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Schon wieder ein Koop-Game durchgespielt und kein neues in Sicht? Zwischen dem Durchspielen des einen und dem Release des nächsten vergeht oft viel Zeit. Warum es Sinn ergeben kann, nebeneinander das gleiche Spiel zu spielen und was es dabei zu beachten gilt, erfahrt ihr hier.

Mein Mann und ich spielen leidenschaftlich gerne zusammen Videospiele. Glücklicherweise gibt es auch einige großartige Games, die man gemeinsam zocken kann: Wir haben einige unserer Koop-Game-Empfehlungen in einem Artikel zusammengefasst und auch It Takes Two soll hier nicht unerwähnt bleiben.

Dennoch sind die meisten Spiele auf dem Markt nach wie vor Singleplayer-Games. Darüber hinaus gibt es noch einige, die bloß über eine abgespeckte Variante für das kooperative Spiel verfügen. In Kirby und das vergessene Land kann die mitspielende Person beispielsweise einen Waddle Dee steuern und so beim Spiel unterstützen – die spannendsten Features des Spiels bleiben jedoch Kirby vorenthalten, sodass eine Menge Spielspaß für Mitspielende auf der Strecke bleibt.

Die spannenden Monsterfähigkeiten sind Kirby vorbehalten. © HAL Laboratory
Die spannenden Monsterfähigkeiten sind Kirby vorbehalten. © HAL Laboratory

Es gibt einige Spiele, die Koop-Gaming noch weniger ernst nehmen: Super Mario Odyssey und Arise: A Simple Story sowie Captain Toad: Treasure Tracker sind Beispiele hierfür. Hier wird lediglich die Singleplayer-Steuerung auf die beiden Controller aufgeteilt, statt anständiges Koop-Gaming zu ermöglichen, bei dem beide Spielenden die vollwertige Spielerfahrung erleben. Andere Titel wie Dragon Quest Builders 2 haben zwar einen Koop-Modus, allerdings können lediglich bestimmte Teile des Spiels gemeinsam gespielt werden, während die Hauptkampagne nur allein spielbar ist.

Für paralleles Spielen braucht man alles doppelt.
Für paralleles Spielen braucht man alles doppelt.

Da gute Koop-Games (die unserem Geschmack entsprechen) seltener erscheinen als wir sie durchspielen, sind wir stets auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, unserem gemeinsamen Hobby zusammen nachzugehen statt nebeneinanderher. So haben wir uns bei einigen Spielen den Controller geteilt, allerdings wollen dafür die Spiele gut ausgewählt sein.

Als wir schließlich Anfang 2021 beide versessen darauf waren, Pokémon Legenden: Arceus zu spielen und nicht aufeinander warten wollten, kam uns der Geistesblitz: Vielleicht muss man sich den Controller nicht teilen, um ein Singleplayer-Spiel zusammen zu spielen?

Seit einem Jahr betreiben wir daher, was wir inzwischen „Parallel-Gaming“ getauft haben – jeder spielt für sich, aber doch zusammen. Bisher haben wir auf diese Weise fünf Titel gespielt und dabei einige Erfahrungswerte gesammelt. Wie das funktioniert, was es dabei zu beachten gibt und welche Arten von Spielen sich dafür eignen, erfahrt ihr in diesem Artikel.

Parallel-Gaming

Der grundlegende Gedanke ist denkbar simpel: Beim Parallel-Gaming spielen wir das gleiche Spiel zur selben Zeit – jeder auf dem eigenen Gerät. Damit wir jedoch nicht einfach aneinander vorbei spielen, sondern ein gemeinsames Erlebnis daraus wird, bei dem alle Spaß haben, gilt es, einige Dinge zu beachten.

Jede*r für sich, alle gemeinsam

Die Idee hinter Parallel-Gaming ist, ein gemeinsames Erlebnis zu schaffen. Daher ist wichtig, dass die Spielenden nicht ihr eigenes Ding machen, sondern gemeinsam agieren. Viele aktuelle Spiele geben den Spielenden gewisse Freiheiten dabei, wie sie Probleme im Spiel lösen und in welcher Reihenfolge sie Aufgaben erledigen. Daraus ergeben sich Fragen, die es sich im Parallel-Gaming gemeinsam zu erörtern lohnt. Welches Gebiet wird als nächstes erkundet? Welche Dialogoptionen wählen wir? Wenn es mehrere Wege gibt, Quests abzuschließen – welche wählen wir?

In Spielen, bei denen das Erkunden der Spielwelt ein Kernelement des Erlebnisses ausmacht, ergibt es Sinn, „zusammen“ zu bleiben, also dieselben Gebiete gleichzeitig zu erkunden. Dadurch erhalten wir das Gefühl, gemeinsam durch die Spielwelt zu stapfen, auch wenn wir uns in separaten Welten befinden.

Wir haben Elden Ring größtenteils parallel gespielt, weil der Koop-Modus eher dürftig ausgefallen ist. © FromSoftware

Das gemeinsame Erleben eines Spiels auf diese Weise kann währenddessen und nachfolgend die Kommunikation anregen. Besonders Spiele, die den Spielenden viele Freiheiten geben, wie beispielsweise The Legend of Zelda: Breath of the Wild, laden dazu ein, vor und nach dem Spielen Ideen zu entwickeln und sich darüber auszutauschen.

Mit Bleifuß durch die Spielwelt?

Wie gut eine Person sich in einer Spielwelt zurechtfindet, hängt von vielen Faktoren ab. Zum einen spielt die allgemeine Erfahrung mit Videospielen eine Rolle, aber auch die Bekanntschaft mit dem Genre, dem spezifischen Spiel oder der Reihe kann das Tempo beeinflussen, mit dem sich verschiedene Spielende gut fühlen.

Mein Mann und ich haben beim kooperativen Spielen jeweils die unangenehme Erfahrung gemacht, von unserem Partner durch die Spielwelt geschleift zu werden. Beide hatten wir dabei keine schöne Zeit, weil wir jeweils keine Gelegenheit hatten, Spielmechaniken zu verinnerlichen, die dem anderen bereits ins Blut übergegangen sind, oder uns in der Welt zu orientieren.

Daher ist sowohl beim kooperativen Spielen als auch beim Parallel-Gaming besonders wichtig, dass stets die Person das Tempo angibt, die weniger erfahren ist – ob nun allgemein in Videospielen oder in dem jeweiligen Spiel oder Genre. Rücksicht und eine offene Kommunikation über die eigenen Bedürfnisse sind dabei essenziell, um ein harmonisches Miteinander zu garantieren.

Warte auf mich!

Aufgrund verschiedener Faktoren kann es beim Parallel-Gaming dazu kommen, dass wir auf die mitspielende Person warten müssen. Wird auf unterschiedlichen Systemen gespielt, kann es beispielsweise auf dem einen zu längeren Ladezeiten kommen. Das haben wir deutlich gemerkt, als wir Elden Ring auf PS5 und PS4 gespielt haben.

Auch der Spielstil kann das Tempo beeinflussen: Ebenfalls bei Elden Ring hat mein Mann einen Magier-Charakter gespielt, der viele der Bosse im Handumdrehen erlegt hat. Derweil brauchte mein Nahkampf-Charakter wesentlich länger – und zwischendurch auch mehrere Versuche. Besonders wenn das Skill-Level einen Einfluss auf das Spieltempo hat, ist es hier wichtig, sich in Geduld zu üben. Falls eine Person einen schwierigen Teil schon erfolgreich hinter sich gebracht hat, kann sie gegebenenfalls Hilfestellungen bei kniffligen Kämpfen oder Rätseln geben. Im Fall von Elden Ring kann man einander sogar beschwören, um bei einem besonders schweren Boss aktiv zu helfen.

