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Eine Welt wie die Unsere. Voller Menschen wie Du und Ich. Nur: In ihr existieren Superhelden, und die sind auch “nur Menschen“. Menschen mit unglaublicher Macht. Nur: Macht korrumpiert. Macht verdirbt den Charakter. Jemand muss dafür sorgen, dass die “Superhelden” sich benehmen. Hier kommen die Boys ins Spiel.

Was wäre, wenn es Superwesen wirklich gäbe? Diese Frage wurde oft gestellt und auch oft  zu Papier gebracht. Doch diese Reihe zeigt die Möglichkeiten einer solchen Realität weit offener, schonungsloser und zynischer als alles bisher dagewesene. Superhelden sind Ideale und Vorbilder, sie werden von den Medien gefeiert und von den Massen verehrt. Sie wandeln als Götter unter Sterblichen. Sie verkörpern alles, was menschlich ist – nur allzu menschlich. Denn hinter der goldenen Fassade verbirgt sich ein riesiger Haufen Exkremente. Ein Strudel aus Gewalt, Korruption, Politik, Machtgier, Angst, sexuellem Missbrauch und Gleichgültigkeit gegenüber den normalen Menschen. Nur wenige der sogenannten Helden hören noch auf ihr Gewissen, Neid und Intrigen sind an der Tagesordnung, und Teams sind reine Zweckgemeinschaften, um mehr Geld zu verdienen an den Merchandise-Rechten.  Ein Großkonzern hält die Fäden in der Hand. Jemand muss etwas tun!

Handlung

Hugh „Wee Hughie“ Campbell ist ein ganz normaler, etwas schüchterner Typ. Anfang Dreißig, ein bisschen nerdy, nicht wirklich sportlich und zufrieden mit dem Leben in Schottland. Sein Himmel hängt voller Geigen, denn soeben hat seine Freundin Robin erstmalig die drei magischen Worte gesagt – und er empfindet auch so. Da reißt aus heiterem Himmel der fliegende Körper eines sehr kräftig gebauten Mannes im Kostüm die zierliche Robin mit sich in eine nahe Mauer. Ein sehr schnell rennender, muskelbepackter Kerl stößt Hugh fluchend zur Seite bevor dieser überhaupt begreifen kann, was passiert ist.

Einige Zeit später wird der trauernde Hugh von einem Mann im dunklen Trenchcoat angesprochen, kurz nachdem eine Horde von Anwälten dem Verzweifelten durch die Blume zu verstehen gab, dass er besser den Mund über den Zwischenfall halten sollte, sonst würde er seines Lebens noch weit weniger froh sein. Der Mann im Trenchcoat nennt sich Billy Butcher und bittet Hugh ihm zu helfen, die Typen, die für den ganzen Mist verantwortlich sind, zur Verantwortung zu ziehen. Butcher ist Chef eines kleinen Teams, das unabhängig operiert und sich die übelsten Drecksäcke unter den sogenannten Helden vorknöpft. Finanziert werden sie auf dunklen Kanälen durch Teile der US-Regierung, die Butcher Gefallen Schulden und die ebenfalls etwas gegen die Superhelden-Willkür tun wollen, offiziell allerdings nichts tun können.

Etwa zur gleichen Zeit erfüllt sich für die junge Heldin Starlight, alias Annie January, ein Traum. Sie tritt den Seven bei. Dem größten Superheldenteam überhaupt. Als zweite Frau überhaupt. Seit sie ihre Kräfte erlangte, arbeitete sie zusammen mit anderen, jungen Helden in einem religiös orientierten Heldenteam im ländlichen Amerika. Ihr Aufstieg in die Oberliga ist für sie ein Geschenk Gottes. Doch ihr Glaube an Gott und die Helden wird auf eine harte Probe gestellt, als ihr Homelander, der mächtigste Held der Erde, den Initiationsritus des Teams enthüllt, mit heruntergelassener Hose.

Im elften Band wird die Vorgeschichte Butchers vertieft, und wie die Liebe einer Frau Billy vom Pfad der Gewalt abgebracht hat.

Von da an geraten beide Hauptakteure immer tiefer in die böse, korrupte Zwischenwelt der Superwesen. Hughie erhält unfreiwillig Kräfte und tötet versehentlich seinen ersten Helden. Annie überwindet ihre Abscheu und fügt sich, fest im Glauben, das Richtige zu tun, zum Wohle der Menschheit und zur Prüfung ihres Glaubens. Hugh beginnt seine neue Arbeit zu gefallen und seine Talente werden geschätzt, doch je mehr er über die wahren Hintergründe herausfindet, desto mehr wächst sein Misstrauen Butchers Motiven gegenüber, den er als Freund betrachtet. Aber bei einem Abendspaziergang im Central Park trifft er diese hübsche, sympathische Frau aus Kansas. Annie kämpft mit sich selbst und ihrer schweren Enttäuschung, ihr Glaube bröckelt zusehends, besonders als sie herausfindet, was mit ihrem Vorgänger im Team passiert ist. Doch dann begegnet sie eines Tages diesem netten Typen aus Schottland, der genau wie sie neu in New York ist und gerade einen neuen Job angefangen hat.

Charaktere

Hugh ist, wie Zeichner Darick Robertson offen zugibt, Schauspieler Simon Pegg nachempfunden. Etwas ungeschickt, zu Beginn schüchtern und verängstigt, wächst er immer mehr in seine neue Rolle als Ermittler gegen Superhelden hinein. Die massive und kaltblütige Gewalt, die dieser Job mit sich bringt, bereitet ihm tiefes Unbehagen. Doch erkennt er schon bald, dass nur so Wesen zur Rechenschaft gezogen werden können, die selbst vor nichts zurückschrecken und menschliche Moralvorstellungen abgelegt haben.  Seine Teamkameraden machen ihm teils Angst, doch sind sie bisweilen menschlicher als die hochgelobten Helden der Moderne.

