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Ostara – Eine Geschichte voller Missverständnisse. Oft wird der Name verwendet für Feiern zur Frühjahres-Tag-und-Nachtgleiche. Doch wie alt sind die Bräuche und Riten wirklich? Gibt es keltische oder germanische Ursprünge? Woher stammt der Name, und was hat Ostara mit Ostern zu tun? Dieser Artikel beleuchtet Hintergründe rund um das Fest.

Der keltische Jahreskreis umfasste nur die vier Hochfeste Samhain, Imbolc, Beltane und Lugnasad. Diese werden auch als die Mondfeste bezeichnet. Wenn heute von Jahreskreisfesten gesprochen wird, meint man allerdings in der Regel acht Feste, deren Herkunft unterschiedlichen Quellen zugeschrieben wird. Oft werden die vier zusätzlichen Feste, genannt Sonnenfeste, ebenfalls dem keltischen Jahreskreis oder aber den germanischen Religionen zugeordnet. Diese Zuordnung ist jedoch nicht immer zutreffend, und Ostara ist das prominenteste Beispiel.

Zunächst einmal muss geklärt werden, woher der Name Ostara überhaupt kommt. Oft wird Ostara als das Fest einer germanischen Göttin gleichen Namens angesehen – doch es ist nicht erwiesen, dass es eine Göttin dieses Namens überhaupt gegeben hat.

Dieser Artikel ist Teil einer (zu Teilen kommenden) Serie über keltische und neuheidnische Jahreskreisfeste und deren Hintergrund. Die anderen Artikel der Serie findet Ihr im Laufe des Jahres hier:

Die historischen Hauptfeste des keltischen Jahreskreises:

 

Die vier Jahreszeitenfeste:

  • Ostara, Frühjahrestagundnachtgleiche
  • Litha, Sommersonnenwende
  • Mabon, Herbsttagundnachtgleiche
  • Jul, Wintersonnenwende

Die Göttin Ostara?

Historiker haben schon oft die Existenz einer germanischen Frühlingsgöttin vermutet. Allerdings gibt es keine Hinweise darauf, dass diese den Namen Ostara getragen hat.

Ostara wurde erstmals schriftlich durch den angelsächsischen Kirchenhistoriker Beda Venerabilis (673–735) erwähnt. Beda wollte damit im Streit um den Namen des Osterfestes Argumente finden. In seinen Augen war die Benennung des Festes als „Easter“ eine Referenz auf ein heidnisches Fest, welches damit in Erinnerung gehalten würde. Er setzte sich stark, aber erfolglos, dafür ein, das Fest, der norddeutschen und skandinavischen Kirchentradition folgend, in „Passah“ umzubenennen. In seiner Streitschrift „de temporum ratione“ sagt er in diesem Zusammenhang, der damalige Name des Monats April, „Eosturmonath“, leite sich direkt vom Namen der Göttin „Eostræ“ ab.

Jugenstil-Darstellung der Göttin, Quelle: unbekannt
Jugendstil-Darstellung der Göttin, Quelle: unbekannt

Der deutsche Sprach- und Literaturwissenschaftler Jacob Grimm (1758–1863, einer der Gebrüder Grimm) benutzt Bedas Ausführungen, als er 1835 die Herkunft des Wortes Ostern nachvollzog. Grimm passte dabei den Namen der Göttin sprachlich an, indem er ihn vom mittelhochdeutschen Namen für den April ableitete. Aus dem mittelhochdeutschen „ôstarmânôt“ entstand so der Name „Ostara“.

Grimm hat jedoch nicht einfach bei Beda abgeschrieben, sondern den Text mit weiteren Quellen validiert. Beispielsweise entnahm er die Monatsbezeichnung „ôstarmânôt“ aus den Texten des Gelehrten Einhard (770–840).

Heute ist umstritten, ob Beda mit dieser Herleitung einer Gottheit richtig lag. Allerdings steht auch die Frage im Raum, warum Beda eine Gottheit hätte erfinden sollen, zumal der Sinn seines Textes war, die Verehrung derselben einzudämmen.

Das Einzige, was man heute mit einiger Sicherheit sagen kann: Grimm hat den deutschen Namen der Gottheit wahrscheinlich falsch hergeleitet.

