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Fast jeder hat sie schon mal gespielt. Wir lieben und hassen sie. Die Rede ist von Mafia und Werwölfe. Sogenannte Social Deduction Games sind kein neuer Hut, haben sich aber im Laufe der Zeit weiterentwickelt. Was die modernen Varianten wie Avalon oder Human Punishment spannend macht, versuchen wir hier aufzudecken.

Verrat, Intrigen und Diskussionen. Das sind die Grundzutaten eines sozialen Deduktionsspiels. So nennt man allgemein Spiele, in denen es primär aufs Reden, Rollenspiel und vor allem auf Menschenkenntnis ankommt, um am Ende zu gewinnen. Doch fangen wir ganz vorne an: Die ursprünglichen Deduktionsspiele kommen in der Regel immer nur mit Logik, Kombinatorik und eben dem Ausschlussverfahren (Deduktion) aus, was auch den Namen dieses Genres begründete.

Das sind Klassiker wie Schiffe versenken, Cluedo oder auch Scotland Yard. Ohne eine klare Strategie, etwas Teamführung und viel Nachdenken kommt man hier nicht weit. Meist müssen zahlreiche Hinweise gesammelt, kombiniert und durch kluge Auswahl von Möglichkeiten gewisse Sachverhalte eingegrenzt werden.

Im Kern ist diese Vorgehensweise auch in den modernen Vertretern vorhanden. Doch mit der sozialen Komponente (social deduction) traten diese traditionellen Mechaniken etwas in den Hintergrund. Hier beruhen die Spiele in großen Teilen auf der Fähigkeit der Spieler, andere zu beeinflussen, glaubhaft zu belügen und solches Verhalten aufdecken zu können. Und genau das ist es, was so an ihnen fasziniert.

Wir spielen hier nicht mehr gegen das Spiel oder eine innere Logik, sondern gegen den Menschen an sich. Gegen Freunde, die wir vermeintlich zu kennen glauben, müssen wir all unsere Menschenkenntnis aufbringen, um die Wahrheit zu enttarnen. Es gibt keine klare Grenze mehr zwischen Freund oder Feind. Wir dürfen lügen und intrigieren, wahllos Anschuldigungen aussprechen und vermeintliche Verschwörungen aufdecken. All das zu was man im echten Leben eher selten kommt oder was gesellschaftlich verpönt wäre.

Aus demselben Grund spielen viele von uns unter anderem auch Pen & Paper oder Liverollenspiel. Und vielleicht sind auch deswegen die sozialen Deduktionsspiele in diesem Umkreis weiter verbreitet als im Mainstream. Schade, denn solche Spiele können uns auch Schwächen und emotionale „Blinde Flecken“ bewusst machen. Sie zeigen uns auf, dass wir nicht vor Manipulationen gefeit sind oder selbst Spaß daran finden können, Andere zu manipulieren. Sie halten uns einen Spiegel vor und zeigen uns manchmal die wahre Natur unseres Gegenübers. „Bei einem Spiel kann man einen Menschen in einer Stunde besser kennenlernen, als im Gespräch in einem Jahr“ – sagte angeblich schon Platon.

Doch was macht so ein Social Deduction Game eigentlich aus? Die typischen Merkmale sind alle sehr ähnlich: große Gruppen, viel Kommunikation, überschaubare Regeln; die perfekten Partyspiele. Doch viele Vertreter des Genres versuchen das reine Reden und Diskutieren durch diverse Elemente aufzupeppen. Meistens sind es verschiedene Rollen, die man einnimmt und die mit jeweils speziellen und einzigartigen Fähigkeiten daherkommen, um die Deduktion zu erleichtern.

Dieses alte, aber grundlegende Prinzip wird meist durch Aktionskarten, geregelte Abläufe oder andere Mechaniken ergänzt, um das Ganze spannender zu gestalten. Welche das sind, was sie falsch oder richtig machen und wie sich die ganzen Spiele voneinander unterscheiden, schauen wir uns am besten einmal in einer kleinen und bunten Auswahl an.

