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Was haben Paninis The Witcher: Das kleinere Übel und Free Leagues The Dunwich Horror von Lovecraft gemeinsam? Beides waren düstere, übernatürliche Fantasy-Kurzgeschichten und beide Erzählungen wurden mit Illustrationen adaptiert. Wenn euch Das kleinere Übel als Comic oder eine illustrierte Lovecraft-Geschichte interessieren, schaut hier rein.

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Body Horror, Rassismus, Sexismus, Gewalt, Sexuelle Gewalt, Gewalt gegen Kinder

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The Witcher – Das kleinere Übel

Spätestens seit der Netflix-Serie mit Henry Cavill dürften alle von The Witcher gehört haben, an denen das Videospiel The Witcher 3: The Wild Hunt vorbeiging. Der Riesenhit von den polnischen Entwicklern CD Projekt Red machte The Witcher weltweit bekannt. Bald folgten weitere Videospiele, Brettspiele, Rollenspiele und eben die Netflix-Serien und Filme zu der düsteren Fantasy-Welt. Begonnen hat jedoch alles mit den Hexer-Kurzgeschichten und Romanen von Andrzej Sapkowski. Das Comic The Witcher – Das kleinere Übel adaptiert nun die dritte Kurzgeschichte, die Sapkowski je zu Geralt verfasste.

The Witcher – Das kleinere Übel beginnt damit, dass der Monsterjäger Geralt in einer kleinen Stadt das Kopfgeld für ein erlegtes Monster fordert. Geralt ist ein Hexer, eine besondere Art von magisch mutierten Monsterjägern mit gelben Katzenaugen. Hexer sind schneller und stärker als Menschen und beherrschen kleinere Zaubertricks, werden von der allgemeinen Bevölkerung aber als Mutanten gehasst. Der Bürgermeister schlägt Geralt jedenfalls vor, die Monsterleiche an den örtlichen Magier Stregobor zu verkaufen. Dieser will Geralt jedoch lieber anheuern, um die Frau Renfri zu töten. Die ehemalige Prinzessin wolle Stregobor töten, da sie verflucht sei, Unheil über das Land zu bringen und allgemein eine Räuberin und Mörderin. Als Geralt mit Renfri verhandeln will, behauptet diese aber, Stregobor hätte sie als Kind misshandelt und vom Königshof auf die Gosse verstoßen und will keineswegs von ihrer Rache ablassen. Geralt steht nun zwischen den unversöhnlichen Fronten und muss sich für das kleinere Übel entscheiden…

Geralt steckt zwischen zwei unversöhnlichen Fronten © Panini

Die Handlung ist geradlinig und punktet mit dem moralischen Dilemma, das sich keineswegs in Wohlgefallen auflöst. Geralt will sich eigentlich heraushalten und nur seinen Job machen, wird aber durch die Umstände in eine Situation ohne richtige Lösung gezwungen. Genau richtig für eine gute Kurzgeschichte mit Knackpunkt. Der Umwandlung der Kurzgeschichte zum Comic fielen zwar ein paar Nebenaspekte zum Opfer, wie zum Beispiel woher Geralt und Stregobor sich kennen, dem Lesevergnügen schadet das aber nicht.

Visuell sind Geralts Aussehen und Jacke an das Spiel The Witcher 2 angelegt, charakterlich bleibt er aber die Figur aus Sapkowskis Feder. Anders als Henry Cavills mürrisch-schweigsame Clint-Eastwood-Version ist Geralt hier umgänglich, gesprächig und sogar etwas charmant. Für Fans der Netflix-Serie und vielleicht auch der Spiele mag das ungewohnt sein, ist aber eine angenehme Abwechslung von den amerikanisch-geprägten Standard-Actionfiguren des stummen Misanthropen und kindischen Quatschkopfs.

Die Geschichte verläuft hier anders als im Märchen… © Panini

The Witcher – Das kleinere Übel ist auch ein guter Einstieg in die Welt von The Witcher. Die vorhergehende Geschichte / das Comic Ein Körnchen Wahrheit konzentriert sich eher auf Geralt als Monsterjäger, Das kleinere Übel führt jedoch den moralischen Zwiespalt von Hexern und normalen Menschen ein. Wie viele der frühen Hexer-Geschichten ist auch Das kleinere Übel eine verdrehte, düstere Dekonstruktion eines Märchens. Ging es in Ein Körnchen Wahrheit noch um Die Schöne und das Biest, liefert hier Schneewittchen und die Sieben Zwerge die Grundlage. In Renfris Vergangenheit spielten ebenfalls eine Stiefmutter und ein Zauberspiegel eine Rolle, die Zwerge hat sie aber schon hinter sich gelassen.

Adam Gorhams Zeichnungen sind handwerklich gut gemacht und passen zur Geschichte. Die Figuren sind in dem typisch modernen Comic-Stil gezeichnet, mit leicht eckigen Strichen, aber doch ausreichend realistisch. Vielleicht sind sie bunter und weniger grau-düster als man erwarten könnte. Insgesamt wirkt das hier aber besser als eine klischeehafte triste Darstellung, und realistischer. In echt ist das Leben auch bunt und nicht thematisch passend gefärbt. Das passt dazu, wie Sapkowski in seinen Witcher-Geschichten Erwartungen, Klischees und Märchen auseinandernimmt.

© Panini

The Witcher – Das kleinere Übel ist für sich genommen ein gut geschriebener und gut gezeichneter Comic. Dazu führt es effektiv in die Welt von The Witcher ein und stellt eines der grundlegenden moralischen Themen vor. Für alle, die The Witcher mögen oder auch nur einen Blick riskieren wollen, führt bei dem günstigen Preis von 13 EUR kaum ein Weg an Das kleinere Übel vorbei.

Die harten Fakten

  • Autor*in(nen): Andrzej Sapkowski, Jacek Rembís
  • Zeichner*in(nen): Adam Gorham
  • Seitenanzahl: 60
  • Preis: 13 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Panini Shop

 

The Dunwich Horror

Auch The Dunwich Horror ist eine weitere Adaption einer Kurzgeschichte. Anders als The Witcher – Das kleinere Übel ist Dunwich Horror aber kein Comic, sondern druckt die Kurzgeschichte als Text ab, der mit großen Bildern hinterlegt ist. Technisch gesehen ist das wahrscheinlich ein illustrierter Band. The Dunwich Horror sollte nicht mit einem Bilderbuch verwechselt werden, das klingt fälschlich nach Kinderbuch, ganz unpassend für Lovecrafts Horrorgeschichte.

Und auch Lovecrafts Kurzgeschichten können sich weltweiten Erfolges erfreuen, wenn auch erst nach dem Tod des Autors. Seit den 70ern und 80ern sind Lovecrafts Geschichten um außerdimensionale Schrecken und die Großen Alten als der Call of Cthulhu-Mythos äußerst erfolgreich und einflussreich. Kaum ein Horror- oder Fantasy-Setting oder -Werk kommt heute noch ohne wenigstens eine Anspielung aus auf Lovecrafts „Kosmischen Horror“ und so einflussreiche Rollenspiele wie eben Call of Cthulhu basieren komplett darauf.

An sich war Lovecraft eher unsympathisch, ein auch für die damalige Zeit extrem rassistischer Misanthrop. Nichtsdestotrotz war Lovecraft aber auch ein genialer Horror-Autor, der sich perfekt im damaligen Genre auskannte und bei klassischen Autor*innen wie Edgar Allan Poe, Lord Dunsany oder Charlotte Perkins Gilman Inspiration fand. Seine Besessenheit von und Ängste vor allem, das nicht Angelsächsisch-Englisch ist, und der Degeneration von Menschen mit anderen Dingen findet sich in seinen Geschichten wieder. Oft sind diese aber auch gerade deshalb so effektiv, weil Lovecraft seine Phobien als nicht-menschliche, unvorstellbare Kreaturen darstellt, die in einer nihilistischen Welt nur Schrecken für die Menschheit bereithalten.

