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Garth Ennis, Autor von The Boys und Preacher, schreibt Batman. Was für Insider wie ein Witz klingt, wird in Panini‘s Batman: Das Reptil wahr. Wird der bekennende Superheldenhasser seine Abscheu überwinden und eine klassische Batman-Geschichte liefern oder seiner Verachtung freien Lauf lassen? Wir berichten.

Dass Garth Ennis einmal Batman schreibt, damit hätte wohl wirklich niemand gerechnet. An seinem Comic The Boys und der gleichnamigen Webserie auf Amazon ist wohl klar erkennbar, dass er etwas gegen Superhelden hat. Das sind aber keinesfalls nur freundliche Sticheleien. In zahlreichen Interviews hat Ennis immer wieder klar gemacht, dass er das Superheldengenre im besten Fall kindisch albern findet, tatsächlich aber absolut hasst. Wie kommt er also zu Batman? Wie Ennis im englischsprachigen Interview erklärt, ging es um Geld – aber nicht für ihn. Seine „zynischste, kommerziellste Entscheidung“ traf er, um seinem langjährigen Partner, dem Preacher– und Punisher-Zeichner Steve Dillon, nach einer Erkrankung zu einem Comeback zu verhelfen. Leider verstarb Dillon aber 2016 und das Projekt lag jahrelang auf Eis. Schließlich fand Ennis sich aber mit einem anderen befreundeten Zeichner, Liam Sharp, zusammen und nun, nach über 6 Jahren Entwicklung, ist die Minireihe BatmanDas Reptil veröffentlicht worden. Hat sich die lange Wartezeit gelohnt?

Handlung

In Batman – Das Reptil 1 begann eine Reihe von unerklärlichen Massakern in Gotham City. Zahlreiche Gangster und Superschurken wurden als verstümmelte Leichen aufgefunden. Batman zwang den russischen Kleinganoven Konstantin Volkov, sich als Handlanger bei Joker einzuschleusen und ihn auszuspionieren. Aber das half auch nicht weiter und die ungesehene, unbekannte neue Bedrohung verletzte sogar Joker fast tödlich.

BatmanDas Reptil 2 beginnt damit, dass Batman den neuen Schurken nach dem Angriff auf Joker in die Kanalisation verfolgt. Dort findet er Killer Croc, der durch eine Nabelschnur mit einem riesigen, langsam verrottenden Eisack verbunden ist. Wie sich herausstellt, ist Killer Croc zum Echsenmenschen mutiert, weil Aliens ihn im Mutterleib mit ihrer DNS infizierten. Ausgewachsen entwickelte sich Killer Croc nun zu einem sich selbstbefruchtenden Hermaphroditen, der ein wahres Exemplar der Alien-Spezies gebar: Einen LKW-großen, geflügelten, vier-äugigen Echsen-Zentauren mit einem riesigen Alligatorenmaul und gespaltener Greifzunge.

© Panini

Während der „Schwangerschaft“ sonderte Killer Croc ein bestimmtes Hormon ab, das auf das Monster wie ein rotes Tuch wirkt. Daher tötete es zuerst die Gangster und Superschurken, mit denen Killer Croc üblicherweise Umgang pflegte, jetzt droht es aber, in der gesamten Stadt Amok zu laufen. Batmans einziges Ass: Konstantin Volkov, der letzte Überlebende, der mit dem Hormon in Kontakt kam. Mit ihm als Köder plant er eine Falle für das blind wütende Alienmonster.

Die Handlung spielt sich sehr geradlinig ab. Größere Überraschungen gibt es hier genauso wenig wie richtige Spannung, was deutlich mit Ennis‘ Interpretation von Batman zu tun hat. Die großen, entscheidenden Pointen der Geschichte sind der tiefschwarze, sadistische Humor und der Ekelschock. In seinen besten Werken wie zum Beispiel Preacher oder seinem Punisher-Run beherrscht Ennis dies meisterhaft. Das trifft ebenso auf Ennis‘ Kriegscomics zu, einem hierzulande eher ungewohntem Genre, das in Ennis‘ britischer Heimat aber lange Tradition hat. In diesen gelingt es ihm oft, mit extrem dargestellten Gewaltexzessen den ungeschönten Schrecken von Krieg und Gewalt schockierend nahe zu bringen und die aalglatten, entschärften Erzählungen von sauberen, heldenhaften Kriegen zu enttarnen. Andererseits kann Ennis auch ins übermäßige Extrem abgleiten, das dann eher bemüht „edgy“ oder unfreiwillig komisch wirkt, wie in Hellblazer: Son of Man oder Rover Red Charlie.

Batman: Reptil 2 verbleibt leider in einem unglücklichen Mittelfeld. Der schwarze Humor ist hauptsächlich an die Charakterisierung von Batman gebunden, auf die unten eingegangen werden wird. Die Schockmomente sind zum großen Teil mit Killer Crocs Mutation verbunden. Body-Horror, dass der eigene Körper sich unkontrollierbar verwandelt und einen zum Fremden im eigenen Leib verdammt, hat das Potenzial legendär unangenehm zu werden, man denke an Cronenbergs Die Fliege. Hier erschöpft es sich jedoch in spitzen Bemerkungen Batmans, ob Killer Croc Milch geben würde oder welche Genitalien er jetzt hätte. Das mag politisch unkorrekt sein, ist aber eigentlich zu schwach ausgeführt, um zu schockieren oder zu entrüsten.

Ansonsten fällt als wiederkehrendes Motiv des Autors Konstantin Volkov auf. Eine kleine Wurst, die von großen, bösen Männern benutzt, lächerlich gemacht oder in Lebensgefahr gebracht wird, taucht bei Ennis immer wieder auf, man denke an Hughie und Butcher in The Boys.

Charaktere

© Panini

An den Charakteren zeigt sich Ennis Einstellung deutlich. Alle außer Batman (und vielleicht Alfred, der aber nicht viel zu tun hat) sind auf die eine oder andere Art weinerliche Witzfiguren. Konstantin Volkov sticht hier ganz klar heraus. Aber auch Killer Croc, sonst ein monströser, bedrohlicher Kannibale, ist durchgehend perplex und steht nur schockiert herum, ohne zu verstehen was passiert, während Batman sich um alles kümmert. Selbst der Body-Horror-Aspekt geht ziemlich unter, da Killer Crocs Perspektive auf seinen mutierenden Körper von Batmans Spott verdeckt wird.

Batman ist letztendlich der Mittelpunkt des Bands. Hier kann man nicht anders, als Ennis Meinung in der Figur zu sehen. Dieser Batman ist ein arroganter, brutaler Tyrann. Er ist allen anderen, auch seinen „Schurken“, haushoch überlegen und die Kämpfe gegen sie dienen ihm nur zur Unterhaltung. Batmans berühmte eine Regel, niemanden zu töten, benutzt er hier als klare Drohung: Solange seine Gegner leben, sind sie ihm hilflos ausgeliefert, und er kann sie auf jede erdenkliche Art quälen. Und als „Held“ tut er natürlich alles, um das Leben seiner Feinde zu retten… Ansonsten spottet er über alles und jeden. Killer Croc sagt er sogar offen ins Gesicht, dass er sadistische Schadenfreude über dessen Schicksal empfindet. Joker lockt Batman in eine fast-tödliche Konfrontation mit dem Alienmonster und fragt danach den halbtoten Clown, wie ihm sein Humor gefalle. Dazu kommt, dass sich Batman immer wieder elitär über die dumme Unterschicht äußert.

An bestimmten Details der Sprache und der herablassenden Art zeigt sich hier, dass Ennis Batman als britisches Klischee eines reichen, elitären, dekadenten Schnösels schreibt. Logisch aufgrund Ennis‘ nordirischer Herkunft, insgesamt reicht das aber nicht. Batman ist hier das verbreitete Anti-Batman-Klischee eines reichen Sadisten, der Gewaltfantasien gegen wehrlose Opfer aus der Unterschicht auslebt. Das ist wie gesagt verbreitet, aber auch ziemlich verallgemeinernd über einen Kamm geschert. Insgesamt ist die Figur Batman durchaus komplexer und tiefgründiger. Für größere Batman-Fans, die auch eine Satire schätzen können, bleibt dieser Ansatz wahrscheinlich zu flach. Und auch, wenn es hier in der leicht anderen britischen Form ausgeführt wird, bietet dieses Batman-Konzept nicht wirklich genügend Material, um den ganzen Band zu tragen.

