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In Durchgeblättert werfen wir regelmäßig einen kritischen Blick auf Neuerscheinungen, Geheimtipps oder Klassiker aus der vielfältigen Welt der Graphic Novels. Diese Ausgabe enthält gleich zwei Bedrohungen durch außerirdische Monstren. Zudem begleiten wir Österreichs Superhelden und mutige Amazonenkriegerinnen auf ihren Abenteuern.

Dieser Monat steht ganz im Zeichen tapferer Kämpfernaturen. Denn als was anderes könnte man die unerbittlichen Kriegerinnen aus Das Herz der Amazonen sonst bezeichnen? Doch auch Lake of Fire schickt seine Protagonisten in einen scheinbar aussichtslosen Kampf. Wie sollen Schwert und Schild gegen die Technologie von Außerirdischen bestehen?

Aliens: Defiance Band 2 präsentiert ebenfalls einen Überlebenskampf gegen eine außerirdische Lebensform – den berüchtigten Xenomorph. Und nicht zuletzt dürfen es die österreichischen Superhelden im dritten Band von ASH mit tückischen Schurken aufnehmen.

Wir hoffen, ihr habt beim Lesen dieser Kritiken genauso viel Spaß, wie uns das Lesen der rezensierten Werke bereitet hat. Über Fragen oder Diskussionen in den Kommentaren freuen wir uns ebenso wie über generelles Feedback zu unserem Format Durchgeblättert!

ASH 3 – Lange Schatten

Nach den Ereignissen des zweiten Sammelbandes müssen sich die Austrian Superheroes (ASH) zunächst wieder sammeln. Zu bestürzt und verwirrt sind sie von den Enthüllungen. Da ist es nicht hilfreich, dass alte Feinde wieder Unruhe stiften. Doch unter all dem Chaos dürfen die Ermittlungen nicht leiden. Wer ist für all die seltsamen Vorkommnisse in letzter Zeit wirklich verantwortlich? Am Ende des dritten Bandes wartet eine große Überraschung auf die Heldengruppe.

ASH ist ein imposantes Beispiel, wie sich eine Serie konstant zum Positiven weiter entwickeln kann. Der dritte Sammelband enthält alle Einzelausgaben des Jahres 2018 und ist bis jetzt der beste. Der Spannungsbogen nimmt bis zum Ende der Ausgabe zu. Nicht nur die Helden um Captain Austria fiebern der Lösung des Rätsels entgegen, auch der Leser tut es.

Hilfreich dabei ist, dass man auch im dritten Teil noch neue Dinge über die Protagonisten erfährt. Beispielsweise die tiefreichende Verbindung von Lady Heumark mit ihrem Bruder. Oder die dunkle Seite des Donauweibchens (eine für mich unerwartete Szene). Zudem erhält man einen tieferen Einblick in die Geschichte der Gegner der alten Wiener Wächter, der sogenannten Komintern. Diese Gruppe wurde bereits als Einsatztrupp der ehemaligen Sowjetunion im zweiten Band etabliert und jetzt genauer vorgestellt. Die Integration der Weltgeschichte, beispielsweise des Mauerfalls, in die Welt der Superhelden macht die erlebten Geschichten greifbarer. In Kombination mit den Anspielungen auf die österreichische Kultur ergibt sich daraus eine charmante Mischung.

Inkonsistenz in Erzähl- und Zeichenstil

Wegen einiger Kleinigkeiten bleibt ASH 3 – Lange Schatten dennoch die Bestnote verwehrt. Wenngleich der Spannungsbogen über die Geschichten hinweg gut ist, gibt es einzelne Durchhänger. Besonders das Kapitel Flügelkämpfe steuert bis auf die letzte Seite nichts zur Gesamthandlung bei. Darüber hinaus wurde mit der Geierwally ein Gegenspieler gewählt, der besonders mit dem in den Vorgeschichten auftauchenden Strotter nicht mithalten kann.

Außerdem sorgt die ständige Abwechslung der verantwortlichen Zeichner für einen Bruch im Lesefluss. Auf der einen Seite ist die Einbindung mehrerer Künstler und Autoren ein nobles Ansinnen. Wenn die einzelnen Zeichenstile jedoch zu sehr voneinander abweichen, dann fühlt sich der Band auf der anderen Seite nicht aus einem Guss an. Die Qualität ist durchgehend hoch, aber die mehrfachen Wechsel wirken auf Dauer ermüdend.

Das ist allerdings Kritik auf hohem Niveau. Insgesamt gesehen ist ASH 3 – Lange Schatten eine ausgezeichnete Fortsetzung der Abenteuer von Captain Austria Jr., dem Donauweibchen, Lady Heumarkt und dem Bürokraten. Ich freue mich auf mehr.

Die harten Fakten

  • Verlag: Cross Cult
  • Autor: Harald Havas
  • Zeichner: Thomas Aigelsreiter, Patrick Kloepfer
  • Seitenanzahl: 192
  • Preis: 24,90 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Aliens: Defiance Band 2

Die unendliche Leere des Weltraums umgibt das Raumschiff Europa. An Bord sind Private Zula Hendricks, die Wissenschaftlerin Dr. Hollis und der Android Davis. Obwohl eigentlich ist das nicht korrekt. Die drei Besatzungsmitglieder der Europa sehen sich mit einem der gefährlichsten Räuber der Galaxis konfrontiert. Einem blutrünstigen Alien, das vielen auch als Xenomorph bekannt sein dürfte.

Nach den im ersten Band getroffenen Entscheidungen ist das aber nicht die einzige Gefahr. Die Weyland-Yutani-Kompanie setzt alle Mittel ein, um in den Besitz des tödlichen Aliens zu gelangen. Und so stellen sich Zula quälende Fragen. Ist es das wert, all die Angst und Gefahren zu riskieren, wenn eh kein Erfolg in Aussicht steht?

Der zweite Band von Aliens: Defiance stellt die inneren Konflikte der Protagonisten stärker in den Vordergrund als sein Vorgänger. Man erhält Einblicke in die Gedankengänge der Akteure, beispielsweise auch in Form von Träumen. Damit wirkt dieser Abschlussband der Defiance-Geschichte etwas entschleunigt. Die spannungsgeladenen Momente des ersten Bandes sind im Nachfolger geringer geworden.

Schlechter ausgewogen als der erste Band

Auf der einen Seite wirkt sich das positiv auf die Nachvollziehbarkeit der Charaktere aus. Auf der anderen Seite lässt es die Geschichte zäh wirken. Während der Vorgänger eine gesunde Balance zwischen Charakterentwicklung und Action erzeugen konnte, wirkt Aliens: Defiance Band 2 in einigen Kapiteln langweilig. Man hat den Eindruck, die Geschichte schreitet nicht voran. Zudem liegt der Fokus ausschließlich auf Private Hendricks. Im Laufe des Bandes schwindet auch das Interesse an diesem Charakter, da selbst die Einblicke in die Gefühlswelt nichts tiefer Gehendes offenbaren.

Lobend ist jedoch das Ende zu erwähnen. Die Erzählung findet einen konsequenten und logischen Abschluss im Einklang mit der gesamten Atmosphäre der Handlung. Aliens: Defiance Band 2 stimmt damit von der Grundstimmung her mit den Filmvorlagen und Spielen wie Alien: Isolation überein. Leider erfordert es vom Leser etwas Überwindung, bis zu diesem gelungenen Ende zu gelangen.

Stilistische Durchgängigkeit

Die Zeichnungen tragen dazu bei, die düstere Grundstimmung einzufangen. Die Strichführung selbst wirkt „dreckig“ und zweckmäßig. Dieses Stilmittel reiht sich aber gut in das Gesamtpaket ein. Besonders lobend ist zu erwähnen, dass trotz des Einsatzes von drei Zeichnern kein Stilbruch zwischen den einzelnen Abschnitten ersichtlich ist. Hierzu trägt stark die Kolorierung durch Dan Jackson bei. Durch den konstanten Einsatz düsterer Farben für den Spannungsaufbau und intensiver Farben bei den wenigen Actionszenen wirken die Panels aus einem Guss. Somit bleibt visuell nichts zu wünschen übrig.

Im Zusammenspiel mit dem besseren ersten Band ist Aliens: Defiance ein ausgeklügeltes Weltraum-Horror-Szenario. Für sich alleine kann der zweite Band jedoch nicht überzeugen und sticht hauptsächlich durch sein Ende positiv hervor.

Die harten Fakten

  • Verlag: Cross Cult
  • Autor: Brian Wood
  • Zeichner: Stephen Thompson, Tony Brescini, Eduardo Francisco
  • Seitenanzahl: 152
  • Preis: 18,00 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Das Herz der Amazonen

Troja. Der Krieg um die schöne Helena ist in vollem Gange. Doch in die Kampfhandlungen reihen sich Ereignisse, die beide Seiten nicht einschätzen können. Krieger werden unabhängig von ihrer Loyalität von kampflustigen Frauen getötet oder entführt. Und so stellt sich vielen die Frage: wer sind diese seltsam kriegerischen Damen?

Dem Leser präsentiert sich die Antwort bereits auf den ersten Seiten. Die Amazonen sind eine Gemeinschaft von Kriegerinnen, die der Unterjochung durch Männer entsagt hat. Eine blutige Rebellion machte sie mit Unterstützung der Göttin Artemis zu freien Frauen. Und diese Freiheit soll erhalten bleiben. Doch um für Nachwuchs zu sorgen, bedarf es „unglücklicherweise“ immer noch Männer. Und deswegen werden für das sogenannte Blumenfest passende Väter gejagt und gefangen genommen.

Das Herz der Amazonen kombiniert auf diese Weise zwei bekannte Elemente der griechischen Mythologie. Der trojanische Krieg und der ihn prägende Held Achill werden mit dem Amazonenmythos vermischt. Darüber hinaus werden Einzelschicksale eingewoben, um eine emotionale Erzählung zu schaffen. Dies gelingt jedoch nur teilweise.

Leider fehlt die emotionale Bindung

Denn das Problem ist tatsächlich, dass man als Leser keine klare Protagonistin erhält. Mir war bis zum Ende der Geschichte nicht klar, wessen Lebensweg ich nun folge. Geht es um die Entwicklung des ganzen Stammes? Das Schicksal der Königin Penthesilea? Die Einzelschicksale verweben sich leider nicht zu einem stimmigen Gesamtbild. Damit fehlt die emotionale Bindung an die Fortführung der Geschichte.

Dabei weiß diese durchaus zu faszinieren. Das Eintauchen in die Kultur der Amazonen und ihre Lebensweisen weckt Interesse. Die Texterin Geraldine Bindi geizt dabei nicht mit Brutalität, um das extreme Weltbild der Kriegerinnen zu verdeutlichen. Die daraus entstehenden Gewissenskonflikte haben Potenzial, werden aber nicht konsequent genug in einen roten Faden gesponnen.

Nackte Tatsachen mit zeichnerischem Stil

Als sehr individuell ist die zeichnerische Gestaltung von Christian Rossi zu bezeichnen. Die Farbpalette ist monoton in Sepia-Tönen gehalten. Das verschafft den Panels den Eindruck, aus einer alten Zeit zu stammen. Zudem orientierte sich Rossi offensichtlich an griechischen Kunstwerken bei der Ausgestaltung seiner Charaktere. Diese sind grundsätzlich nackt dargestellt und zeigen wohlgeformte, aber nicht übertrieben gezeichnete Körper. Der Band ist deswegen nicht wirklich für Kinder geeignet, auch im Hinblick auf die explizit inszenierten Sexszenen.

Das Herz der Amazonen hat eine vielversprechende Prämisse und kann besonders zu Beginn Spannung und Neugierde aufbauen. Leider verliert sich dies im Laufe des Bandes. Die verschiedenen Einzelschicksale werden nicht konsequent kombiniert und lassen einen konsistenten Spannungsbogen vermissen. Liebhaber von griechischer Mythologie werden an diesem Band dennoch ihre Freude haben. Nicht zuletzt aufgrund des faszinierenden Zeichenstils.

Die harten Fakten

  • Verlag: Splitter
  • Autor: Géraldine Bindi
  • Zeichner: Christian Rossi
  • Seitenanzahl: 160
  • Preis: 29,80 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Lake of Fire

Schwerbewaffnet reiten die Kreuzritter in den Südosten Frankreichs. Das Ziel des kleinen Trupps ist der Kampf gegen gottlose Häretiker. Und tatsächlich sollte es Notwendigkeit für die Kampfstärke der heiligen Krieger geben. Doch wohl niemandem ist klar gewesen, dass diese Mission sie zur Hölle auf Erden führen würde. Denn am Ziel angelangt stellen sich ihnen monströse Bestien entgegen, die nicht von dieser Welt sind.

Lake of Fire kann trotz seiner simplen Ausgangslage begeistern. Dies liegt besonders an der Unberechenbarkeit der Handlung. Niemand ist sicher und man weiß nie, welche Herausforderungen auf den nächsten Seiten warten. Einige Entwicklungen der Geschichte haben mich überrascht. Doch trotz ihres plötzlichen Eintretens haben sie nie unpassend oder unlogisch gewirkt. Lake of Fire schickt seine Akteure in eine hoffnungslose Situation und macht daraus auch keinen Hehl.

Entsprechend brutal ist die visuelle Umsetzung. Es fliegen Körperteile und das Blut fließt in Strömen. Dabei erinnert der Stil von Matt Smith ein wenig an den Mike Mignolas, wie er beispielsweise in Baltimore zum Einsatz kommt. Eine minimale Strichführung (wenngleich noch ausgiebiger im Vergleich zum Hellboy-Schöpfer Mignola) stellt die Ereignisse in den Vordergrund, ohne aufdringlich zu wirken. Gemeinsam mit einer sehr intensiven und warmen Farbpalette ist Lake of Fire eine atmosphärisch dichte Graphic Novel.

Minimale Strichführung – schlichte Charaktere?

Der einzige Kritikpunkt ist die Ausgestaltung der Charaktere. Diese weisen wenig Tiefgang auf und entsprechen klassischen Stereotypen. Da haben wir zum Beispiel den verbitterten Veteranen, den naiven Jüngling und den fanatischen Priester. Das erlaubt ein schnelles Verständnis der Motivationen der Figuren, ist aber gleichzeitig nichts Interessantes. Am außergewöhnlichsten ist hierbei eine junge Frau namens Bernadette. Als sogenannte Perfecta lehnt sie die Berührung von Wein oder Fleisch ab. Das beinhaltet auch Berührungen ihr gegenüber. Die Entwicklung von Bernadette ist eine der spannenderen im Verlauf dieser Geschichte.

Gerade das Ende setzt nochmals einen Höhepunkt. Die finale Konfrontation mit den höllischen Bestien ist geprägt von grausigen Enthüllungen und einer spannenden Atmosphäre. Gerade da man zuvor die Gnadenlosigkeit der Handlung bereits erlebt hat, ist man stets auf der Hut. Hinter jeder Ecke könnte eine Bedrohung lauern, die einen unserer Protagonisten das Leben kostet. Und wenn mich eine Graphic Novel so mit Spannung füllen kann, dann hat sie auf jeden Fall etwas richtig gemacht.

Die harten Fakten

  • Verlag: Cross Cult
  • Autor: Nathan Fairbairn
  • Zeichner: Matt Smith, Nathan Fairbairn
  • Seitenanzahl: 168
  • Preis: 25,00 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit des Monats

Lake of Fire und Aliens: Defiance Band 2 liefern beide interessante Sichtweisen für den Kampf gegen außerirdische Bedrohungen. Sowohl als Schwarm, als auch als Einzelwesen sind diese unseren tapferen Kämpfern entgegengetreten. Und oftmals hat nur der Zusammenhalt unter den Protagonisten die Lösung für dieses Problem liefern können.

Dass Gemeinschaft stark macht, zeigt auch der dritte Band von ASH, der bisher den Höhepunkt der Reihe darstellt. Auch der Stamm der Amazonen in Das Herz der Amazonen konnte seine entscheidenden Ereignisse nur gemeinsam ins Rollen bringen.

Die nächste Ausgabe von Durchgeblättert führt den Leser unter anderem wieder in das goldene Zeitalter der Superhelden – ein weiterer Ableger von Black Hammer erwartet uns! Bis dahin wünschen wir wie üblich: „Frohes Lesen!“.

 

Artikelbilder: © Splitter, © Cross Cult, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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