Mafia & Werwölfe

Das erste wirkliche Spiel des Genres war ein aus Russland stammendes Partyspiel mit einem Mafia-Setting aus dem Jahre 1986. Erfunden wurde es von Dimitry Davidoff, als er Student an der Lomonossow-Universität in Moskau war. Es handelt vom Kampf zwischen ehrlichen Bürgern und kriminellen Mafiosi. Die Regeln entsprechen exakt denen von Die Werwölfe von Düsterwald, was daran liegt, dass für den lykanthropischen Nachfolger einfach nur das Thema auf Mittelalter/Fantasy geändert und dann kommerziell vermarktet wurde. Bevor also die Monster aus Düsterwald auf den Massenmarkt losgelassen wurden, gab es bereits eine große Community – meist Studenten – welche auf Partys schon früh das süchtig machende Spielprinzip auslebten.

Werwölfe von Düsterwald © Asmodee

Im Jahre 2001 erschien dann Werwölfe bei Asmodee, was heute wohl bei vielen Pfadfindergruppen und Klassenfahrtbegleitern zur Standardausrüstung gehört: Dabei befinden sich unter den Spielern Werwölfe. In einer Nachtaktion schließen erst alle die Augen, danach geben sich die Werwölfe untereinander zu erkennen, indem sie ihre Augen öffnen, und erwählen gemeinsam ein Opfer, welches sie fressen wollen. Tagsüber diskutieren dann alle gemeinsam, um die Werwölfe aufzuspüren und einen Mitspieler auszuwählen, der aus dem Spiel ausscheidet, weil das Dorftribunal einen vermeintlichen Werwolf aufknüpft – dabei kann sie nur eben auch falsch liegen. Welche Gruppe am Ende überlebt, gewinnt.

Die meisten werden es wohl schon gespielt und so auch bereits die guten und schlechten Momente einer Runde mitbekommen haben. Am Anfang macht es noch allen Spaß. Man bekommt eine Rolle, überlegt sich eine Strategie und vielleicht noch, wie man seine Figur spielen möchte und streitet sich um den Bürgermeisterposten. Und dann beginnt das wahllose Beschuldigen und Stimmung machen. Meistens basieren diese Anschuldigungen darauf, dass man „nachts etwas gehört“ hat oder Kevin ja diese Runde so unnatürlich „ruhig“ sei. Dies ist natürlich Teil der Spielmechanik und sorgt immer für heitere und spannende Momente.

Die Karten zu Werwölfe © Asmodee

Bis eben der Erste aus dem Spiel fliegt und sich die schlechte Seite des Spiels offenbart: eine teils ewig lange Downtime. So nennt man die Phasen, in denen man zum Zusehen und Nichtstun verdammt ist. Passiert dies jemandem öfter, kann das schnell zu enormen Frust führen. Das wussten auch schon die Entwickler und so versuchten sie als Gegenmittel immer wieder neue Rollen einzufügen, die das Spiel für den Einzelnen spannender und interessanter machen sollen. An der grundlegenden Mechanik hat sich dabei aber nichts verändert. Es funktioniert und macht Spaß.

Der Widerstand

Als Der Widerstand 2012 vom Heidelberger Spieleverlag herausgebracht wurde, schlug es hohe Wellen in der Brettspielszene, da es schnell als geistiger Werwölfe-Nachfolger gehandelt wurde. Und das nicht zu Unrecht. Im Kern geht es um den Kampf zweier Gruppen mit verdeckten Identitäten. Hier steht allerdings nicht das Auslöschen der anderen im Vordergrund, sondern das Gewinnen von einzelnen „Missionen“. Das hat direkt den positiven Effekt, dass die nervige Downtime auf null reduziert wird, was ein enormer Vorteil im Gegensatz zu anderen Deduktionsspielen ist.

