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In der Reihe The Horus Heresy – Primarchs werden die legendären Anführer der Space Marine-Orden vor dem Verrat des Horus beleuchtet. Der zwölfte Teil dreht sich um den wohl dunkelsten Sohn des Imperators: Konrad Curze. Ob es Guy Haley gelungen ist, die Essenz des Night Haunters einzufangen, lest ihr hier.

Kaum ein Charakter dürfte im Universum von Warhammer 40.000 eine Bekanntheit wie die Primarchen, die genetischen Söhne des Imperators, haben. Kaum ein Fan dürfte ihre Namen nicht im Schlaf aufsagen können. Wenige Charaktere stehen so ikonisch für das, was diese Welt und ihre Grausamkeit ausmacht, denn die Primarchen sind sowohl genetisch als auch faktisch die Gründungsväter der 20 Space Marine-Legionen des Imperiums. So prägten sie und ihr Wesen die Orden, die nach dem Verrat des Horus den Legionen nachfolgten, und ihre Krieger bis heute.

Jede Legion und ihre Nachfolge-Orden zeichnen sich durch ganz besondere Spezialisierungen aus, die sich in ihren Primarchen manifestieren. Corvus Corax, der Primarch der Raven Guard, war (oder ist?) ein begnadeter Attentäter, dem es gelang, eins mit dem Schatten zu werden und so wurde seine Legion meist für verdeckte Operationen tief hinter feindlichen Linien eingesetzt. Perturabo und seine Iron Warriors hingegen sind brillante Belagerer und knacken mit höchster Effizienz auch die stärksten Verteidigungsstellungen und so kann man Legion für Legion durchgehen. Auch Curze und seine Night Lords haben natürlich eine ganz besondere Spezialität: Terror.

Während des Großen Kreuzzuges und der Eroberung der Galaxie zwangen die Night Lords etliche Planeten in die sogenannte Konformität, also vollkommene Unterwerfung unter die Imperiale Doktrin, indem sie grausamsten Terror anwendeten. Die Idee dahinter lautete, durch ein möglichst wirksames und brutales Exempel an einigen Wenigen könnten viele Blutvergießen gespart werden. Entwickelt und zur Perfektion getrieben wurde diese Form der Kriegsführung von Konrad Curze, der sich seit seiner Kindheit selbst Night Haunter nannte. Doch die Night Lords fanden zu viel Gefallen daran und bald war Grausamkeit reiner Selbstzweck. Curze schwankte Zeit seines Lebens immer zwischen Verachtung für seine Legionäre und einer gewissen Verbundenheit. In diesem Roman ist er die Hauptfigur, so erfährt man nun viel über seine Gedankenwelt.

Story

Nebst seiner Fähigkeit, Grausamkeit zu einer Kunstform zu perfektionieren, konnte kaum jemand wie er die Zukunft voraussehen, einzig Sanguinius konnte ihm hier Paroli bieten. In Zweikämpfen besiegte er so Lion El’Jonson, Rogal Dorn, Corvus Corax, Vulkan und Roboute Guillaume. Seine Fähigkeit war so ausgeprägt, dass er sogar seinen eigenen Tod präzise voraussehen konnte.

Modell von Konrad Curze
Modell von Konrad Curze

Guy Haley widmet sich in seinem Roman nun dem letzten Abend vor dem Tod der Primarchen und lässt den Leser und die Leserin tief in die Gedankenwelt des Primarchen eintauchen. Kern der Geschichte ist ein Monolog, in dem Konrad Curze mit seinem Vater abrechnet. In mehreren kurzen Geschichten von der Jugend des Primarchen über den Großen Kreuzzug und dem Bruderkrieg bis zum letzten Lebensabschnitt, begleitet man den Night Haunter durch prägende Episoden seines Lebens. Dabei sind es weniger die ganz großen Ereignisse, sondern fast schon intime und persönliche Ereignisse.

Curze schwankt zwischen vollkommenem Wahnsinn und Momenten erstaunlicher Selbsterkenntnis. So begleitete jede dieser kurzen Geschichten auch eine mehr oder minder klare Reflektion des Primarchen, in der er mit seinem Vater umfassend abrechnet. Dabei bleibt bis zuletzt unklar, ob Curze tatsächlich einen Monolog führt.

