genevieve Cogman
  • Erscheinungsdatum: 29. März 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Übersetzer: André Taggeselle
  • Format: Taschenbuch
  • Seitenanzahl: 432
  • ISBN: 978-3404209033
  • Preis: 16,00 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, Amazon (englisch)

 

Hörbuch

Das Hörbuch schlägt mit 20,44 EUR zu Buche. Im Audible-Abo ist es für umgerechnet 9,95 EUR zu erhalten. Wer bei Amazon das E-Book für 11,99 EUR kauft, kann das Hörbuch gar für 5,95 EUR seinem Warenkorb hinzufügen. Klanglich bewegt sich das Hörbuch auf hohem Niveau. Die Stimme der Sprecherin, Elisabeth Günther, ist kristallklar und hat eine angenehme Tonalität. Jeder Charakter erhält sein eigenes klangliches Muster, so dass der Geschichte leicht zu folgen ist. Allerdings moduliert sie die unterschiedlichen Charaktere nicht so stark, dass man bei Ablenkung dem Text zweifelsfrei folgen könnte. Andere Sprecher bieten an dieser Stelle fast schon Hörspielqualität, so dass diese sich besser dafür eignen, auch unterwegs in der Bahn gehört zu werden. Den insgesamt positiven Eindruck kann dieses kleine Detail jedoch nicht nachhaltig stören.

Bonus/Downloadcontent

Interessierte oder noch unentschlossene Leser können auf Amazon sowohl einen Blick ins Buch werfen als auch mittels Hörprobe in den Roman hineinhören.

Fazit

Das dunkle Archiv ist ein rasanter Thriller in einer phantastischen, alternativen Welt. Die Protagonistin Irene Winters muss eine Gratwanderung hinlegen, um die Neutralität der Bibliothek zu wahren. Es gilt sich nicht in politische Ränkespiele von Drachen hineinziehen zu lassen. Zugleich muss ein Buch gefunden und ein Bibliothekar daran gehindert werden, eben jenes Buch den Drachen auszuhändigen. Währenddessen machen Gangster Jagd auf Irene und ihren Lehrling und schnell kann eine Schusswaffe auch das Leben einer Bibliothekarin beenden. Mit dem vierten Band aus der Reihe um Die unsichtbare Bibliothek gelingt es Genevieve Cogman erneut, eine leicht zu lesende und dennoch packende, vielschichtige Geschichte zu erzählen. Der Roman vermag es den Leser von der ersten bis zur letzten Seite zu fesseln und macht definitiv Lust auf den fünften Band, welcher bereits in englischer Sprache angekündigt ist. Für 16,00 EUR erhält der Leser einen durchgängig spannenden und unterhaltsamen Roman, den man garantiert erst nach der letzten Seite aus der Hand legen wird.

mit Tendenz nach oben

Artikelbild: © Bastei Lübbe, Bearbeitet von Verena Bach
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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