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Kinderschreck oder Albtraum der Bevölkerung? Hexen tauchen in vielen Geschichten als gefährliche Widersacherinnen der Helden oder übernatürliche Plage für die einfachen Bürger auf. In diesem Beitrag stellen wir euch einige der berühmtesten Zauberinnen, Unruhestifterinnen und Giftmischerinnen aus verschiedenen Kulturen vor!

An Monstern und grausigen Gestalten mangelt es keinesfalls in Sagen und Legenden. Doch neben Drachen, Untoten und Dämonen dürfen auch die menschlichen Gegenspieler nicht vergessen werden. Wobei: Kann man eine Person mit übernatürlichen Kräften überhaupt noch als menschlich beschreiben? Besonders, wenn vermutet wird, dass sie mit schrecklichen Mächten paktiert?

Hexen sind spätestens seit den Hexenverfolgungen in Europa ein fester Bestandteil des westlichen Kulturkreises. Sie haben ihren Einzug in verschiedenste Werke erhalten, von Macbeth bis zu Harry Potter. Doch der Glaube an derartige Gestalten findet sich in zig Kulturen seit frühesten Zeiten. Wir haben eine Liste ikonischer Hexen aus Sagen und Legenden aufgestellt.

Baba Jaga

Eine der bekanntesten Hexen ist zweifelsfrei Baba Jaga aus der slawischen Mythologie. Sie weist große Ähnlichkeiten zur westeuropäischen Hexe auf, wie beispielsweise der Schwarzwald-Hexe aus Hänsel und Gretel. In vielen Erzählungen wird sie als alte, hässliche Frau mit grausigen Fertigkeiten beschrieben. So frisst sie Menschen, hetzt sie zu Tode und dekoriert ihren Gartenzaun mit den Schädeln. Dabei ist auch die Heimstatt von Baba Jaga besonders. Denn die Hütte der Hexe steht auf langen Hühnerbeinen und kann sich fortbewegen. Die alte Frau selbst kann auf einen Besen oder einen Mörser zur Fortbewegung zurückgreifen.

Baba Jaga aus dem Märchen über drei Zarenjungfern und über Ivaschka, den Pfaffensohn © Iwan Bilibin, 1911
Baba Jaga aus dem Märchen über drei Zarenjungfern und über Ivaschka, den Pfaffensohn © Iwan Bilibin, 1911

Interessanterweise wird die böse Natur der Baba Jaga erst mit der zunehmenden Christianisierung hervorgehoben. Als Archetyp der Hexe dient sie als perfektes Beispiel heidnischer Blasphemie und für den Schrecken von Bündnissen mit dem Teufel. Ältere Geschichten sehen die Figur dagegen als mächtige und weise Frau. Auch Erzählungen aus jüngerer Zeit stellen sie oftmals als normale Frau dar, deren böse Natur nur unter besonderen Umständen hervorkommt.

Baba Jaga fliegt auf ihrem Mörser © Iwan Bilibin, 1899

Die Figur wird mit einer Vielzahl anderer mythologischer Wesen in Verbindung gebracht. Bekannt dürften die drei Reiter sein, die den Tag, die Sonne und die Nacht verkörpern. Sie finden beispielsweise Erwähnung im Märchen von Vasilisa der Schönen.

In diesem ist das Mädchen Vasilisa auf der Suche nach dem Licht aus Baba Jagas Hütte. Diese Aufgabe wurde ihr von ihrer grausamen Stiefmutter und deren eifersüchtigen Töchtern aufgetragen. Auf dem Weg dorthin begegnet sie den drei Reitern, wobei besonders der schwarze Reiter der Nacht sie erschreckt. In der Hütte der Hexe angelangt muss sie einige Aufgaben erfüllen, um das Licht zu verdienen und nicht getötet zu werden. Als das Mädchen vor Erschöpfung zusammenzubrechen droht, erhält es Hilfe von einer magischen Puppe. Diese wurde Vasilisa von ihrer Mutter auf deren Totenbett als Geschenk übergeben. Ein kleiner Schluck Trinken und ein kleiner Bissen Essen können sie zum Leben erwecken und dem Mädchen zu Hilfe kommen lassen. Gemeinsam erledigen sie die Aufgaben so gut, dass Baba Jaga keinen Grund zur Beschwerde hat. Die Hexe schickt das Mädchen mit einer Schädel-Laterne voller glühender Kohlen nach Hause. Dort angekommen zerfallen die Stiefmutter und –schwestern von Vasilisa zu Asche.

