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Was genau ist dieses Jul eigentlich? Der skandinavische Name für Weihnachten? Ein germanisches Fest, welches oft als Vorläufer von Weihnachten gehandelt wird? Ein Name für Feiern zur Wintersonnenwende? Ja. All das, aber da ist noch mehr. Heute beleuchten wir in unserer Jahreskreis-Reihe Herkunft und Traditionen des Julfestes.

Ferien, Geschenke und Gebäck bis zum Abwinken – nicht nur für Kinder ist Weihnachten meist das schönste Fest des Jahres. Mit zunehmendem Alter treten die Geschenke oft in den Hintergrund – Familie, Freunde … und Kekse bleiben allerdings, vielleicht ergänzt durch Glühwein. Dass es sich bei diesem besinnlichen Jahresausklang eigentlich um ein religiöses Fest handelt, gerät mehr und mehr in den Hintergrund. Doch wo sind die Verbindungen zwischen Weihnachten und Jul – und wo sind sie nicht? Dies wollen wir heute erläutern.

Dieser Artikel ist Teil einer (zu Teilen kommenden) Serie über keltische und neuheidnische Jahreskreisfeste und deren Hintergrund. Die anderen Artikel der Serie findet Ihr im Laufe des Jahres hier:

Die historischen Hauptfeste des keltischen Jahreskreises:

 

Die vier Jahreszeitenfeste:

  • Ostara, Frühjahrestagundnachtgleiche
  • Litha, Sommersonnenwende
  • Mabon, Herbsttagundnachtgleiche
  • Jul, Wintersonnenwende

Das Julfest, die Wintersonnenwende – oder?

Das deutsche Wort „Julfest“, in jüngerer Vergangenheit auch oft nur „Jul“ in Anlehnung an skandinavische Bezeichnungen, geht auf das englische Wort Yule zurück, welches wiederum germanische Wurzeln hat.

Das Wort „Yule“ ist eine moderne Schreibweise des altenglischen Wortes „ġēol“. Es ist nicht gesichert, woher „ġēol“ stammt. Es geht wahrscheinlich auf das vermutete rekonstruierte proto-germanische „jehwla“ zurück, welches die Feierlichkeiten zur Wintersonnenwende bezeichnet haben könnte. „Yule“ ist dabei der Plural, der alle Feierlichkeiten zusammenfasst. Für „jehwla“ wird eine Herleitung vom ebenfalls rekonstruierten proto-indoeuropäischen „yeka“ vermutet, was allerdings „Spiel“ oder „Spaß“ bedeutet. Das Nordische „Jul“, altnordisch „jól“, hat den gleichen vermuteten Wortursprung. Das Wort „Yuletide“ für die Feiertagssaison ist erstmals Ende des 15. Jahrhunderts belegt. In der nordischen Dichtung wird Yule oft als Synonym für Festessen oder Gelage verwendet.

Die Kirche hat versucht, im Zuge der Christianisierung die Bezeichnung „Julfest“ durch andere Bezeichnungen zu ersetzen. Aufzeichnungen zu entsprechenden Bestrebungen belegen, dass dieser Name schon vor der Christianisierung in Gebrauch war. Leider gibt es wenige Aufzeichnungen aus der Zeit vor der Christianisierung, die eindeutig beschreiben, was das Julfest war, oder wann es stattgefunden hat. Die These, dass es sich um ein Fest mit Feuer- und Lichtsymbolik gehandelt hat, ist mittlerweile umstritten. Forscher*innen gehen davon aus, dass das Julfest ursprünglich eher mit der Wilden Jagd und Odin zu tun hatte.

Die Wintersonnenwende ist nur ein Teil der Wurzeln des Festes © zlikovec
Die Wintersonnenwende ist nur ein Teil der Wurzeln des Festes © zlikovec

Ein wichtiger Anhaltspunkt dafür ist, dass der Gott Odin unter seinen vielen Namen auch den Namen „jólfaðr“ trug. Dies ist altnordisch und bedeutet „Yule-Vater“. Des Weiteren gibt es auch Belege für den Namen „jólnir“, was soviel bedeutet wie „Der, der Yule repräsentiert“. Die Pluralform „jólnar“ wird des Öfteren als Bezeichnung für die Gesamtheit der Götter verwendet.