Annies jugendlicher Idealismus und ihr Glaube, der bisweilen schon an Naivität grenzt,  sind ihre größten Schwächen in der finsteren Welt, in der sie sich plötzlich wiederfindet. Die pure Abartigkeit und Überheblichkeit ihrer Teamkollegen lassen Sie in tiefe Depression verfallen. Nach ihrem Treffen mit Hughie schöpft sie jedoch neuen Mut.

William „Billy“ Butcher ist auf einem Kreuzzug gegen die Superwesen dieser Welt. Er ist überzeugt, dass keines von ihnen unschuldig ist. Allen voran nicht Homelander, mit dem ihn etwas Schreckliches, sehr Persönliches in der Vergangenheit verbindet. Butcher will Rache und dazu ist ihm jedes Mittel recht. Seine Züge sind denen von Sänger und Aktivist Henry Rollins nachempfunden.

Zeichenstil

Darick Robertson’s Zeichnungen sind bisweilen sehr realistisch und gehen unter die Haut. Gesichtsausdrücke und Körpersprache sagen oft mehr als tausend Zeilen. Gerade bei Boys-Mitglied „Das Weibchen” (Original: The Female (of the species)), die scheinbar stumm ist und sich nur durch Blicke und Gesten verständigt. Stimmungen werden durch eine fortnehmend dunkle Farbpalette erzeugt, solange die Boys Fokus der Handlung sind. Hugh ist oft der Einzige im Team, der einen Farbklecks in die Umgebung bringt. Annie wird zunächst in helle Töne getaucht. Je mehr sich ihr Enthusiasmus verflüchtigt, desto dunkler wird ihre Welt.

Erscheinungsbild

Zwei wirklich dicke Sammelbände liegen vor. Schwer, doch noch gut zu lesen. Allerdings ohne eine Ablagemöglichkeit auf Dauer ermüdend. Beide Bücher zieren Team-Portraits der Boys. Vornehmlich in Schwarz gehalten vermitteln Sie einen guten Eindruck davon, dass ihr Inhalt keine leichte Kost ist.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini
  • Autor: Garth Ennis
  • Zeichner: Darick Robertson
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Comic-Album
  • Seitenanzahl: 368 / 384
  • Preis: 29,99 und 35,00 EUR
  • Bezugsquelle: Band 1Band 2

 

Bonus/Downloadcontent

Band 1 enthält einige Einblicke in den Entstehungsprozess der Charaktere von Darick Robertson, Skizzen und Anekdoten. Band 2 enthält eine Galerie der Cover der Originalausgaben.

Gerade wurde bekannt, dass Amazon Video die Comics als Serie in Auftrag gegeben hat. Unter anderem produziert von Seth Rogen, der bereits für Preacher verantwortlich ist und mit Karl Urban (Dredd) als Billy Butcher. Simon Pegg spielt aufgrund seines Alters nun den Vater des Charakters Hughie, welcher von Jack Quade (The Hunger Games) dargestellt wird.

Fazit

Im dritten Band wird erzählt warum das WTC in der Welt der Superhelden noch steht.

Garth Ennis’ satirisches Epos über die menschliche Natur und deren Umgang mit Macht erschien zuerst 2006. Die Nachwirkungen von 9/11 sind noch zu spüren, denn die Idee kam Ennis in 2002. So wird natürlich auch diese Katastrophe thematisiert. Sie ist ein Wendepunkt in der Wahrnehmung der Superhelden in der Welt. Die Katastrophe fand statt, jedoch anders als in unserer Welt. Der extreme Gehalt an Gewalt und Sex aller Art ließ andere Verlage erzittern und so wanderte die Serie zu Dynamite. Voller gelungener und vor allem sehr düsterer Parodien auf bekannte Superteams und mit einer gehörigen Prise schwärzestem Humor gespickt, ist es definitiv ein erwachsenes Vergnügen diese Serie zu lesen. Der Verlag empfiehlt sie ab 18. Die einzigartigen Sichtweisen der drei Hauptcharaktere Hughie, Annie und Butcher erlauben es, jeden Handlungsstrang von einer anderen Warte aus zu betrachten. Nur allzu verständlich sind Motivationen und Handlungen der Protagonisten. Nur allzu widerlich und erschreckend sind die Machenschaften von Helden und des Konzerns, in dessen Dienst sie stehen. Selbst unabhängige Helden haben ihre eigenen, schrecklichen Geheimnisse. Wie zum Beispiel die Iron-Man-Parodie (inklusive Batman Mash-Up) Tek-Knight, der an schwerer Sex-Sucht leidet und sogar die Wand seiner Basis zu begatten versucht. Die düstere X-Men-Parodie , welche Themen aufgreift, die unterschwellig bei den Originalen schon immer mitschwangen und welche die Charaktere der Helden herrlich überspitzt darstellt und deren Schwächen in den Vordergrund zerrt. Die tiefsten Abgründe menschlicher Psychosen und Überheblichkeiten werden ausgelotet. Bis alles auf ein überraschendes und  starkes Ende hinsteuert.

 

Artikelbilder: © Panini, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

 

10 Kommentare

    • Olaf Funke die Hamster Szene ging doch noch. Da gab es andere Sachen die ich schlimmer fand. Und wenn es im Rahmen bleibt habe ich da nichts gegen.
      Dann dürftest du vor Allem Preacher ja auch nicht mögen.

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