Hier nennt Lovecraft seine Inspiration für The Dunwich Horror genannt, The Great God Pan von Arthur Machen © Fria Ligan

So ähnlich verhält es sich auch in The Dunwich Horror. Die Geschichte erzählt Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts von der Familie Whateley, die irgendwo im Nirgendwo von Massachusetts in dem verkommenen, elenden Dorf Dunwich lebt. Selbst unter den Dörflern werden die Whateleys gemieden, da sie als Hexen und Teufelsanbeter gelten. Ständig verschwinden Tiere auf der Farm und niemand kennt den Vater von Wilbur Whateley, dem seltsamen Sohn der Familie. Egal ob Mensch oder Tier, alle fühlen sich von Wilbur instinktiv abgestoßen. Nach dem Tod seines Großvaters reist er zur Miskatonic Universität in der Stadt Arkham, in deren Bibliothek er nach einem verbotenen Grimoire, dem Necronomicon, sucht. Dadurch wird der Bibliothekar Dr. Henry Armitage in das Grauen von Dunwich hineingezogen…

Okkulte Schriften und Symbole dürfen in keiner Lovecraft-Adaption fehlen © Fria Ligan

The Dunwich Horror enthält viele typische Elemente von Lovecrafts Geschichten wie die scheinbar degenerierte Whateley-Familie, die mysteriösen Kulten frönt. Auch die fiktive Stadt Arkham ist ein zentraler Ort von Lovecrafts Mythos, genau wie das schwarzmagische Buch Necronomicon. Lovecraft schafft eine beängstigende, bedrückende Atmosphäre des Grauens, auch wenn Fans die Offenbarungen vielleicht nicht überraschen. Ein Teil des Horrors lässt sich Lovecrafts stimmungsvollem Schreibstil anrechnen. Vor allem auf Englisch ist er sehr ausgefallen und schon damals gekünstelt altmodisch. Auch die lautmalerische Darstellung der Hinterwäldler-Akzente mag erst ungewohnt klingen, letztendlich kommt aber alles zur unheimlichen Wirkung zusammen. Das rezensierte Testexemplar ist auf Englisch, wo Lovecrafts Schreibstil auch für Muttersprachler eine Einstiegshürde sein kann.

Die Zeichnungen stammen vom Franzosen François Baranger, der bereits Lovecrafts At the Mountains of Madness sehr gelungen illustrierte. Baranger ist sonst Illustrator für Film und Videospiele und entsprechend stimmungsvoll sind auch seine Zeichnungen. Im Vergleich zu At the Mountains of Madness bietet The Dunwich Horror Baranger aber weniger Gelegenheit, die Zeichenmuskeln spielen zu lassen. Das zerfallende Dunwich und das urtümliche Massachusetts sind passend bedrückend dargestellt, die vielen Büros und Bibliotheken können aber nicht so beeindrucken wie die epischen Bilder von At the Mountains of Madness. Die Illustrationen sind immer noch künstlerisch und stilistisch gelungen ausgeführt und unterstützen den Text auf angemessene Art, aus Mangel an visuellen Motiven heben die Bilder den Text diesmal aber nicht auf ein neues Niveau.

© Fria Ligan

The Dunwich Horror ist eine klassische Lovecraft-Geschichte und eine der wenigen, die er selbst für gelungen hielt. Die Geschichte an sich ist so gut wie eh und je und wird von den Illustrationen gut ergänzt. Für Fans und Liebhaber*innen wird The Dunwich Horror seinen Preis wert sein. Wer noch nicht mit Lovecrafts Mythos in Berührung kam, kann dem Ruf des Cthulhu zum Dunwich Horror folgen, findet aber wahrscheinlich bessere Einstiege. Barangers At the Mountains of Madness kann einer sein, oder auch die Geschichten von Lovecraft ohne Bilder. Von Barangers The Dunwich Horror gibt es auch eine deutsche Ausgebe, Das Grauen von Dunwich, mit der guten Übersetzung von H. C. Artmann.

Die harten Fakten

  • Autor*in(nen): Howard Phillips Lovecraft
  • Zeichner*in(nen): François Baranger
  • Seitenanzahl: 64
  • Preis: 34,73 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Artikelbilder: © Panini, Howard Philipps Lovecraft, Francois Baranger, Design Studio Press and Fria Ligan AB
Layout und Satz: Melanie Maria Mazur
Lektorat: Nina Horbelt
Fotografien: Paul Menkel

Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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