Zeichenstil

Liam Sharps Zeichnungen sind das Beste am Band. Sie sind in einem sehr ungewöhnlichen Stil angefertigt, den Sharp sonst nicht verwendet. Sharp zeichnet hier nicht, sondern malt einen surrealen Expressionismus. Hintergründe und Objekte schwanken zwischen detailliert und nicht vorhanden und die menschlichen Figuren zwischen Realismus und Cartoon. Es lässt sich eine gewisse Ähnlichkeit zu ausgefalleneren Stilen der frühen 90er wie dem englischen 2000AD-Magazin oder dem amerikanischen Vertigo-Verlag feststellen. Butler Alfred zum Beispiel ist fast photorealistisch dem Schauspieler Christopher Plummer aus dem Gesicht geschnitten, während Volkov eine knubbelige, verzogene Karikatur bleibt. Superschurken sehen kaum noch menschlich aus, vor allem Joker und Pinguin sind cartoonige Zerrbilder zwischen albernem Kinderbuch und groteskem Horror. Damit symbolisieren sie Ennis Meinung zu den Figuren, sind aber visuell bestimmt faszinierender als Ennis sie findet.

Batman, als Hauptfigur, wechselt zwischen verschieden Stilen. Von weiter weg ist er eine verzerrte, dünne Silhouette, auf mittlere Entfernung ähnelt er dem Batman von Zeichner Joe Kelly, ein gotisch stilisiertes Muskelpaket mit sehr langen Ohren und einer detailliert geformten Maske mit eingearbeiteten, finster zusammengezogenen Brauen. In der Nahaufnahme wiederum werden Maske und Mundpartie realistisch gezeichnet und oft erinnern Batmans grimmig nach unten gezogene Mundwinkel deutlich an den ikonischen Gesichtsausdruck der englischen Comicfigur Judge Dredd.

Diese surreal verzerrte Mischung aus Simon Bisley, Frank Frazetta und Dave McKean hat allerdings den Nachteil, dass alles insgesamt stilisiert unecht wirkt. Das ist insofern ein Problem, als dass die durch Killer Crocs Mutation berührten Body-Horror-Elemente graphisch nicht dargestellt werden und so der Effekt abgeschwächt wird.

Erscheinungsbild

Die Verarbeitung entspricht dem Panini-üblichen Standard. Das Titelbild mit Batmans Arm vor den zahnbewehrten Kiefern des Monsters sieht dezent bedrohlich aus, verrät aber nicht viel über den Inhalt.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini
  • Autor: Garth Ennis
  • Zeichner: Liam Sharp
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hartcover
  • Seitenanzahl: 84
  • Preis: 18 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Panini, Amazon, idealo

 

 

Fazit

Batman – Das Reptil 2 ist ein Garth-Ennis-Comic durch und durch. Das merkt man klar an wiederkehrenden Motiven, dem sadistisch-düsteren Humor und politisch unkorrekten Schock-Elementen. Man merkt aber auch ziemlich deutlich eine andere Seite von Ennis: dass ihm Batman völlig egal ist. Für eine wirkliche Batman-Satire, Parodie oder Dekonstruktion bleibt alles zu beliebig und nach aller Wahrscheinlichkeit fehlt Ennis dafür auch einfach das Interesse. Damit hält er ja wirklich nicht hinter dem Berg. Abgesehen vom Batman-Part können Humor und Schocks hier auch nicht richtig überzeugen. Ennis ist als Autor praktisch immer in einer empfindlichen Balance: Oft wünscht man sich einen Editor, der seine Exzesse einschränkt, zu viel Einschränkung aber und es wird belanglos.

Ob es hier an Vorgaben des Editors lag oder an Ennis‘ Desinteresse an der Materie, von der Handlung her könnte man das Comic wohl nur den größten Garth-Ennis-Fans empfehlen. Aber ursprünglich wollte Ennis die Minireihe Batman – Das Reptil ja machen, um für seinen befreundeten Zeichner zu werben. In dieser Hinsicht ist der Comic ein voller Erfolg. Der Zeichenstil ist zugegeben sehr ungewöhnlich und für manche vielleicht zu speziell, aber definitiv faszinierend und eine künstlerische Leistung. Eine explizite Empfehlung für die 18 EUR Kaufpreis kann hier nicht ausgesprochen werden, dafür ist die Handlung zu schwach. Garth-Ennis-Fans, Batman-Sammler*innen und Kunst-Interessierte können es aber allemal wagen.

 

  • Ungewöhnlicher Zeichenstil
  • Schwarzhumorige Batman-Satire
 

  • Schwache Handlung
  • Satire ziemlich flach

 

Artikelbilder: © Panini
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Susanne Stark
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

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