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Panzerkompanien liefern sich Feuergefechte mit gigantischen Titanen, während Bataillone von Space Marines im Häuserkampf aufeinandertreffen. Das Horus Heresy-Universum birgt reichlich Potenzial für epische Schlachten. Mit Legions Imperialis bringt Games Workshop diese atemberaubenden Konflikte nun im Miniaturformat auf den heimischen Spieltisch.

Die Figuren erscheinen geradezu winzig, wenn man sie in der Hand hält. Die Größe der Schlachten, die man in Legions Imperialis schlagen kann, ist dafür umso beeindruckender. Das Setting ist aus den Büchern und dem Spielsystem Warhammer: Horus Heresy mit Sicherheit bekannt. Jedoch unterscheiden sich Ausmaß der Armee als auch die Regeln signifikant. Mit einer Befehlsphase, in der die Handlungen der Einheiten im Vorfeld festgelegt werden und alternierenden Einheitenaktivierungen mag sich manch eine*r an Vorgängerspiele wie Epic Armageddon erinnert fühlen. Die Grundregeln sind dabei recht einfach gehalten. Das Spiel wird in der Umsetzung jedoch durch einiges an Sonderregeln komplex.

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Sturmangriffe und besetzte Gebäude – Der Spielablauf

Eines ist vorweg zu schicken. Wer das Spiel spielen möchte, muss des Englischen mächtig sein oder ein leistungsstarkes Übersetzungsprogramm besitzen, da die Regeln bisher ausschließlich auf Englisch erhältlich sind (und es wahrscheinlich auch bleiben). Das Spiel selbst besteht in der Regel aus fünf Spielrunden, die sich in ebenfalls fünf Phasen gliedern. Legions Imperialis ist so konzipiert, dass die Spieler*innen ihre Einheiten im Wechsel aktivieren. Lange Wartezeiten, in denen man nur reagieren kann, sind also nicht vorhanden und der Spielablauf gestaltet sich dynamisch.

Jede Runde ist in fünf Phasen unterteilt.
Jede Runde ist in fünf Phasen unterteilt.

In der Befehlsphase legen die Spieler*innen verdeckt Befehlsmarker neben ihre Einheiten. Damit sind die Handlungen der Einheiten für den Rest der Runde festgelegt. Die Herausforderung besteht darin, den gesamten Zug im Voraus planen zu müssen, was einen besonderen Reiz ausmacht. Sind alle Befehle platziert, werden sie gleichzeitig aufgedeckt. Es gibt vier Hauptbefehle (First Fire, Advance, March, Charge) sowie Fall Back, der einem Verband zugewiesen wird, wenn schwere Verluste auftreten.

In der Initiativephase wird durch einen Würfelwurf bestimmt, wer die erste Einheit aktivieren darf. Auch werden unklare Spielsituationen (beispielsweise welchem Gegner die übrig gebliebene Einheit im Nahkampf zugewiesen wird) von der Person entschieden, die diesen Wurf gewinnt. Das bringt weitere, wenn auch nicht unbedingt immer spielentscheidende Vorteile.

In der Bewegungsphase und der Kampfphase aktivieren die Spieler*innen abwechselnd ihre Verbände, um die entsprechenden Befehle auszuführen. Dabei werden zuerst alle Bewegungen abgehandelt, dann schließt sich eine dreigliedrige Kampfphase an. Spannend ist die Regelung der Bewegungsphase. In den Spielsystemen von Games Workshop entscheidet für gewöhnlich das Würfelglück, wie hoch zusätzliche Bewegungsreichweiten beispielsweite bei Sturmangriffen ausfallen. Bei Legions Imperialis wird auf diesen Zufallsmechanismus verzichtet. Stattdessen wird beim Befehl Charge oder bei einer vollen Bewegungsaktion wie beim Befehl March einfach mit der der doppelten Bewegungsweite gearbeitet, was diese Bewegungen wesentlich vorhersagbarer macht.

Ein ebenfalls vielversprechender Mechanismus ist die Möglichkeit, Gebäude zu besetzen und zu zerstören. Gut geschützt können ganze Züge an Infanterie aus vollen Rohren feuern. Zumindest so lange, bis die Gebäude durch gegnerische Truppen übernommen oder von einem wütenden Titanen dem Erdboden gleich gemacht wird.

