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Während die D&D-Welt seit Monaten über Baldur’s Gate 3 spricht, entsteht in einer kleinen französischen Spieleschmiede ein weiteres Videospiel zur 5. Edition des Fantasyklassikers. Solasta: Crown of the Magister ist das Debüt von Tactical Adventures und verspricht eine strategisch anspruchsvolle D&D-Erfahrung mit epischer Story.

Das Pariser Studio Tactical Adventures existiert erst seit 2018 und besteht aus 15–20 rollenspielbegeisterten Entwickler*innen rund um den Gründer Mathieu Girard. Im Oktober veröffentlichte das Team mit Solasta: Crown of the Magister sein Erstlingswerk im Early Access: ein isometrisches Single-Player-RPG für den PC, basierend auf den Regeln der 5. Edition von Dungeons & Dragons. In der Early Access-Phase ist Solasta noch unvollständig, bis zur finalen Veröffentlichung können Spieler*innen den Entwicklungsprozess begleiten und dem Designteam mit Bugreports und Vorschlägen weiterhelfen. Diesen Zustand kennt man bereits von Baldur’s Gate 3, das ebenfalls als unfertige Vorabversion erhältlich ist und vermutlich noch ein gutes Jahr so bleiben wird.

Anders als der große Titel von Larian Studios hat Solasta allerdings keine offizielle D&D-Lizenz, sondern „nur“ die Open Gaming License gemäß Systems Reference Document (SRD) in der Version 5.1. Daher kann Tactical Adventures nicht auf alle offiziellen Features im D&DSpielerhandbuch zurückgreifen, wie etwa Subklassen, Hintergründe oder Völker. Das ist aber ein Feature des SRD, das kreativen Spieleentwickler*innen ermöglichen soll, ihren eigenen D&D-Content zu publizieren. Somit konnten sich die Autoren Antoine Guillaud und Graeme Davis frei austoben und eine eigene Welt erschaffen, die keinem etablierten Lore folgen muss.

Hinweis: Dieser Test bezieht sich auf die Spielversion 0.4.15b nach dem Winter-Update.

Setting

Das Spiel präsentiert eine klassische High-Fantasy-Story: Einst gab es auf der Welt Solasta weder Menschen noch Götter. Das elfische Imperium Manacalon bezog seine Macht aus arkaner Magie, die von zahlreichen Zauberkundigen eingesetzt wurde. Die Menschen existierten auf der Welt Tirmar und benutzten göttliche Magie. Als sie vor etwa tausend Jahren samt ihren Göttern vor einem schrecklichen Feind nach Solasta flohen, kam es dort zu einer Katastrophe (im Spiel „der Kataklysmus“ genannt), die zum Untergang von Manacalon führte. Die Menschen brachten ihre Religionen mit sich und konnten mithilfe göttlicher Zauber die Not der leidenden Einheimischen lindern. Die überlebenden Völker Solastas und die Menschen verbündeten sich und besiedelten danach andere Gegenden, während die Ruinen von Manacalon zu den trostlosen Schreckenslanden verkamen. Eintausend Jahre lang wurde diese Region gemieden, doch jetzt entsteigt ihr eine neue Gefahr. Als Vertreter*innen des Alten Rats, einer nationenübergreifenden Versammlung von Gelehrten und Adeligen, werden die Spielercharaktere (SC) geschickt, um nach dem Rechten zu sehen.

Der Vorspann erzählt, wie die Schreckenslande entstanden
Der Vorspann erzählt, wie die Schreckenslande entstanden sind.

Features

Gossenjunge oder Dame von Welt? Die Charaktererstellung

Untergegangene Imperien, globale Katastrophen, Götter, Gräber und Gelehrte – die Story von Solasta setzt auf bewährte Fantasy-Stilmittel. Diese klassischen Elemente finden sich auch in der Charaktererstellung wieder. Halborks oder gar Tieflinge sucht man in den spielbaren Völkern vergebens. Stattdessen gibt es Menschen, Halbelfen, Elfen, Zwerge und Halblinge zur Auswahl, wobei die letzteren drei über jeweils zwei Unterarten verfügen. Schneezwerge etwa erhalten Boni auf Konstitutions-Rettungswürfe und Geschicklichkeit, während Inselhalblinge charismatischer sind und Vorteil auf Akrobatikwürfe erhalten.

Es gibt fünf Völker, drei davon haben zwei Untergattungen zur Auswahl.>,
Es gibt fünf Völker, drei davon haben zwei Untergattungen zur Auswahl.

Auch die Berufswahl ist überschaubar: Von den 13 Klassen in D&D sind lediglich Kämpfer*innen, Paladine, Waldläufer*innen, Schurk*innen, Magier*innen und Kleriker*innen in Solasta verfügbar. Zauber*innen (Sorcerer) sollen als kostenloser DLC mit der Veröffentlichung der Vollversion nachgereicht werden. D&D-Kundige merken bereits, dass diese Klassenaufteilung eine starke Tendenz zu Krieger*innen-Archetypen hat. Die W10-Trefferpunkte-Fraktion hat dementsprechend auch einige tolle Subklassen zu bieten: Die schildtragenden Bergsteiger*innen etwa sind eine Spezialisierung für Kämpfer*innen und erhalten Boni auf Rüstung, wenn sie neben einer Wand stehen. Magier*innen wiederum haben eine einzigartige Subklasse: Naturmagier*innen (im Original „Green Mages“) beherrschen zahlreiche Zauber von der Druid*innenliste. Ein kleiner Trost für alle, die Druid*innen in der Klassenauswahl vermissen. Gestaltwandeln können die Naturmagier*innen allerdings nicht.

Besonders spannend ist die Zusammensetzung von Hintergrund und Klasse. Wie in der Pen-and-Paper-Vorlage bieten Hintergründe zusätzliche Fertigkeiten und Ausrüstung, aber hier kann man zudem verschiedene Persönlichkeitseigenschaften verteilen, die Auswirkungen auf Dialoge haben. Rechtschaffene Adelige etwa drücken sich sehr gewählt aus und respektieren Autoritäten, während chaotische Straßenkinder eher Umgangssprache sprechen und ungehobelt auftreten. Ein origineller Zusatz, der den Charakteren zusätzliches Leben einhaucht.

Hintergründe bestimmen die Persönlichkeit des Charakters.
Hintergründe bestimmen die Persönlichkeit des Charakters.

Frisuren, Gesichtsformen und Haarfarben sind allerdings sehr überschaubar und teilweise abhängig vom Volk. Gesichter wirken bisweilen etwas unnatürlich und auch die englische Sprachausgabe bietet nur wenige Stimmen zur Auswahl. Weibliche Charaktere haben unerklärlicherweise zwei Frauen- und eine Männerstimme zur Auswahl. Gesichtsanimationen und Dialoge sind zwei Baustellen des Spiels, die noch von einigen Bugs heimgesucht werden (siehe weiter unten).

Die Auswahl an Gesichtern und Frisuren ist kleiner als in manch anderem RPG.
Die Auswahl an Gesichtern und Frisuren ist kleiner als in manch anderem RPG.

Treffen sich vier Abenteurer in der Taverne: Der Spielbeginn

Wer keine eigenen SC erstellen will, kann auf vorgefertigte Held*innen zurückgreifen. Es müssen allerdings exakt vier Partymitglieder ausgewählt werden – eine Option, weniger Charaktere bei höherer Schwierigkeit loszuschicken, gibt es nicht. Das Spiel beginnt gemäß D&D-Klischees natürlich in einer Taverne, wo sich vier Abenteurer*innen einfinden, die dem Ruf des Alten Rats gefolgt sind. Während sie auf ihren Auftraggeber warten, unterhalten sie sich mit Erzählungen ihrer früheren Erlebnisse, die gleichzeitig als Tutorial dienen.

Jede*r Abenteurer*in gibt eine von vier Geschichten zum Besten: Ein Gefängnisausbruch, eine Flucht vor wilden Wölfen, das Umschleichen eines Orklagers und zuletzt ein Einbruch in eine Banditenfestung. Jedes der Solo-Abenteuer vermittelt gut verständlich verschiedene Spielmechaniken. Was dabei leider negativ auffällt: Bei jedem neuen Spiel muss man das Tutorial aufs Neue durchspielen, egal, ob man es bereits kennt. Zudem sind einige der Abenteuer unlogisch konstruiert: Wenn man etwa keine Schurk*innen in der Gruppe hat, wird eine andere Klasse in das Schurk*innenabenteuer entsandt – zum Beispiel ein*e Kämpfer*in in klappernder Rüstung ohne die Fähigkeiten, Fallen zu entschärfen und Schlösser zu knacken.