Der Widerstand © Heidelberger Spieleverlag

Dabei ist die grundlegende Mechanik simpel: Anfangs werden auch hier verdeckt die Rollen verteilt. Davon gibt es hier aber nur zwei. Der „gute“ Widerstand und die „bösen“ Spione. Die Guten sind leicht in der Überzahl. Ein Anführer, der ständig wechselt, wählt anschließend eine begrenzte Anzahl an Mitspielern aus, die an einer von insgesamt fünf Missionen teilnehmen sollen.

Das führt immer zu gewaltigen Diskussionen, da noch darüber abgestimmt werden muss, denn das Problem ist, dass mit nur einem Bösewicht im Team das ganze Unterfangen scheitern kann. Legt dieser bei der späteren Ausführung der Mission (verdecktes Kartenablegen) eine „Gescheitert“-Karte in die seiner Kameraden, gilt diese als Erfolg für die „bösen“ Spione. Sind drei Missionen gewonnen oder verloren, gewinnt das eigene Team.

Ob sich die Spione in der Runde gegenseitig kennen, entscheiden die Spieler selbst. Denn die Regeln bieten dabei verschiedene Schwierigkeitsgrade an. Standardmäßig wird aber zu Beginn das bekannte „Alle machen die Augen zu“-Prinzip durchgeführt, was es für sie etwas einfacher macht. Sollten mal zwei Spione gleichzeitig auf Mission gehen und beide eine „Gescheitert“-Karte werfen, weil sie sich nicht kennen oder abgesprochen haben, sieht es schlecht aus für sie. Spätestens jetzt gehen die gegenseitigen Anschuldigungen los. Wenn drei auf Mission gehen und nur eine „Erfolg“-Karte erscheint, stehen die Chancen für alle aktiven Teammitglieder schlecht, jemals wieder mitgenommen zu werden.

Ein Einblick in die Box von Der Widerstand © Heidelberger Spieleverlag
Ein Einblick in die Box von Der Widerstand © Heidelberger Spieleverlag

Zusätzlich wird bei jeder Auswahl der Missionsteilnehmer abgestimmt. Auch hier lassen sich oft Rückschlüsse ziehen, denn eine unterschätzte, aber wichtige Mechanik bei Der Widerstand ist die Kombinatorik und das genaue Beobachten von Abstimmungen. Während Party- und Gelegenheitsspieler oft wahllos Beschuldigungen aussprechen und sich eher auf ihre silberne Zunge verlassen, erkennt der erfahrene Spieler hier die wahre Mechanik des Spiels: Deduktion durch Abstimmverhalten.

Aber generell wie bei allen Deduktionsspielen gilt auch hier: Die Zusammensetzung der Spielgruppe entscheidet viel über den Spaß. Jedoch sind die Mechaniken hier weniger frustrierend und erlauben ein spannendes Spiel. Zudem gibt es noch spezielle Aktionskarten, die man verteilen kann, um es entweder für Spione oder Widerständler einfacher oder schwerer zu machen, je nach Gusto der Mitspieler. Diese erlauben es zum Beispiel unter die Identitätskarte eines Mitspielers zu sehen oder Abstimmungen und Missionen zu manipulieren.

Der Widerstand: Avalon

Wie der Name schon verrät ist Der Widerstand: Avalon seinem Vorbild sehr ähnlich. Neu ist zunächst das Setting, was uns in das mythische England und die Artussage versetzt. Aber es wurde nicht nur dekorativ einiges verändert, sondern auch spielmechanisch konsequent weiterentwickelt.