Schreibstil

Konrad Curze als schmucke Limited Edition
Konrad Curze als schmucke Limited Edition

Guy Haley lässt die Leserin oder den Leser überwiegend von außen auf das Geschehen blicken. So entsteht auf eine gewisse Weise eine fast theaterähnliche Atmosphäre. Er wechselt zwischen dem Monolog von Curze, der die Gedanken und Gefühle des Primarchen greifbar schildert, und Kurzgeschichten aus verschiedenen Perspektiven. Mal sind diese Geschichten aus der Sicht von Curze selbst, dann von einem jungen Steuermann auf einem heruntergekommenen Freihändler-Schiff und dann wieder aus Sicht seiner Legionäre erzählt. Besonders hervor zu heben sind die Monologe und ihre Begleithandlung. Hier entdecken aufmerksame Leserinnen und Leser gerade zu poetische Züge. Damit greift Haley einen interessanten Wesenszug auf, dem man Curze nachsagte: Er sei in gewisser Art ein Poet.

Obwohl Geschichten und Monolog nicht durch Kapitel oder größere Absätze getrennt sind, gelingt es Haley und seinem Übersetzer Mark Schüpstuhl, einen Lesefluss aufrechtzuerhalten. Zwar fordert der Roman dadurch etwas mehr Aufmerksamkeit als viele andere Warhammer-Romane, lässt sich aber gut und flüssig lesen.

Der Autor

Guy Haley lebt mit seiner Familie in Yorkshire. Eine Zeitlang verantwortete er das renommierte Science-Fiction-Magazin SFX. Für die Black Library, dem Verlag hinter den Warhammer-Romanen, schreibt er seit 2012. Zu seinen zahlreichen Veröffentlichungen gehören unter anderem die viel gelobten Romane Dante: Der Ewige Engel, Baneblade, Das Dunkle Imperium und Seuchenkrieg. Für die Primarchen-Reihe hat er Perturabo, Corax und zuletzt Curze mit Geschichten versorgt.

Erscheinungsbild

Das Titelbild ist wie zu erwarten in der üblichen hohen Qualität gestaltet. Als zentrales Element zeigt es Konrad Curze in einer nächtlichen, sturmgepeitschten Szenerie. Ein fast schon süffisantes Lächeln umspielt seine Lippen. Er trägt seine mit menschlichen Überresten verzierte Primarchen-Rüstung und seine Energieklauen sind blutverschmiert. Zu seinen Füßen sind zwei Night Lords mit Schädelhelmen in Kampfposition. Alles in allem ist das Setting des Bildes sehr düster und erinnert, zweifelsohne ganz bewusst, an Szenen aus Vampir-Geschichten. Die Stimmung des Romans wird im Bild damit gut widergegeben.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Black Library
  • Autor: Guy Haley
  • Erscheinungsdatum: 2019
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch/eBook
  • Seitenanzahl: 258
  • ISBN: 1781933790
  • Preis: 17,00 EUR (Softcover) bzw. 11,99 EUR (eBook)
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

Die Primarchen sind alle auf ihre Art interessant oder sogar faszinierend. Doch keiner ist sich seines Wesens so bewusst wie Konrad Curze. Obwohl er ein sadistischer und grausamer Massenmörder ist, fühlt man sein Leid. In seinem Monolog an den Imperator schwankt Curze zwischen Wahn und Selbsterkenntnis und fügt seinen Taten eine poetische Dimension hinzu.

Einen ganz besonderen Reiz der Geschichte macht natürlich die Wahl des Zeitpunktes der Handlung aus. Die letzten Stunden mit einem dem brillanten Wahnsinn verfallenen Übermenschen zu verbringen, schafft ein unvergleichbares Ambiente.

Auch nach dem Roman bleibt Curze auch weiter der fast schon übertrieben Düsterste unter den Primarchen und sein streckenweise dominierender Nihilismus ist, in einem positiven Sinne, kaum zu ertragen. Doch das ist auch die Essenz des Wesens von Curze. Wo Sanguinius Möglichkeiten und Hoffnung sah, sieht Curze das unausweichliche und schlechte Ende. Am Ende lässt Haley den Leser und die Leserin mit der fast schon quälenden Frage zurück, ob Curze nicht seine eigene selbsterfüllende Prophezeiung ist.

 

Artikelbild: Black Library, Bearbeitet von Verena Bach,
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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