Kochen lässt die Downtime schneller vergehen und bereitet uns auf kommende Abenteuer vor. © Nintendo
Kochen lässt die Downtime schneller vergehen und bereitet uns auf kommende Abenteuer vor. © Nintendo

Spiele mit Crafting-System kommen außerdem besonders gut zur Geltung: Wartezeiten können wir ideal nutzen, um Gegenstände herzustellen oder Material zu sammeln. In Breath of the Wild haben wir oft eingekauft und gekocht, während der andere noch mit etwas anderem beschäftigt war.

Ruhe bewahren

Wie bei allen gemeinsamen Hobbies kann es auch beim Parallel-Gaming zu Situationen kommen, in denen die Gemüter heiß laufen. Befindet man sich gerade mitten in einer brenzligen Auseinandersetzung mit Monstern, während die mitspielende Person unablässig vor sich hinplappert, kann schonmal der eine oder andere genervte Kommentar fallen.

Stressige Spielsituationen können die Harmonie ins Wanken bringen. | Depositphotos © Mikos
Stressige Spielsituationen können die Harmonie ins Wanken bringen. | Depositphotos © Mikos

Bei Absprachen und Hinweisen wird uns darüber hinaus immer wieder schmerzlich bewusst, wie schwierig es ist, eindeutig zu kommunizieren: „Da“ ist eine erstaunlich unnütze Ortsangabe, wenn die andere Person ständig die Perspektive ändert und nicht einordnen kann, wo man gerade hinschaut.

In solchen Situationen heißt es: Ruhe bewahren. Wir sind alle hier, um Spaß zu haben. Im Zweifelsfall hilft die Devise: Lieber einmal zu oft entschuldigen als zu wenig.

Ein teurer Spaß

Die Voraussetzung für Parallel-Gaming ist, dass zwei Ausführungen von allem im Haus sind: zwei Konsolen und/oder Rechner, zwei Ausgaben des Spiels, zwei Bildschirme. Das kostet ungleich mehr und stellt damit natürlich eine relevante Investition dar. Für uns hat es sich allemal gelohnt – wir spielen inzwischen rund jedes zweite Spiel auf diese Art und Weise. Außerdem muss nicht zwangsweise alles doppelt vorhanden sein.

Die Nintendo Switch kann beispielsweise im Handheld-Modus gespielt werden, sodass sich ein Bildschirm erübrigt. Darüber hinaus lässt sich auch ein Monitor statt eines Fernsehers verwenden. Bei uns spielt stets einer auf der Leinwand mit Beamer, der andere auf einem PC-Monitor. Dazu haben wir einen Tingby-Rolltisch zu einer kleinen Gaming-Station umfunktioniert.

Zwischen den Spielsitzungen kann die Gaming-Station in eine unauffällige Ecke geschoben werden.
Zwischen den Spielsitzungen kann die Gaming-Station in eine unauffällige Ecke geschoben werden.

Spiele, die für mehrere Plattformen verfügbar sind, können auch auf unterschiedlichen Systemen parallel gespielt werden. So kann eine Person am PC, die andere auf der Konsole spielen, wenn diese bereits vorhanden sind. Bei uns hatte die Anschaffung der neuesten Konsolen-Generation perfektes Timing: Ungefähr zum Release von Elden Ring haben wir eine PS5 in die Hände gekriegt, während die PS4 noch im Hause war – so konnten wir das Spiel auf beiden Systemen parallel zocken, ohne zusätzliche Hardware zu benötigen.

Das richtige Spiel finden

Leider sind nicht alle Spiele gleich gut für Parallel-Gaming geeignet. Unser erster Versuch war direkt ein Griff ins Klo: Pokémon Strahlender Diamant und Leuchtende Perle sind äußerst ungeeignet für Parallel-Gaming.

Durch das lineare Design gibt es praktisch keine Notwendigkeit, sich abzusprechen. Das Kampfsystem ist darüber hinaus derart simpel (und hauptsächlich vom Level der Monster abhängig), dass auch hier keinerlei Interaktion zwischen den Spielenden hilfreich ist. Außerdem sorgen Zufallsbegegnungen dafür, dass ein ansonsten synchrones Spielerlebnis aufgebrochen wird.

