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Die Sommersonnenwende markiert für viele Kulturen den Beginn des Sommers. Feiern zum Sommeranfang waren weit verbreitet und sind es teilweise noch heute. In den skandinavischen Ländern beispielsweise wird immer noch der Midsommar gefeiert. Im Jahreskreis findet sich das Sonnenwendfest unter dem Namen Litha. Was aber unterscheidet Litha von Beltane?

Die Sommersonnenwende ist ein Sonnenfest und damit nicht Teil des ursprünglichen keltischen Jahreskreises. Die Besonderheit des Sonnenwend-Tages als längster Tag wurde in vielen Kulturen erkannt und mit Bräuchen oder Feierlichkeiten geehrt. Heute bekannte Traditionen entstammen hauptsächlich den Festen der nordischen Religionen.

Im Ásatrú ist das Mittsommerfest das zweitwichtigste Hochfest nach Jul. In Skandinavien wird jedes Jahr „Midsommar“ gefeiert. Dies ist wenig verwunderlich, denn die Länge dieses Tages ist umso ausgeprägter, je näher man sich bei den Polen befindet. Dennoch sind in anderen Religionen wie beispielsweise dem Christentum entsprechende Bräuche überliefert.

Man könnte die Sonnenwendfeiern als das nordeuropäische/germanische Gegenstück zum irischen Beltane ansehen. Viele der Bräuche und Traditionen beider Feste sehen sich ähnlich.

Dieser Artikel ist Teil einer (zu Teilen kommenden) Serie über keltische und neuheidnische Jahreskreisfeste und deren Hintergrund. Die anderen Artikel der Serie findet Ihr im Laufe des Jahres hier:

Die historischen Hauptfeste des keltischen Jahreskreises:

 

Die vier Jahreszeitenfeste:

  • Ostara, Frühjahrestagundnachtgleiche
  • Litha, Sommersonnenwende
  • Mabon, Herbsttagundnachtgleiche
  • Jul, Wintersonnenwende

Die Bedeutung der Sonnenwende

Die Verehrung der Sonne

Die Sonne bedeutet Licht und Wärme, zwei für Menschen lebensnotwendige Umstände. Deshalb wurde ihr schon in prähistorischen Zeiten Verehrung zuteil. Nachdem die Sonne zur Wintersonnenwende fast keine Macht zu haben schien, wurden ab dann die Tage länger und wärmer. Zur Sommersonnenwende hatte sie ihre größte Macht erreicht, was sich durch den längsten Tag und die kürzeste Nacht des Jahres äußerte.

Im Germanischen Sprachraum wurde die Sonne als eine Mutter verehrt, deshalb wird sie in vielen germanischen Sprachen, inklusive der deutschen, als weiblich angesehen. In den nicht germanisch geprägten Teilen des Abendlandes wurde meist die Erde als Mutter verehrt, und die Sonne als Vater. Deshalb wird sie in den meisten Sprachen als männlich angesehen.

Die Sonnenwende als Sommeranfang

Auf dem europäischen Kontinent und später auch in Amerika markierte die Sommersonnenwende den Beginn des Sommers. Dies war vor dem Gregorianischen Kalender ein Bezugspunkt für die astronomische Einteilung der Jahreszeiten. (In inselkeltisch geprägten Ländern wie Irland begann der Sommer an Beltane.)

Weiße Nächte und Midsommar

In den nördlicheren Teilen Europas, wozu Skandinavien und Teile des Baltikums zählen, werden die Nächte um die Sonnenwende als „Weiße Nächte“ bezeichnet. Bedingt durch die Lage der Erde zur Sonne wird es in den nördlichen Breitengraden in diesen Nächten nahezu nicht dunkel. In diesen Ländern sind die Sonnenwendfeste heute noch wichtiger Bestandteil der Kultur.

Die astronomischen Sonnwendpunkte. © Furian | depositphotos.com

Sonnenwendfeste gab und gibt es in fast allen Kulturen

Die Sommersonnenwende wurde in vielen Kulturen nicht nur mit dem Sommer, sondern generell mit Leben, Wärme, Feuer, Geburt und Fruchtbarkeit assoziiert. Alle aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.

In Gallien war das Sonnenwendfest bei der keltischen Bevölkerung gleichzeitig das Fest der Epona, der Göttin der Fruchtbarkeit, als Mutter- und Landesgöttin. Diese wurde von den Kelten oft mit Pferden assoziiert. Die Römer in Gallien übernahmen die Göttin Epona von den Kelten und setzten sie als Schutzgöttin der Pferde und der Reiterei ein.

In den germanischen Teilen Europas war es üblich, zu Litha große Räder aus brennbaren Materialien von Hügeln in Flüsse hinabzurollen. Dies symbolisierte gleichzeitig den höchsten Stand des Sonnengottes, als auch seine Machtabgabe, denn von nun an wurden die Tage kürzer.

Die Griechen haben ihr Sonnenwendfest Kronos, dem Gott der Landwirtschaft, geweiht. Bei den Römern fiel die Sonnenwende mit den Vesta-Feierlichkeiten zusammen, die ebenfalls die heilige Flamme der Vesta als zentrales Element beinhalteten.

Der christliche Johannistag

In der christlichen Überlieferung ist der 24. Juni das Hochfest der Geburt des Märtyrers Johannes‘ des Täufers. Wie früher oft üblich, begannen die Feierlichkeiten meist schon am Vorabend, genannt Johannisabend oder Johannisnacht. Der Tag ist dabei einer von nur drei gefeierten Geburtstagen in der christlichen Tradition (die anderen beiden sind der von Jesus und Maria), bei allen anderen Heiligen wird meist nur der Sterbetag begangen.

„Saint Jean“ – Johannisfest am 26. Juni 1993 in der Bretagne. © House1630 @ Creative Commons

Es wird oft behauptet, der Johannistag wäre auf die Sommersonnenwende gelegt worden, um dort praktizierte heidnische Feste abzulösen. Tatsächlich wurde das Datum des Tages nach Angaben aus der Bibel errechnet. Der Johannistag liegt sechs Monate vor Weihnachten und drei Monate nach Mariä Verkündigung (welches seinerseits neun Monate vor Weihnachten liegt). Allerdings spielt der Tag eine Rolle bei der Christianisierung, denn die Kirche versuchte, die Sonnenwend-Traditionen abzuschaffen und stattdessen den Johannistag zu etablieren – was nicht gelang. Diese wurden von den Menschen teilweise in die Johannistag-Feierlichkeiten übernommen, gegen den Willen der Kirche.

Das schwedische Midsommar

In Schweden ist das Sonnenwendfest das zweitgrößte Fest des Jahres nach Weihnachten. Der „Midsommardag“ wurde gesetzlich auf einen Samstag festgelegt, die Feierlichkeiten fangen meistens schon einen Tag davor an. Der Freitag ist kein offizieller Feiertag, trotzdem ruht beinahe das ganze Land: Viele Geschäft haben geschlossen, und die Menschen bereiten sich auf die Feierlichkeiten vor.

Das Fest selbst besteht meist aus dem Tanz um den Mittsommer-Baum (siehe unten), welches bis in die frühen Morgenstunden andauert und die Nachtwache (ebenfalls: siehe unten) beinhaltet. Es wird toleriert, wenn die schwedische Flagge zu diesem Fest nicht für die Nacht eingeholt wird.

Finnland, Estland und Lettland

Das finnische Juhannus geht, dem Namen nach, auf das Johannisfest zurück, aber die Feierlichkeiten sind vom davorliegenden Fest zu Ehren des Ukko, Gott der Landwirtschaft, übernommen. Auch in Lettland und Estland wird das Fest nach dem Johannisfest benannt.

In allen drei Ländern zieht es die Bevölkerung zu den Feierlichkeiten aufs Land, wahlweise an die Küste. Die Städte sind dann so gut wie ausgestorben. In der Nacht werden große, gut sichtbare Feuer entzündet, teilweise auf Inseln vor der Küste, bei denen manchmal auch alte, ausgediente Boote verbrannt werden.

Wichtigste Bestandteile des Festes, allen voran in Finnland, sind das Lärmen und das Trinken um die bösen Geister zu vertreiben. Aus diesem Grund gibt es in Finnland häufig Konzertveranstaltungen zusätzlich zu den Tanzfesten.

Auch die finnische Flagge wird in dieser Nacht nicht eingeholt.