Die übrige Kampagne verläuft sehr linear: Die vier Glücksritter*innen werden von den Ratsmitgliedern eingeschworen, die zu einem Außenposten in der Nähe der Schreckenslande reisen sollen. Seit einiger Zeit besteht kein Kontakt mehr zu diesem Wachposten, was mit einer längst vergessenen Gefahr zusammenhängt. Im Verlauf der bislang verfügbaren Kampagne folgt die Gruppe Hinweisen auf verlorengeglaubte magische Geheimnisse (ein Gruppenmitglied spielt dabei eine essenzielle Rolle, soviel sei verraten) und findet zahlreiche exotische Ruinen vor, die selbstredend von Monstern befallen sind.

Tod von oben: Das Kampfsystem

Tactical Adventures bewirbt Solasta als „Tabletop-getreu“, was größtenteils stimmt: Spieler*innen müssen bei jedem Charakter Zug für Zug Distanzen, verfügbare Handlungen und Zauberslots abwägen. Wer bereits die 5. Edition D&D gespielt hat, dürfte damit leichtes Spiel haben. Menschen und Halblinge etwa haben im Gegensatz zu Elfen, Halbelfen und Zwergen keine Dunkelsicht und müssen nachts oder in Höhlen Lichtquellen nutzen. In einigen Dungeons gibt es Lampen an den Wänden, die auch mit Zaubern aus der Entfernung entfacht werden können. Bei lichtempfindlichen Gegnern kann günstig platzierte Beleuchtung kampfentscheidend sein: So wird eine Auseinandersetzung mit einer Horde Untoter deutlich leichter, wenn man einen Tageslicht-Zauber in die Mitte der Party setzt.

Sichtlinien zeigen an, ob ein Charakter die Gegner*innen (und umgekehrt) sehen kann.
Sichtlinien zeigen an, ob ein Charakter die Gegner*innen (und umgekehrt) sehen kann.

Neben dem Licht spielt vor allem Vertikalität eine wichtige Rolle. Praktisch überall gibt es Felswände, Leitern oder Burgzinnen zu erklimmen. Von oben haben Fernkämpfer*innen eine deutlich bessere Sicht auf das Schlachtfeld, zudem gibt es oft Felsen oder marode Säulen, die man auf die Gegner stürzen lassen kann. Charaktere mit hoher Stärke haben eine gute Chance, Feinde einfach in die Tiefe zu schubsen oder sie zu Boden zu stoßen, wodurch sie im Nahkampf leichter zu treffen sind. Wer nicht in der Sichtlinie der Gegner steht, kann sich verstecken, was besonders für Schurken wichtig ist. Generell ist es sinnvoll, außerhalb von Kämpfen zu schleichen, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, Feind*innen zu überraschen, die dann zu Beginn der Schlacht eine Runde aussetzen müssen. D&D-Anfänger*innen dürften einige Anläufe brauchen, um sich an solche Taktiken zu gewöhnen.

Dreidimensionales Terrain ist einer der Kernaspekte von Solasta.
Dreidimensionales Terrain ist einer der Kernaspekte von Solasta.

Doch nicht alle taktischen Optionen aus D&D sind bereits in Solasta vorhanden: Die Aktionen Ausweichen, Helfen oder Flankieren (eine optionale Regel, aber oft genutzt) fehlen bislang. Die Entwickler*innen haben jüngst versprochen, weitere solcher Elemente in zukünftige Patches einzubauen. Kämpfe sind auch momentan von zahlreichen Bugs geplagt, die unter anderem verhindern, dass fliegende Charaktere an Orte gelangen, die normalerweise durch Klettern und Springen erreicht werden können. Bestimmte Zauber enden, wenn man einen anderen Zauber wirkt, obwohl beide keine Konzentration erfordern. Manche Tränke haben keinen oder einen völlig anderen Effekt als beschrieben. Gegner*innen sind immun gegen ihre eigenen Flächenzauber. Die Liste der Bugs, die die Spieler*innen im Solasta-Forum notieren, ist lang. Allerdings sollte man immer mit solchen Problemen rechnen, wenn man ein Spiel in der Early-Access-Phase kauft.

Jeder Kampf wird mit Initiativewürfen eingeleitet.
Jeder Kampf wird mit Initiativewürfen eingeleitet.

