Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Eresh weiß, dass sie anders ist als die anderen Menschen in Uruk. Ihre Mutter ist eine Menschenfrau, doch ihr Vater ist ein Annunaki, ein Gott. Er will, dass Eresh für immer zu ihm kommt und hat ihr für diese Entscheidung ein Jahr Zeit gegeben.

Uruk in Mesopotamien, etwa 2500 v. Chr. Eine junge Frau, deren Vater ein Gott sein soll und die ihren Platz in den Welten sucht. Wird es wie Stargate ein reines Actionabenteuer oder ein tiefgründiger Einblick in die Psyche der Hauptfigur?

Triggerwarnungen

Entführung, Zwangsheirat

[Einklappen]

Story

Mit sechzehn ist Eresh eine junge Frau in Uruk und sollte laut ihrem Stiefvater längst verheiratet sein. Allerdings wird Eresh ihr ganzes Leben als Außenseiterin gemieden, denn sie ist kein normaler Mensch. Sie ist ein Halbwesen, Tochter einer menschlichen Frau und eines Annunaki, eines Gottes. Diese leben auf dem Stern Nibiru und betreten die Erde nur noch selten, auch Eresh hat ihren Vater bisher nur zweimal gesehen. Beim letzten Mal stellte er sie vor die unangenehme Wahl, innerhalb eines Jahres zu entscheiden, wo sie den Rest ihres Lebens verbringen will: auf der Erde in ihrer vertrauten Umgebung oder auf Nibiru, an einem Ort, den sie noch nie gesehen hat.

Während sie sich mit dieser Frage beschäftigt und wütend auf ihren Vater ist, wirbeln zwei Ereignisse ihr Leben durcheinander: Sie erwischt ihre Schwester Dara mit einem Mann, der nicht ihr Verlobter ist und sie sieht zum ersten Mal ein anderes Halbwesen.

Eresh will diesen anderen Abkömmling von Mensch und Gottheit gern kennenlernen und nach einigen Eskapaden trifft sie endlich mit Shuri zusammen. Doch er fasziniert Eresh nicht nur, weil er ein anderes Halbwesen ist. Shuri ist weit herumgekommen, sogar bis nach Nibiru, und könnte Eresh bei ihrer Entscheidung helfen.

Die Geschichte mischt das historische Setting der mesopotamischen Stadt Uruk und die Mythologie der Sumerer mit einer ordentlichen Ladung Science-Fiction. Die Annunaki, die Götter der sumerischen Kultur, sind in Eresh und die zwei Planeten keine mythischen Wesen, sondern Außerirdische. Sie werden von den Menschen jedoch als Götter verehrt und leben sonst in einer hochtechnisierten Stadt auf dem Himmelskörper Nibiru. Mit diesem Namen bezeichneten die Sumerer je nach Interpretation der Textquellen eine Gottheit, einen Himmelskörper oder eine Sternenkonstellation.

Die Mixtur aus einer realen historischen Kultur – besonders wenn sie wie hier gut recherchiert wurde – und Science-Fiction-Elementen kann in fiktiven Texten extrem unterhaltsame Ergebnisse hervorbringen. Leider konnte sich die Autorin nicht entscheiden, ob sie aus dem einfachen, zugänglichen Grundplot eine romantische Geschichte, eine Selbstfindung oder eine Abenteuererzählung machen will. Die Geschichte wechselt dazwischen, ohne sich auf eine erzählerische Richtung festzulegen.

Die auftretenden Figuren helfen dabei auch nicht, lassen sie doch etwas Tiefgang vermissen. Ereshs Schwestern sind je nach Alter rebellisch und auf ihr Äußeres fixiert oder anhänglich und niedlich, der Vater ist streng, die Mutter liebevoll, die Großmutter weise. Allgemein wirkt Ereshs menschliche Familie mit ihrem Einfamilienhaus, das nicht einmal mit der Großmutter geteilt wird, dem Hund und den Heiratsplänen für Dara eher aus der Gegenwart entlehnt denn den mesopotamischen Stadtstaaten.

Eresh schafft es vor diesem Hintergrund auch nicht richtig, alles herumzureißen. Sie kommuniziert oft ironisch und abweisend und hält damit alle auf Distanz – auch die Leser*innen. Sie wirft ihrer Schwester Dara vor, sich wichtigmachen zu wollen und stört sich immer wieder daran, dass die Menschen die Götter verehren. Letzteres würde wunderbar funktionieren, wenn es mehr Einblicke in Ereshs Innenleben gäbe.

Oft bleibt der Stil sehr beschreibend und distanziert – Eresh dachte dies, Eresh dachte das – dadurch ist es nicht einfach, sich in die Hauptfigur hineinzuversetzen und ihre Überlegungen wirklich nachzufühlen. Auch wirkt ihr Blick auf die Götter reichlich modern. Es ist absolut nachvollziehbar, dass sie als Tochter eines Gottes an deren Macht und Einfluss auf das Leben der Menschen zweifelt. Doch ihre herablassende Einstellung gegenüber dem Glauben der anderen wirkt unpassend für jemanden, der in diesem Umfeld aufgewachsen ist, und macht Eresh nicht unbedingt sympathischer.

