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Sich durch den Tartarus schnetzeln, im Asphodeliengrund Bündnisse mit Göttern eingehen und in Elysion dem Minotaurus gegenübertreten: All das kann man im Rogue-like Hades von Supergiant Games. Wieso es zu den besten Spielen des Jahres 2020 gehört, haben wir uns angeschaut.

Im September 2020 kam Hades für die Switch und den PC heraus und konnte seitdem eine Menge Awards und Nominierungen abräumen. Doch was macht ein Rogue-like so besonders, kann es auch über längere Zeiträume begeistern? Und was ist ein Rogue-like überhaupt? Rogue-like bezeichnet eine Gattung Spiel, welches sich vor allem durch das Fehlen von Speicherpunkten auszeichnet. Stirbt der*die Held*in, muss das Spiel von vorn begonnen werden. Namensgebend war dabei das Spiel Rogue aus den 1980ern.

Mein Wissen über das Spiel beruht auf etwa 40 Stunden Spielzeit (und da ist noch eine Menge Luft nach oben!) und etwa genauso viel Zuschauzeit bei Anderen – ich schaue nämlich gern beim Spielen zu, und das kann bei Hades auch spannend sein.

Mit dem Schwert aus der Unterwelt hinaus

Es gibt keine Einführung, kein Tutorial. Man steht einfach als Zagreus, Hades’ Sohn, am Beginn des Tartarus, mit nichts als einem Schwert bewaffnet und einer Nachricht von einem der Götter des Olymps.

Wie das Spiel funktioniert, welche Tasten welche Angriffe auslösen und was man da eigentlich tut, das muss nach und nach selbst herausgefunden werden. Und allein dafür gehen schon ein paar Stunden Spielzeit drauf. Und auch Zagreus geht drauf – am laufenden Band. Erst wird er von einer Keule getroffen, dann rast ein Schädel in ihn hinein und irgendwann steht er unvorsichtigerweise zu lange in der Lava des Asphodeliengrundes.

Zagreus ist nicht besonders haltbar zu Beginn – doch keine Sorge, es wird besser und als Spieler*in wird man auch besser darin, den kleinen Gott länger überleben zu lassen. Und es ist auch gar nicht schlimm, dass er ständig stirbt – denn wie jede Seele im Reich der Toten, taucht er im Haus des Hades wieder auf … nur um dann sehr zum Unmut seines Vaters einen erneuten Fluchtversuch zu starten.

Denn das ist es, worum es in Hades geht: Sohn Zagreus ist es überdrüssig, in der Unterwelt unter der Fuchtel seines Vaters Hades zu versauern und will fliehen. Doch ist das alles? Oder steckt mehr dahinter?

Aber … Wie geht das denn nun eigentlich?

Das zugrunde liegende Spielprinzip ist sehr einfach: Man tötet in einzelnen Scharmützeln Gegner, wodurch der Charakter stärker wird, und kann sich so neuen, größeren Gefahren stellen. An sich wurde das Rad also nicht neu erfunden und es mutet zunächst wie ein dungeoncrawliges Hack and Slay an. Doch hinter der einfachen Fassade steckt eine ganze Menge Inhalt.

Doch zunächst zu den Grundlagen. Es gibt vier verschiedene Aktionen, die je nach Waffe variieren können. Waffen gibt es sechs Stück, wobei Schwert, Schild, Bogen und Speer nach dem ersten Lauf bereits freigeschaltet sind – die anderen kommen später und sollen hier nicht verraten werden. Die nun geschilderte Steuerung beruht auf der Standard-Tastenbelegung der Switch:

  • Angriff: Durch Drücken der Y-Taste greift man an. Simpel, einfach, direkt.
  • Spezialität: Jede Waffe hat eine eigene Spezialität. So kann der Speer geworfen oder eine Pfeilsalve mit dem Bogen verschossen werden.
  • Spurt: Durch Drücken des B-Knopfes spurtet Zagreus ein kleines Stück – sehr praktisch, um durch Wände zu kommen oder einem Angriff auszuweichen.
  • Wurf: Zagreus hat drei Geschosse, die er auf seine Gegner werfen kann. Diese bleiben stecken und können später wieder eingesammelt und neu geworfen werden.

Im späteren Spielverlauf kommen noch zwei weitere Aktionen hinzu, die man jedoch selbst entdecken sollte. Außerdem kann jede dieser Aktionen durch Gaben der Götter oder Upgrades mit dem Hammer des Daidalos verbessert und aufgewertet werden.

Das Spiel ist schnell gelernt, aber nicht einfach zu meistern. Bei der Flucht aus der Unterwelt unterstützen verschiedene olympische Gottheiten und bringen ihre Gaben mit – so erlaubt es Dionysos, die Gegner zu vergiften, Zeus lässt Blitze herabfahren und Artemis hilft bei der Treffsicherheit.