Die Feuer- und Lichtsymbolik hängt stark mit dem christlichen Weihnachtsfest zusammen, welches ebenfalls auf die Wintersonnenwende gelegt wurde. Die Feier der Geburt Jesu, des „Lichtes der Welt“, inspirierte viele Traditionen rund um das Weihnachtsfest. Es ist unklar, wie viele christliche Traditionen tatsächlich auf von ihnen verdrängte germanische Traditionen zurückgehen, und wie viele nachträglich als ursprünglich germanische Traditionen missverstanden werden.

Die Lichtsymbolik passt hervorragend zum keltischen Kreis der Mondfeste und wurde deshalb bei der Vereinigung beider Festkreise im Wicca und in anderen Religionen übernommen.

Wann ist eigentlich dieses Julfest?

Der Termin des Yule-Festes ist nicht eindeutig festgelegt. Grob kann man sagen, dass das Fest als Winterfest zwischen der Wintersonnenwende und Anfang Februar gefeiert wurde und wird.

Sonnenwendfeiern waren in vielen früheren Kulturen wichtige Feste, die allerdings passend zum jeweiligen Kalender auch oft nach der eigentlichen Sonnenwende gefeiert wurden. Deshalb lassen  sich die genauen Termine der Feste nicht allein aus dem Zeitpunkt der Sonnenwende herleiten.

Eine weitere Ursache für die ungenaue Terminbestimmung sind die sehr spärlichen Aufzeichnungen über germanische Traditionen. Es gibt nur wenige Quellen, die sich mit Festen beschäftigen und dabei auch die Termine beschreiben. In der Regel werden nur die Feste selbst beschrieben – und da die Traditionen nicht einheitlich waren, muss bei heutiger Interpretation erst sichergestellt werden, welche Beschreibung zu welchem Fest gehört. Deshalb ist eine Zuordnung des germanischen Julfestes auf die Wintersonnenwende heute umstritten.

Der englische Historiker Bēda Venerābilis hat in seinen Schriften festgehalten, dass der angelsächsische Kalender den Monatsnamen „geola“ oder auch „giuli“ beinhaltete, welcher entweder den Dezember oder eine Kombination aus Dezember und Januar beschrieb.

Unsere heutige Monatsbezeichnung „Juli“ hat mit all diesen Namensherleitungen übrigens nichts zu tun. Der Name stammt vom lateinischen Namen „Julius“ – hier hat sich Julius Caesar im von ihm eingeführten julianischen Kalender ein Denkmal gesetzt.

Das Symbol des Lichts findet sich an vielen Stellen © Yaruta
Das Symbol des Lichts findet sich an vielen Stellen © Yaruta

Im Wicca-Jahreskreis ist das Julfest auf den 21.12. festgelegt. Dies ist der in der Neuzeit offizielle kalendarische Termin der Wintersonnenwende.

Das christliche Weihnachten liegt hinter der Wintersonnenwende. Dies liegt daran, dass zum Zeitpunkt der Einführung mit dem Julianischen Kalender gearbeitet wurde. Den Gelehrten war damals schon klar, dass der tatsächliche Termin der Wintersonnenwende im Laufe der Zeit immer weiter nach vorne gewandert war und inzwischen um den 21.12. lag, jedoch wurde bei der Einführung von Weihnachten der traditionelle Sonnenwend-Termin des julianischen Kalenders verwendet. Deshalb liegt Weihnachten auf dem 25.12.

Heute ist es in der westlichen Welt weit verbreitet, den 24.12. als Weihnachtstermin anzunehmen. Das ist jedoch falsch. Wie bereits in anderen Teilen dieser Serie dargestellt, begannen bei vielen mittelalterlichen Kalendern die Tage nicht um Mitternacht, sondern wurden von Abend zu Abend gerechnet. Zu einem Fest am 25.12. gehörte also technisch auch noch dessen Vorabend am 24.12. dazu. Dieser Vorabend, der „Heilige Abend“, liegt nach heutiger Rechnung auf einem eigenen Tag und ist für viele zum Weihnachtstermin geworden. In der Liturgie ist das Hochfest Weihnachten weiterhin der 25.12.