Cailleach

Diese Gestalt der keltischen Mythologie wird mit dem Wetter bzw. dem Wintereinbruch in Verbindung gebracht. In Anlehnung an das klassische Bild von Hexen wird eine Cailleach als alte, hässliche Frau beschrieben. Ihre Kräfte variieren von Geschichte zu Geschichte. Meist gilt sie als Verkörperung des Winters oder als Verursacherin von Unwettern. Jedoch gibt es auch Überlieferungen, in denen sie als Schöpfergestalt auftritt.

Cailleach Bhéara © Rob Hurson

In einer bekannten Erzählung raubt eine Cailleach einer Mutter und ihren drei Töchtern das Familienvermögen. Eines Tages beschließt die älteste Tochter, ihr Glück in der Welt zu versuchen und endet per Zufall als Dienstmädchen bei der Hexe. Dort findet sie das Geld ihrer Familie und flieht. Auf ihrer Flucht verweigert sie mehreren Gestalten (z.B. einem Pferd, einer Kuh und einer Ziege) Gefallen. Daraufhin verraten diese das Mädchen an die verfolgende Hexe. Diese stellt die Tochter in einer Mühle und verwandelt sie mit ihrem Zauberstab zu Stein.

Ceann na Cailleach (Hags head, Hexenhaupt), Südwestspitze der Cliffs of Moher im County Clare, einer der vielen nach den Cailleach benannten Orte
Ceann na Cailleach (Hags head, Hexenhaupt), Südwestspitze der Cliffs of Moher im County Clare, einer der vielen nach den Cailleach benannten Orte

Das gleiche Schicksal ereilt die zweitälteste Tochter. Erst die jüngste kann diesem Ungemach entkommen, indem sie bei ihrer Flucht die Gefallen erfüllt. Die Hexe wird bei der Verfolgung von der jungen Frau überrascht und überwältigt. Gleichzeitig findet die jüngste Tochter ihre älteren Schwestern und verwandelt sie mit Hilfe des Zauberstabs zurück.

Yuki-Onna

Auch in der japanischen Kultur wird eine Sagengestalt mit dem Wintereinbruch in Verbindung gebracht. Diese als Yuki-Onna bezeichnete Frau weist sowohl Eigenschaften einer Hexe als auch eines Vampirs auf. Sie erscheint als blasse, hochgewachsene Frau mit langem Haar. Im winterlichen Umfeld fällt sie aufgrund ihrer weißen Kleidung oder Nacktheit im Schnee kaum auf. Zudem bewegt sie sich schwebend und lautlos und kann sich in eine Nebelwolke verwandeln.

Yuki-onna (ゆき女) aus Hyakkai-Zukan © Sawaki Suushi

Die Schneehexe lockt ihre Opfer mit verschiedensten Mitteln in die Falle. Verirrten Eltern auf der Suche nach ihrem Kind gaukelt sie vor, im Besitz dessen zu sein. Männer werden von der Schönheit des Wesens verführt. Doch oftmals führt die Yuki-Onna ihre Opfer einfach nur in die Irre des Schneetreibens. Dort verwendet sie ihre Zauberkräfte, um sie zu Eis erstarren zu lassen. In einigen Geschichten ernährt sie sich zudem noch von der Lebensenergie der Opfer.

So berichtet eine Erzählung von einem Holzfäller, der mit seinem Vater in einem Schneesturm eingeschlossen war. Sie fanden in einer Hütte Schutz, doch wurden dort von einer Yuki-Onna überrascht.

Yuki-onna (雪女) aus Gazu Hyakki Yakō © Toriyama Sekien

Diese tötete den Vater mit ihrem Frosthauch, ließ den Sohn jedoch am Leben. Dabei musste er schwören, nie von dieser Begegnung zu erzählen.

Im nächsten Jahr gewährte der Mann einer wunderschönen Frau Zuflucht. Die beiden verliebten sich ineinander und hatten über die Jahre viele gemeinsame Kinder. Eines Tages überkam den Mann wieder die Erinnerung an das Ereignis mit der Frau im Eis, da ihn seine eigene Ehefrau an diese erinnerte. Darauf angesprochen wurde diese zornig und offenbarte sich eben als jene Sagengestalt. Der Mann hatte sein Versprechen gebrochen. Die wütende Frau ließ ihn nur aufgrund der gemeinsamen Kinder am Leben und verschwand spurlos.

Chedipe

Eine ähnliche Gestalt kennt die indische Mythologie. Hier werden vampirähnliche Hexen als Chedipe bezeichnet. Dieser Begriff lässt sich wörtlich als Prostituierte übersetzen. Dies rührt daher, dass nach dem Volksglauben Prostituierte und weibliche Opfer eines unnatürlichen Todes als Chedipe auferstehen können.

Frauen, die einen unnatürlichen Tod erleiden, wie zum Beispiel bei der Geburt oder durch Selbstmord, und Prostituierte können zu Chedipes werden © depositphotos|szefei

Die daraus resultierende Gestalt bewegt sich von nun an nackt oder freizügig bekleidet auf einem Tiger durch die Nacht. Nach der Wahl ihres Opfers begibt sie sich in dessen Haus und lässt alle Bewohner in einen magischen Schlaf fallen. Je nach Auslegung der Geschichte sind ihre Opfer entweder körperlich äußerst gesunde Männer oder jene, gegen die die Gestalt eine Abneigung hat. In beiden Fällen beginnt die Chedipe jedoch, die Lebensenergie bzw. das Blut durch die Zehen des Opfers zu saugen. Am nächsten Tag erwacht der Mann mit dem Gefühl eines Rausches und ohne Erinnerung. Manchmal werden auch andere Wunden zugefügt, die im schlimmsten Fall direkt tödlich enden. In einigen Fällen wird beschrieben, dass die Chedipe Geschlechtsverkehr mit ihrem Opfer hat. Gleichzeitig wird der Verdacht der Untreue in den Geist der Ehefrau platziert. Das daraus resultierende Misstrauen und die Trauer dienen der Sagengestalt als Energiequelle.

Die Überlieferungen besagen, dass ein Opfer mehrfacht besucht wird, wenn es nicht nach Hilfe gegen das Wesen sucht. Auf diese Art und Weise kann sich die Chedipe so lange nähren, bis der Mann am Blutmangel verstirbt. Wird sie jedoch mutig konfrontiert, flieht sie.

Hexe von Endor

Die Hexe bzw. Totenbeschwörerin von Endor ist eine biblische Gestalt. Obwohl sie in der Erzählung niemandem Schaden zufügt, wird sie im modernden Sprachgebrauch oftmals als Hexe dargestellt. Vielmehr lassen ursprüngliche Texte vermuten, dass sie eine Nekromantin gewesen ist.

Saul spricht mit Samuels Geist bei der Hexe von Endor, 1675

Sie wird vom jüdischen König Saul vor seiner Schlacht gegen die Philister aufgesucht. Der König wendet sich aus Verzweiflung an sie, denn er erhält von Jahwe keine Antwort auf seine Fragen. Interessanterweise handelt er damit seinem eigenen Gesetz wider. Denn eigentlich ist in seinem Reich Wahrsagerei verboten. Als jedoch der Frau Straffreiheit zugesichert wird, beschwört sie den verstorbenen Propheten Samuel aus dem Totenreich. Dieser eröffnet dem König, dass er das Missfallen Gottes auf sich gezogen habe. Deswegen würden er und seine Söhne am nächsten Tage sterben. Saul verlassen daraufhin seine Kräfte. Doch wird er von den Anwesenden genötigt, diese letzte Nacht noch zu ruhen, zu essen und seinem Ende entgegen zu sehen.

Über die Rolle der Beschwörerin werden verschiedene Theorien angestellt. Gelang ihr wirklich eine Auferstehung Samuels, ähnlich wie es später die Auferstehung Jesus sein sollte? Oder beschwor sie in Wirklichkeit einen Dämon in Gestalt des Propheten? Einige Auslegungen stellen sie als geschickte Täuscherin dar, die dem verzweifelten König die Begegnung mit dem Propheten lediglich vorgaukelte. In den beiden letztgenannten Varianten dient die Figur der Hexe von Endor als Warnung davor, sich mit augenscheinlich übernatürlichen Mächten einzulassen.