Was ist das Besondere an Hades?

Hades bietet viele Stunden Spielspaß, die sogar in den dreistelligen Bereich gehen können. Zum einen ist da das Verlangen, es immer weiter in Richtung Oberfläche zu schaffen – was Zagreus stets mit einem Kommentar quittiert. Außerdem stellt sich schnell heraus, dass eine ganze Menge Story hinter dem Rogue-like steckt, die man zwischen den einzelnen Läufen nach und nach erkunden kann. Dabei sind diese Läufe in der Regel nur 30 bis 75 Minuten lang, so dass man auch mal schnell eine Runde spielen kann.

Schon früh ist klar, dass es um mehr geht als die reine Flucht aus der Unterwelt, auch wenn selbst der Hauptcharakter das zu Beginn noch nicht ahnt. Doch sowohl Spieler*in als auch Zagreus bekommen schnell einen guten Anreiz, immer und immer wieder von vorn zu beginnen, und das mindert enorm jeden Frust, der durch ständiges Sterben ausgelöst werden kann.

Die Unterwelt besteht aus vier verschiedenen Ebenen, die jeweils einen Endgegner haben, bevor man in die nächste Ebene aufsteigen kann. Dabei kann man verschiedenen NPCs begegnen, die das Spiel mit mehr Hintergrund bereichern.

Zum einen gibt es die Olympischen Götter, die versuchen, bei der Flucht durch ihre göttlichen Gaben auszuhelfen. Sie schicken Nachrichten, die zwar nicht beantwortet werden können, aber durchaus unterhaltsam und sehr informativ sind. In seltenen Augenblicken tun sich auch mal zwei von ihnen zusammen, wodurch man meist bessere Upgrades bekommt. Ein paar von diesen Duos empfinde ich persönlich als nicht besonders gut, doch ab und an ergibt es durchaus Sinn, diese zu wählen, denn nur so kann man die Prophezeiungen der Schicksalsgöttinnen erfüllen, was natürlich auch wieder Boni bringt.

Des Weiteren gibt es sowohl in den einzelnen Ebenen der Unterwelt als auch im Haus des Hades eine Menge Figuren aus der griechischen Mythologie, die sich teils als Freunde und teils als Feinde herausstellen. So kann man Sisyphos treffen, der immer mühsam seinen Felsen den Berg hinaufrollt. Hypnos erfasst die Seelen, die im Haus des Hades landen, Achilles stellt sich als Zagreus‘ Lehrmeister im Kampf heraus und vor den mächtigen Erinnyen sollte man sich im Kampf lieber in Acht nehmen. Die meisten Figuren haben dabei eine eigene Geschichte zu erzählen, die nach und nach aufgedeckt wird. Das geschieht jedoch nur von Lauf zu Lauf und mit jedem Mal erfahren die Spielenden mehr über die Charaktere – ein weiterer Anreiz, immer und immer wieder die Flucht aus der Unterwelt zu wagen.

Die Geschichte ist interessant und packend und vermittelt eine Menge Wissen über die griechische Mythologie – wobei sich die Entwickler an manchen Stellen von dieser entfernen, was jedoch nicht stört, denn immerhin ist ein wenig künstlerische Freiheit immer in Ordnung.

Tisiphone ist eine der Erinnyen. Sie mag zwar nicht gesprächig sein, dafür ist sie umso gefährlicher im Kampf. © Supergiant Games
Über den Tellerrand: Mythologische Hintergründe

In der Mythologie ist Zagreus der Sohn von Zeus, oberster Gott des Olymps, und Persephone, Göttin der Fruchtbarkeit, der Toten und der Unterwelt. Zunächst wird der Sprössling der beiden Götter geheim gehalten, doch natürlich findet Hera, Zeus‘ eifersüchtige Gemahlin, es heraus und entsendet in ihrem Zorn die Titanen, um das Kind zu töten. Denen gelingt es, Zagreus zu finden, im Kampf zu bezwingen und zu verspeisen. Dies ruft erneut Zeus auf den Plan, der die Titanen mit Blitzen zerschmettert. Durch den herabfallenden Regen vermischt sich der Staub, der von den Titanen übrigbleibt, mit den Überresten von Zagreus zu einer schlammigen Masse, aus der Prometheus den Menschen formt.

In anderen Mythen ersteht Zagreus als Gott Dionysos aus einer Weinrebe, die aus seinen Überresten wächst, oder wird im Hades wiedergeboren und lebt dort bei seiner Mutter Persephone, der Gemahlin des Hades. Wie so häufig in der Mythologie sind die Varianten vielfältig und lassen viel Interpretationsspielraum – den Supergiant Games sich zunutze gemacht hat.

