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Der Kaiser ist tot, lang leben die heimlichen Herrschaften. In einem Bluff- und Deduktions-Spiel gilt es, die favorisierte Fraktion im Verborgenen zum Sieg zu führen. Doch alle Spielenden haben noch ein paar Trümpfe auf dem kaiserlichen Tisch liegen und wie wir alle wissen: Abgerechnet wird zum Schluss.

Diesmal ist kein königliches Blut vergossen, anderweitig gestorben oder gar gestürzt worden, sondern es ist der Kaiser, der auf der fantastischen Insel Oshra dahingeschieden ist. Leider hat er vergessen, seine Nachfolge zu erwählen, so dass nun die sechs Kinder um die Herrschaft konkurrieren. Wie es sich für Thronanwärter*innen gehört, lassen sie lieber die unterschiedlichen Fraktionen – vier an der Anzahl – gegeneinander antreten. Am Ende gilt es, die richtige Fraktion zu unterstützen. Werdet ihr die richtige Fraktion unterstützen oder dabei selbst dem Untergang geweiht sein?

Heimliche Herrschaft ist ein Deduktions-Spiel, mit ein wenig Handkarten-Management und Bluff-Elementen. In dem kompetitiven Spiel von Board Game Circus können bis zu sechs Spielende versuchen, den Sieg für sich zu entscheiden. Im Gegensatz zu den eher atmosphärisch dichten Spielen wie Abgrundtief sind sowohl die Spiel-Mechaniken als auch das gesamte Artwork familienfreundlich gestaltet.

Spielablauf

Ganz klassisch für die primäre Spiel-Mechanik beginnt das Spiel mit dem Ziehen einer geheimen Rolle. Anders als bei Feed the Kraken oder anderen ähnlichen Spielen seid ihr nicht auf eine Rolle oder in diesem Kontext auf eine Fraktion festgelegt. Auf der geheimen Rollenkarte sind zwei der vier Fraktionen abgebildet. Sofern am Ende eine dieser beiden Parteien den Sieg errungen hat, hat man sich selbst den Anspruch auf den Thron gesichert.

Die geheime Rolle unterstützt immer zwei Fraktionen (Farben). © Board Game Circus

Die vier Fraktionen kommen mit prächtigen Namen daher: Hügelstämme, Kaiserliche Armee, Seevolk und die Untoten. Mit dem Ausspielen von Karten versuchen die Spielenden die Fraktionen auf einem Spielbrett in die richtige Sieg-Position zu bringen. Die Karteneffekte bewegen einen grünen und roten Spielstein auf dem kleinen Spielbrett vor oder zurück. Am Ende benötigen die Hügelstämme oder die Kaiserliche Armee mindestens ein leeres Feld Vorsprung ihrer jeweiligen Farbe zum Sieg. Wohingegen das diplomatische Seevolk auf Ausgewogenheit aus ist. Letztlich nur die Untoten benötigen alle Figuren in dem dunkleren Spielbereich zum Sieg. Zu Beginn seines Zuges hat man in der Regel drei Handkarten auf der Hand, spielt eine aus, handelt den Effekt ab, darf dann aus einem offenen beziehungsweise verdeckten Stapel mehrere Karten nachziehen und muss seine Handkarten wieder auf drei reduzieren.

Das kleine Spielbrett und der Spielaufbau: So würde das Seevolk noch siegen.

Der Clou von Heimliche Herrschaft ist, dass die Spielenden durch ihre Rolle nicht zwingend nur für eine Fraktion Partei ergreifen müssen. Gerade mit mehr Spielenden ergibt es sich automatisch, dass eine Fraktion von mehreren Personen unterstützt wird. So kann munter die Strategie gewechselt und mal die eine oder andere Fraktion unterstützt werden. Zumindest so lange wenigstens eine der Fraktionen auf der geheimen Rollenkarte dem Sieg näher kommt. Das führt im Spiel mit mehreren zu viel Bluff, raten, beschuldigen und kurzweiligen Allianzen. Hier offenbart sich allerdings auch eine Schwäche. Das Spiel zu zweit ist eher langweilig und belanglos, vor allem, wenn die Spielenden zufälligerweise dieselbe Fraktion unterstützen. Zu schnell wird das Spiel in diesem Fall zu einer wilden Set-Collection.

Das Spiel ist zu Ende, sobald die erste Person eine gewisse Anzahl an Karten offen ausgespielt hat. Einige Karteneffekte können Karten anderer Personen umdrehen und somit das Ende des Spieles bewusst hinauszögern. Damit entsteht ein interessantes taktisches Element. Wünscht man bereits das Ende einzuläuten oder benötigt man eventuell noch einen eigenen Zug?