Sankt Hans

Vor allem Dänemark, aber auch Norwegen und die Färöer-Inseln feiern unter dem Namen „Sankt Hans“ offiziell den Johannistag, kombinieren dies jedoch mit dem Verbrennen einer Strohpuppe, um Hexerei und Ungemach fernzuhalten. Dies ist wahrscheinlich im 19. Jahrhundert aus den deutschen Walpurgis-Traditionen nach Dänemark gekommen und hat nichts mit den ursprünglichen Sonnenwend-Feiern zu tun.
Stellenweise wird das Fest ergänzt um einen Mittsommer-Baum.

Litha

Im Wicca wird das Sonnenwendfest Litha genannt (gesprochen „Litta“). Diese Bezeichnung ist recht jung und wurde in den 70er-Jahren durch den Autor Aidan Kelly geprägt.

Der Gott der Natur hat zu Litha die größte Kraft, die ab diesem Zeitpunkt abnimmt, bis er zu Samhain stirbt. Jedoch ist die Göttin bereits wieder schwanger, um ihn zu Jul erneut auf die Welt zu bringen.

Die Litha-Traditionen orientieren sich dabei hauptsächlich an den Mittsommer-Feuern.

Meán Samhradh, Alban Hefin, Alban Heruin

In der druidischen Tradition heißt das Mittsommerfest Alban Hefin, was soviel bedeutet wie „Das Licht des Sommers“. Früher wurde auch die Bezeichnung Alban Heruin („Das Licht der Künste“) benutzt. Die Nacht wurde oft benutzt, um rituelle Kräuter zu sammeln, beispielsweise Misteln zu schneiden.

Das irische Meán Samhradh bedeutet wörtlich „Mitte des Sommers“ und ist damit lediglich eine Übersetzung des Festnamens in die irische Sprache.

Sagen und Legenden

Der Eichenkönig und der Stechpalmenkönig (The oak king and the holly king)

Der Eichenkönig und der Stechpalmenkönig sind zwei Aspekte des gleichen Gottes. Der Eichenkönig herrscht über die erste Jahreshälfte und das zunehmende Licht, während der Stechpalmenkönig über die zweite Jahreshälfte und das abnehmende Licht herrscht. Zu den Sonnenwenden stehen sie sich im Zweikampf gegenüber, und am Ende einer langen Nacht hat einer der beiden gesiegt. Bei der Sommersonnenwende wird der Eichenkönig vom Stechpalmenkönig besiegt, um bei der Wintersonnenwende seine Herrschaft zurückzugewinnen.

Baldrs Tod

Der Gott Baldr wurde zur Zeit der Sonnenwende durch eine List von Loki tödlich verwundet. Die anderen Götter verhandelten mit der Totengöttin Hel, ihn wieder freizugeben, was diese zusagte, wenn alle Dinge und Wesen auf der Erde um ihn weinen würden. Auch hier war Loki in Verkleidung das einzige Wesen, was nicht weinte, flog aber auf und wurde von den Göttern festgesetzt. Danach war der Weg für Baldr frei.

Es wird oft gesagt, Baldr sei ein Sonnengott, der zur Sommersonnenwende stirbt und zur Wintersonnenwende wiedergeboren wird. In der Überlieferung ist lediglich sein Tod während eines Festes zur Sommersonnenwende beschrieben, der Rest wurde im Laufe der Zeit dazuerfunden.

Überlieferte Traditionen

In der Folklore, gerade der nordischen Länder, werden Sonnenwend-Feiern bis heute gefeiert. Deswegen werden viele der Traditionen noch aktiv begangen.

Midsommar-Bäume

Ein Mittsommerbaum in Schweden. © Stern @ Creative Commons

Die Midsommar-Traditionen vieler Länder ähneln den Maibaum-Festen: Der Baum wird geschlagen, auf dem Festplatz aufgerichtet und geschmückt. Dann wird um den Baum herum ein großes Fest mit Musik, Tanz und viel Essen und Getränken gefeiert.

Die Litha-Feuer

Auch zu Litha gibt es die Tradition, eine größere Menge Holz aufzutürmen und als Freudenfeuer abzubrennen, während um das brennende Feuer gefeiert wird.

Sobald das Feuer heruntergebrannt ist, wurde und wird über das Feuer gesprungen, um das Glück und die Fruchtbarkeit zu erhalten oder Beziehungen zu segnen. Vereinzelt laufen Menschen durch die Glut als Mutprobe oder Test der Selbstbeherrschung.

Früher wurden auch Kinder über das Feuer geworfen, um sie vor Krankheiten zu schützen. (Ich rate dringend davon ab, diese Tradition wieder aufleben zu lassen!)