Man muss an dieser Stelle anmerken, dass das Osterfest auch in Deutschland nicht immer Ostern geheißen hat. Im norddeutschen Raum wurde der biblische Name „Pessach“ in seiner latinisierten Form „Passah“ beziehungsweise die norddeutsche Form „Paschen“ benutzt. Die Kreuzigung und Wiederauferstehung findet in der Bibel vor dem Hintergrund des wesentlich älteren Pessach-Festes statt, weshalb dieser Name übernommen wurde. Ostern kam hauptsächlich im süddeutschen Raum zum Einsatz, und Easter im angelsächsischen Raum.

In anderen Quellen, wie beispielsweise der skandinavischen Edda, kommen die Namen Eostræ/Ostara nicht vor. Gelegentlich wird ein etymologischer Bezug zur semitischen Fruchtbarkeitsgöttin Astarte vermutet, aber auch dieser Ansatz ist umstritten.

Nach heutiger Erkenntnis lässt sich nicht gesichert sagen, ob sich der Name des Osterfestes vom alten Namen für den April ableitet, oder ob es andersherum ist und der April nach dem Osterfest benannt wurde. Selbst heute wird der April teilweise noch als Ostermonat bezeichnet, mit klarer Referenz auf das Fest.

Die historische Bedeutung von Ostara

Es gibt keine Überlieferungen, die ein Fest wie Ostara im keltischen Kulturraum belegen. Das Ende des Winters und der Beginn des Frühlings wurde mit Imbolc gefeiert, und das große Fruchtbarkeitsfest war Beltane.

Die Beschreibung des angeblich keltischen Festtags sind stark inspiriert vom schottischen „Cailleach day“ oder „Latha na Cailliche“. Dieser Tag feiert die Übergabe der Herrschaft von Cailleach, der Herrin des Winters, an Brigid, die Herrin des Sommers. Es wird davon ausgegangen, dass diese Übergabe im gesamten keltischen Einflussbereich gefeiert wurde. Der tatsächliche Zeitpunkt dieser Übergabe hing allerdings von der Klimazone ab, in der sich die Feiernden befanden. Erstmöglicher Zeitpunkt war Imbolc, letztmöglicher Zeitpunkt war Beltane, der tatsächliche Start von Brigids Herrschaft über den Sommer. Der Tag Cailleachs liegt zwischen den beiden Tagen.

Es ist davon auszugehen, dass viele Regionen mit starker landwirtschaftlicher Prägung ein Frühlingsfest kannten. Leider ist nur wenig über die verschiedenen Traditionen der Frühlingsfeste überliefert.

Die Bedeutung des Festes heutzutage

Heute wird Ostara in vielen religiösen Gemeinschaften als das Fest des Frühlingsanfanges gesehen. Das ist eine wichtige Unterscheidung zu Imbolc, denn Imbolc feiert nur das Wiedererwachen des Lichtes und ist damit quasi eine Vorbereitung für Ostara. Der Winter ist zu Ende, wenn Tag und Nacht in perfekter Balance sind. Das Leben erwacht wieder, die Natur wächst wieder.

Ostara-Traditionen im neukeltischen Heidentum

Im 18. Jahrhundert kam das Neo-Druidentum auf, hier heißt das Fest meistens Alban Eiler, was in Etwa „Licht der Erde“ bedeutet. An den beiden Tag‑und‑Nachtgleichen in Frühling und Herbst wird die Balance zwischen Tag und Nacht geehrt. Alban Eiler gibt dem Menschen die Möglichkeit, aus dem Dunkle ins Licht zu wechseln.

Rituale zu Alban Eiler drehen sich meist um das Wachstum neuer Ideen, Projekte, Pläne und Pflanzen. Über allem steht aber die Balance im Leben.

Ostara-Traditionen im Wicca

Im Wicca ist dieser Sabbat der Göttin Ēostre/Ostara geweiht. Diese steht hier für Fruchtbarkeit, aber auch für Wiedergeburt, Unschuld und Verzauberung. Sie wird am Frühlingsanfang wiedergeboren und kümmert sich ab sofort wieder um das Wachstum in der Natur.

Die ihr zugeschriebenen Attribute sind vergleichbar mit der nordischen Gottheit Freya oder auch der ägyptischen Gottheit Osiris.

Ostara ist der beste Zeitpunkt, um Dinge zu erledigen, die man schon immer erledigen wollte, oder um mit neuen Projekten anzufangen. In diesem Punkt gleichen sich das wiccanische Ostara und das druidische Alban Eiler.

