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Andere Superheld*innen haben eine Doppelidentität? Pah! Moon Knight hat gleich vier: Ein Taxifahrer, ein Söldner, ein Multimillionär und nachts ein Superheld. Marvel zeigt uns hier einen Helden mit dissoziativer Identitätsstörung. Zum Start der neuen Serie schauen wir in die Comics und fragen wir uns: Wer ist Moon Knight?

Viele spätere Marvel-Held*innen begannen ihre Karriere als Schurken: Black Widow, Hawkeye, Rogue oder Deadpool (um nur einige zu nennen). In diese Liste reiht sich auch Moon Knight nahtlos ein. Er startete als Gegner von Jack Russell, dem Werewolf by the Night. Doch Marvel erkannte schnell das Potential in diesem Charakter mit dem ungewöhnlichen Design von Don Perlin. Vollständig in weiß gekleidet, sehen ihn Gegner*innen schon von weitem kommen. Um ihn von anderen Figuren zu unterscheiden, erfand Autor Doug Moench mehrere Tarnidentitäten.

Honshu. Ägyptischer Gott des Mondes. Autor matintheworld, de.depositphotos.com
Honshu. Ägyptischer Gott des Mondes. Autor matintheworld, de.depositphotos.com

Als Zeichner Bill Sienkiewicz übernahm, wurden die Geschichten nachdenklicher, gruseliger und auch Moon Knight selbst begann seine Identitäten gegeneinander auszuspielen oder zu verwechseln. Und so entstand eine Figur mit dissoziativer Identitätsstörung, bei der die Kreativteams immer sehr viel Freiheit hatten, neue Ideen auszuprobieren. Für eine Figur der zweiten Reihe hat er mit über 200 Comics, auf denen sein Name steht, eine beachtliche Geschichte hingelegt, die nun durch die Disney+ Serie weitere Popularität erlangen wird. Folgt uns ins Reich des ägyptischen Gottes Khonshu und erfahrt mehr darüber, was diese Figur in den Comics auszeichnet.

Die Faust von Khonshu

Marc Spector ist der Sohn eines Rabbiners aus Chicago, der als Kind mit seiner Mutter im zweiten Weltkrieg auf der Tschechoslowakei fliehen konnte. Um gegen die Friedfertigkeit ihres Vaters zu protestieren, spielten er und sein Bruder Randall lieber mit Spielzeug-Maschinenpistolen als den Tanach zu studieren. Marc fühlte sich immer ein wenig näher zu einem befreundeten Rabbi seines Vaters, der sich Yitz Perlman nannte. Eines Tages stellte Marc fest, dass Perlman in Wirklichkeit ein Nazi war, der Ernst hieß und die Tarnidentität nur nutzte, um sich der Konsequenzen seines Handels zu entziehen. In Amerika massakrierte Ernst weiterhin Juden und lebte seine sadistischen Züge in einem Keller vollkommen aus. Marc musste diese Umtriebe mitansehen und entwickelte daraufhin eine dissoziative Identitätsstörung, bei der er einzelne Teile seines Selbst in anderen Persönlichkeiten abspaltet.

Marc verpflichtete sich bei den Marines und wurde im Irak stationiert. Später wurde er bei der CIA angestellt. Nach diesem Schritt wurde er ein Söldner, der in diversen Einsätzen unterwegs war. Dabei lernte er auch seinen langjährigen Freund Jean-Paul Duchamp kennen, den er Frenchie nannte. Beide waren in einer Truppe von General Bushman als es zu einem folgenschweren Einsatz im Grenzgebiet zwischen Ägypten und Sudan kam: Der Archäologe Peter Alraune wollte ein verborgenes Grab eines Pharaos erforschen. Doch Bushman wollte sämtliche Schätze für sich selbst. Alraune versuchte daraufhin Bushman zu töteten, doch Spector warnte ihn, woraufhin stattdessen der Archäologe getötet wurde. Angewidert von Bushmans Skrupellosigkeit, rette Marc Alraunes Tochter Marlene, wurde dabei aber von dem hemmungslosen General erwischt. Er verlor den Zweikampf und wurde im leergeräumten Grab zurückgelassen. Dort, unter einer Statue des ägyptischen Mondgottes Khonshu, erhob sich Marc zu seinem zweiten Leben. Er legte sich den Umhang an, der an der Statue befestigt war und nahm Rache an Bushmans Männern.

Zusammen mit Frenchie und Marlene baute er sich ein Leben in den Staaten auf, holte sich die Khonshu-Statue in sein Anwesen, das er aus Rücklagen der Söldnerzeit finanzierte und ging nachts auf Jagd als der Held Moon Knight. 

Marc Spector, Steven Grant und Jack Lockley

Neben seinem Leben als Söldner und Superheld, baute Marc sich zwei weitere Tarnidentitäten auf, um in den unterschiedlichsten Kreisen an Informationen zu kommen. Zusammen mit Marlene lebte er in seinem Anwesen als Steven Grant, der später auch als Produzent das Leben von Moon Knight verfilmte. Um in der Unterwelt zu recherchieren, ist Marc als Taxifahrer Jack Lockley unterwegs. Jede der vier Persönlichkeiten (Marc, Steven, Jack und Khonshu) hat seine ganz eigenen Charakterzüge und empfindet eine gewisse Verachtung für die anderen Persönlichkeiten. Gerade Jack hat zeitweise komplett die Kontrolle übernommen oder wurde von den anderen Personas unterdrückt, da er vor nichts zurückschreckt und auch den Tod von Feinden in Kauf nimmt, um seine Ziele zu erreichen.

Zeitweise entwickelte Marc auch die Vorstellung mit den Avengers gemeinsam zu arbeiten und ersetzte seine Persönlichkeiten mit Entsprechungen von Wolverine, Spider-Man und Captain America. Ebenso entstand mit dem Anzugträger Mr. Knight eine etwas andere Version von Moon Knight, die man auch als eigene Persönlichkeit ansehen kann. In den meisten Geschichten sind es aber exakt drei zusätzliche Charaktere mit denen Marc auch immer wieder Selbstgespräche führt.

Die Gegner

Im Gegensatz zu den meisten anderen Helden, kämpft Moon Knight immer wieder gegen Versionen von sich selbst. Beginnend mit Bushman, der auch als Söldner unterwegs ist, aber viel weniger Skrupel als Marc zeigt. Nach diversen Auseinandersetzungen mit diesem Gegner, tötete Spector den Terroristen, nur damit dieser später wiederbelebt werden konnte.

Einer der ersten Gegner war der Werwolf Jack Russell. Marc wurde von einem Komitee beauftragt, ihn zu fangen, was ihm auch gelang. Als er erfuhr, dass das Komitee Jacks Schwester ebenfalls in einen Werwolf verwandeln wollte und beide als Waffen einsetzen will, befreite er die beiden und zahlte es dem Komitee heim. Daraufhin geriet er immer wieder mit dem Komitee aneinander.

Eines Tages jagte Marc einen Serienmörder, der sich als sein Bruder Randall herausstellte. Dieser wollte selbst zu Moon Knight werden und zog sich ein vergleichbares Kostüm an. Profile, ein Berater des Komitees, überzeugte Randall Jahre später der neue Avatar von Khonshu zu sein, so dass dieser den Namen Shadow Knight annahm und gegen seinen Bruder kämpfte.

Ein anderer wiederkehrender Gegner war Midnight Man, der sich als Kunsträuber betätigte. Als dieser an Krebs erkrankte, stellte er sich Moon Knight ein letztes Mal in den Weg und starb dabei. Sein Sohn Jeff nahm den Mantel seines Vaters und war selbst als Midnight unterwegs mit dem Ziel, sich an Moon Knight zu rächen. Doch die Sache klärte sich und Jeff wurde Marcs Sidekick. Jeff knüpfte sich ein eigenes Moon-Knight-Kostüm und versuchte das Secret Empire allein zu besiegen. Dabei schien er zu Tode zu kommen, doch das Secret Empire machte ihn stattdessen zu einem Cyborg, der im Folgenden immer wieder auf Moon Knight traf und sich für alles rächen wollte, was ihm durch die Faust von Khonshu widerfahren ist.

Einer der neusten Schurken ist der Sun King. Dieser ehemalige Patient einer Nervenheilanstalt hat von einer Psychiaterin, die bereits mit Marc zusammengearbeitet hat, die Idee, dass er vom Sonnengott Ra auserkoren ist. Dieses Vertrauen in eine höhere Bestimmung sollte wie bei Marc dafür sorgen, dass sich sein Geisteszustand bessert. Doch führte dies leider zum exakten Gegenteil: Seitdem sieht er sich als den Avatar von Ra, der Vater von Khonshu ist, und in Moon Knight einen natürlichen Gegner. Er ist in der Lage Feuer allein durch seinen Geist zu entfachen und tötete so auch die Psychiaterin, die für seine Obsession verantwortlich war.

Die Verbündeten

Neben den genannten Schurken hat Moon Knight einige Verbündete, die mit einer seiner Identitäten interagieren. Da ist zuallererst Frenchie zu erwähnen, der aus seinem Helikopter heraus, für Unterstützung in letzter Sekunde sorgt. Irgendwann stellt sich heraus, dass Frenchie schwul ist und Gefühle für Marc entwickelt hat, die aber nicht erwidert werden. Dennoch kann das die Freundschaft nicht schmälern.

Marlene hat als Marcs Liebe seines Lebens immer wieder Auftritte. Zu oft haben sich die beiden schon getrennt und sind wieder zusammengekommen. Vor Kurzem stellte sich heraus, dass sie mit Jack ein Kind gezeugt hat, das Jack vor allen anderen Persönlichkeiten verborgen gehalten hat. Seine Tochter Diatrice hat inzwischen aber auch eine Beziehung zu den anderen Identitäten aufbauen können.

Als Steven Grant hat Moon Knight einen Buttler: Samuels, der ihm als Fahrer beisteht. Als Jack Lockley hat er gute Kontakte zum Obdachlosen Crawley und Diner-Betreiberin Gena Landers, die ihn mit unterschiedlichsten Informationen versorgen.

Zeitweise war Moon Knight Mitglied der West Coast Avengers, wo er Tigra kennenlernte mit der er eine kurze Romanze hatte. Zusammen mit Bobbi Morse machten sich die drei eine Zeit lang unabhängig von der Gruppe, bis sie sich als Team ganz auflösten. Später war er Teil von Daredevils Marvel Knights und von Captain Americas Secret Avengers. Er blieb aber nie lange ein Team-Player, auch da gegenüber seiner Störung ein gewisses Misstrauen herrscht.

Das Zeitalter von Khonshu

Als Mephisto immer stärker wurde, hatten Moon Knight und Khonshu Visionen von einer Zukunft, in der Mephisto und seine Dämonen über die Welt herrschten. Moon Knight musste handeln und erlangte mit Hilfe des Kults von Khonshu die Kraft aller prähistorischen Avengers außer Black Panther. Er nahm Thor seinen Hammer Mjölnir, der aus Uru, dem ersten Mond geformt wurde, erlangte die Iron Fist und die Phoenix-Kraft. Mit Hilfe Mjölnirs konnte er Mephisto besiegen und töten (was natürlich nicht heißt, dass Mephisto nicht einen Weg gefunden hat, ins Leben zurückzukehren). Nachdem diese Zukunft verhindert werden konnte, übernahm Moon Knight die Kontrolle über die Welt und sagte sich am Ende sogar von Khonshu los. Als die Phönix-Kraft Moon Knight dazu bringen wollte, die Erde zu schleifen, sagte er sich aber auch von ihr los. So konnten die Avengers Khonshu besiegen und Thor erlangte die Kontrolle über seinen Hammer zurück. Mit einem kräftigen Schlag von Mjölnir wurde Moon Knight zurückgewiesen. Die Avengers verzichteten darauf, ihn zu inhaftieren.