Kirke

Die Halbgöttin Kirke ist aufgrund ihrer Rolle in Homers Odyssee Kennern griechischer Mythologie mit Sicherheit ein Begriff. Sie verwandelt Besucher ihres Palastes mit Hilfe ihrer Zauberkünste in zahme Tiere. Diese bevölkern das Umfeld ihrer Unterkunft und erwecken die Neugier von Fremden. So ergeht es auch einigen Begleitern des Odysseus, als sie auf der Insel der Zauberin landen. Von Kirke freundlich umschmeichelt werden sie zu einem Festessen eingeladen.

Kirke und Odysseus,(Lekythos vom Athena-Maler, Eretria, um 480 v. Chr., Archäologisches Nationalmuseum, Athen)
Kirke und Odysseus,(Lekythos vom Athena-Maler, Eretria, um 480 v. Chr., Archäologisches Nationalmuseum, Athen)

Diesem sind jedoch magische Kräuter beigesetzt. Die Männer verwandeln sich daraufhin in Schweine und werden festgehalten. Nur einem gelingt die Flucht.

Dieser berichtet dem wartenden Odysseus vom Schicksal der Kameraden. Der listige Grieche macht sich daraufhin auf, um die Hexe selbst zu konfrontieren. Auf seinem Weg begegnet er dem Gott Hermes. Der gibt Odysseus ein Kraut, um ihn vor den Zauberfertigkeiten von Kirke zu schützen. Und tatsächlich: Kirkes Zauber wirken daraufhin nicht mehr. Unter der Androhung von Gewalt verwandelt die Zauberin die Männer zurück. Als Wiedergutmachung beherbergt Kirke Odysseus und seine Mannschaft für ein Jahr.

Während dieser Zeit wird sie die Geliebte des Odysseus und zeugt mit ihm Söhne. Als nach einem Jahr der Gastfreundschaft die Reise weitergehen muss, erteilt sie den Reisenden Ratschläge. So erläutert sie die Richtung oder warnt vor den Gefahren durch die Sirenen oder die Skylla. Letztgenannte ist ein Seeungeheuer, über das Kirke bestens Bescheid weiß. Denn ursprünglich handelte es sich dabei um eine schöne Frau, die vom Meeresgott Glaukos umworben wurde. Kirke war jedoch selbst in Glaukos verliebt und vergiftete das Lieblingsgewässer von Skylla. Nach einem Bad verwandelte sich diese in ein schreckliches Monstrum mit ungeheuerlichen Köpfen und Gliedern. Insofern ist das Schicksal Odysseus und seinen Kameraden deutlich gewogener!

Jenny Greenteeth

Diese Flusshexe entstammt der englischen Sagenwelt. Ihr Aussehen wird als Frau mit grüner Haut, langen Haaren und scharfen Zähnen beschrieben. Besondere Gefahr geht von ihr für Kinder und Ältere aus. Wenn diese in der Nähe von Gewässern unterwegs sind, laufen sie Gefahr, in ihre Falle zu tappen. Jenny würde sich blitzschnell aus dem Wasser heraus das Opfer schnappen und anschließend ertränken.

Jenny Greenteeth © John White

Die heutige Vermutung ist, dass diese Gestalt Kinder von gefährlichen Gewässern fernhalten sollte. Zugegeben eine sehr extreme Methode der Erziehung, doch mit Sicherheit effektiv. Denn wie hält man den eigenen Nachwuchs besser von Seen oder Flüssen fern als mit der Androhung einer mörderischen Hexe?

Jenny Greenteeth hat jedoch auch ihren Weg in die moderne Popkultur gefunden. So tritt sie beispielsweise, ebenso wie ihre bekanntere „Verwandte“ Baba Jaga, als Gegenspielerin in einer Geschichte von Hellboy auf.

Fallen euch noch weitere berüchtigte Hexen ein? Lasst es uns in den Kommentaren wissen!

Quellen

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