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In Durchgeblättert werfen wir regelmäßig einen kritischen Blick auf Neuerscheinungen, Geheimtipps oder Klassiker aus der vielfältigen Welt der Graphic Novels. Diese Ausgabe beinhaltet mit Lanfeust von Troy und Lovecraft zwei Klassiker ihres Genres, aber entführt uns auch in die jüngere, doch gleichwohl ebenso einflussreiche Welt von Dark Souls!

Für jeden Künstler dürfte es eine besondere Anerkennung sein, wenn sein Werk andere inspirieren kann. Wie hätte H. P. Lovecraft wohl reagiert, wenn man ihm den Einfluss seiner Erzählungen bewusst gemacht hätte? Eine Auswahl dieser wurde bereits in den Siebzigern als grafische Novellen adaptiert und hat nun mit Lovecraft auch ihren Weg nach Deutschland gefunden.

Doch nicht nur Liebhaber von Horror-Literatur kommen in dieser Ausgabe auf ihre Kosten. Mit Lanfeust von Troy sehen wir einen Klassiker der Fantasy-Comics in neuem Glanz erstrahlen. Außerdem findet eine der einflussreichsten Videospielreihen der letzten Jahre ihren Weg in das Medium der Bildgeschichten. Doch kann Dark Souls auch abseits des Bildschirms überzeugen?

Wir hoffen, ihr habt beim Lesen dieser Kritiken ebenso viel Spaß, wie uns das Lesen der rezensierten Werke bereitet hat. Über Fragen oder Diskussionen in den Kommentaren freuen wir uns ebenso wie über generelles Feedback zu unserem Format Durchgeblättert!

Lovecraft

Wenngleich ihm zu Lebzeiten kein Erfolg vergönnt war, wird H. P. Lovecraft heute als einer der einflussreichsten Autoren von phantastischer und Horror-Literatur gesehen. Besonders seine Geschichten des Cthulhu-Mythos erfreuen sich großer Beliebtheit und dienen als Inspiration für andere Autoren, Pen&Paper-Rollenspiele, Videospiele und Verfilmungen.

Im avant-verlag ist nun eine deutsche Übersetzung der Cthulhu-Adaptionen aus der Feder des südamerikanischen Comiczeichners Alberto Breccia, welche im Original bereits 1973 veröffentlicht wurden, unter dem Titel Lovecraft erschienen. Dabei präsentiert der Band neun Erzählungen von Lovecraft in einer Kombination aus Wort und Bild, die dem Leser ein Verständnis der grundlegenden Mythologie über die sogenannten Großen Alten ermöglichen sollen. Hierbei wurde viel Wert darauf gelegt, das ursprüngliche und Lovecraft-spezifische Lesegefühl der Erzählungen beizubehalten.

Die sorgfältige Auswahl der Geschichten umfasst Klassiker wie Der Schatten über Innsmouth, Der Flüsterer im Dunkeln und Cthulhus Ruf, aber auch unbekanntere Erzählungen, wie Das Fest. Die Kombination all dieser Einzelwerke ergibt zwar keine zusammenhängende Geschichte, erlaubt aber ein außerordentliches Verständnis der Erzählweise und Themen des amerikanischen Schriftstellers. Denn einige Merkmale ziehen sich wie ein roter Faden durch den gesamten Band, seien es Leitmotive wie Besessenheit, Wahnsinn, Tod und Ekel, oder zentrale Elemente des Mythos, wie das Necronomicon (ein grausam zu lesendes Buch, das viele mystische Themen behandelt).

Wie die Originalwerke von Lovecraft lesen sich die Adaptionen dabei sehr nüchtern und distanziert vom eigentlichen Geschehen, zu vergleichen mit Berichten aus Zeitungen, Tagebüchern oder wissenschaftlichen Aufzeichnungen. Dass dennoch stellenweise Beklemmnis aufkommt ist der geschickten Verwendung von Andeutungen geschuldet, die die eigene Phantasie auf Hochtouren laufen lässt. Denn gerade durch das Ausbleiben zu detaillierter Beschreibungen und den Einsatz ausdrucksstarker Adjektive bleiben Lovecrafts Worte im Kopf.

Genau in diesem Hinblick bieten die gelieferten Zeichnungen von Breccia die perfekte Ergänzung. Ganz in Anlehnung an die originalen Texte wird darauf verzichtet, zu viele Details zu zeigen. Die visuelle Gestaltung erinnert damit an Tuschezeichnungen in Schwarz-Weiß, die mit Andeutungen, Schatten und einer stellenweise sehr wilden Strichführung die Vorstellungskraft unterstützen sollen. Das finale Bild entsteht jedoch immer im Kopf des Betrachters und seiner Auffassung des auf das Papier gebannten Werks.

Diese künstlerische Gestaltung ist jedoch ein zweischneidiges Schwert. Denn auf der einen Seite gelingt der gewünschte Effekt. Ähnlich einem Rohrschachtest regen die abstrakten Zeichnungen zur genauen Betrachtung und Interpretation des Gezeigten an. Auch wirken die Geschichten, und besonders die Darstellungen von Wesen wie Cthulhu, geheimnisvoller und interessanter.

Doch auf der anderen Seite ist es tatsächlich anstrengend, seine volle Konzentration dem Gezeigten über einen längeren Zeitraum zu widmen. Denn in Kombination mit den kleinen Buchstaben der Texte erfordern die schemenhaften Zeichnungen eine hohe Aufmerksamkeit, um die Essenz des Erzählten und Präsentierten zu begreifen. Lovecraft ist damit eher geeignet, über mehrere Etappen gelesen zu werden, um die einzelnen Geschichten und Bilder auf sich wirken zu lassen.

Denn eine Wirkung wird definitiv entfaltet. Der morbide Charme der Erzählungen von H. P. Lovecraft ist auf jeder Seite zu spüren – dem Zeichner Alberto Breccia und dem Adapteur der Originalwerke, Norberto Buscaglia, ist es eindrucksvoll gelungen, die Essenz der Horror-Meilensteine einzufangen.

Lovecraft ist damit sowohl ein Werk für Liebhaber dieser Klassiker als auch für Neulinge in der Welt des Cthulhu-Mythos. Denn wenngleich letztgenannte nicht jedes Detail und jede Feinheit verstehen werden, bietet die grafische Novelle eine sinnvolle Komposition relevanter und faszinierender Geschichten aus der Welt der Großen Alten. Der sehr eigenwillige, tintenklecksähnliche Stil von Breccia bietet zusätzlich eine visuell interessante Erfahrung. Zwar ist die Lektüre aufgrund ihrer spezifischen Erzählweise nicht immer eine einfache, aber dafür eine äußerst lohnenswerte.

Die harten Fakten

  • Verlag: avant-verlag
  • Autor(en): Alberto Breccia, Norberto Buscaglia
  • Zeichner(in): Alberto Breccia
  • Seitenanzahl: 126
  • Preis: 29,00 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Dark Souls – Der Hauch des Andolus

Ihr seid gestorben. Dieser kurze Satz dürfte sinnbildlich für die gesamte Reihe der Souls-Spiele stehen. Denn die Titel aus dem Hause From Software sind bekannt für ihren fordernden Schwierigkeitsgrad, epische Bosskämpfe und nebulöse Hintergrundgeschichten. Und hierzu gibt es nun aus dem Hause Panini Comics auch eine offizielle Comicreihe. Doch lässt sich die Faszination der Videospiele vom Bildschirm auch auf Papier bannen?

Die Geschichte folgt den Abenteuern der Kriegerin Fira und spielt in einem fantastischen Reich namens Ishra. Genährt durch den Atem des Drachen Andolus erblühte dieses Königtum in der Vergangenheit – doch jegliches Licht sollte auch Schatten zur Folge haben. Denn das Vermehren der Menschen hatte auch den Aufstieg der Untoten zur Folge, die sich mit der Zeit zu einer wahren Plage entwickelten und den Glanz Ishras bedrohten. Baron Karamas machte es sich deswegen zur Aufgabe, dem Unheil entgegen zu treten. Doch leider sollte sein Weg der falsche sein und das Reich noch weiter verdammen. Eine unbekannte Zeit nach dieser folgeschweren Entscheidung liegt es nun an Fira, gemeinsam mit einem mysteriösen Seher, das Schicksal von Ishra wieder zum Guten zu wenden und die Schatten zu verbannen…

Die verzweifelte und dunkle Grundstimmung reiht sich nahtlos in die Atmosphäre der Videospiel-Vorlagen ein. Denn nicht nur die Landschaften und deren Bewohner sind vom Tod dominiert – auch die Protagonistin Fira ist ein Schatten ihrer selbst und geplagt von seltsamen Träumen. Das verleiht der Geschichte eine gewisse Dringlichkeit und vermittelt Spannung.

Leider schafft es Der Hauch des Andolus sonst kaum, den Charme von Dark Souls einzufangen – was zugegebenermaßen auch eine schwere Aufgabe ist. Zwar wird dem Leser die Schwierigkeit von Firas Reise objektiv bewusst, doch kommt das Gefühl nicht unmittelbar an. Stattdessen wirkt es so, als würde sich die Protagonistin lediglich von einer Herausforderung zur nächsten vorwärts kämpfen – das funktioniert möglicherweise in einem Videospiel, bei einer Graphic Novel vermeidet es jedoch den Aufbau eines Spannungsbogens.

Denn ein weiteres Problem ist, dass die unterschiedlichen Gefahren gar keine Zeit bekommen, um einen Eindruck zu hinterlassen. Bosse und Gegenspieler werden kurzfristig eingeführt, um anschließend zwar auf imposante, aber gleichzeitig unbefriedigend schnelle Art und Weise überwunden zu werden. Der Reiz der Antagonisten in der Vorlage (das Erfolgserlebnis, einen würdigen Gegner endlich überwunden zu haben) bleibt dabei leider weitestgehend auf der Strecke. Denn auch die Hintergründe aller Bosse werden nur sehr oberflächlich angekratzt. Wie soll man sich so über das Bezwingen freuen können?

Hier wurde leider sehr viel Potenzial verschenkt, gerade in Anbetracht der opulenten visuellen Gestaltung des Bandes. Denn die Zeichnungen von Alan Quah erwecken die Welt von Ishra zu schaurig-schönem Leben. Seien es düstere Landschaften, einschüchternde Monster oder die Mimik der Protagonisten: Die Qualität der Bildgestaltung ist herausragend. Besonders eindrucksvoll ist hierbei die Gestaltung der Drachen, welche gleichzeitig Eleganz und Bedrohlichkeit ausstrahlen.

Somit ist es etwas schade, dass die Bilderwelten zwar zum Versinken in der Welt von Dark Souls – Der Hauch des Andolus einladen, aber nicht von der Handlung unterstützt werden. Eine Adaption der Besonderheit der Videospiele anhand epischer Bosskämpfe und mysteriöser Rahmenhandlung wurde zwar versucht, aber nur mit mäßigem Erfolg. Auf Comicseiten wirkt dieser Ansatz leider nicht ausgearbeitet genug, und verkommt damit zu einer berechenbaren Abfolge von Handlungen ohne Spannungsbogen.

Der Hauch des Andolus ist somit besonders für Freunde imposanter Zeichnungen und düsterer Fantasy-Atmosphäre zu empfehlen. Gleichzeitig handelt es sich hier nur um den Auftakt weiterer Geschichten aus dem brutalen Universum der Dark Souls-Spiele. Ein zweiter Band mit dem Titel Der Todeshauch des Winters ist bereits in Vorbereitung und wird im September 2018 bei Panini Comics erscheinen. Möglicherweise gelingt es hier dann besser, den Charme der Reihe auf Comicseiten zu bannen.

Die harten Fakten

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor(en): George Mann
  • Zeichner(in): Alan Quah
  • Seitenanzahl: 128
  • Preis: 15,00 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Lanfeust von Troy Bd. 1: Das Elfenbein des Magohamoth

Ursprünglich beim Carlsen Verlag veröffentlicht, entwickelten sich Mitte der Neunziger die Abenteuer des jungen Lanfeust in der fantastischen Welt von Troy zu einer wahren Erfolgsgeschichte. Im Jahre 2018 angekommen umfasst die Reihe, inklusive ihrer Ableger Lanfeust der Sterne und Lanfeust Odyssee, mittlerweile mehr als 20 Bände. Hierbei hat es sich der Splitter Verlag zur Aufgabe gemacht, alle drei Hauptserien in neuer Aufmachung zurück zu bringen, und somit sowohl alten und hoffentlich vielen neuen Fans die heroischen Abenteuer des Lanfeust zu vermitteln.

Doch worum geht es eigentlich? Die Handlung spielt in einer magischen Welt namens Troy, in der jeder Bewohner eine besondere Gabe erhält. Diese werden von den Weisen der Stadt Eckmül kontrolliert, um jeglichen Missbrauch und Gefahren zu verhindern. Und auch der junge Lanfeust ist keine Ausnahme. Kraft seiner Gedanken kann er Metall zum Schmelzen bringen und ist deswegen als Lehrling des ansässigen Schmiedes tätig. Doch eines Tages besucht ein fahrender Ritter Lanfeusts Heimat, und aufgrund einer Verkettung von Umständen wird klar, dass Lanfeust über die totale Kraft verfügt, mit deren Hilfe er beinahe alles vollbringen kann. Dies scheint mit dem mysteriösen Fabelwesen Magohamoth verbunden zu sein. Doch um sein eigenes Schicksal besser zu verstehen, muss sich Lanfeust zunächst auf eine abenteuerliche Reise begeben, auf der er vom Weisen Nicolas und dessen beiden Töchtern begleitet wird…

Epik mit Herz beschreibt die Geschichte um den jungen Schmied am besten. Man erkennt bereits in diesem ersten Band die Ansätze einer atmosphärischen Geschichte in einer Welt voller Magie, Mythen und seltsamen Wesen. Das Team Arleston (Autor) und Tarquin (Zeichnungen) schafft hierbei außerdem den schwierigen Spagat zwischen ernstzunehmender Handlung und Humor. Immer wieder lockern skurrile Witze und Situationen die Geschichte auf, ohne in den Bereich des Lächerlichen zu gleiten. An einigen Stellen können diese dabei sogar ziemlich derbe wirken, wobei es sich immer passend in die Gesamtsituation einfügt.

Hauptverantwortliche in dieser Hinsicht sind besonders der Troll Hebus (der nur aufgrund eines Zaubers die Helden begleitet und ansonsten eine blutrünstige Bestie wäre) und die junge Cixi, eine der Töchter des Weisen Nicolas. Deren Darstellung weist für heutige Verhältnisse sehr sexistische Züge auf und dient deswegen auch als überzeichnete Stilisierung von Fantasy-Klischees. Man sehe sich nur ihre kaum existente Kleidung an. Dennoch driften Arleston und Tarquin nie in einen niveaulosen Bereich ab, sondern etablieren bereits zu Beginn ihres Epos die Charaktere mit ihren Eigenheiten und Schwächen.

Denn tatsächlich treibt den Leser das Interesse an den Protagonisten am meisten an. Zwar sind auch die Gefahren der Welt von Troy von Interesse, doch die wirklich interessanten Fragen betreffen Lanfeust und seine Gefährten. Was kann der junge Mann tatsächlich vollbringen und kann er seine Gabe kontrollieren? Wo wird ihn das hinführen? Und was ist der Hintergrund der Beziehung zwischen Lanfeust, Cixi und ihrer Schwester C’ian?

Einen großen Beitrag liefert wie bereits erwähnt die visuelle Gestaltung, die den Charakteren ihre Eigenheiten und den individuellen Charme vermittelt. Eine Besonderheit der Neuauflage ist die bearbeitete Kolorierung, die im Vergleich zu den ursprünglichen Sammelbänden eine sattere Farbgestaltung ermöglicht. Die Panels wirken damit eindrucksvoller und lebendiger. Außerdem werden nun alle Ausgaben im üblichen Hardcover-Einband des Splitter Verlags veröffentlicht und weisen im Anhang einen Auszug aus der Enzyklopädie von Troy auf. Diese geht in ironischer Art und Weise auf verschiedene Aspekte der Welt von Troy ein, im vorliegenden Band beispielsweise auf die Stadt Eckmül.

Insgesamt ist die Neuauflage der Lanfeust-Saga eine willkommene Möglichkeit für Liebhaber der Serie, sie in einem neuen Glanz zu erleben. Neueinsteiger erhalten dagegen die Möglichkeit, einen Klassiker der Fantasy-Comics nachzuholen. Wenngleich der Einstiegsband stellenweise etwas seicht ist, so weist er doch eine sympathische Kombination aus Abenteuer und Humor auf. Die Verbesserungen der Farbgestaltung machen das Lesevergnügen noch intensiver.

Die harten Fakten

  • Verlag: Splitter Verlag
  • Autor(en): Christophe Arleston
  • Zeichner(in): Didier Tarquin
  • Seitenanzahl: 56
  • Preis: 15,80 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Zwischenfazit des Monats

Die Umgestaltung aller vorgestellten Meilensteine erfolgte mal mehr und mal weniger erfolgreich. Während Dark Souls die visuelle Wucht seines Vorgängers einfangen konnte, aber jedoch nicht ganz die Atmosphäre, zeigte sich Lovecraft als eindrucksvolle Interpretation des Originalstoffes. Und die Neuauflage von Lanfeust von Troy ließ nichts vom Charme des Originals missen, während einige handwerkliche Verbesserungen durchgeführt werden konnten.

Die nächste Ausgabe von Durchgeblättert im Juni wird dem Thema Meilensteine zumindest teilweise treu bleiben. So wird beispielsweise die Adaption eines Werkes von Edgar Allan Poe betrachtet, aber auch die faszinierende Welt der Mythologie wird nicht vernachlässigt. Bis dahin wünschen wir wie üblich: „Frohes Lesen!“.

Artikelbilder: Splitter, avant-verlag, Panini Comics
Diese Produkte wurden kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

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