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Was macht ein Schutzengel, wenn der Chef plötzlich verschwindet und die himmlischen Reiche im Bürgerkrieg versinken? Diese Geschichte erzählt uns der Newcomer Andreas Michels mit seinem Urban Fantasy Roman Esariel. Wir sind dem Engel auf Abwegen nach Hamburg gefolgt und haben ihm auf die Flügel geschaut.

Urban Fantasy erfreut sich in der Phantastikszene einer ungebrochenen Beliebtheit. Allein Amazon listet mehrere tausend Bücher und nun hat sich auch der Newcomer-Autor Andreas Michels dieses beliebte Setting mit seinem Erstlingsroman Esariel vorgewagt. Engel, Krieg, Intrigen und himmlische Psychopathen. Dieser Mix verspricht gute Unterhaltung und setzt auf bewährte Motive.

Gelingt es Michels diese bewährten Motive auch schön zu kombinieren?

Story

Michael Schwarz arbeitet in Hamburg als Personenschützer, jedoch weiß kaum einer seiner Klienten was für ein Profi tatsächlich über ihn wacht. Er macht diesen Job nämlich schon seit ein paar tausend Jahren. Sein richtiger Name lautet Esariel und er ist ein wahrhaftiger Schutzengel. Seitdem Gott sich nach einem erfolglosen Reset der Menschheit per Sintflut entnervt von der Welt verabschiedetet hat, herrscht Bürgerkrieg zwischen den Engeln. Der Erzengel Michael versucht krampfhaft eine Ordnung eines Gottes aufrechtzuerhalten, während sein Widersacher Luzifer seine ganz eigene Vorstellung der Nachgottordnung hat. Der Krieg selbst wird seitdem von allen möglichen Engeln ausgetragen und nur die mysteriösen Todesengel wahren eine Rest-Neutralität. Nach einem schicksalhaften Ereignis während der Kreuzzüge beschließt Esariel zu desertieren und fortan auf eigene Rechnung seiner eigentlichen Bestimmung als Schutzengel nachzugehen. Das führt den himmlischen Bodyguard irgendwann in das neuzeitliche Hamburg, wo er als Personenschützer nun die Tochter eines vermögenden Unternehmers schützt.

Unter dem Radar

Als Deserteur versucht er dabei stets unter dem Radar seiner Artgenossen zu bleiben, weil keine der Fraktionen besonders gut auf ihn zu sprechen ist. Dies gelingt ihm über die Zeit auch ziemlich gut bis eines Tages sein Schützling nach einem verheerenden Anschlag auf eine Diskothek von einem anderen Himmlischen entführt wird. Es beginnt ein Katz und Maus-Spiel, das Esariel fast quer durch Deutschland führt, um dem Entführer und seinem Schützling auf die Spur zu kommen. Dabei gerät er wieder zwischen Fronten, denen er längst abgeschworen hatte, trifft Bekannte, denen er am liebsten nie wieder begegnet wäre und findet Freunde, wo er eigentlich keine vermutet hätte.

Die Geschichte beginnt zunächst etwas behäbig, informiert den Leser jedoch verständlich und überschaubar über die Rahmenbedingungen des Lebens als Schutzengel. Ebenso erhält er Aufschluss über die Vergangenheit des Protagonisten. Sobald jedoch der Schützling in die Fänge des Antagonisten gerät, nimmt die Geschichte schnell an Fahrt und Spannung auf. Diese Spannung hält sich auch bis zu einem durchaus überraschenden Ende.

Schreibstil

Esariel lässt den Leser dabei stets an seinen Gedanken teilhaben, was zu einem guten Verständnis der Figur führt. Obwohl nur von außen betrachtet, gelingt es Michels dabei auch die Motive und Handlungen der anderen Figuren nachvollziehbar zu erzählen. Besonders gelungen ist dabei die Figur eines weiteren Schützlings, der vollkommen überfordert versucht eine Welt aus Engeln und Dämonen zu verstehen, ohne dabei zu einem nervigen Anhängsel zu werden.

Esariels Ausdrucksweise ist dabei eher jovial und umgangssprachlich, wie man wohl tatsächlich etwas denken oder bei einem Bier erzählen würde. Doch auch im Umgang mit anderen Personen der Geschichte behält er diesen Stil bei. Das mag vielleicht Teil der Tarnung sein, aber von einem Wesen das nicht nur einen ganz anderen Einblick in die Welt hat als ein Mensch und zudem noch seit tausenden von Jahren existiert, könnte man mehr Gravitas, mehr Bedeutungsschwere erwarten.

Stellenweise nimmt man dem Engel daher den Engel nicht ganz ab.

Der Roman bleibt dennoch gut und flüssig lesbar. Lediglich das Lektorat hätte an der ein oder anderen Stelle etwas gründlicher sein dürfen.

Der Autor

Andreas Michels ist gebürtiger Oberfranke und lebt heute mit seiner Frau in Regensburg. Der bekennende Larper und Rollenspieler verdient seine Brötchen eigentlich in der Industrie. Mit seinem Debüt 101 Gründe Rollenspiel zu lieben hat er inzwischen aber auch Blut am Autorendasein geleckt.

Erscheinungsbild

Ist das ein Buch über Agent 47 aus Hitman? Betrachtet man das Cover, könnte einem durchaus der Gedanke kommen. Michael/Esariel scheint in seinem Erscheinungsbild durchaus von dem legendären Profikiller inspiriert zu sein. Doch mit den Flügeln, der rostigen Mülltonne und der schmierigen Neonreklame wird schnell klar, dass es hier wohl eher um Urban Fantasy geht.

Im Buch selbst wirkt der Zeilenabstand manchmal etwas überdimensioniert, das irritiert am Anfang. Wer aber auch mal im schummrigen Licht der Nachttischlampe liest, wird dem Verlag wohl bald dankbar sein.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Gegenstromschwimmer Verlag
  • Autor: Andreas Michels
  • Erscheinungsdatum: 2019
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch/eBook
  • Seitenanzahl: 355
  • ISBN: 3947865023
  • Preis:14,99 EUR (Softcover)/7,99 EUR (eBook)
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

Das Buch hat seine kleineren Schwächen. Manchmal nimmt man Esariel den uralten Engel und Krieger nicht ganz ab, wirkt er doch sehr jovial und kumpelig. Andererseits passt das ganz gut zum Setting. Die gewählten Motive und Handlungsbögen sind allesamt nicht besonders neu, aber schön kombiniert und liebevoll erzählt. Auch braucht die Geschichte ein paar Seiten länger als nötig, um in Fahrt zu kommen. Hat sie diese aber mal aufgenommen, fällt es einem schwer, das Buch aus der Hand zu legen, um endlich hinter all die Geheimnisse zu kommen, die auch Esariel erwarten.

Am Ende bleibt eine mehr als solide Urban Fantasy-Kost die, zumindest bei mir, den Wunsch geweckt hat, die weiteren Abenteuer des Schutzengels und seiner menschlichen und nicht-menschlichen Freunde zu lesen. Wer Urban Fantasy, zur Abwechslung mal ohne Vampire oder Werwölfe, mag, dem sei Esariel definitiv ans Herz gelegt. Aber auch Settingeinsteiger können hier bedenkenlos zugreifen.

Artikelbild: Gegenstromschwimmer Verlag, Bearbeitet von Verena Bach
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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