Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Die Geschichten der griechischen Mythologie gehören wohl zu den am häufigsten erzählten Geschichten. In Form von Opern, Romanen, Liedern und auch Comics werden sie immer wieder neu aufbereitet. Mit Lore Olympus setzt Rachel Smythe die Geschichte von Hades und Persephone als Graphic Novel um. Wir haben es uns angeschaut.

Es ist eine alte Geschichte, von der es wohl unzählige Versionen gibt. Hades, Herr der Unterwelt in der griechischen Mythologie, verliebt sich in die niedere Göttin des Frühlings, Persephone. Oder ist es gar nicht Liebe?

Zwei Schwergewichte mit schönem Cover-Art.
Zwei Schwergewichte mit schönem Cover-Art.

In der am der häufigsten vorkommenden Version hat Hades die schöne Persephone in die Unterwelt entführt. Ihre Mutter Demeter wollte versuchen sie zu retten, doch das würde sie nur tun können, falls Persephone noch nichts in der Unterwelt gegessen haben sollte. Da dies jedoch der Fall war, wurde ein Kompromiss geschlossen, denn Persephone als Göttin der Fruchtbarkeit und des Frühlings musste sie eben diesen in der Oberwelt sichern. So sollte sie eine Hälfte des Jahres in der Unterwelt verbringen und die andere in der Oberwelt – so wie der Wechsel der Jahreszeiten verläuft.

Doch so viel zu Theorie der Mythologie – denn das ist nur eine Grundlage, auf der Rachel Smythe ihre ganz eigene Geschichte der beiden Götter aufgebaut hat.

Content-Warnung

In Lore Olympus werden Themen wie physische und psychische Gewalt, sexuelle Traumata und toxische Beziehungen aufgegriffen und behandelt. Diese Content-Warnung steht auch am Anfang jeden Bandes.

[Einklappen]

Band 1 – Ein neues Gesicht im Olymp

Persephone ist eine noch sehr junge Göttin und wurde jahrelang von ihrer Mutter Demeter von Olympus, der Stadt, in der die Götter und viele andere mythische Geschöpfe leben, ferngehalten. Dies geschah zu ihrem Schutz, denn in Olympus geht es hoch her – wie man es auch aus der Mythologie kennt. Göttervater Zeus und seine Brüder sind berüchtigt für ihre Liebschaften und auch andere der Olympier sind darin nicht zurückhaltend. Vor diesen Exzessen wollte Demeter ihre Tochter beschützen.

Eingeleitet wird Band 1 von einem Zitat aus den Homerischen Hymnen.
Eingeleitet wird Band 1 von einem Zitat aus den Homerischen Hymnen.

Doch Persephone sehnt sich nach der Welt, in der ihre Verwandten hausen. Sie handelt mit ihrer Mutter aus, dass sie in Olympus studieren darf und eine Ausbildung zur „heiligen Jungfrau“ macht – wie Artemis, die Göttin der Jagd, bei der Persephone in der Stadt der Götter leben wird. Die Geschichte setzt an diesem Punkt an: Persephone ist neu in Olympus und auch ein neues Gesicht für viele Götter und Göttinnen und zieht sogleich die Aufmerksamkeit mancher von ihnen auf sich.

Und auch den Zorn einer dieser Göttinnen bekommt sie recht schnell zu spüren, was sie jedoch ungeahnt nahe an Hades kommen lässt.

Band 2 – Verloren im Beziehungs-Chaos

In diesem Band wird das Beziehungsgeflecht um Hades und Persephone weiter ausgebaut und auch deren alltägliches Leben verfolgt. Während der erste Band noch dazu diente, das Grundgerüst der Geschichte aufzubauen, erhalten Lesende hier tieferen Einblick in die Verstrickungen der Götter – wer mit wem etwas hat und mit wem verwandt ist. Dies allein könnte mehrere Bände füllen, doch die eigentliche Geschichte selbst gerät dabei nicht in Vergessenheit.

Denn selbstverständlich gibt es einiges, das dem Glück von Hades und Persephone im Wege steht (sonst wäre die Graphic Novel viel zu schnell beendet). Dies sind sowohl Dinge, die von Hades und Persephone selbst ausgehen, aber auch solche, die von außen auf die beiden Götter einwirken. So müssen sie sich ihren eigenen Dämonen stellen, die nach und nach enthüllt werden. Beide Hauptcharaktere haben ihr Päckchen zu tragen und zusätzlich gibt es den ein oder anderen Eifersüchtigen, der versucht zu verhindern, dass Hades und Persephone zueinander finden.

Gleichzeitig folgt dieser Band aber auch diversen anderen Göttern dabei, wie sie ihren Alltag und ihre göttlichen Aufgaben hinter sich bringen. Dies gibt zum einen Kontext für manche Geschehnisse bringt aber auch mehr Tiefe für die Nebencharaktere.

Die Stadt der Götter und das Land der Menschen

Ein paar Worte seien noch zum allgemeinen Setting gesagt. Lore Olympus spielt grundsätzlich im historischen Griechenland, das heißt die Menschen dort leben ohne Technologie und moderne Erfindungen. Die Götter jedoch leben in einer modernen Großstadt – es gibt Autos, Smartphones, Universitäten und die Unterwelt ist wie ein großes Unternehmen aufgebaut und auch die Götter selbst sind modern dargestellt in Kleidung und Stil.

Beides steht hier und dort in krassem Gegensatz, spielt jedoch für die Story kaum eine Rolle, da das Geschehen bei den Menschen nur selten behandelt wird. Dennoch soll diese Idee der modernen Umgebung für die Stadt Olympus als originell hervorgehoben werden. Das gibt dem ganzen einen modernen Touch und macht es einfacher, sich in das Geschehen hineinzufühlen.

Charaktere

Im Mittelpunkt der Graphic Novel stehen Hades und Persephone. Die Gedanken- und Gefühlswelt beider Charaktere wird ausführlich beleuchtet und sie erhalten viel Tiefe. Persephone ist unsicher, gefangen zwischen dem Bedürfnis, ihren eigenen Weg im Leben zu wählen und dem, das Vertrauen ihrer Mutter nicht zu enttäuschen. Es ist ganz klar spürbar, dass sie noch jung ist, zusätzlich ist sie häufig nicht Herrin ihrer Gefühle, die sich in spontanem Haar- und Pflanzenwachstum auf ihre Umwelt auswirken können.

Auch schwierige Themen werden aufgegriffen und gut vermittelt.
Auch schwierige Themen werden aufgegriffen und gut vermittelt.

Hades dagegen scheint verbittert und unzufrieden mit dem, was die Welt bisher für ihn bereithielt. Doch schnell wird klar, dass darunter ein sehr weicher und liebenswerter Kern lauert, der nur hervorgelockt werden muss. Diese Charakterbilder sind klassisch für eine romantische Geschichte und lassen die Graphic Novel leicht kitschig wirken. Was sie jedoch ganz bewusst auch ist, denn sie stellt die „Liebe auf den ersten Blick“ ins Rampenlicht, auch wenn es einige Hindernisse zu bewältigen gilt.

Außerdem gibt es jedoch auch eine Vielzahl weiterer Charaktere aus dem griechischen Pantheon, allen Voran Artemis (Persephones Mitbewohnerin), Hermes, Apollo, Hera, Zeus und Poseidon. Auch die Nebencharaktere erhalten viel Tiefe und erfüllen die erzählte Geschichte so mit noch mehr Leben und Tiefe. Manche Szenen werden sogar ganz aus Sicht einer der Nebencharaktere erzählt, was andere Blickwinkel auf das Geschehen um die verliebten Götter eröffnet.

Zeichenstil

Der Zeichenstil ist relativ simpel gehalten, hat genau deswegen einen eigenen Charme. Ohne viel Details wird genau so viel abgebildet, wie für die jeweilige Szene benötigt. Im Vordergrund der Panels stehen die Charaktere, der Hintergrund ist nur selten detailliert ausgearbeitet, teilweise ist er gar nicht vorhanden. Da der Fokus der Erzählung auf dem Zwischenmenschlichen liegt, erscheint dies auch passend.