Auch die Kampfphase ist ungewöhnlich. Zuerst werden die Einheiten mit First Fire (die sich nicht bewegen durften) abgehandelt. Im Anschluss folgt der Nahkampf und darauf die restlichen Fernkämpfe. Die Regelungen sind recht einfach. Beim Fernkampf wird geprüft, ob getroffen wird und dann ggf. ein Rüstungswurf absolviert. Beim Nahkampf werfen beide Seiten einfach vergleichende Würfe, wobei der höhere Wurf gewinnt. Jeder Treffer verursacht einen Punkt Schaden, was in der Regel den Verlust eines Modells zur Folge hat.

In der Endphase werden Bewegungen fliehender Einheiten durchgeführt und schließlich alle übrigen Marker entfernt.

Das System ist durch die alternierenden Züge sehr dynamisch und grundlegend einfach gehalten. Zumindest kann man diesen Eindruck gewinnen, bis man auf die Sonderregeln und die Beschreibung der Sonderfähigkeiten und Waffen stößt. Auf über zwanzig Seiten werden gut fünfundvierzig Waffeneigenschaften und fünfzig Fahrzeugeigenschaften erläutert und mit erweiterten Regeln versehen. Zum einen machen diese Erweiterungen die Spielabläufe wesentlich spannender, als wenn alles nur von den reinen Spielwerten abhängt. Auf der anderen Seite wirkt diese schiere Masse ein wenig erschlagend und ist alles andere als freundlich für Einsteiger*innen.

Auf zum Appell – Armeebau und Fraktionen

Grundsätzlich liefert die Grundbox schon alle möglichen Fraktionen mit. Die Entscheidung steht dabei zwischen genetisch verbesserten Space Marines und den menschlichen Elitekriegern der Solar Auxiliar. Bei den Space Marines bringt zudem die Entscheidung für einen Orden noch eine weitere Fähigkeit mit, wie beispielsweise das automatische Gewinnen der Initiative einmal pro Spiel.

Bis zu dreißig Prozent der Armee dürfen zudem aus anderen Fraktionen bestehen. Hier kommen die Titanen ins Spiel, die zwar keine eigene Armee stellen, aber als Verstärkung mitgeführt werden dürfen.

Wer sich für die Schlacht rüsten möchte, stellte sich seine Armee aus unterschiedlichen Formationen zusammen. Diese „Armeeorganisationspläne“ enthalten vorgeschriebene und optionale Detachments, welche dann schließlich aus den einzelnen Modellen bestehen. Bei einem Modell kann es sich um ein Fahrzeug, einen Titanen oder auch eine Base mit fünf Space Marine-Modellen handeln. Einige der Formationen bringen noch zusätzliche Einschränkungen bzw. Vorteile mit. Die Auswahl an Formationen beschränkt sich im Grundregelwerk auf übersichtliche drei bis vier pro Fraktion. Wem das zu wenig ist, dem werden noch weitere ordensspezifische in zukünftigen Erweiterungen versprochen.

Aufgrund der Einschränkung mag der Armeebau zunächst recht einfach erscheinen, jedoch fordern die Sonderfertigkeiten und Waffeneigenschaften einiges an Überlegung und Recherche. Im Zweifelsfall hilft es am Ende wohl, einfach darauf loszuspielen.

Nieder mit dem falschen Imperator! – Spielziel und Missionen

In Sachen Siegbedingungen nutzt das Regelwerk von Legions Imperialis auf das bekannte System von primären und sekundären Missionszielen. Primäre Ziele sind zumeist fixe Punkte auf der Karte, die von den eigenen Truppen übernommen und gehalten werden. Erheben beide Seiten Anspruch auf ein Ziel, wird die Tactical Strength beider Seiten verglichen. Ein Einnehmen ist jedoch in diesem Fall nicht ganz so einfach wie in anderen Systemen. Wo manchmal wenige Punkte Unterschied den Ausschlag geben, muss hier die doppelte Punktzahl an das Missionsziel gebracht werden. Andernfalls ändert das Ziel seinen Status nicht.

Die Sekundärziele sind meist etwas langfristiger in der Durchführung. Sie reichen von einfachen Aufträgen, wie der Zerstörung der gegnerischen Armee, bis zu komplexeren Aufgaben wie dem Bergen und Entkommen mit vitalen Informationen. Eine Auswahl von Sekundärzielen wird jeweils ausgewürfelt, aus der dann gewählt werden darf.

Die in den Grundregeln enthaltenen Missionen beschränken sich zunächst auf das Matched Play, bei dem sich zwei gleich starke Armeen gegenüberstehen. Daneben werden noch zwei weitere Spielarten angerissen. Das Open Play besteht grundsätzlich daraus, keine festen Rahmenbedingungen zu haben, sodass man munter eine beliebige Anzahl von Modellen aufeinander zu jagen kann. Spannung verspricht jedoch das narrative Spiel. Hier werden, wie aus anderen Systemen von Games Workshop bekannt, Geschichten nacherzählt werden, die man mit seinen Armeen zum Leben erweckt.

Von den Spielmechanismen her versprechen die Grundregeln ein schlankes Spiel, ohne große weitere Ablenkung, was für den Start angesichts der Fülle an weiteren Regeln vielleicht auch ganz gut ist. Auf das Narrative Play kann man aber ebenso gespannt sein, wie auf weitere Missionsideen im Matched Play.

Maschinengeister und Ceramit – Bau- und Basteltips

Es ist bewundernswert, wie detailliert die Modelle trotz ihrer Größe sind. Falten in den Mänteln, Pistolenholster und Türgriffe verlangen von ambitionierten Mal-Artist*innen zweierlei: eine sehr ruhige Hand und irgendeine Art von Vergrößerungsglas. Außerdem ist hervorzuheben, wie einfach das Wechseln der Waffenoptionen ist. Bei den Panzern ist nicht einmal der Einsatz von Magneten notwendig, da sich diese einfach umstecken lassen. Aber auch die Warhounds lassen sich mit Magneten im 2×4 mm Format und etwas Sekundenkleber ganz einfach flexibel halten. Einzig die kleinen Sekundärwaffen, wie Bolter und LAS-Kanonen, erfordern etwas mehr Einsatz. Aber vielleicht kann man auf das Magnetisieren bei diesen Waffen auch einfach verzichten.

Ansonsten gilt größte Vorsicht beim Zusammenbau. Wer schon einmal alle Ritzen nach einem verlorenen Bit abgesucht hat, bekommt bei Legions Imperialis mehr als eine Gelegenheit, diese Erfahrung zu wiederholen. Auch das Bemalen sollte durchdacht geschehen. Besonders die Infanterieeinheiten sollte man erst nach dem Bemalen auf die Base kleben. Der Pinsel könnte sonst durchaus Schwierigkeiten haben, sein Ziel zu finden. Auf der anderen Seite sind die Modelle sehr dankbare Empfänger von schnellen Maltechniken. Speedpaints oder einfache Kombinationen von Grundfarbe, Lasur und ein bis zwei Highlights lassen die Kleinstmodelle schnell gut aussehen. Angesichts der Masse an einzelnen Figuren ist das wahrscheinlich auch der beste Weg zu einer fertigen Armee.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Games Workshop
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Deutsch/Englisch
  • Spieler*innen-Anzahl: 2
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Preis: 155 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, idealo, KuTaMi

 

Bonus/Downloadcontent

Wer seine ersten Schritte mit der Grundbox gehen möchte, ohne sich zu viele Gedanken über Armeezusammenstellung zu machen, für die hat Games Workshop eine Sonderformation geschaffen, die es erlaubt, jeweils die Hälfte der Box als Armee zu erstellen und in einer eigens dafür geschaffenen Mission ins Feld zu führen.

Fazit

Legions Imperialis von Games Workshop bietet eine packende Miniaturversion epischer Schlachten im Horus Heresy-Universum. Der Spielablauf zeichnet sich durch eine dynamische Abwechslung der Züge aus. Spielmechanismen wie die taktischen Herausforderungen der Befehlsphase oder die Möglichkeit, Gebäude zu besetzen und zu zerstören, verleihen dem Spiel einen besonderen Reiz.

Diese Fülle an Sonderregeln kann gerade für Einsteiger*innen allerdings abschreckend wirken. Die Modelle sind schön und detailreich gestaltet und machen definitiv Lust darauf, ganze Legionen ins Feld zu führen.

 

  • Schlanke Grundregeln
  • Taktische Vielfalt durch spannende Mechanismen
  • Ansprechende Miniaturen
 

  • Komplexität durch Sonderregeln
  • Kein deutschsprachiges Regelwerk

 

 

Artikelbilder: © Games Workshop
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Nina Horbelt
Fotografien: Geoffrey Förste
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.
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