Schreibstil

Ein Großteil des Buches ist aus außenstehender Perspektive geschrieben, konzentriert sich jedoch immer auf Eresh, ihre Handlungen, Gedanken und Gefühle. Dazwischen sind kurze Kapitel in Ich-Form aus Ereshs Perspektive eingeschoben, in denen die Hauptfigur ihre Gefühls- oder Gedankenwelt beschreibt. Aber auch hier bleibt der Sprachstil distanziert und schafft es nicht, Ereshs beschriebene Gefühle nachfühlbar zu machen.

Immer wieder werden sumerische Begriffe wie „Annunaki“ in den Text eingestreut. Sie werden kursiv gesetzt, jedoch nicht weiter erklärt. Ein Glossar fehlt, doch das allermeiste lässt sich aus dem Kontext erschließen. Dies verweist ebenso wie zwischen Kapitel gesetzte Zitate aus verschiedenen Quellen aus sumerischer Zeit auf die gründliche Recherche der Autorin.

Die Beschreibung der Welt ist immer knappgehalten, was besonders in Uruk dazu passt, dass Eresh sich hier durch eine vertraute Umgebung bewegt. Dennoch reichen die hingeworfenen Informationsbrocken nicht immer aus, um ein dichtes Bild von Uruk oder Nibiru zu erschaffen.

Die Autorin

Jasmin Engel ist eine deutsche Autorin phantastischer Romane und Kurzprosa aus Aschaffenburg. Sie veröffentliche 2020 mit Die Götter der Dämmerung ihren Debütroman, in der sie ein historisches Setting mit Außerirdischen verband. Eresh und die zwei Planeten ist ihr drittes Buch. Weitere Informationen über die Autorin gibt es auf ihrer Webseite.

Erscheinungsbild

Das Cover zeigt mit einer pseudo-antiken Stadt mit Zikkurat und darüber einem kleinen Raumschiff sofort, mit welchem Setting hier zu rechnen ist. Dass die Zikkurat eher nach Bruegels Turmbau zu Babel als nach einem sumerischen Bauwerk aussieht, fällt dabei eher Expert*innen auf. Der Titelschriftzug ist jedoch mit drei Farben etwas unruhig und der zweite Teil des Titels geht auf dem Cover schnell unter.

Im Inneren trennen Kapitelzierden im historisierenden Stil einzelne Abschnitte voneinander ab.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Lycrow Verlag
  • Autorin: Jasmin Engel
  • Erscheinungsdatum: Juli 2023
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch
  • Seitenanzahl: 296
  • ISBN: 978-3910791107
  • Preis: 15,99 EUR (Print) + 5,49 EUR (E-Book)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Das Buch enthält leider keine Bonusinhalte und auch kein Glossar der verwendeten sumerischen Begriffe. Auf der Webseite der Autorin ist jedoch eine Leseprobe zu finden.

Fazit

Eresh und die zwei Planeten erzählt die Geschichte der sechzehnjährigen Eresh aus Uruk, die von ihrem göttlichen Vater vor die Wahl gestellt wird, ob sie lieber für immer auf der Erde oder bei ihm auf dem Stern Nibiru leben will. Besonders begeistert ist sie davon nicht, sie kennt ihren Vater schließlich kaum und wird gleichzeitig schon ihr ganzes Leben als Halbwesen ausgegrenzt. Doch bevor Eresh eine Entscheidung treffen kann, trifft sie zum ersten Mal in ihrem Leben auf ein anderes Wesen mit menschlichen und göttlichen Eltern.

Leider bleibt Eresh den Leser*innen immer etwas auf Abstand und widersetzt sich den Versuchen, sich in sie hineinzuversetzen.

Das historische Uruk als Setting für eine phantastische Geschichte zu nehmen ist angenehm neu und erfrischend. Die Autorin schöpft diese Möglichkeiten jedoch nicht aus, sie kombiniert alles stattdessen mit Außerirdischen. Doch leider entsteht daraus auch keine spannende oder actiongetragene Science-Fiction, da die Figuren und die Konflikte zwischen den Welten oberflächlich bleiben.

Insgesamt bleibt nach der Lektüre am Ende das Gefühl zurück, vor allem eine Menge ungenutztes Potenzial gelesen zu haben.

  • Unverbrauchtes Setting
  • Gut recherchiert
 

  • Distanzierte Hauptfigur
  • Ungenutztes Potenzial
  • Flache Charaktere

 

Artikelbilder: © Lycrow Verlag
Layout und Satz: Andreas Hübner
Lektorat: Alexa Kasparek

Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

Dieser Artikel enthält Affiliate-Links. Durch einen Einkauf unterstützt ihr Teilzeithelden, euer Preis steigt dadurch nicht.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein