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Shibuya Goldfish von Altraverse verspricht eine fesselnde Mischung aus Urbanität, Horror und einer Prise Faszination für das Übernatürliche. Wir tauchen ein in die geschäftige Welt des Tokioter Stadtteils Shibuya, in der eine unerwartete Bedrohung lauert: riesige, menschenfressende Goldfische. Wie diese Idee im Detail umgesetzt wird, schauen wir uns genauer an.

Shibuya Goldfish (japanisch Shibuya Kingyo) wurde geschrieben und illustriert von Hiroumi Aoi. Die Serie wurde in Square Enix’s Gangan Joker von September 2016 bis April 2021 veröffentlicht und ist in 11 Bänden abgeschlossen. Da sich das Magazin an ein jugendliches, männliches Publikum richtet, wird dieser Manga zur Kategorie Shônen gezählt.

Triggerwarnungen

explizite Gewalt

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Handlung

Der erste Band beginnt mit einer Aufnahme von Hachiko — Shibuyas berühmtester Statue — die mit Blut bespritzt ist. Ein keuchender Teenager starrt entsetzt auf einen monströsen Goldfisch, der mitten auf einer belebten Straße die Fußgänger*innen angreift. Was sich zu Beginn vielleicht albern anhört, ist tatsächlich eine ernste und bedrohliche Situation.

Die Erzählung wird eingeleitet mit dem Satz: „An jenem Tag… ist zum ersten Mal ein Mensch vor meinen Augen gestorben.“ Hier fällt eine erste Ähnlichkeit mit dem Manga Attack on Titan auf. Auch dort wird die Handlung eröffnet mit einem Panel von Menschen, unter anderem Eren, Mikasa und Armin, die voller Schrecken das riesige Monster an der Mauer anstarren. Auch der Einleitungssatz weist eine gewisse Ähnlichkeit auf, denn in Attack on Titan heißt es: „An jenem Tag erinnerte sich die Menschheit wieder… An das Grauen, von ihnen beherrscht zu werden, und an die Demütigung, wie in einem Vogelkäfig zu leben…“ Handelt es sich also um eine typische Mensch-gegen-Monster-Thematik? Im Fall von Attack on Titan kann das nicht gesagt werden, aber wie sieht es bei Shibuya Goldfish aus?

Ein Rückblick zeigt, was zu dieser grausamen Szene führte. Die Leser*innen lernen Tsukiyoda Hajime kennen, einen Oberschüler und angehenden Filmemacher. Ohne Inspiration versucht er, sein neuestes Filmprojekt abzuschließen. Nachdem mehrere Personen seine Bitte um Hilfe abgelehnt haben, findet er sich an einem Ort wieder, an dem er normalerweise nicht zu finden ist. Wie der Titel vermuten lässt, spielt sich ein Großteil, wenn nicht sogar die gesamte Handlung im geschäftigen Tokioter Stadtteil Shibuya ab. Mit all dem Trubel der Metropolbürger*innen und den hoch aufragenden Einkaufszentren und Bürogebäuden innerhalb des ikonischen Bezirks hat Shibuya sicherlich alle Voraussetzungen für einen perfekten Schauplatz für einen Manga.

Hajime findet sein Leben eintönig. Doch diese Eintönigkeit endet als er einen riesigen schwebenden Goldfisch sieht, der an einem Menschenkopf knabbert. Das Chaos bricht aus, und jede*r Einzelne versucht zu überleben. Einige Menschen retten sich in ein Einkaufshaus, während sie versuchen zu begreifen, wie es sein kann, dass unzählige schwebende Goldfische Menschen angreifen und auffressen.

Der erste Band konzentriert sich maßgeblich auf den Überlebenskampf von Hajime. Es wird schnell klar, dass die lebensbedrohliche Situation, erzeugt von Goldfischen, die dunkelsten Seiten eines Menschen hervorbringt. Shibuya Goldfish gehört daher weniger zum klassischen Gruselhorror als vielmehr zum Splatter-Horror.