Noch dreimal schlafen bis zum magischen Schwert! – Gameplay und Lore

Immer beliebt in Rollenspielen sind Crafting-Systeme, die es erlauben, eigene Gegenstände herzustellen. In Solasta kann man vier Arten von Items bauen: Tränke, Gifte, Schriftrollen und magische Waffen und Rüstungen. Hierfür benötigt ein Charakter zuerst die Fähigkeit, mit dem entsprechenden Werkzeug umzugehen (wird bei der Charaktererschaffung ausgewählt), dann ein passendes Rezept und Zutaten wie Kräuter, Pulver oder magische Edelsteine. Ein intuitives System, das aber einen Wermutstropfen hat: Das Crafting-Menü zeigt oft nicht an, was der fertige Gegenstand denn überhaupt tut. Man kauft also die Katze im Sack und vergeudet gegebenenfalls wertvolle Zutaten, wenn sich die vermeintlich tolle Rüstung hinterher als unbrauchbar erweist. Dieser Umstand wurde bereits von mehreren Usern beklagt und wird eventuell in der Zukunft behoben.

Apropos Reisen: Auch dieser Aspekt will genau geplant sein. In der Regel hat die Gruppe immer nur ein Ziel vor Augen, das auf der Weltkarte ausgesucht werden kann. Spieler*innen haben die Möglichkeit, ihre Reisegeschwindigkeit auszusuchen. Normale Geschwindigkeit ist Standard, man kann aber auch schnelles Reisen auswählen, was die Reisezeit verkürzt und den benötigten Proviant reduziert, aber auch die Häufigkeit von Überfällen durch Monster erhöht. Bei langsamer Geschwindigkeit ist man länger unterwegs, braucht mehr Proviant, findet aber unterwegs auch häufiger Zutaten und vermeidet Konfrontationen. Reiseverpflegung ist noch ein kontroverses Thema unter den Spieler*innen, kosten Rationen doch teures Gold und wiegen schwer, was gerade schwächeren Charakteren zu schaffen macht. Auch die langen Wartezeiten, in denen man seine Gruppe über die Weltkarte wandern sieht, gefallen nicht jedem.

Die Reisekarte ist schön animiert, aber nicht unbedingt unterhaltsam.
Die Reisekarte ist schön animiert, aber nicht unbedingt unterhaltsam.

Während man gerade nicht reist, hält man sich meist in der Hauptstadt Caer Cyflen auf. Dort kann man mit zahlreichen Fraktionen in Kontakt treten, die Waren und Dienstleistungen anbieten, insofern die Held*innen genug Ansehen bei diesen erworben haben. Ansehen gewinnt man vor allem durch die Abgabe von gefundenen Artefakten, die praktischerweise auf einer farbigen Leiste anzeigen, wieviel Gunst man sich bei welcher Organisation damit erkaufen kann. Ein tolles Feature, das aber bislang etwas unterentwickelt ist. Zwar ist die Rede von politischen Spannungen, aber noch reagiert keine Fraktion negativ, wenn man einen Stapel antiker Bücher bei ihren Rivalen abgibt. Zudem wären andere Möglichkeiten toll, um Ansehen zu steigern, etwa durch Sidequests.

Im Tagebuch werden die wichtigsten Fraktionen und ihr Verhältnis zur Gruppe dargestellt.
Im Tagebuch werden die wichtigsten Fraktionen und ihr Verhältnis zur Gruppe dargestellt.

Viel mehr zu tun gibt es außerhalb von Kämpfen leider nicht. Neben den Bugs ist vor allem die Linearität der Kampagne ein Problem der Early-Access-Version. In den etwa 12–15 Stunden vorhandener Spielzeit gibt es eine durchgehende Kampagne. Sidequests existieren kaum und müssen meist während der Hauptquest erledigt werden. Eine Rückkehr in besuchte Dungeons ist aufgrund eingestürzter Tunnel o. ä. nicht immer möglich. Hier wären etwas Vielfalt und mehr Freiheiten sinnvoll.

Eine ähnliche Einschränkung macht sich auch in dieser Designentscheidung bemerkbar: Eine lange Rast kann nur an speziell dafür vorgesehenen Orten eingelegt werden. Meistens sind das Lagerfeuer in der Wildnis, die man erst entdecken muss. D&D-Kenner*innen wissen, dass lange Rasten nicht nur sämtliche verlorenen Trefferpunkte heilen, sondern auch verbrauchte Klassenfähigkeiten und Zauberslots wiederherstellen. Solastas Rastpunkte sind selten und liegen manchmal hinter Monstergruppen, was für bereits verwundete und ausgepowerte Gruppen ein besonderes Risiko darstellt. Zudem sind Rastpunkte im Spiel die einzige Möglichkeit, Stufen aufzusteigen! Wenn die Gruppe genug Erfahrungspunkte gesammelt hat, um die nächste Stufe zu erreichen, muss sie erst eine lange Rast einlegen. Diese Entscheidung der Entwickler*innen ist schwer nachzuvollziehen, da sie das Spiel nicht herausfordernder, sondern umständlicher macht.

Sichere Rastplätze müssen erst gefunden werden und sind selten.
Sichere Rastplätze müssen erst gefunden werden und sind selten.

Schließlich wäre da noch das Lore, das zwar sehr liebevoll und in epischer Breite ausgearbeitet wurde, aber im Spiel nicht immer ideal präsentiert wird. Oftmals bekommt die Party in kurzen Dialogen ganze Geschichtsvorträge um die Ohren gehauen oder findet kleine Andeutungen in alten Büchern, die aber nicht weiterverfolgt werden können. Hier wäre es spannend, auf eigene Faust mehr erfahren zu können, etwa durch ansprechbare Gelehrten-NSC oder Miniquests. Tatsächlich gibt es eine Quest, in dem die Gruppe nacheinander vier Statuen identifizieren muss, was vier Würfe auf Geschichtskenntnis erfordert. Schlägt nur einer der Würfe fehl, ist die ganze Quest gescheitert. Es erscheint unnötig harsch, ein ganzes Quest vom Zufall abhängig zu machen.

Entdeckte Lagerplätze erhalten auf der Karte einen Schnellreisepunkt zum Anklicken.
Entdeckte Lagerplätze erhalten auf der Karte einen Schnellreisepunkt zum Anklicken.

Diese Sparsamkeit mit dem eigenen Lore ist umso verwunderlicher, weil die traditionellen Fantasyelemente eher klischeehaft bleiben: Bärtige, grummlige Zwerge und hübsche, arrogante Elfen kennt man aus dutzenden anderen Spielen. Insbesondere die Ortsnamen sind in vielen Fällen sehr generisch: „Turm der Magie“ (im Original „Tower of Magic“) und „Turm der Magier“ („Wizard Tower“) sind zwei verschiedene Orte, die man spannender betiteln könnte.

Bunte Würfel! – Grafik, Sound und Interface

Die Spielgrafik ist generell sehr farbenfroh und abwechslungsreich, gerade die Hauptstadt Caer Cyflen ist prächtig anzusehen. Die Charakteranimationen sind allerdings weniger schön: Zu hölzern und puppenhaft wirken die Gesichter noch, zudem sind sie teilweise verbuggt, sodass Charaktere manchmal mit geschlossenen Mündern reden oder durch Wände clippen. Auch die Kameraführung kann manchmal verwirrend sein, wenn das Spiel abrupt auf einen zaubernden Charakter zoomt, der aber gerade von drei Gegner*innen verdeckt wird. Dies passiert aber nur gelegentlich, meist hat man eine gute Kontrolle über die Sichtwinkel.

Clipping-Bugs gehören zu den kleineren Problemen im Early Access.
Clipping-Bugs gehören zu den kleineren Problemen im Early Access.

Die Vertonung der Figuren ist überwiegend gut gelungen, Offiziere und Adelige sprechen mit der nötigen Autorität, Schankwirt*innen und Händler*innen locken mit Angeboten. Ab und zu aber haben einige Figuren ganz unpassende Stimmen, wenn etwa ein knorriger Zwergenkrieger mit einer jungen, hohen Männerstimme spricht. Generell aber ist das Audio einer der am besten entwickelten Aspekte des Spiels: Der Soundtrack ist abwechslungsreich, Monster brüllen eindrucksvoll und die Partymitglieder triezen sich gelegentlich mit Witzen. Mehr SC-Stimmen zur Auswahl wären nett, aber das ist zu verkraften.

Das UI ist schnörkellos gehalten, hier wurde zugunsten klarer Linien und übersichtlicher Fenster auf ein Fantasydesign verzichtet. Sehr nützlich: Das Questlog enthält auch ein Bestiarium, das die Werte von bekämpften Monstern auflistet – je öfter man auf sie trifft, desto genauer die Einträge. Dialoge mit NSC werden dort ebenfalls festgehalten, sodass man Konversationen nachlesen kann.

Ein witziges Element: Im Menü kann man die Farbe der Würfel frei einstellen. Die eigenen Angriffe und Fertigkeiten, bestimmte Schadensarten sowie die Würfe der Gegner*innen werden durch verschiedenfarbige Würfelanimationen repräsentiert, die man hier festlegen kann.

Wählbare Schwierigkeitsgrade gibt es noch nicht. Diese Option hält sich das Designteam für zukünftige Patches offen. Sinnvoll wäre es, denn wer gänzlich D&D-unbedarft das Spiel beginnt, könnte von den vielfältigen Fähigkeiten und Taktiken überfordert sein.

Besiegte Monster werden im Bestiarium aufgeführt.
Besiegte Monster werden im Bestiarium aufgeführt.

Die häufigsten Nachfragen nach weiteren Völkern, Klassen, einem Editor sowie Multiplayermodi mussten die Entwickler*innen in einem kürzlich gesendeten Stream vorerst zurückweisen. Ein Mehrspielermodus würde erheblichen Designaufwand und eine Überarbeitung aller bisherigen Inhalte erfordern. Auch einen eigenen Abenteuereditor a la Neverwinter Nights fände das Team zwar cool, wolle aber keine Versprechungen machen. Die Frage nach zusätzlichen Völkern oder Klassen beantwortete Tactical Adventures mit einem augenzwinkernden „Wir hassen Bard*innen und Drachenblütige nicht“ – eventuell werden solche Zusätze mit DLCs nachgereicht.

Je häufiger der Kontakt mit dem Monster, umso detaillierter die Informationen.
Je häufiger der Kontakt mit dem Monster, umso detaillierter die Informationen.

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: Tactical Adventures
  • Publisher: Tactical Adventures
  • Plattform: PC
  • Sprache: Englisch (Audio, Interface, Untertitel), Französisch, Deutsch, Chinesisch (Interface, Untertitel) – weitere Sprachen geplant
  • Mindestanforderungen: Betriebssystem: Windows 7, Prozessor: AMD FX 4300 / Intel Core i5-3570K, RAM: 8 GB, Grafikkarte: Radeon R9 285 / GeForce GTX 950, Festplattenspeicher: 20 GB
  • Genre: Rollenspiel, Strategie
  • Releasedatum: 20. Oktober 2020 (Early Access), Vollversion voraussichtlich Ende 2021
  • Spielstunden: 15 Stunden, weitere Inhalte folgen
  • Spieleranzahl: 1 (kein Multiplayer geplant)
  • Altersfreigabe: noch nicht bewertet
  • Preis: 34,99 EUR
  • Bezugsquelle: Steam

 

Fazit

Es wäre unfair, das Debüt eines kleinen Indie-Studios mit großen AAA-Lizenztiteln zu vergleichen, zumal es noch unfertig ist. Solasta: Crown of the Magister enthält bereits jetzt taktisch anspruchsvolle Kämpfe und eine spannende, originelle Story. Das hat Potenzial, ein vielfältiges D&D-Erlebnis am PC-Bildschirm zu bieten. Zum jetzigen Zeitpunkt aber ist die Handlung einfach noch zu linear, es stören einige grobe und viele kleinere Bugs den Spielspaß und diverse Aspekte abseits der Kämpfe sind noch nicht ausgereift genug. In einigen Monaten könnten diese Kinderkrankheiten aber schon auskuriert sein. Wir empfehlen, auf die Vollversion zu warten.

Pro:

+ Taktisch anspruchsvoll dank Vertikalität und vielfältigen Kampfmanövern
+ Spannende Handlung mit klassischem Fantasylore
+ Originelle Subklassen, Zauber und Gegenstände

Contra:

– Sehr linear, wenig Sidequests, Kampagne railroadet die Spieler*innen
– Zahlreiche Bugs und fehlende Funktionalitäten, die das Gameplay erleichtern
– Crafting und Fraktionen noch unterentwickelt

 

 

Artikelbilder: © Tactical Adventures
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Simon Burandt
Screenshots: Johannes Weyrauch

Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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