Wer am Ende die siegreiche Fraktion unterstützt – sprich auf seiner Rollenkarte die richtige Fraktionsfarbe hat – gewinnt das Spiel. Je mehr Teilnehmende, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass mehrere Personen gewonnen haben. Diese Patt-Situation wird durch eine Reihe von zusätzlichen Regeln aufgelöst. Nun kommen die verdeckt vor einem liegenden Karten zum Tragen. Bereits zu Beginn wird eine Karte verdeckt abgelegt und es können sich im Spielverlauf weitere Karten auf diesem Stapel ansammeln.

Die Spielhilfen. Im Vordergrund die Sieg-Bedingungen. © Board Game Circus

Wer die meisten offenen und verdeckten Karten einer Fraktionsfarbe auf dem Tisch liegen hat, gewinnt jetzt den Thron. Sollte es immer noch Unentschieden stehen, gibt es zwei weitere Kriterien, die nacheinander geprüft werden. Als Nächstes wird geschaut, wer die wenigsten Karten insgesamt vor sich liegen hat. Für das letzte, ausschlaggebende Element besitzt jede Rollenkarte eine kleine aufgedruckte Zahl. Hier gewinnt die Karte mit dem höchsten Zahlenwert. Die verdeckten Karten führen aber vorwiegend zu einer Entscheidung. Umso wichtiger sind im Spielverlauf die Karteneffekte, die es erlauben, Karten mit anderen zu tauschen, Karten umzudrehen, Karten anderer Spielenden abzuwerfen oder anzuschauen und so weiter. Für Interaktion am Tisch ist damit gesorgt.

Das vorherrschende Element der eigenen Aktionen besteht aus dem Ziehen und Ausspielen der Karten. Zum Nachziehen liegen neben dem verdeckten Nachziehstapel zusätzlich immer drei Karten offen aus. Das führt am Spieltisch zu der schönen Situation, dass das Glückselement reduziert wird und man nicht zwingend die Katze im Sack (oder Karte aus dem verdeckten Stapel) ziehen muss.

Mit knapp 30 Minuten Spielzeit bietet sich Heimliche Herrschaft als Starter oder Absacker eines Abends förmlich an. Zusätzlich kommt ein denkbar schneller Aufbau hinzu. Das Spiel benötigt keine dauerhaft hohe Konzentration durch die Spielenden und fühlt sich entsprechend leichtgewichtig an. Keine Partie läuft dabei wie die andere ab und es ist immer wieder abwechslungsreich, eine, respektive zwei andere Fraktionen zu unterstützen.

Ausstattung

Bei diesem Spiel sollte man zuerst einen Blick auf die Kartennamen werfen. Freunde von Alliterationen werden ihre wahre Freude an den Karten haben. Es gibt unter anderem Namen wie Grantige Großmutter, Humorlose Hummer, Gelangweilter Goblin, Androgyner Assassine oder die Asexuelle Amazone. Eventuell durch die deutsche Sprache bedingt gibt es leider auch die Schlafende Wache oder die Karte Zockender Aufseher. Die Karten mit Alliteration im Titel sind deutlich in der Überzahl. Damit wird die Einstufung von Heimliche Herrschaft eher in Richtung Party- oder Familienspiel passend hervorgehoben. Das Spiel reiht sich nahtlos zwischen Mutlose Monster oder Wildes Weltall in das unterhaltsame Portfolio von Board Game Circus ein.

Alliterationen auf allen Abbildungen. © Board Game Circus

Sowohl Verpackung, Karten als auch die Anleitung sind mit einem Leinen-Finish versehen und fühlen sich ausgesprochen hochwertig an. Den Illustrator Satoshi Matsuura hat ein Redakteur aus dem Comic-Ressort als den „modernen franko-belgischen/italienischen Zeichner mit Manga-Einfluss“ beschrieben. Heimliche Herrschaft ähnelt vielleicht am ehesten Krosmaster Junior oder einigen Teilen von Final Fantasy. Trotzdem besticht das Spiel mit einem ganz eigenen Stil. Nach Recherche auf gängigen Webseiten sind die Illustrationen für Heimliche Herrschaft typisch für Satoshi.

Bei den beiden Spielfiguren handelt es sich um zwei unterschiedliche Meeple aus Holz. Die Farben könnten für Personen mit einer Rot-Grün-Schwäche ungünstig gewählt sein. Ich selbst kann dies jedoch nicht abschließend beurteilen und auch in den Testrunden ist dies nicht ins Gewicht gefallen. Die Form liefert in jedem Fall einen ausreichenden Hinweis.