Die Nacht der Mütter

In den Berichten von Bēda findet sich auch ein Fest namens „Nacht der Mütter“, altenglisch „Mōdraniht“. Dieses Fest fand meist am Vorabend von Weihnachten statt, ist jedoch kein Vorläufer des Heiligen Abends. In einigen Überlieferungen dauerte das Fest auch mehrere Tage und war somit ein Ersatz für das Julfest und/oder Weihnachten.

Die genaue Bedeutung der Nacht der Mütter ist unklar, jedoch wird davon ausgegangen, dass die bezeichneten Mütter sich auf die im lateinischen als „matres et matronae“ (Mütter und Matronen) bezeichnete Gesamtheit der Göttinnen beziehen. Ebenfalls wird davon ausgegangen, dass hiermit vornehmlich die germanische Tradition der Verehrung der Mütter angesprochen wird. Einige Forschende, wie Rudolf Simek, schließen auch eine Verbindung zur Verehrung der Nornen nicht aus.

Heutige Traditionen

Das Julfest im skandinavischen Raum

Das Weihnachtsfest in skandinavischen Ländern ist stark beeinflusst von mittelalterlichen Traditionen. Es heißt dort auch Jul, jedoch bezeichnet Jul hier tatsächlich das christliche Weihnachtsfest.

Früher sagte man sich, der Julbock brächte die Geschenke. Obwohl diese Rolle spätestens seit Anfang des Jahrhunderts meist vom Weihnachtsmann übernommen wird, findet sich der Julbock weiterhin als Figur in der Dekoration des Julbaumes wieder. Diese Tradition wurde von einem schwedischen Möbelhaus in fast ganz Europa bekannt gemacht.

Ein traditioneller Julbock © fotonen
Ein traditioneller Julbock © fotonen

Mittelpunkt fast aller skandinavischen Feste und damit auch von Jul ist das gemeinsame Essen, sowie der gemeinsame Tanz um den Festbaum. Dazu gibt es Weihnachten noch eine spezielle Art, Geschenke zu überreichen, die dem „Wichteln“ ähnelt. Neben einer direkten Übergabe der Wichtelgeschenke gibt es auch noch die Wandergeschenke. Diese sind in mehrere Lagen Geschenkpapier eingepackt, wobei auf jeder Lage der Name einer anderen Person steht. Bei jeder Runde wird die oberste Lage entfernt und das Geschenk an die nächste benannte Person weitergegeben. Manchmal liegen auch Gedichte bei, die vorgelesen werden. Diese beziehen sich immer auf die am Ende beschenkte Person, so dass hier schon geraten werden kann, wer das Geschenk am Ende erhält.

Die Julfest-Feierlichkeiten finden meist am Heiligen Abend statt. Am Tag danach beginnt der eher ruhige kirchliche Teil des Weihnachtsfestes.

Ein traditioneller Weihnachtstisch © ArturVerkhovetskiy
Ein traditioneller Weihnachtstisch © ArturVerkhovetskiy

Das Julfest im Neuheidentum

Im nordisch-germanischen Neuheidentum zieht sich das Julfest über mehrere Tage. Es beginnt mit dem Mütterfest und zieht sich über die Rauhnächte bis zum Julmond, dem ersten Vollmond nach den Rauhnächten.

Die Rauhnächte sind eine 12-tägige Friedenszeit. Diese geht zurück auf den Brauch, während der Rauhnächte zu Hause zu bleiben, während draußen die Wilde Jagd unterwegs ist. Es war gefährlich, in stürmischen Winternächten vor die Tür zu gehen. So verblieben alle im Haus und versuchten, in dieser Zeit Streit so weit wie möglich zu vermeiden.

Der Julmond wird auch teilweise als „Neuer König“ bezeichnet. Er wird mit einem rituellen Jultrinken begrüßt. Hier wird zu Ehren der Götter getrunken, manchmal verbunden mit einem Festmal.

Im Wicca ist das Julfest eines der acht Feste des Jahreskreises. Zu Yule wird die Wiedergeburt des Sonnengottes und damit des Lichtes gefeiert.

Das Julfest stellt den Zeitpunkt dar, an dem der Stechpalmenkönig stirbt und der Eichenkönig wieder die Macht übernimmt. Damit ist Yule auch der Gegenpol zu Litha.