The Resistance Avalon © Indie Board & Card Games

Wie auch im Original bekommt jeder zunächst eine Identitätskarte. Jedoch gibt es hier neuerdings spezielle Rollen und damit einhergehende Regeln, die das Ganze spannender und Avalon zu einer wirklichen Perle machen. Zum einen wäre das „Merlin“ auf der Seite der Guten. Er kennt die bösen Anhänger Mordreds und muss sein Wissen weise nutzen. Denn wenn Merlin am Ende des Spiels vom Assassinen der bösen Morgana identifiziert wird, war alles umsonst und das Spiel ist für Artus‘ Truppen auf jeden Fall verloren. Zusätzlich gibt es noch weitere interessante Karten, die nach Belieben und Spieleranzahl hinzugefügt werden können.

Parzival weiß wiederum wer Merlin und Morgana sind, kann sie aber nicht genau unterscheiden, da sich ihm beide am Anfang gleichzeitig zeigen müssen. Außerdem existieren noch genau wie im Vorgänger spezielle Questkarten, die das Identifizieren für Artus‘ Truppen etwas leichter machen sollen. Eine runde Neuauflage im neuen Gewand, die für uns zu den besten Social Deduction Games gehört.

Avalon © Indie Board & Card Games

Saboteur

In dem knuffigen Kartenlegespiel Saboteur von Amigo geht es nur vordergründig darum, eine Mine mit seinen zwergischen Mitstreitern zu bauen und den Weg zum Gold freizulegen. Dazu bekommt jeder Zwerg Weg-Karten, die er passgenau an die ausliegende Mine anlegen muss. Hier gibt es Geraden, Kurven und Kreuzungen, aber auch Sackgassen.

Es wird reihum gelegt und in jedem Zug nachgezogen, bis alle Stapel leer sind. Bis dahin müssen die Spieler den Weg zum Gold gefunden haben, was sich unter einer von drei Zielkarten versteckt. Neben den Weg-Karten gibt es auch noch spezielle Aktionskarten, welche zum Beispiel schlechte Karten wieder aus der Mine sprengen, beim Auffinden des Goldes helfen können oder auch andere Zwerge blockieren.

Saboteur © Amigo

Letzteres ist zwingend nötig, denn wie der Name es schon verrät, gibt es natürlich hinterlistige Saboteure in den eigenen Reihen. Diese werden zu Beginn der Runde zufällig ausgelost und kennen sich auch nicht gegenseitig. Außerdem weiß man auch nie, wie viele böse Zwerge unter den Mitspielern sind, da das Spiel eine Varianz in den Karten vorsieht. Zu sechst werden beispielsweise sieben Karten verteilt, in denen zwei Saboteure stecken. So ist also nur gewährleistet, dass sich mindestens einer unter den Spielern befindet.

Was einerseits eine schöne Mechanik für Deduktionsspiele ist, kann sich in der Praxis aber öfter als zu schwierig für die oder im schlimmsten Fall den einen Saboteur(e) herausstellen. Denn es kommt hier, anders als bei z. B. Werwölfe, nicht nur darauf an, die Mitspieler von seiner Unschuld zu überzeugen, sondern auch seine Handkarten klug einzusetzen. Und mehr Saboteure bedeuten auch mehr sinnvoll einsetzbare Karten und dadurch höheres Störpotential. Die Spannung leidet aber dennoch nicht darunter, da man es ja bis zum Ende nicht exakt weiß.

Saboteur @ Amigo

Saboteur eignet sich hervorragend für zwischendurch, da jede Runde nur 5-10 Minuten dauert. Wirklich Spaß entwickelt das Spiel durch sinnlose Beschuldigungen, welche dadurch entstehen, dass man oft nicht perfekt anlegen kann und man irgendwann sowieso hinter jedem einen bösen Zwerg vermutet. So blockieren sich die guten Spieler meistens gegenseitig, was auch nötig ist, da es sonst zu einfach wäre.

Fast immer kommt aber der Moment, wo die Saboteure sich enttarnen, um sich abzusprechen und zu koordinieren. Der Glücksfaktor ist zwar vorhanden, aber nicht zu hoch, um spielentscheidend zu sein. Mittlerweile gibt es auch schon zwei Nachfolger und Erweiterungen, welche mehr Rollen und neue Mechaniken bringen.