Kleine Schachtel und trotzdem viel Platz. © Board Game Circus

Die gesamte Schachtel kommt in einer kleinen Standardgröße daher, ist aber für den Inhalt zu groß und bietet Erweiterungen genügend Platz zum Verstauen. Die Spielanleitung ist verständlich und logisch aufbereitet. Alles ist farbig und in oben genannter Papierqualität gefertigt. Wichtige Passagen werden gut hervorgehoben und insbesondere für die Endwertung wird mit genügend grafischen Beispielen gearbeitet. Positiv fällt weiterhin auf, dass das Regelheft mit zusätzlichen Illustrationen versehen ist, die im Spiel nicht auftauchen.

Die beiden Spielsteine. © Board Game Circus

Bei allem Lob gibt es in puncto Ausstattung einen negativen Punkt. Die Ikonografie und die Sieg-Bedingungen gehen erst nach einer gespielten Runde in Fleisch und Blut über. Daher ist es vorbildlich, dass es vier Spielhilfen gibt. Auf allen Hilfen sind auf einer Seite die gesamten Symbole erläutert. Auf zwei Rückseiten werden die Aktionen dargestellt und auf zwei die Sieg-Bedingungen. Bei bis zu sechs Spielenden sind diese Hilfen nur für die zentrale Tischmitte ausgelegt. Tatsächlich wäre ein Fokus auf die Sieg-Bedingungen deutlich wichtiger gewesen. Schade, dass bei so wenig Mehraufwand, im Sinne von mehr zu druckenden Karten, gespart wurde.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Board Game Circus
  • Autor*in(nen): Andreas Müller, Markus Müller, Raphael Stocker
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 20 bis 40 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: (2) 3 4 5 6
  • Alter: ab 10 Jahren
  • Preis: ca. 25 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Über die Downloadseite von Board Game Circus sind das Regelheft und die offiziellen Errata beziehbar. Die momentan einzige Änderung ist ein Fehler bei dem Klingen-Kaiman. Hier müsste es richtigerweise „ODER -3 vorderer Marker“ statt „ODER -3 hinterer Marker“ heißen. Die Korrektur ist in Form einer Karte zum Ausdrucken und Aufkleben gestaltet.

Weiterhin ist mit dem Grundspiel zeitgleich die erste Erweiterung Königinnen und Kumpel erschienen. Es handelt sich dabei um eine limitierte Mini-Erweiterung. Den Inhalt und Spielspaß können wir an dieser Stelle nicht bewerten.

Fazit

Bei Heimliche Herrschaft kann es wie bei einem Tavernen-Besuch zugehen. Es wird lautstark beschuldigt, geblufft, Allianzen gebildet und wieder verworfen. Hier spielt sich alles locker flockig von der Hand. Dazu passend lässt sich das Spiel schnell aufbauen und in 30 Minuten abschließen.

Eine Übersicht des schönen Artworks. © Board Game Circus

Das Thema des Spieles ist sicherlich leicht aufgesetzt, bedeutet für den Spielspaß dafür keine Abstriche. Je nach Spielgruppe können durch den geringen Immersionsanteil für das Spiel irrelevante Gespräche entstehen. Die taktische Tiefe des Board Game Circus Spiels ist überschaubar. Dem gegenüber steht ein schneller Start für alle Spielenden. Etwas unverständlich, dass nicht für alle Personen eine eigene Spielhilfe im Karton vorhanden ist.

Die Anzahl der Spielenden ist ein wirklich entscheidender Spaßfaktor. Bei zu wenig Personen kann es sein, dass nicht genügend Dynamik aufkommt, gerade bei gleichen Fraktionen in der Rollenkarte. Bei voller Besetzung sind die taktischen Elemente zur Verzögerung des Spiel-Endes kaum relevant, da man meist nicht mehr am Zug sein wird. Mit vier Spielenden kann es seinen Charme voll ausspielen. Vier Personen scheint der Sweet-Spot für die perfekte Anzahl zu sein.

In Summe besticht Heimliche Herrschaft durch ein wunderschönes Artwork, witzige Karten und ein herrlich lockeres Treiben am Spieltisch. Es wird garantiert mehr als einmal aus dem Regal gezogen werden. Genau, was ein gutes Brettspiel ausmacht.

 

  • Ansprechendes Artwork und Material
  • Kurzweilig
  • Schnell zu erlernende Regelmechanik
 

  • Benötigt mehr Spielhilfen
  • Für zwei Personen weniger empfehlenswert

 

Artikelbilder: © Board Game Circus
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Katrin Holst
Fotografien: Horst Brückner
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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