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At the Mountains of Madness gehört zu den bekanntesten Werken des Autors H. P. Lovecraft. Der Illustrator und Cthulhu-Mythos-Liebhaber François Baranger hat sich an die Illustration dieses Klassikers gewagt. Das Ergebnis ist eine wunderbare Liebeserklärung an das Original, die das Grauen mit Schönheit zu kombinieren versteht.

Wenngleich ihm zu Lebzeiten kein Erfolg vergönnt war, wird H. P. Lovecraft heute als einer der einflussreichsten Autor*innen von phantastischer und Horror-Literatur gesehen. Besonders seine Geschichten des Cthulhu-Mythos erfreuen sich großer Beliebtheit und dienen als Inspiration für andere Autor*innen, Pen&Paper-Rollenspiele, Videospiele und Verfilmungen. Mögliche Gründe für den Reiz von Lovecrafts Werken hat mein Kollege Tim Billen in seinem Exkurs detailliert beschrieben.

Auch das Medium Graphic Novel ist keine Ausnahme, wenn es darum geht, sich des berühmten Mythos zu bedienen. Exemplarisch seien die hervorragenden Graphic Novels Ein Jahr ohne Cthulhu und Lovecraft von Alberto Breccia genannt. Doch während diese Beispiele darauf abzielten eine Bildgeschichte zu erzählen, versucht dies At the Mountains of Madness Volume 1 gar nicht erst. Vielmehr ist die Adaption des Illustrators François Baranger eine wunderschön anzusehende Liebeserklärung an Lovecrafts ursprüngliche Horrorgeschichte.

Handlung & Charaktere

Hinsichtlich der Handlung bleibt die Graphic Novel dem Original treu. Der Erzähler William Dyer verfasst einen Bericht über eine mysteriöse Expedition in die Antarktis, bei der er schreckliche Entdeckungen machen musste. Dieser dient dazu eine weitere Erkundungsmission zu verhindern, die seinen Befürchtungen nach eine Gefahr für die gesamte Menschheit entfesseln könnte.

Der Grund für seine Sorge sind die Erkenntnisse und Funde einer Unternehmung, die unter seiner Leitung stattgefunden hatte. Mitarbeiter*innen der Miskatonic University in Arkham entdeckten im ewigen Eis seltsame Fossilien und Überreste einer untergegangenen Kultur. Weitere Nachforschungen enthüllen ein längst vergessenes Grauen, das die Erde bereits vor der Menschheit bewohnt hat.

At the Mountains of Madness Volume 1 enthält etwa die Hälfte der ursprünglichen Erzählung von H. P. Lovecraft. Wem die Texte des amerikanischen Schriftstellers nicht zusagen, wird auch mit dieser Adaption keine Freude haben. Lovecrafts antiquierter Schreibstil ist eine Geschmacksfrage. Mir sind bei der Lektüre immer wieder Stellen aufgefallen, die erzwungen sprachgewandt schienen und das Lesen erschwert haben. Dem positiv gegenüber steht sein Talent, die Vorstellungskraft der Leser*innen zu inspirieren. Trotz des vielfachen Einsatzes von Adjektiven bei der Beschreibung von Schrecken, überlässt Lovecraft die Details der Fantasie. Ein Teil davon geht durch die visuelle Umsetzung verloren, aber die Wirkungskraft der gewählten Worte bleibt erhalten.

Außerdem sollte darauf hingewiesen werden, dass das rassistische Weltbild des Autors bisweilen in der Schreibweise durchscheint. Lovecrafts Denkweise und der Umgang damit ist bereits das Thema hitziger Diskussionen. Umso wichtiger ist es, dass diese Vorwürfe vom Verleger explizit angesprochen werden. Die Sichtweise von Lovecraft wird ohne Einschränkung zurückgewiesen und Leser*innen sollten sein Schaffen immer im Kontext der damaligen Zeit sehen, zu der solche Vorurteile leider weit verbreitet waren. Dennoch sollte der kritische Umgang mit dem Autor zur Folge haben, dass seine zu Klassikern gewordenen Werke einer bestehenden oder neuen Leserschaft nicht zur Verfügung gestellt werden.

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Zeichnungen & Kolorierung

Das eindeutige Highlight dieser Adaption sind die grafischen Umsetzungen von François Baranger. Der Künstler kann auf eine breite Erfahrung als Illustrator in der Filmindustrie (Harry Potter, Die Schöne und das Biest), Videospielbranche (Heavy Rain, Beyond: Two Souls) und dem Büchermarkt zurückgreifen. Laut eigenen Angaben wurde seine Liebe für den Cthulhu-Mythos durch Pen&Paper-Rollenspiele in seiner Jugend geweckt. Seine erste Adaption des Klassikers Call of Cthulhu folgte 2017.

At the Mountains of Madness Volume 1 zeigt die volle Bandbreite seines Könnens. Wunderschöne Konzeptzeichnungen erstrecken sich über Doppelseiten und erwecken Szenen der Horrorgeschichte zum Leben. Zu Beginn sehen wir den Erzähler am Arbeitstisch beim Verfassen seines Berichts, um danach zur Eingangs erwähnten Expedition aufzubrechen. Auf den folgenden Seiten bannt Baranger eisige Landschaften, seltsame Wesen und grausige Funde auf Papier. Die Qualität einiger Illustrationen ist so hoch, dass sie einen fotorealistischen Eindruck machen. Dies gelingt besonders aufgrund Barangers herausragendem Einsatz von Licht und Schatten.

Der Natur der Erzählung ist es geschuldet, dass die meisten Illustrationen die Eiswüste der Antarktis abbilden. Hier gelingt es dem Künstler, die Gefahr von Monotonie durch ein Gespür für die passende Szene und feine Details abzuwenden. Auf einem Bild beeindruckt ein Gletscher, während in einem anderen die wunderschöne Gebirgskette im Hintergrund den Blick einfängt. Man erkennt bei jeder Illustration die Sorgfalt und Zeit, die in die Erstellung geflossen sind.

Die harten Fakten

  • Verlag: Fria Ligan
  • Autor*in: P. Lovecraft
  • Zeichner*in: François Baranger
  • Sprache: Englisch
  • Seitenanzahl: 64
  • Preis: 26,53 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

At the Mountains of Madness Volume 1 bleibt der Geschichte von H. P. Lovecraft treu, um sie mit imposanten und stimmungsvollen Szenenbildern zu ergänzen. Wer mit der Schreibweise des amerikanischen Kult-Autors keine Probleme hat, wird an dieser Adaption eine wahre Freude haben.

Illustrator François Baranger wendet sein ganzes Können auf, um den Horrorklassiker zum Leben zu erwecken. Das Resultat sind sorgfältig platzierte, doppelseitige Kunstwerke. Bei der Lektüre des Bandes spielten sich die Szenen dank der visuellen Unterstützung beinahe wie ein Film vor meinen Augen ab. Baranger findet zudem die richtigen Stellen, an der er Leser*innen von einer Szene zur nächsten führt und optimiert dadurch den Lesefluss von Lovecrafts Werk. Tatsächlich habe ich mich dennoch mehrfach dabei ertappt, die Lektüre zu unterbrechen und ein paar Seiten weiter- oder zurückzublättern, weil man sich an den Bildern nicht sattsehen kann.

Der zweite Teil der Adaption ist zum Zeitpunkt dieser Rezension nicht angekündigt. Wer allerdings auf den Geschmack gekommen ist, kann auf Barangers Erstlingswerk Call of Cthulhu zurückgreifen. Die animierte Vorschau auf YouTube ermöglicht  außerdem einen guten Eindruck in die visuelle Exzellenz, die auch At the Mountains of Madness Volume 1 auszeichnet. Zweifelsohne gibt es wenige Beispiele, in denen Grauen so schön inszeniert worden ist.

Artikelbild: Fria Ligan
Layout und Satz: Nina Horbelt
Lektorat: Sabrina Plote

Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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