Die meisten Szenen kommen ohne detaillierten Hintergrund aus.
Die meisten Szenen kommen ohne detaillierten Hintergrund aus.

Jeder der Charaktere hat eine andere Hauptfarbe, die diese leicht unterscheidbar machen. Persephone ist pink, Hades blau, Poseidon grün. Dabei können Farben natürlich nicht einzigartig vergeben werden, aber die Hauptcharaktere und häufigsten Nebencharaktere sind gut farblich und durch eigenen Kleidungsstil oder Körpermerkmale (Poseidon hat zum Beispiel kleine Flossen als Ohren) wiederzuerkennen.

Ein wenig erinnert der Zeichenstil außerdem an frühe Konzeptzeichnungen von Frozen.

Erscheinungsbild

Die Graphic Novel liegt als Hardcover mit einem festen Einband vor. Für jeweils knapp 400 Seiten schlagen beide Bände mit etwa 1 kg Gewicht zu Buche. Das ist recht schwer, weshalb es beim Lesen auch schon ein kleiner „Brocken“ sein kann. Dies bedeutet auch, dass das Papier etwas dicker ist, sodass die Panels der nachfolgenden Seite nicht durchscheinen sollten. Leider tun sie dies dennoch ein kleines bisschen, stören den Lesefluss aber kaum.

Beide Bände sind in Voll-Farbe, was auch wichtig ist, da die Götter hauptsächlich anhand unterschiedlicher Farben auseinandergehalten werden können. Die Panels variieren in der Größe sehr stark und manchmal fühlt es sich so an, als wäre eine Seite nicht optimal ausgenutzt, was die Graphic Novel künstlich in die Länge zieht.

Alles in allem hat der*die Lesende ein sehr wertig gearbeitetes Produkt in der Hand, das später nach dem Lesen im Regal sehr schön aussieht.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Lyx Verlag
  • Autorin: Rachel Smythe
  • Zeichnerin: Rachel Smythe
  • Erscheinungsjahr: 2022
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 384 (Band 1), 368 (Band 2)
  • Preis: 24,00 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon: Band 1, Band 2, idealo

 

 

Bonus/Downloadcontent

Lore Olympus kommt von der Plattform Web Toon und ist in der App kostenfrei lesbar. Dort umfasst die englische Webserie mittlerweile rund 230 Episoden, in 3 Seasons unterteilt.

Wer Schwierigkeiten hat, den Verwandtschaftsverhältnissen zu folgen, findet auf der Webseite des Verlages eine Kurzübersicht über die Charaktere.

Fazit

Lore Olympus ist genau das, was in Werbetexten versprochen wird: „Modern, romantisch & berührend“, aber vor allem romantisch. Die erzählte Geschichte reißt mit und entspricht auch dem klassischen Bild einer Romanze: Person A verliebt sich Person B, aber etwas hindert das Glück der beiden. Dadurch wirkt es teils recht kitschig, bearbeitet aber auch eine Menge sehr ernster Themen.

Dabei kann es zwischenzeitlich durchaus düster werden und der*die Lesende wird von den Ereignissen mitgerissen. Wer sich emotional gern in Geschichten verliert, kann hier gleichermaßen Lachen, Weinen und Freude mit den Charakteren empfinden.

Für den Preis erhält man ein sehr hochwertiges Produkt, das zum einen gut gearbeitet ist und zum anderen eine schöne Geschichte erzählt, die zum Weiterlesen einlädt. Rachel Smythe erfindet dabei die Geschichte hier und dort teils neu, greift mythologische Grundlagen auf und spinnt diese um, sodass die Story keinesfalls vorhersehbar wird.

  • Charaktere mit viel Tiefe
  • Bekannte Geschichte, neu erzählt
  • Schöner Zeichenstil
 

  • Stellenweise sehr kitschig
  • Als Hardcover sehr schwer
 

 

Artikelbilder: © Lyx
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Nina Horbelt
Fotografien: Verena Bach
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein