Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten

Fünf Jahre nach Release von Figment erscheint der zweite Teil des surrealen Action-Adventures von Bedtime Digital Games. In Figment 2: Creed Valley verschlägt es uns erneut in die Tiefen des Gehirns. Ob das Spiel einem schönen Traum ähnelt oder ob wir schreiend aufwachen, erfahrt ihr hier.

Der menschliche Verstand als begehbares, surrealistisches Gemälde mit aberwitzigen Figuren und Landschaften sowie jeder Menge Musik – das war die Vision, mit der die Menschen von Bedtime Digital Games ihr Spiel Figment ursprünglich konzipiert hatten.

Rund fünf Jahre nach Release des ersten Teils dürfen wir nun in Figment 2: Creed Valley in die skurrile Welt hinter den Gehirnwindungen zurückkehren. Kurz vor Veröffentlichung haben wir uns mit Hans Haave unterhalten, dem Communications Manager von Bedtime Digital Games. Hintergründe zum Spiel und Eindrücke der Entwicklung könnt ihr euch in unserem Interview holen.

Wir haben einen Abstecher in die Gedankenwelt gewagt – ob das Spiel Traum oder Nachtmahr ist, erfahrt ihr hier.

In den Tiefen des Verstands

Figment 2: Creed Valley ist ein buntes Action-Adventure, in dem wir in die Schuhe von Dusty schlüpfen, der den Mut des Verstandes darstellt. Begleitet von seiner Freundin Piper, die den Optimismus repräsentiert, stellt er sich den Ängsten in Form von fiesen Albträumen und verprügelt sie mit seinem Holzschwert. Auf diese Weise bringen Held und Heldin der Geschichte den aus dem Gleichgewicht geratenen Verstand wieder in Ordnung.

Eine musikalische, verrückte Welt

In der Welt hinter unseren Gehirnwindungen geht es surreal und skurril zu. Bäume mit Ohren, Orangen als Heißluftballons und fliegende Bücher sind nur einige der verqueren Elemente, die uns in der Welt von Figment 2 begegnen. Des Weiteren begegnen wir allerhand witzigen Charakteren: Vom rappenden Bürgermeister über verworfene Meinungen bis hin zu Jester, den Hauptantagonist*innen des Spiels, zaubert uns jeder NPC ein Lächeln ins Gesicht.

Musik spielt in Figment 2 anders als bei den meisten Videospielen nicht nur eine hintergründige Rolle. Die meisten Elemente der Spielwelt reagieren mit musikalischen Klängen auf unsere Interaktionen. Ein Schritt auf der Klaviertastenbrücke spielt einen Ton, ein Schlag gegen eine Palme zieht lustige Sounds nach sich. Mehr noch: Während der Kämpfe spielt nicht nur Kampfmusik, die Alpträume singen sogar jeweils einige einschüchternde Verse.

Leider ist die Musik stellenweise auf Dauer etwas zu schrill und zu aufreibend, was das Erlebnis mitunter anstrengend machen kann. Wir haben daher im Test die Musiklautstärke reduziert – bedauerlich bei einem Spiel, bei dem Musik ein Kernelement darstellt.

Dusty und Piper lauschen dem Chor der verworfenen Meinungen.
Dusty und Piper lauschen dem Chor der verworfenen Meinungen.

Doch nicht nur Musik, sondern auch Sprache spielt eine wichtige Rolle: Songtexte und Dialoge sind witzig geschrieben – Dusty ist stets für einen schlagfertigen Konter zu haben. Auf Englisch funktioniert sein Wortwitz besonders gut, aber auch in den deutschen Untertiteln wurde darauf geachtet, ursprüngliche Mehrdeutigkeiten möglichst zu erhalten.

Ins kalte Wasser

Anders als im ersten Teil, bei dem es vor Spielbeginn eine kurze Storysequenz gab, beginnt das aus der Demo bekannte erste Kapitel von Figment 2: Creed Valley ohne lange Einleitung. Sofort geht es los mit der Verfolgungsjagd, bei der wir das Schwarze Schwein (the Black Hog) verfolgen – ein Alptraum, der die Angst vor der Dunkelheit repräsentiert.

Mit Scheinwerfern bringen Dusty und Piper Licht ins Dunkel.
Mit Scheinwerfern bringen Dusty und Piper Licht ins Dunkel.

Die restliche Story behandelt den moralischen Kompass, dessen Ausrichtung gestört ist. Es ist unsere Aufgabe, nachzuforschen, wer oder was dahintersteckt. Im Laufe der Ermittlung begegnen wir Jester, einem Bösewicht mit zwei Köpfen, die jeweils von einer Sprecherin und einem Sprecher synchronisiert sind.

Der moralische Kompass ist aus dem Gleichgewicht geraten.
Der moralische Kompass ist aus dem Gleichgewicht geraten.

Neben der Story um Dusty und Piper wird natürlich, wie wir es bereits aus dem ersten Teil kennen, auch die Story des Menschen erzählt, in dessen Gehirn sich das ganze abspielt. Wir erleben die Geschichte einer jungen Familie, die plant, ein Haus zu kaufen. Finanzielle Schwierigkeiten bringen den Wohnungssegen jedoch ins Wanken und sorgen für Streitigkeiten zwischen den Eheleuten.

Der Familienvater verspätet sich mal wieder.
Der Familienvater verspätet sich mal wieder.

Die Hintergrundgeschichte wird anhand von Standbildern mit synchronisierten Dialogen in Szene gesetzt. Auf beiden Story-Ebenen erzählt Figment 2 zwar keine bahnbrechende Geschichte und baut auf ein heteronormatives Familienbild, dennoch erwarten uns eine erbauliche Message und eine Handvoll unerwarteter Wendungen, sodass uns die Story positiv in Erinnerung bleibt.

Gameplay

Das Spielgeschehen hat zwei vordergründige Elemente: Rätsel und Kämpfe. Beide haben einen ausgewogenen Schwierigkeitsgrad. Die Rätsel sind nicht sonderlich herausfordernd, nehmen allerdings einen guten Teil unserer Aufmerksamkeit in Anspruch und zeugen von der Kreativität des Entwicklungsteams. Auch die Kämpfe sind nicht schwer, erfordern jedoch mehr als unkontrolliertes Button-Mashing.

Für manche Rätsel brauchen wir ein gutes Erinnerungsvermögen.
Für manche Rätsel brauchen wir ein gutes Erinnerungsvermögen.

Die Steuerung ist überaus einfach: Neben der Bewegung kann Dusty interagieren, zuschlagen und eine Ausweichrolle ausführen. Mehrere Schläge hintereinander resultieren in einem Rundumschlag; ein Schlag, der direkt nach der Ausweichrolle getätigt wird, ist besonders stark. Um Rätsel zu lösen, müssen wir darüber hinaus manchmal Gegenstände einsammeln und nach Point-and-Click-Manier aus unserem Inventar auswählen, um sie einzusetzen.

Erinnerungen geben uns einen tieferen Einblick in die Hintergrundgeschichte.
Erinnerungen geben uns einen tieferen Einblick in die Hintergrundgeschichte.

In der Welt von Figment 2 sind lila Erinnerungsscherben zu finden. Sammeln wir genügend davon, schalten wir eine Erinnerung frei. Dabei handelt es sich um ein Standbild mit einem kurzen Zitat von Mitgliedern der Familie. Die Erinnerungen sind nicht nötig, um die Geschichte zu verstehen, liefern jedoch Kontext und Hintergründe. Auf diesem Wege erfahren wir mehr über die Beweggründe der Charaktere und können die Storyszenen besser nachvollziehen.

Neue Mechaniken

Gegenüber seinem Vorgänger führt Figment 2 eine Handvoll neue Mechaniken ein. So ist die Spielwelt wandelbar, wenn wir unsere Perspektive ändern. Durch Interaktion mit sogenannten Perspektivwechslern verändern sich Elemente der Welt, abhängig davon, ob wir den engstirnigen oder den weltoffenen Zustand herbeiführen. Brücken und Türen werden frei oder sperren sich. Denkblockaden, die im engstirnigen Zustand auf und ab fahren, stehen bei weltoffener Perspektive still. Auch Meinungen, die NPC des Spiels, passen ihre Sprüche der aktuellen Perspektive an.

Eine weitere neue Mechanik kommt in einem späteren Kapitel zu tragen, als es an Dusty und Piper ist, einen Kriminalfall zu lösen. Dazu müssen wir Hinweise in Form von Beweisbildern in unserem Ermittlungsordner sammeln. Haben wir alle Indizien beisammen, müssen wir jene umdrehen, die wir für falsch halten, um eine Vermutung über den Tathergang anzustellen.

Wer hat wann und womit der Meinung über Gerechtigkeit eins übergebraten?
Wer hat wann und womit der Meinung über Gerechtigkeit eins übergebraten?

Koop light

Figment 2: Creed Valley besitzt einen kooperativen Spielmodus. Dabei wird mit dem zweiten Controller Piper gesteuert, die frei über den Bildschirm fliegen kann. Dabei darf sie Lebenspunkt- und Erinnerungsscherben einsammeln und zuschlagen. Allerdings ist Piper kein vollwertiger Spielcharakter – sie hat keine eigenen Lebenspunkte und kann mit vielen Elementen gar nicht interagieren.

Wer den zweiten Controller in der Hand hat, spielt dadurch eine untergeordnete Rolle – eine gute Sache für Spielende, die mit geliebten Menschen spielen wollen, die weniger Spielerfahrung haben, bedauerlich hingegen für Freund*innen und Paare, die das Spielehobby mit vergleichbarer Inbrunst teilen.

Grafik und Sound

Figment 2: Creed Valley sieht hübsch aus: verspielte Charaktere, eine farbenfrohe Welt voller skurriler Elemente. Wer den comicartigen Stil mag, wird eine gute Zeit mit dem Spiel haben. Der Sound ist größtenteils angemessen, stellenweise aber etwas zu laut, besonders wenn ein Kampf mal länger dauert. Die Synchronisierung ist für unseren Geschmack zudem stellenweise etwas zu schrill.

Performance und Robustheit

Was die Performance angeht, schneidet Figment 2: Creed Valley auf der Switch leider nicht gut ab. Die Framerate gerät regelmäßig ins Stottern; zwar wirkt sich das nicht negativ auf die Spielbarkeit aus, ist jedoch im Hinblick auf die recht einfache Comic-Grafik schade.

Darüber hinaus weist das Spiel unmittelbar nach dem Release noch einige Bugs auf. Bei uns stürzte es zweimal ab, wodurch jeweils rund eine Viertelstunde Spielfortschritt verloren ging. Die Abstürze an sich wären weniger tragisch, wenn das Spiel häufiger speichern würde.

An einer Stelle ging uns im Koop-Spiel außerdem Piper verloren, wodurch unser Zweitspieler für eine gute halbe Stunde zum Zuschauen verdammt war. Weiterhin wurden Erinnerungen oft mehrmals getriggert, wenn wir weitere Erinnerungsscherben sammelten, obwohl wir sie bereits angeschaut hatten.

Die harten Fakten:

  • Entwicklerstudio: Bedtime Digital Games
  • Publisher: Bedtime Digital Games, 4Divinity
  • Plattform: PC, Nintendo Switch
  • Sprache: Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch, Japanisch, Koreanisch, Portugiesisch, Russisch, Chinesisch
  • Mindestanforderungen: Windows 7, Intel Core i5 2500 / AMD FX 6120, 4 GB RAM, Nvidia GTX 650 Ti / Nvidia GT 750M / Radeon HD5850, 2 GB verfügbarer Speicherplatz, DirectX 11
  • Genre: Action-Adventure, Puzzle
  • Releasedatum: 09.03.2023
  • Spielstunden: 3–5
  • Spieler*innen-Anzahl: 1–2
  • Altersfreigabe: USK 6
  • Preis: 24,99 EUR
  • Bezugsquelle: Steam, Nintendo eShop

 

Fazit

Figment 2: Creed Valley ist ein farbenfrohes und skurriles Action-Adventure mit einer hübschen Story und einem Fokus auf musikalischer Performance. Klanglich ähnelt es in manchen Punkten einem Cartoon, der eher auf schrille Sounds und expressive Synchronisierung setzt als auf wohltuende Melodik – dafür gibt es smarte Songtexte und wortwitzige Dialoge, in die offensichtlich viel Hirnschmalz geflossen ist.

Das Gameplay ist größtenteils simpel, fordert aber gerade genug Aufmerksamkeit, um dennoch bei Stange zu halten. In den drei bis fünf Stunden Spielzeit werden einige innovative Mechaniken ins Spiel gebracht, wodurch wir durchgehend gut unterhalten waren.

Die Performance lässt auf der Switch zwar zu wünschen übrig, doch das lässt sich verschmerzen – trotz regelmäßiger Framerate-Einbußen lässt sich Figment 2 gut spielen. Allerdings ist das Spiel im Test gleich zweimal abgestürzt und hat uns so jeweils etwa eine Viertelstunde Spielfortschritt gekostet. Möglicherweise läuft das Spiel auf dem PC flüssiger und zuverlässiger, auf der Switch können wir es jedoch nicht uneingeschränkt empfehlen – zumindest nicht, bis es einen Patch gibt, der das Spielerlebnis weniger frustrierend macht.

  • Lustige Dialoge
  • Hübsche Story
  • Einfaches Gameplay
 

  • Suboptimale Performance und Bugs (Switch)
  • Kurze Spieldauer
  • Kein vollwertiger Koop-Modus

 

 

Artikelbilder: © Bedtime Digital Games
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Simon Burandt
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein