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Nach A Way Out ist endlich It Takes Two da – der zweite Koop-Titel von Hazelight Studios. Kurz vor ihrer Scheidung werden Cody und May von ihrer Tochter Rose in Spielzeugpuppen gefangen und müssen zusammenarbeiten, um einen Ausweg zu finden. Lohnt es sich, in ihre Beziehung zu investieren?

Brothers: A Tale of Two Sons nennt sich das 2013 erschienene Debüt der Game-Werkstatt Hazelight Studios. Darin steuern wir zwei Brüder auf der Suche nach einem Heilmittel für ihren Vater durch eine phantastische Welt. Obwohl sich das Konzept für ein Koop-Spiel angeboten hätte, war es als Singleplayer-Game konzipiert und ließ sich höchstens durch das Teilen eines Controllers unter Handgelenksschmerzen gemeinsam spielen (Komfortabler geht das mit den Titeln in unserem Artikel über Singleplayer-Spiele, die auch zu zweit Spaß machen).

2018 erschien der nächste Titel im Portfolio des Studios – diesmal ein waschechtes Koop-Game: In A Way Out brechen wir in einer Art interaktivem Film zu zweit aus dem Gefängnis aus. Nun kulminiert der Koop-Trend der Spieleschmiede in It Takes Two, dem phantastischen Abenteuer eines Ehepaars, das kurz vor der Scheidung steht. Als sie ihrer Tochter Rose davon berichten, wirkt diese versehentlich einen Zauber, der ihre Eltern in Spielzeugpuppen einfängt. Können wir ihre Beziehung kitten? Oder versinken wir im Alltagstrott des Plattformer-Genres?

Der Alltag ist der Liebe Tod

Wenn in der Familie der Alltag einkehrt, fällt die Liebe manchmal hintenüber. Arbeit, Kindeserziehung, Instandhaltung des Eigenheimes und Einkäufe sind wichtige Aspekte des Erwachsenenlebens. Doch manchmal priorisieren wir sie so hoch, dass wir andere Bereiche des Zusammenlebens vergessen und uns nicht die nötige Zeit nehmen, an unseren Beziehungen zu arbeiten.

In It Takes Two schlüpfen wir in die Rollen von Cody und May, einem Paar mit den klassischen Eheproblemen: Streitigkeiten, dysfunktionale Kommunikation und gegenseitige Anschuldigungen prägen ihren Alltag. Gemeinsam haben sie eine Tochter namens Rose, der sie eines Tages verkünden, dass sie sich trennen werden. Rose zieht sich daraufhin in ihr Zimmer zurück und wünscht sich nichts sehnlicher, als dass ihre Eltern wieder Freunde werden. Unbewusst bewirken ihre Tränen dabei einen Zauber, durch den ihre Eltern in ihren zwei handgemachten Spielzeugpuppen gefangen werden.

In Form der von Rose selbstgemachten Figuren bestreiten wir das Spiel. © Hazelight Studios
In Form der von Rose selbstgemachten Figuren bestreiten wir das Spiel. © Hazelight Studios

Doch nicht nur die beiden haben sich verändert. Allerlei Gegenstände sind plötzlich belebt. So treffen wir gleich zu Beginn auf Dr. Hakim, der uns in Form seines Liebes-Ratgebers „Book of Love“ auf unserem Abenteuer begleitet. Die Mission ist klar: Irgendwie müssen wir versuchen, zu Rose zu gelangen, damit sie ihren Zauber wieder aufhebt. Allerdings hat der Ratgeber-Autor andere Vorstellungen davon, wie wir zu unserem Ziel kommen sollten, und legt uns absichtlich Steine in den Weg. Währenddessen wird er nicht müde zu predigen, was es heißt, für eine Beziehung zu arbeiten.

Mit seinen Hüft- und Armbewegungen unterstreicht Dr. Hakim seine Worte in ausdrucksstarker Körpersprache. © Hazelight Studios
Mit seinen Hüft- und Armbewegungen unterstreicht Dr. Hakim seine Worte in ausdrucksstarker Körpersprache. © Hazelight Studios

Doch Cody und May wollen lediglich zurück in ihre Körper, um sich scheiden lassen und ihrer Wege gehen zu können. Die Beziehung der Hauptcharaktere erleben wir in Cutscenes und nebenbei laufenden Dialogen. Diese sind gerade zu Beginn noch recht angreifend und hitzig und zeigen dabei nachvollziehbare Fehler in der Kommunikation auf. Doch im Laufe des Spiels erfahren die Charaktere auch Dinge voneinander, die sie aufgrund mangelnder Kommunikation bisher nicht gewusst hatten.

Zwischendurch sehen wir auch Rose dabei, wie sie versucht, mit ihren Eltern zu sprechen. Diese befinden sich jedoch während ihrer Gefangenschaft in den Puppen in einer Art Schlaf, sodass sie nicht reagieren können. Dennoch fühlen wir durch diese Szenen mit Rose und erhalten Einblicke in ihren Charakter.

May hält die Düse in die richtige Richtung, damit Cody auf der Empore landen kann. © Hazelight Studios
May hält die Düse in die richtige Richtung, damit Cody auf der Empore landen kann. © Hazelight Studios

Nebenbei erhalten wir Hintergrundinformationen, beispielsweise zur erfrischenden Familienkonstellation, welche die klassischen Rollenklischees auf den Kopf stellt: May ist eine handwerklich begabte, selbstständige Frau, die Karriere macht, Cody ein harmonieliebender, verletzlicher und kreativ-verspielter Mann.

Action-Plattformer, auf den Kopf gestellt

Den Kern des Spiels bilden klassische Plattformer-Mechaniken: Mit Sprüngen, Doppelsprüngen und Dashes manövrieren wir uns durch Parcours mit Abgründen und Hindernissen. Um weiterzukommen, müssen wir uns gelegentlich trennen, um einander den Weg freizumachen, etwa indem wir Knöpfe drücken oder Türen aufschieben. Zwischendurch stoßen wir auf Charaktere, die uns nichts Gutes wollen, sodass es zu Kämpfen kommt.

Dabei entdecken wir die liebevoll gestaltete Welt aus einer neuen, verspielt-phantastischen Perspektive. So starten wir im Geräteschuppen, in dem die Werkzeuge zum Leben erwacht sind – so auch der Staubsauger, der uns übelnimmt, dass wir ihn durch ein neueres Modell ersetzt haben. Sobald wir den Schuppen hinter uns gelassen haben, gelangen wir in den Baum, wo die tierischen Bewohner Krieg führen. Den alltäglichen Orten, die wir besuchen, wird mit Witz und Phantasie eine kindliche Magie eingehaucht.

Auf den Schienen gilt es, im richtigen Moment zu springen oder die Spur zu wechseln. © Hazelight Studios
Auf den Schienen gilt es, im richtigen Moment zu springen oder die Spur zu wechseln. © Hazelight Studios

In It Takes Two mangelt es allerdings nicht an innovativen Ideen der Zusammenarbeit. So gilt es beispielsweise im Geräteschuppen, die Düsen richtig zu positionieren, damit wir ans Ziel gelangen. Das Spiel verbindet klassische Elemente mit neuen Ideen, sodass Veteran*innen des Genres sich sofort daheim fühlen, ohne gelangweilt zu werden.

May hat die Tendenz, ihren Mann für Probleme verantwortlich zu machen. © Hazelight Studios
May hat die Tendenz, ihren Mann für Probleme verantwortlich zu machen. © Hazelight Studios

Jedes Hindernis stellt dabei ein kleines Rätsel dar, ohne sich wie eines anzufühlen. Kommen wir in einen neuen Bereich, müssen wir die Elemente der Umgebung untersuchen und überlegen, wie wir sie zu unserem Vorteil einsetzen. Im Bosskampf müssen wir die Mechaniken herausfinden, die uns zum Sieg verhelfen.

Für neue Herausforderungen erhalten wir neue Ausrüstung. © Hazelight Studios
Für neue Herausforderungen erhalten wir neue Ausrüstung. © Hazelight Studios

Im Verlauf des Spiels erhalten May und Cody außerdem temporäre Werkzeuge, die neue Interaktionen mit der Umwelt ermöglichen. Zum Beispiel kann Cody im Geräteschuppen Nägel an die Wände schießen, um Vorrichtungen zu fixieren, während May mit ihrem Hammer Hindernisse zerstören oder sich an ebenjenen Nägeln entlanghangeln kann, um Abgründe zu überwinden. Anhand dieser Werkzeuge werden immer wieder neue Mechaniken in das Spiel eingeführt, sodass es nie langweilig wird.

Im Gegenteil: Während die Welten zu Beginn noch überschaubar und klar strukturiert sind, werden sie bald wesentlich größer, epischer und spannender als das Spiel es zu Beginn vermuten lässt. Der Ideenreichtum und die wahnwitzigen Szenen wecken das innere Kind, bis man nicht anders kann als zu lächeln.

Ein Kinderspiel?

Die Steuerung in It Takes Two ist sehr schlicht gehalten. Das Spiel erfordert keine komplizierten Tastenkombinationen, sondern kommt mit den vorhandenen Controller-Tasten aus. Zu Beginn des Spiels gibt es ein kleines Tutorial zum Erlernen der grundlegenden Steuerung, doch bleibt es nicht dabei. Wann immer Interaktionen mit der Umwelt möglich sind, wird die notwendige Taste an der jeweiligen Stelle eingeblendet. Somit ist es auch nach längerer Spielpause leicht, wieder ins Spiel reinzukommen.

Die Schwierigkeit ist insgesamt recht niedrig, ohne dass die Spannung darunter leidet. Fällt man in einen Abgrund, kommt man ohne negative Konsequenzen wieder. Das ermöglicht freies Ausprobieren ohne Angst vor Frustrationen. Somit eignet es sich hervorragend für Gaming-Neulinge.

Stirbt ein Charakter während einer Action-Sequenz oder eines Bosskampfes, so muss dieser durch wiederholten Tastendruck eine Leiste auffüllen und kommt wieder, sobald das geschafft ist. Stirbt derweil der andere Charakter, muss man es erneut versuchen. Die Kämpfe und Action-Sequenzen sind jedoch in Phasen aufgeteilt, sodass man nicht immer von vorne anfangen muss, sondern jeweils ab Beginn der aktuellen Phase. In Kampfsituationen hat man außerdem Lebenspunkte, die in der Ecke angezeigt werden. Einmal getroffen, verliert man einige davon, allerdings füllen sie sich nach einiger Zeit wieder auf, was das Spiel zusätzlich vereinfacht.

May muss überleben, bis Cody wieder da ist, sonst geht es von vorne los. © Hazelight Studios
May muss überleben, bis Cody wieder da ist, sonst geht es von vorne los. © Hazelight Studios

Lineares Gameplay

Insgesamt ist das Spiel sehr linear gehalten. So gibt es keine Collectibles oder Gegenstände zu entdecken. Im Vordergrund steht jederzeit, die Lösung für die aktuelle Herausforderung zu finden. Für Spielende, die massenweise Nebenquests und Geheimnisse gewöhnt sind, kann sich das zu Beginn etwas leer anfühlen. Auf der anderen Seite ermöglicht dieses lineare Design, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, ohne stets die Befürchtung haben zu müssen, etwas zu verpassen. Insgesamt führt das zu einem kohärenten Spielerlebnis und einem hohen Immersionsgrad.

Was es jedoch gibt, sind 25 Minispiele, die abseits des Hauptweges gefunden werden können und zunehmend besser versteckt sind. Diese werden gegeneinander gespielt und können auch später erneut aufgerufen werden. Außerdem sind in der Welt allerlei interaktive Gegenstände und optionale Herausforderungen verteilt. So gibt es in der Baum-Welt beispielsweise Papierflugzeuge, die zum Spaß geworfen werden können. Die Entdeckung dieser Gimmicks macht, vor allem später im Spiel, unerwartet viel Spaß, obwohl sie keinen spielmechanischen Zweck erfüllen.

Minispiele wie "Whack-a-Cody" werden gegeneinander gespielt. © Hazelight Studios
Minispiele wie „Whack-a-Cody“ werden gegeneinander gespielt. © Hazelight Studios

Freunde-Pass

Nicht alle haben jemanden, mit dem sie daheim auf einer Konsole zusammen spielen können. Gerade in Corona-Zeiten überlegen viele zweimal, bevor sie sich persönlich mit jemandem treffen. It Takes Two kann aber glücklicherweise nicht nur im Couch-Koop, sondern auch online gespielt werden. Dies geht jeweils nur innerhalb einer Plattform. Außerdem benötigen beide das jeweilige Plattform-eigene Online-Abonnement.

Darüber hinaus gibt es den sogenannten Freunde-Pass. Dieser ermöglicht es, das Spiel auch mit einer Person zu spielen, die das Spiel selbst nicht gekauft hat. Diese muss sich lediglich den kostenlosen Freunde-Pass herunterladen und kann dann eingeladen werden – ein sehr sympathisches Feature, das sich andere Spiele gerne abgucken können.

Ein kurzer Spaß

Die Spieldauer von 14 Stunden mag für manche etwas kurz geraten sein. Allerdings ist zu bedenken, dass es ausschließlich zu zweit gespielt werden kann. Bei kooperativen Hundert-Stunden-Spielen wie Divinity: Original Sin II kann es trotz allem Spielspaß passieren, dass auf halbem Weg die Ausdauer verlorengeht oder der letzte Termin so lange her ist, dass es dauert, bis man wieder reinkommt. Für ein kooperatives Spiel ist die Länge von zwölf Stunden daher gut geeignet – vor allem für Personen, die nicht zusammenleben und sich explizit zum Spielen verabreden müssen.

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: Hazelight Studios
  • Publisher: Electronic Arts
  • Plattform: Windows, PlayStation 4, PlayStation 5, Xbox One, Xbox Series X/S
  • Sprache: Englisch, Untertitel auf Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch
  • Mindestanforderungen: Windows 8.1 64-bit oder Windows 10 64-bit, Intel Core i3-2100T oder AMD FX 6100, 8 GB RAM, Nvidia GeForce GTX 660 oder AMD R7 260x, DirectX: Version 11, Breitband-Internetverbindung, 50 GB verfügbarer Speicherplatz
  • Genre: Action Adventure
  • Releasedatum: 26.03.2021
  • Spielstunden: 14
  • Spieler*innen-Anzahl: 2
  • Altersfreigabe: USK 12
  • Preis: EUR 39,99
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

 

Fazit

It Takes Two ist ein kooperativer Action-Plattformer für zwei Personen, bei dem die Zusammenarbeit im Vordergrund steht. Das Spiel nimmt klassische Elemente des Plattformer-Genres und erweitert sie um eine Vielzahl kreativer Ideen und innovativer Koop-Konzepte zu einem abwechslungsreichen, spaßigen Gesamtpaket.

Die Welt ist liebevoll gestaltet, die Story rührend. Die Charaktere sind realistisch, mit nachfühlbaren Emotionen, Ecken und Kanten. Anhand der Dialoge erleben wir die Beziehung von May und Cody aus erster Hand und verstehen ihre Probleme. Dabei steigen wir jedoch nicht allzu tief in die Details ihrer Ehe ein, wodurch wir die Erkenntnisse im Spiel nur umso mehr auf unsere eigenen Beziehungsprobleme abbilden können. Mitunter fühlt es sich beim Spielen an wie die unkonventionelle Paartherapie, die es für May und Cody ist.

Das Spiel verzichtet auf Nebenschauplätze und beschränkt sich auf ein lineares Gameplay. Es gibt keine Nebenquests oder massenweise Geheimnisse zu finden. Dafür liefert es ein immersives, kohärentes Spielerlebnis.

Von allen Koop-Games, die wir bisher gespielt haben, ist It Takes Two eines der besten. Das Spiel hat uns von vorne bis hinten begeistert, sodass wir es uneingeschränkt allen empfehlen können, die gerne mit Freund*innen zusammen spielen.

  • Rührende Story und witzige Charaktere
  • Abwechslungsreiches, actionreiches Spielgeschehen
  • Geringe Schwierigkeit, ohne langweilig zu werden
 

  • Mitspieler*in unbedingt notwendig

 

Artikelbilder: © Hazelight Studios
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Alexa Kasparek
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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