© Altraverse
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Charaktere

Tsukiyoda Hajime ist der einzige ordentlich ausgearbeitete Charakter. Er ist ein aufrichtiger, introvertierter und etwas unbeholfener Oberschüler, dessen Traum, Filmemacher zu werden, durch die Katastrophe zerstört wird. Die anderen Charaktere sind eher Platzhalter als Menschen, die in die Geschichte geworfen werden, um Konflikte zu erzeugen oder nützliche Informationen über das Verhalten von Goldfischen bereitzustellen, bevor sie sterben. Dadurch werden nicht viele Charaktere mit Namen versehen. Eine Ausnahme ist die schöne und zickige Chitose Fukakusa. Sie ist Hajimes Schwarm, die ihn jedoch in einer Gefahrensituation hintergeht, was letztendlich zu ihrem Tod führt. Ihr Charakter ist flach und aufgrund der „Panty-Shots“, die mehr als unnötig sind, eher als Fanservice zu bezeichnen.
Auf den letzten Seiten des Manga wird ein neuer Charakter namens „der Marder von Shibuya“ vorgestellt, der als der gefährlichste Obdachlose in Shibuya bekannt ist. Viele Figuren jedoch werden lediglich als Futter für blutige und brutale Szenen genutzt.

Zeichenstil und Erscheinungsbild

Die Stadtbilder sind äußerst detailliert, und oft gehen Panel, die die Stadt zeigen, über zwei Seiten. Leider sind die Panels oft überladen mit Sprechblasen und Lautmalerei. Während die Weitwinkelaufnahmen ein Gefühl der Ehrfurcht vermitteln, wirken die Szenen, die Bewegungen darstellen, statisch und leblos, trotz des starken Einsatzes von Bewegungslinien und Bewegungsunschärfe, die die Illusion von Bewegung hervorrufen sollten. Insgesamt wäre weniger hier mehr gewesen.

© Altraverse
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Große und kleine Goldfische, die ebenfalls detailreich gezeichnet sind, schweben zwischen den bekannten Gebäuden des Shibuya-Viertels. Außerdem sind die Fische gut unterscheidbar. Sie haben unterschiedliche physische Merkmale und Oberflächenmuster. Auf den ersten Blick scheinen sie bis auf ihre Größe normale Goldfische zu sein. Bei genauerer Betrachtung ist an ihnen jedoch etwas Unbehagliches und Gruseliges. Fast wie die Titanen in Attack on Titan wirken diese Goldfische trotz ihres weitgehend apathischen Erscheinungsbildes äußerst mörderisch.

Die menschlichen Charaktere hingegen sind größtenteils unkreativ und unoriginell, ohne wirklichen Wiedererkennungswert, einschließlich Hajime selbst. Dies wird dadurch verstärkt, dass die Panels, in denen jemand spricht, keine Hintergründe haben. Obwohl dies in Manga eine recht verbreitete Praxis ist, fehlt in Shibuya Goldfish die Balance zwischen völlig überladenen Panels und unkreativen Charakterdesigns sowie leeren Hintergründen.

© Altraverse
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Die harten Fakten:

  • Verlag: Altraverse
  • Autor & Zeichner: Hiroumi Aoi
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover 208mm (Höhe) x 147mm (Breite)
  • Seitenanzahl: 196
  • Preis: 10,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel,Amazon, idealo

 

Fazit

Shibuya Goldfish lockt mit seinem urbanen Setting und der recht interessanten Idee von riesigen, menschenfressenden Goldfischen, die durch die Straßen von Shibuya ziehen. Doch trotz dieser vielversprechenden Prämisse offenbart der Manga eine inkonsistente Umsetzung, die sowohl in der Panelgestaltung als auch in den Charakterdesigns zu wünschen übriglässt. Während einige Szenen durchaus beeindruckend sind und eine bedrohliche Atmosphäre schaffen, leiden andere unter unzureichender Detailgenauigkeit, und zwischen Figur und Leser*in wird keine Verbindung hergestellt. Shibuya Goldfish ist zweifellos ein interessantes Werk für Fans des Horrorgenres, wobei auch hier klar Shibuya Goldfish von klassischem Horror wie in Itô Junjis Gyo unterschieden werden muss. Leider hinterlässt Shibuya Goldfish das Gefühl, dass das volle Potenzial der Geschichte noch nicht vollständig ausgeschöpft wurde. Letztendlich wird sich in den folgenden Bänden zeigen, ob wirklich mehr hinter den mysteriösen Mörder-Fischen steckt.

 

  • Schönes Setting
  • Interessante Prämisse
 

  • Unoriginelle Charaktere
  • Splatter statt Horror
  • Überladene Panels

 

Artikelbilder: © Altraverse
Layout und Satz: Verena Kröger
Lektorat:  Rick Davids

Dieses Produkt wurde kostenfrei zur Verfügung gestellt.

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