Daraufhin eröffnete Marc eine Zentrale in Manhattan, in die Leute kommen konnten, die Hilfe bei ihm suchten. So geht er jetzt wieder nachts auf Streife, um die Schurk*innen zu besiegen und die Nachtschwärmer*innen zu beschützen.

Fähigkeiten

Normalerweise hat Moon Knight nur wenige besondere Stärken oder Schwächen. Er ist in der Lage sich gegen Telepathie und Gedankenkontrolle zur Wehr zu setzen. Dazu besitzt er eine Form von Unsterblichkeit, da er bereits drei Mal hätte sterben müssen und jedes Mal von Khonshu zurückgeholt wurde. Ob dies nun eine besondere Fähigkeit ist oder eine Form von Glück kombiniert mit dem unbeirrbaren Glauben an den Mondgott, kann hier nicht geklärt werden.

Während des Zeitalters von Khonshu, konnte er Kräfte absorbieren. Er erlangte so die Fähigkeiten diverser Helden. Zu dieser Zeit hatte er Kontrolle über Mondgestein, wodurch es auch möglich war, Mjölnir zu heben, der aus eben solchem geschmiedet wurde. Dazu konnte er Mumien beherrschen und ohne Sauerstoff im Erdorbit überleben.

Leseempfehlungen

Moon Knight Collection von Warren Ellis

Entgegen dem Namen dieses Bandes, ist nur das erste Drittel dieses Buches von Warren Ellis geschrieben. Das ist aber auch nicht schlimm, denn auch der zweite Teil von Brian Wood und der dritte von Cullen Bunn verbindet, dass Moon Knight hier als Mr. Knight unterwegs ist und mit seinem weißen Anzug mit Krawatte an Elijah Snow aus Planetary erinnert. In den wunderschönen und kreativen Bildern von Declan Shalvey, German Peralta und Greg Smallwood stellt sich Mr. Knight lauter Wahnsinnigen auf brutale Weise in den Weg. Allein für die Zeichnungen lohnt sich ein Blick in diesen Band.

Moon Knight – Willkommen im neuen Ägypten

Bereits in unserer persönlichen Lieblingsliste hat dieser Comic seinen Platz verdient. Leider ist der Band nur noch sehr schwer zu bekommen, was uns nicht davon abhalten soll, ihn zu empfehlen: Marc Spector wacht in einer Irrenanstalt auf und seine Psychiaterin erzählt ihm, dass er sich sowohl Khonshu, als auch sein Leben als Superheld nur eingebildet hat. So beginnt ein Spiel um Realität, die Reflexion der eigenen Geschichte und eine Befreiung von den eigenen Zwangszuständen. Wundervoll geschrieben von Jeff Lemire und gezeichnet von Greg Smallwood zählt dieser Comic zu den innovativsten und ungewöhnlichsten Bänden, die wir jemals von Marvel zu Gesicht bekommen haben.

Avengers Paperback #7 – Das Zeitalter von Khonshu

Hier ist Moon Knight ausnahmsweise nicht als Held, sondern als Schurke unterwegs. Er nimmt es mit den ganzen Avengers auf und raubt vielen von ihnen die Kräfte, um Mephisto aufzuhalten. Doch eine Welt, die vom ägyptischen Mondgott regiert wird, ist für die mächtigsten Helden der Welt keine Alternative und sie schlagen zurück. Dieser Comic ist ein klassisches Superhelden-Event mit viel Klopperei, ein paar spannenden Wendungen und einem ganz anderen Blick auf einen interessanten Charakter. Als nette Unterhaltung für zwischendurch, kann man hier einfach zugreifen und wird es nicht bereuen.

 

Artikelbilder: © Marvel Comics, Marvel Studios
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Nina Horbelt

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