Bundesarchiv, Bild 133-068 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5416618
HJ und BDM am Sonnwendfeuer (1933) , Bundesarchiv, Bild 133-068 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de

Einfluss des Nationalsozialismus

Während der Herrschaft der Nationalsozialisten wurden viele „alte Feste“ erfunden und als „wiedereingeführte“ germanische Traditionen verkauft. Die Sonnenwendfeiern waren hier unter den  prominentesten Vertretern, da mit dem Weihnachtsfest eine wichtige „neuzeitliche Feierlichkeit“ vorhanden war, die man auf einen angeblich germanischen Ursprung zurückführen konnte. Erleichtert wurde dies dadurch, dass viele nördliche Staaten scheinbar noch traditionelle Feste feierten, was die Argumentation vereinfachte.

Es wurden spezielle Forschungseinrichtungen wie beispielsweise das Himmler unterstellte „SS-Ahnenerbe“ eingerichtet, welche ein „arteigenes Brauchtum“ entwickeln sollten, um diese Feste zu begehen. Das hier ausgearbeitete Brauchtum wurde mit Schulungsmaterial für Schulen, Hitlerjugend oder „Kraft durch Freude“ verbreitet, um nachfolgende Generationen passend zu erziehen. Zusätzlich gab es Ratgeberbücher für den Hausgebrauch.

Vorgesehen war unter anderem, den Weihnachtsbaum durch eine Jultanne zu ersetzen, Kreuze durch Hakenkreuze und Feuerräder, sowie das Christkind durch Frau Holle. Es gelang jedoch trotz dieses Brauchtums und angeordneter staatlicher Feiertage nicht, das Weihnachtsfest komplett zu verdrängen.

Was sich aus dieser Zeit gehalten hat ist die Ideologie, dass christliche Feste im Zuge der Christianisierung ältere germanische Feste verdrängt oder übernommen hätten. Dies entspricht nicht immer der Wahrheit, wie in dieser Reihe unter anderem in den Artikeln zu Imbolc, Ostara und Ostern gezeigt wurde. Leider hält sich dieses „Wissen“ sehr hartnäckig.

Was sich ebenfalls gehalten hat, ist die bei den Nationalsozialisten weit verbreitete Feuer- und Lichtsymbolik. Weihnachten wurde allein durch die zeitliche Lage im Winter schon immer bei Kaminfeuer und Kerzenschein begangen. Die Idee, bei Julfeiern möglichst viele Flammen einzusetzen, ist jedoch geschichtlich nicht belegt und geht mit einiger Wahrscheinlichkeit auf die Nationalsozialisten zurück.

In der Vergangenheit erlangten Sonnenwendfeiern offen rechtsextremer Gruppen wieder mehr und mehr an Bedeutung. Diese werden heute von Staatsorganen kritisch beobachtet und in vielen Fällen auch aufgelöst. Zum Leidwesen vieler neuheidnischer Religionen ist die Berichterstattung über Sonnenwendfeiern in der Presse hauptsächlich auf rechtsradikale Feiern gerichtet.

 


 

Die Traditionen um Jul, Weihnachten und Wintersonnenwende sind ein interessantes Beispiel für ein Datum, welches für unterschiedliche Kulturen große Bedeutung hatte. Die Betrachtung verschiedener Ausprägung eines Festes zum gleichen Anlass gibt interessante Anregungen für die Ausgestaltung von Kampagnen. Beispielsweise können benachbarte Länder völlig unterschiedliche Traditionen zum gleichen Festtag haben. Vielleicht treten die Charaktere ja in das eine oder andere Fettnäpfchen, weil die Traditionen sich zwar ähnlich sind, aber nicht gleich? Oder vielleicht sind die Traditionen so unterschiedlich, dass die Charaktere sich erst einmal umgewöhnen müssen? Hier bietet sich viel Potential für Rollenspiel.

Auch für Spieler*innen von Priester*innen bieten sich viele Möglichkeiten, wie bei allen religiösen Themen. Abweichendes Brauchtum bietet viel Raum für Rollenspiel, sowie eine Möglichkeit, den Charakter und ihre*seine Religion für die Mitspielenden greifbarer zu machen.

Damit endet die Reihe über die Feste des Jahreskreises. Schreibt mir mal in den Kommentaren, wie ihr die Betrachtungen in dieser Reihe findet.

Artikelbilder: © (depositphotos)
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Susanne Stark

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