Gameplay, Grafik und Sound machen ein rundes Spielerlebnis

Alles in allem ist Hades ein Spiel mit einem hohen Wiederspielwert, bei dem man die Geschichte der Charaktere gern mitverfolgt. Abgerundet wird dies von einer schönen Grafik und einem guten Soundtrack. Im isometrischen Blickwinkel wird man durch das Spiel geführt, die Räume werden zufällig generiert und enthalten eine Vielzahl von herausfordernden Gegnern, gegen die im späteren Spielverlauf neue Herausforderungsgrade gewählt werden können, um das Spiel nicht zu einfach werden zu lassen.

Der Soundtrack ist größtenteils instrumental für die Kampfsequenzen, überrascht aber mit wunderschönen Liedern, die in manchen Situationen die aktuelle Story – oder NPC – begleiten. So findet man Eurydike, die Nymphe, stets singend an ihrem Zufluchtsort und es lohnt sich, einen Moment lang stehen zu bleiben und ihren Gesang zu genießen. Wer diesen Soundtrack gern erwerben möchte, kann ihn für 10 Euro mehr bei Steam dazukaufen.

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: Supergiant Games
  • Publisher: Supergiant Games
  • Plattform: Windows, macOS, Nintendo Switch
  • Sprache: Englisch (Untertitelsprache wählbar)
  • Mindestanforderungen (PC): CPU: Dual Core 2.4 GHz; RAM: 4 GB RAM; GPU: 1GB VRAM / DirectX 10+ Support; OS: Windows; Speicherplatz: 15 GB
  • Genre: Rogue-like
  • Releasedatum: 17.09.2020
  • Spielstunden: 40
  • Spieler*innen-Anzahl: Single-Player
  • Altersfreigabe: 12
  • Preis: 20,99 EUR (Steam), 30,99 EUR (Switch)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, idealo, Steam

 

Eurydikes Zufluchtsort vermittelt ein wenig heimische Atmosphäre inmitten der Lavaströme Asphodels. © Supergiant Games
Eurydikes Zufluchtsort vermittelt ein wenig heimische Atmosphäre inmitten der Lavaströme Asphodels. © Supergiant Games

Viel Spielspaß und kaum Abstriche

Die Steuerung und auch die Effekte der Boni und Upgrades sowie die der sammelbaren Gegenstände und Währungen sind in Hades schnell gelernt. So kann direkt tief eingetaucht werden, um ein interessantes Spielerlebnis zu schaffen, das gern immer wieder erlebt wird. Dabei hat es Hades sogar geschafft, mich zu begeistern, obwohl ich solche Spiele eigentlich gar nicht gern spiele. Normalerweise landet mein Controller schnell in einer Ecke und ich fasse das Spiel nie wieder an, wenn ich an einer Aufgabe zu oft scheitere.

Dieses Scheitern ist jedoch essenzieller Bestandteil des Spieles und Hades schafft es, dass es nicht schlimm ist, Rückschläge hinzunehmen. Stattdessen spornt es auf eine Art und Weise an, die ich für mich selbst nicht für möglich gehalten habe, denn mit jedem herben Rückschlag, mit jedem Scheitern kommt man in den Genuss eines neuen Teils der Story. Natürlich gibt es auch Momente, in denen man nicht scheitert, doch so viel sei gewiss: Erst dann beginnt das Spiel so richtig. Ich werde sicher noch viele Stunden Zeit in Hades versenken und immer wieder versuchen, aus der Unterwelt zu fliehen. Was dabei meine liebste Waffe ist? Nun, ich mag alle sehr gern, aber wohl den Speer am liebsten.

Leider etwas einfallslos: Aphrodites Artwork bedient ein paar Klischees zu viel. © Supergiant Games

Wirklich schlecht kann ich an Hades nichts finden – lediglich das Artwork zu Aphrodite finde ich einfallslos und langweilig, wo doch alle anderen so gute und schöne Darstellungen haben. Meiner Ansicht nach kann eine Göttin der Liebe und Schönheit auf andere und schönere Arten dargestellt werden, als einfach nur nackt – vor allem, wenn die anderen Figuren so schöne Details in ihren Artworks haben.

Einige der Gaben und Boni finde ich persönlich für mein Spiel nicht so bereichernd, andere Personen vielleicht schon, denn in Hades kann man sehr gut seinen eigenen Spielstil durch die Kombination der Möglichkeiten ausleben.

 

Artikelbilder: © Supergiant Games
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Alexa Kasparek
Screenshots: Verena Bach
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

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