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Wildtails ist ein kooperatives Legacy-Kampagnenspiel, bei dem die Spielenden sich gemeinsam ein Piraterie-Imperium aufbauen. Dazu müssen sie sich durch neun Kapitel der Geschichte spielen und Entscheidungen treffen, die das Spiel dauerhaft verändern. Doch was bietet das wohl kleinste Legacy-Spiel der Welt?

Legacy-Spiele sind oft buchstäbliche Schwergewichte mit einer Menge Material, wenn wir an Gloomhaven oder Zug um Zug: Legenden des Westens Doch funktioniert Legacy auch im Taschenformat? In Wildtails – Ein Legacy-Abenteuer wartet eine tierische Geschichte, bestehend aus nur 24 Karten, auf ein bis zwei Spielende. In jedem Szenario gibt es einen Boss. Diesen müssen die Pirat*innen stoppen, damit dieser bloß nicht zu viel Beute macht. Schließlich wollen die Pirat*innen die wertvollen Ressourcen für sich beanspruchen, um ihre Ziele zu erreichen. Ist der Boss besiegt, geht es Kapitel für Kapitel weiter. Wir haben uns das kleine Legacy-Spiel von Frosted Games aus der Reihe Frosted Minis angeschaut.

Triggerwarnungen

keine typischen Trigger

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Spielablauf

Bevor es so richtig losgeht mit dem Abenteuer von Wildtails, wird im digitalen Kampagnenbuch die Geschichte narrativ eingeleitet sowie das nötige Spielmaterial und andere Besonderheiten aufgeführt. Es stehen zwei Charaktere zur Verfügung: das Eichhörnchen Anna und die Ratte Samuel. Egal, ob allein oder zu zweit gespielt wird, es müssen immer zwei Charaktere im Spiel sein. Das Ziel der kühnen Pirat*innen: das jeweils vierte Level der beiden ausliegenden Zielkarten erfüllen, indem passende Ressourcen gesammelt werden, um anschließend den Boss zu besiegen. Sieben Runden haben sie dafür Zeit. Aber nicht nur die Zeit ist knapp, sondern es lauern auch allerhand Gefahren.  

Der Spielaufbau. Von der obersten Karte des Szenariostapels (Mitte) lässt sich ablesen, was in diesem Zug passiert.
Der Spielaufbau. Von der obersten Karte des Szenariostapels (Mitte) lässt sich ablesen, was in diesem Zug passiert.

Nachdem der Boss und die beiden Ziele des jeweiligen Szenarios ausgelegt sind, bilden noch maximal zehn Mehrzweckkarten den Szenenstapel. Ist der Stapel aufgebraucht, wird immer eine neue Runde begonnen. Ein Spielzug läuft in vier Schritten ab: 1. Gefahr überprüfen, 2. eine Aktion ausführen, 3. optional: Ressourcen einlagern, 4. Rundenende überprüfen.

Zunächst muss eine drohende Gefahr überprüft werden. Gefahr droht, wenn die Fluchsymbole des Rundenzählers und der offenen Szenariokarte (oben rechts) übereinstimmen. Der jeweilige negative Effekt muss ausgeführt werden, zum Beispiel kann der Boss eine Karte vom Ablagestapel erbeuten. Erbeutet der Boss fünf Karten, ist das Spiel sofort verloren.

Anschließend darf der aktive Charakter eine der folgenden Aktionen durchführen:

Es ist möglich, eine Story-Option der aktuellen Szene abzuhandeln und somit Ressourcen zu sammeln. Die erste Option ist kostenlos. Für die Option zwei und drei muss die gezeigte Ressource bezahlt werden. Bei Option vier ist eine Eigenschaftsprobe notwendig.  Hat die Person am Zug eine Story-Option abgehandelt, schiebt sie die Szenariokarte mit den gewonnenen Ressourcen unter ihre Charakterkarte.

Die Ressourcen werden unter den Charakter oder das Piraterie-Imperium geschoben, sodass die kurze Seite der Szenariokarte sichtbar ist.
Die Ressourcen werden unter den Charakter oder das Piraterie-Imperium geschoben, sodass die kurze Seite der Szenariokarte sichtbar ist.

Das Unterschieben der Karten ist clever, da nur sichtbar bleibt, was relevant ist. Es ist aber auch unglaublich nervig, weil sich anliegende Karten mitverschieben können. In unseren Testrunden sind wir dazu übergegangen, die Ressourcenkarten oder erbeutete Karten nicht mehr unter die Charaktere beziehungsweise den Boss zu schieben, sondern oberhalb abzulegen. So vermeidet man, beispielsweise den Rundenzähler versehentlich zu verschieben.

Eine weitere verfügbare Aktion ist, mit den gesammelten Ressourcen das nächste Level des eigenen Ziels zu erreichen. Überall, wo Ressourcen bezahlt werden müssen, sind die Symbole rot hinterlegt. Dazu werden die Szenariokarten mit den nötigen Ressourcen abgelegt. Da der Szenariostapel sehr begrenzt ist, sollten die Spielenden möglichst keine Ressourcen verschwenden und Ressourcen auch nicht horten. Gute Ressourcenverwaltung ist hier gefragt.

Anna hat alle vier Level ihres Ziels erreicht.
Anna hat alle vier Level ihres Ziels erreicht.

Eine dritte Aktion ist, den Boss anzugreifen. Diese Aktion kann im Verlauf des Spiels sinnvoll sein, um die erbeuteten Karten wieder zurückzugewinnen. Außerdem muss der Boss am Ende der Partie besiegt werden, wenn beide Charaktere ihre Ziele vollständig erfüllt haben, um zu gewinnen.

Die vierte und letzte Aktionsmöglichkeit ist, die aktuelle Szenariokarte einfach abzuwerfen. Diese Option haben wir in unseren Testrunden überhaupt nicht genutzt. Das liegt möglicherweise daran, dass man nach der Aktionsphase optional auch Ressourcen einlagern kann. Braucht die mitspielende Person die Ressourcen dringender als man selbst, können Ressourcen nämlich im Piraterie-Imperium eingelagert, sprich: untergeschoben werden. Über die Fähigkeit Schmuggeln kann der andere Charakter durch Bezahlen einer beliebigen Ressource beliebig viele Ressourcenkarten aus dem Piraterie-Imperium unter dem Charakter lagern.

Werfen wir nun noch einen Blick auf die Eigenschaften und Proben. Jeder Charakter hat drei Eigenschaftswerte für Köpfchen, Mut und Täuschung. Muss eine Probe durchgeführt werden (blau hinterlegte Symbole), bestimmt man zunächst den Zielwert der Probe. Dazu nimmt man den Wert neben dem Eigenschaftssymbol der geforderten Probe und addiert bei Bossen plus eins je erbeuteter Karte sowie eventuelle Modifikatoren. Jetzt wird die aktuelle Szene heruntergeschoben, sodass das Fluchsymbol und der Fertigkeitsmodifikator (Wert auf dem blauen Band) sichtbar sind. Stimmen die beiden Fluchsymbole überein, ist die Probe sofort gescheitert. Ansonsten nimmt man den Eigenschaftswert von der eigenen Charakterkarte und addiert den Fertigkeitsmodifikator und weitere Modifikatoren, zum Beispiel durch freigeschaltete Level auf Zielkarten. Ist der eigene Wert gleich oder höher als der Zielwert, ist die Probe erfolgreich.

Samuel attackiert mit einer Täuschungsprobe den Boss (Zielwert sechs). Da Samuels Wert fünf (Grundwert drei plus Modifikator eins plus Fertigkeitsmodifikator eins) beträgt, ist die Probe gescheitert.
Samuel attackiert mit einer Täuschungsprobe den Boss (Zielwert sechs). Da Samuels Wert fünf (Grundwert drei plus Modifikator eins plus Fertigkeitsmodifikator eins) beträgt, ist die Probe gescheitert.

Und nach der Kampagne? Wenn ihr die Kampagne erfolgreich durchgespielt habt, habt ihr ein mehr oder weniger individualisiertes Kartenspiel, das durch die Sticker mit neuen Fähigkeiten und Ähnlichem erweitert wird. Wildtails lässt sich auch nach der Kampagne nach dem gewohnten Aufbau spielen, womit also ein gewisser Wiederspielreiz besteht. Die Ziele und den Boss wählen die Spielenden zufällig. Außerdem bestimmen sie durch die Anzahl der erbeuteten Karten den Schwierigkeitsgrad.

Wildtails ist ein nettes kleines Kartenspiel für zwischendurch, für den Feierabend oder als lockerer Absacker. Es kann solo gespielt werden, aber zu zweit macht es tatsächlich mehr Spaß. Die Geschichte ist allerdings nicht besonders fesselnd. Und der Spielverlauf kann teilweise sehr frustrierend sein. Es ist schon herausfordernd, beide Ziele und noch den Boss in sieben Runden zu besiegen. Besonders, da von Partie zu Partie die Anzahl der erbeuteten Karten zu Beginn steigt, wodurch die Lust im Laufe der Kampagne vergehen kann.

Ausstattung

Die Schachtel ist klein und dementsprechend ist auch das Material überschaubar. Wie erwähnt sind es insgesamt 24 Karten, wobei einige Karten erst im Laufe der Kampagne freigeschaltet werden. Es sind zwei kleine Stickerbögen dabei, mit denen die Charaktere und das Piraterie-Imperium neue Fähigkeiten erhalten und auch neue Gefahren dazukommen können.

Die Karten sind schön und stimmungsvoll illustriert. Ein großer Pluspunkt. Negativ fällt auf, dass die Karten schon nach wenigen Partien durch das Unterschieben und Aufnehmen einige Gebrauchsspuren aufweisen, sodass Kartenhüllen hier ratsam sind.

Der Fortschritt der Kampagne wird auf einer eigenen Karte – dem Kampagnenlogbuch – festgehalten. Außerdem bieten drei Übersichtskarten einen groben Überblick über den Zugablauf sowie die Durchführung von Proben und Fähigkeiten.

Die Anleitung ist teilweise etwas unübersichtlich, sodass wichtige Regeln beim Überfliegen übersehen werden können.

Die drei Übersichtskarten und das Kampagnenlogbuch.
Die drei Übersichtskarten und das Kampagnenlogbuch.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Button Shy / Frosted Games
  • Autor*in(nen): Dustin Dobson, Milan Zivkovic
  • Illustrator*in(nen): Fachri Maulana, Marta Viader
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 20–30 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2
  • Alter: ab 8 Jahren
  • Preis: 11,95 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Am Kampagnenende ist das Piraterie-Imperium mit vielen Fahnen geschmückt – je nachdem, wie man sich geschlagen hat.
Am Kampagnenende ist das Piraterie-Imperium mit vielen Fahnen geschmückt – je nachdem, wie man sich geschlagen hat.

Die aktuellste Regelversion sowie ein Errata befinden sich auf der Produktseite von Frosted Games. Das digitale Kampagnenbuch ist über einen eigenen Link aufrufbar. Falls ihr diesen händisch eintippt, beachtet die abweichende Schreibweise von Wildtails, bei der das zweite i fehlt.

Fazit

Wildtails – Ein Legacy-Abenteuer ist eine Mischung aus Auftragserfüllung, Bossbattling und Ressourcenmanagement. Es ist ein kurzweiliges Kartenspiel, das sich gut für ein schnelles Spielerlebnis zwischendurch anbietet.

Für den Preis ist der gebotene Spielspaß völlig in Ordnung. Allerdings muss man sich im Klaren sein, dass man mit 24 Karten kein Legacy-Spielerlebnis in der Größenordnung von Gloomhaven erwarten kann. Durch das kompakte Format lässt sich Wildtails aber gut unterwegs auf einer Zugreise oder im Urlaub mitnehmen, ohne dass es viel Platz einnimmt.

Man sollte sich auch bewusst sein, dass Wildtails – trotz freigeschalteter Fähigkeiten – nicht viel mehr Spielinhalte bietet als am Anfang der Kampagne. Zudem verändert sich der Ablauf nicht im Verlauf der Geschichte, was das Spielerlebnis sehr repetitiv macht. Für ein Legacy-Spiel waren die freigeschalteten neuen Elemente dann doch enttäuschend. Positiv ist aber, dass man Wildtails nach der Kampagne, wenn man möchte, immer wieder spielen kann und man am Ende sein individuelles Wildtails kreiert hat.

Für Wildtails – Ein Legacy-Abenteuer verschießen wir daher drei von fünf Kanonenkugeln.

 

  • Kurzweilig

  • Niedliche Illustration

  • Nach Kampagnenabschluss weiterhin spielbar

 

  • Sehr repetitiv

  • Unübersichtliche Anleitung

  • Belanglose Story

 

 

Artikelbilder: © Frosted Games
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Gloria Puscher
Fotografien/Screenshot: Michelle Saarberg
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.
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