Love Letter

Eine völlig andere Art Deduktionsspiel ist das sehr beliebte Love Letter, von dem es mittlerweile auch verschiedene Settings wie z. B. das cthulhueske Lovecraft Letter gibt. Hier nimmt jeder Mitspieler nicht direkt eine Rolle bis zum Ende ein, sondern bekommt in jedem Zug eine neue Handkarte. 

Diese haben unterschiedliche Aktionen, und aus seinen beiden Handkarten muss der Spieler auch sofort eine ausführen, sodass nach dem Zug nur eine Karte in der Hand bleibt. Die meisten dieser Aktionen beziehen sich darauf, die anderen Karten zu erraten oder durch kombinieren zu enttarnen.

Dadurch, dass es nur eine sehr überschaubare Anzahl an Karten und Eigenschaften gibt, ist eine Runde schnell vorüber und der Spaß kann von vorne losgehen.

Love Letter von Pegasus Spiele

Die geringe Anzahl an Möglichkeiten erlaubt es, dass man sehr gut Rückschlüsse auf die noch vorhandenen Karten ziehen kann. Wodurch sich wiederum die Wahrscheinlichkeit für eine bestimmte Rolle beim Gegner errechnen lässt.

Wem das zu kompliziert ist, der spielt einfach und rät, auch das führt oft genug zum Erfolg, sodass auch Gelegenheitsspieler immer mal wieder gewinnen. Love Letter ist kein Spiel für langfristige Strategie oder große Diskussionen, hat aber durchaus seinen Reiz und macht in den Mechaniken viel richtig.

Human Punishment – Social Deduction 2.0

Das Kickstarter-Crowdfunding Spiel Human Punishment wollte alles anders machen und die Deduktionsspiele neu erfinden. Daher schrieben die Entwickler auch mit stolzer Brust „Social Deduction 2.0“ auf ihre Box. Im Test erwiesen sich die neuen Mechaniken aber als sehr zweischneidiges Schwert. Auch hier geht es prinzipiell darum, dass verschiedene Gruppen gegeneinander um den Spielsieg kämpfen: Maschinen, Menschen und die Gesetzlosen.

Ähnlich wie in anderen Genrevertretern gewinnen die Maschinen, wenn die Menschen aus dem Spiel sind, die Menschen, wenn nur noch Menschen im Spiel sind und die Gesetzlosen, wenn sie als letzter übrigbleiben. Im Gegensatz zu Klassikern wie Werwölfe lässt sich aber Human Punishment schon mit 4 Spielern gut spielen, hat regeltechnisch etwas mehr Tiefgang …und fällt daher zumindest als Partyspiel bei uns durch.

Human Punishment © Godot Games

Aber fangen wir vorne an: Schon die Auswahl der Identität ist anders. Neben einer Rollenkarte, die schon einer Fraktion zugeordnet ist, bekommt man noch zwei Gesinnungskarten, die noch mal alles durcheinander würfeln können. Sie fungieren später sogar noch als eine Art Lebenspunkte und können ausgetauscht werden. Kennt ein anderer Spieler also eine der Karten, hat er nur eine Tendenz, mehr nicht. Ein Pluspunkt für die Spannung, denn das Enttarnen fällt hier deutlich schwerer aus, als in anderen Spielen. Und dann geht es reihum los.

Wer dran ist, hat die Möglichkeit ausliegende Waffen zu nehmen und auf Mitspieler zu zielen. Erst im nächsten Zug kann man abdrücken. Das lässt allen anderen viel Raum für Diskussion, Vorbereitung oder auch Mitziehen. Oft entwickelt sich das Spiel sogar so, dass man gar nicht mehr schießen möchte.

Wird dennoch jemand getroffen, verliert er entweder Lebenspunkte oder kann eine Karte aufdecken. Wird dabei eine Rollenkarte aufgedeckt, kann es passieren, dass Spezialeffekte ausgelöst werden, die einen Spieler fast immer stärker machen. Hier gibt es eine vergleichsweise riesige Auswahl, was den Wiederspielwert stark erhöht.

Völlig chaotisch und teilweise unberechenbar wird das Ganze aber durch die Aktionskarten, die jeder Spieler ziehen kann, anstatt Waffen zu nehmen. Diese „Programme“ genannten Karten sind das Herzstück von Human Punishment und können das komplette Spiel umwerfen. Durch sie wird man zum Beispiel gegen Angriffe immun, bekommt Superwaffen oder eine neue geheime Gesinnung, tauscht seine Fraktion und kann sogar Tote wiederbeleben. Freunde werden zu Feinden, plötzlich steht man allein da oder ist auf Seiten der Gewinner.

Human Punishment © Godot Games

Die Karten sind mächtig und sorgen für eine hohe Abwechslung. Es kommt nicht selten vor, dass man im Spiel zwei- bis dreimal die Fraktion wechselt. Was auf der einen Seite Spaß macht – da man ständig seine Strategie wechseln muss – sorgt auch für Frust, da es teilweise beliebig und zufällig wirkt, wie sich eine Runde manchmal entwickelt. Und genau hier versagt das Spiel als Partyspiel. Sind diese sonst eher simpel und aufs Reden konzentriert, ist man hier gezwungen, nachzudenken und clever zu spielen. Als Vielspieler hat man seinen Spaß und freut sich über jede Wendung.

Es wird weniger geredet und überzeugt, sondern mehr taktiert und mit den Kartenfähigkeiten gespielt. Eine Runde kann auch verhältnismäßig lange dauern und ein permanentes Ausscheiden ist ebenso möglich. Im schlimmsten Fall sitzt man eine gute Stunde als Zuschauer am Tisch, das ist ein großer Minuspunkt.

Ansonsten wird Human Punishment aber seinem „2.0“ gerecht. Man muss nicht nur reden, sondern auch spielerisch klug handeln. Die Mitspieler sind schwer zu entlarven, Angriffe spannend inszeniert und die Sonderkarten werfen sowieso alles chaotisch wild durcheinander.

Hohe Dynamik, längere Spielzeit und Eliminierung – ein zweischneidiges Schwert, was nicht jedem gefallen wird, außer vermeintlich Vielspielern.

Unser Fazit

So vielfältig wie die Spielerschaft ist, so vielfältig ist auch die Zahl an Social Deduction Games. Die hier erwähnten Spiele zeigen nur eine wirklich kleine Auswahl der verfügbaren Titel. Und nicht jedes der Spiele ist bedingungslos für alle geeignet. Während Werwölfe und Love Letter noch einem breiten Publikum zusprechen, ist Human Punishment eher für Vielspieler geeignet.

Ebenso eignet sich Avalon eher als Partyspiel als Saboteur. Werwölfe macht erst ab 10 Mitspielern so richtig Spaß und wir brauchen auch einen extra Spielleiter, Love Letter geht auch schon zu dritt. Das Schöne ist aber: Für jeden ist etwas dabei! Und wie anfangs schon erwähnt, lernen wir auch noch was über uns und unsere Mitmenschen.

Artikelbilder: Genannte Verlage, Stockart: PixaBay|TheDigitalArtist

Über den Autor

Stephan Jacob ist Videospielentwickler und hat eine Professur für Game Development an der Uni Darmstadt. Zeit seines Lebens war er schon immer ein Brettspielfanatiker und mag zwar am liebsten komplexe Kenner- und Expertenspiele, was Ihn aber nicht daran hindert, Familien- und Kinderspiele mit spannenden Mechaniken ebenfalls toll zu finden. Zu seinen größten Errungenschaften, zählt seine Bekanntheit als HelloKittyShield-Meme.

 

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