Indem wir weitere Spiele parallel gespielt haben, konnten wir jedoch einige Merkmale identifizieren, die zu einem positiven Parallel-Gaming-Erlebnis beitragen können.

Erkundung und offene Welten

Spiele, in denen Erkundung ein Kernelement des Spielerlebnisses darstellt, profitieren enorm von Parallel-Gaming. Besonders ein Open-World-Design begünstigt das Gefühl, ein Spiel tatsächlich gemeinsam zu spielen. Nicht nur macht es mehr Spaß, Spielwelten gemeinsam zu erkunden, es funktioniert auch besser: Vier Augen sehen mehr als zwei.

So ist die Welt von Elden Ring unfassbar groß und detailreich. Ein großer Teil der Spielwelt wäre uns verborgen geblieben, wenn wir nicht zusammen gespielt und einander auf unscheinbare Durchgänge und interessante Orte hingewiesen hätten. Außerdem waren wir stets dankbar für jede Warnung vor einem Hinterhalt oder einer Falle.

Eigene Wege gehen

Spiele, die den Spielenden die Freiheit geben, Herausforderungen auf ihre eigene Art und Weise zu begegnen, eignen sich ebenfalls besonders gut für das gemeinsame Spiel. The Legend of Zelda: Breath of the Wild ist vollgepackt mit Situationen, die auf unterschiedlichste Arten angegangen werden können. Monstern können wir heimlich von hinten oder frontal mit einem Angriffsschrei begegnen. Rätsel haben häufig mehr als nur eine Lösung. So können alle ihre eigenen Wege finden und sich dabei kompetent fühlen – aber auch Tipps austauschen, wenn man mal nicht weiterkommt.

Beim Parallel-Gaming erleben wir bis zu zweimal so viel Content wie allein. © Artdink © Square Enix
Beim Parallel-Gaming erleben wir bis zu zweimal so viel Content wie allein. © Artdink © Square Enix

Spiele, bei denen es Dialogoptionen gibt oder sich sogar die Story verzweigt und in unterschiedlichen Enden mündet, bieten außerdem die Möglichkeit, mehr Spielinhalt bei einmaligem Durchspielen zu erleben. Bei Triangle Strategy haben mein Mann und ich stets unterschiedliche Wege eingeschlagen und hatten so die Gelegenheit zu beobachten, wie unterschiedlich sich die Story entwickeln kann.

Fazit

Mein Mann und ich gamen nun seit rund einem Jahr parallel – und wir möchten diesen Teil unseres Gaming-Alltags nicht mehr missen. Parallel-Gaming ermöglicht uns, mehr von unserem gemeinsamen Hobby auch wirklich gemeinsam zu erleben, auch wenn die meisten Spiele weiterhin Singleplayer-Games sind.

Allerdings kommt auch Parallel-Gaming nicht ohne Hürden. Die doppelte Investition für Spiele und zusätzliche Hardware kann den Einstieg erschweren. Andererseits bietet gerade die aktuelle Zeit eine gute Möglichkeit zum Ausprobieren, da derzeit viele Spiele sowohl für Konsolen der letzten als auch der nächsten Generation gleichzeitig verkauft werden.

Für alle, die gerne gemeinsam spielen, kann Parallel-Gaming ein hilfreiches Mittel sein, um die Zeit zu vertreiben, bis das nächste Koop-Game herauskommt. Einige Spiele profitieren darüber hinaus besonders von Parallel-Gaming, sei es, weil wir einander Hilfestellungen geben können, besser Geheimnisse entdecken oder mehr Spielinhalt bei nur einem Durchspielen erleben können. Zu guter Letzt macht Parallel-Gaming aber auch schlicht mehr Spaß, weil man es zusammen tut – und, wie heißt es so schön: Couples that play together, stay together.

 

Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Katrin Holst
Fotografien: Milanko Doroski
Weitere Artikelbilder: © wie gekennzeichnet

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