Ostara im Asatrú

Auch das Asatrú kennt das Frühlingsfest Ostara. Asatrú ist eine Wiederbelebung des nordischen und teilweise auch germanischen Glaubens. Hier hat das Fest allerdings noch weitere Namen, beispielsweise wird das Fest in Island einfach „Várbót“ („Frühlingsfest“) genannt. Es wird auch meist der Beginn der Sommerzeit gefeiert, nicht jedoch von einer Göttin namens Ostara ausgegangen. Ostara ist hier lediglich der Name des Festes in einigen Sprachregionen.

Auch im Asatrú markiert Ostara eine Zeit des Aufbruchs. Gängige Bräuche umfassen hier unter anderem das Entzünden eines Feuers, welches die Nacht lang brennt, und mit dem man den ersten Tag der hellen Seite erwartet. Oft werden die Feiern nur im kleinen Kreis abgehalten.

Meán Earraigh

Auch außerhalb der „heidnischen Hauptreligionen“ wird oft mit der Frühjahrs-Tag-und-Nachtgleiche der Tag verehrt, ab dem die Tage wieder länger werden. Dabei wird häufig die irische Übersetzung, „Meán Earraigh“, verwendet. Diese Feierlichkeiten reichen dabei von einfachen Frühlingsfesten (siehe oben) bis hin zu naturreligiösen Traditionen.

Leider: Ein gern genutzter Einstieg für völkische Propaganda

An dieser Stelle muss leider auch das völkische Neuheidentum angesprochen werden. Völkische Gemeinschaften besinnen sich auf eine Mythologie, die hauptsächlich auf den Lehren aus dem Dritten Reich aufgebaut sind. Durch die Überschneidungen mit den tatsächlichen germanischen oder nordischen Religionen verwischen hier die Grenzen zwischen altem Glauben und Propaganda, sodass viele, die sich für heidnische Religionen interessieren, über kurz oder lang mit ziemlicher Sicherheit auch mit völkisch geprägten Texten in Kontakt kommen.

Ostara ist für viele Autoren aus dieser Richtung ein guter Ansatzpunkt, um aufzuzeigen, wie die christliche Kirche die ursprüngliche germanische Religion verdrängt hat. Sie verweisen auf Fruchtbarkeitssymbole wie Eier oder Hasen, und stellen die Frage, was diese Symbole mit dem Christentum zu tun haben sollen. Dazu kommt noch die Erwähnung der für die christliche Kirche tatsächlich sehr ungewöhnlichen Methode zur Festlegung des Osterzeitpunktes. Spätestens hier haben sie meistens die Aufmerksamkeit, die sie brauchen, um in Folge mit Umweg über die propagandistisch gestalteten religiösen Aspekte auf die arische Herrenrasse zu kommen.

Das Thema „Ostern aus völkischer Sicht“ ist zu umfangreich, um es im Rahmen dieses Artikels zu besprechen. Es wird aber zeitnah, wenn auch außerhalb dieser Reihe, einen Artikel zu dem Thema geben.


 

Dies soll die Betrachtung dieses recht verwirrenden Feiertages abschließen. Eines einer Gottheit zugeordneten Feiertages, deren Verehrung bis heute nicht historisch belegt werden kann, der aber trotzdem in modernen paganen Religionen eine wichtige Rolle spielt. Ein Feiertag, von dem bislang noch nicht einmal abschließend geklärt werden konnte, ob er die Vorlage für das christliche Osterfest war oder ob er seinerseits von diesem inspiriert wurde. Und leider auch ein Feiertag, der wie kein anderer für Propagandazwecke missbraucht wird.

Im Rollenspiel sind Konstellationen wie diese vor allem interessant, wenn man eigene Kampagnen erschafft und dabei die Interaktion zwischen verschiedenen Pantheons in Betracht ziehen möchte. Ein Feiertag, den die Anhänger verschiedener Götter unterschiedlich begehen, kann alles hervorrufen, von einer hochgezogenen Augenbraue bis zu einem handfesten Krieg. Hier liegt viel Potential, um Abenteuer zu starten. Gerade für Priestercharaktere bietet sich eine Möglichkeit, Spotlights abseits ihrer Heilfähigkeiten zu spielen.

Artikelbild: depositphotos.com | subbotina

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