Der Aspekt von Aufbruch und Wandel ist bei Litha stärker als bei Beltane. So ist es noch heute weit verbreitet, zu Litha persönliche Dinge ins Feuer zu werfen, um diese hinter sich zu lassen. Manchmal werden auch Dinge aus Dankbarkeit ins Feuer geworfen, als Opfer und um dem Sonnengott etwas zurückzugeben für Glück, welches man erfahren durfte.

Litha ist in diesem Punkt sehr ähnlich zu Beltane, was kaum verwunderlich ist: Wie oben bereits erwähnt, ist Litha quasi das gleiche Fest aus einem anderen Kulturkreis.

Nachtwache

Litha-Feiern gehen oft bis in die frühen Morgenstunden: Die Feiernden bleiben wach, bis sie die ersten Strahlen der neu aufgehenden Sonne erblicken.

Dies geht auf die oben erwähnte Legende vom Kampf der Könige zurück: Die Menschen stellen sicher, dass der unterlegene König trotz seiner Niederlage zurückkehrt, um geschwächt, aber nicht endgültig geschlagen, seine erneute Machtübernahme vorzubereiten.

Wieviel-Brot-Essen

Dies ist eine Tradition, die sich um den christlichen Johannistag gebildet hat. Es ist eine Art Orakel, welches von der Kirche größtenteils gebilligt wurde.

Zu den Johannisfeierlichkeiten brachten die Menschen Brote mit, in die Kerne von Früchten eingebacken waren. Bevor man eine Scheibe des Brotes abschnitt, stellte man eine Frage, deren Antwort eine Zahl war – beispielsweise: „Wie viele Kinder werde ich einmal haben?“ Danach wurde die Brotscheibe verzehrt und jeder aufgefundene Kern ausgespuckt. Die Anzahl der gefundenen Kerne in dieser Brotscheibe war die Antwort auf die gestellte Frage.

Kräuterpflücken

Zur Zeit der Sonnenwende stehen viele Kräuter in voller Blüte. Dies ist schon deshalb eine Zeit der Kräuterernte. Kräutern, die in der Nacht der Sonnenwende gepflückt werden, wurden stärkere Kräfte zugesprochen.

Der Blumentraum

Man soll in der Sonnenwend-Nacht sieben verschiedene wilde Blumen von sieben verschiedenen Wiesen pflücken. Dies soll in völliger Schweigsamkeit geschehen. Aus den Blumen wird ein Kranz gewoben, welcher unter das Kopfkissen gelegt wird. In dieser Nacht soll einem ein Traum zeigen, wen man einmal heiraten wird. Über den Traum darf nicht gesprochen werden, sonst erfüllt er sich nicht.

Diese Tradition wird heute meist jungen Mädchen zugesprochen, kann aber prinzipiell von jedem praktiziert werden. Leider darf niemand über den Erfolg berichten.

Feentau

Der Mittsommernacht wird nachgesagt, eine magische Nacht der Feen und Elfen zu sein. Diese mischen sich unter die Menschen, um mit ihnen zu feiern. Dabei hinterlassen sie Spuren ihrer Magie in unserer Welt, die sich unter anderem im Morgentau sammeln.

Dieser Morgentau wird in aller Frühe gesammelt, denn ihm wird eine heilende Wirkung zugesprochen. Verwendet wird er unter anderem in Getränken oder beim Backen.


 

Litha hat von den acht Feiertagen des Jahreskreises die schwächste eigene Ausprägung. Die meisten Bräuche gehen zurück auf die Sonnenwendfeiern der nördlichen Kulturen.

Es gibt keine „eindrucksvolle“ oder „große“ Zeremonie, die für Litha speziell wäre. Allerdings wird die Sommersonnenwende über Religionen hinweg gefeiert, und durch diese religiöse Vielfalt gibt es eine Menge interessanter „kleiner“ Traditionen und Bräuche. Diese sind hervorragend geeignet, um Feiertage im Rollenspiel oder auch im LARP anzureichern, ohne den ganzen Fokus auf aufwendige Zeremonien zu setzen.

 

Artikelbilder: © Kalinovskiy, © Furian | depositphotos.com, © House1630, © Stern @ Creative Commons, Layout und Satz: Melanie Maria Mazur, Lektorat: Sabrina Plote

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