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In einem früheren Artikel hat Teilzeithelden das Grundbuch des postapokalyptische Fantasy-Rollenspiels Mythaloria rezensiert. Nun haben sie sich mit einer Spielgruppe in diese Welt gestürzt und das Einstiegsabenteuer aus dem Grundbuch gespielt. Wie haben dabei das Regelsystem und die Welt Mythaloria abgeschnitten?

Auf der SPIEL 2023 erschien die gedruckte Ausgabe von Mythaloria vom Heinrich Tüffers Verlag. Das postapokalyptische Fantasy-Setting ist ein Ableger des Science-Fiction-Systems Ultima Ratio, mit dem es sich das Regelsystem und einige Spezies teilt. In einem früheren Artikel wurde Mythaloria auch rezensiert.

Kürzlich wurde in einem Spielabend das System getestet. Gespielt wurde das Einstiegsabenteuer „Die Bestie von Dímas“ aus dem Grundbuch.

Triggerwarnungen

Gewalt, Horror

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Die Spielwelt & Regeln

Die Spielwelt ist die Region Enìkien auf der Welt Arkada, welche an die griechische und römische Antike angelehnt ist. Dort leben eine menschenähnliche und vier nichtmenschliche Spezies, die sich eine gemeinsame Kultur teilen.

Vor Jahrhunderten wurde die Welt von ihren Gottheiten verwüstet. Aus den Ruinen errichteten die überlebenden Bewohner*innen eine neue Zivilisation. Die Antagonisten sind die Talokh, welche dämonische Gegenspieler der Gottheiten darstellen, und deren sterbliche Diener.

Landschaft und Aussehen der Einwohner*innen verdeutlicht die Welt von Mythaloria.
Landschaft und Aussehen der Einwohner*innen verdeutlicht die Welt von Mythaloria.

Das Regelsystem basiert auf einem Würfelpool aus zwei bis zehn vierseitigen Würfeln, der sich aus einem Attribut, einer Fertigkeit und entsprechenden Boni zusammensetzt. Alle Würfelergebnisse werden zusammenaddiert und müssen die von der Spielleitung festgelegte Schwierigkeit erreichen oder übertreffen.

Im Kampf setzt sich der Würfelpool aus der Nahkampf- plus Waffenfertigkeit oder Fernkampf plus Geschick und der jeweiligen Boni zusammen. Dann wird der Schaden ausgewürfelt und von diesem Ergebnis die Rüstung des Getroffenen aufgezogen.

Der Würfelpool bei Zaubern setzt sich aus zwei Zauberattributen, Magische Tradition und Foki genannt, zusammen. Des Weiteren verbrauchen Zauber Ausdauer und zu viele Zauber pro Tag bergen die Gefahr von Benommenheit, was eine erhöhte Schwierigkeit bei weiteren Würfen oder Bewusstlosigkeit zur Folge hat. Das wird als Entzug bezeichnet.

Spielbericht

Obacht, im folgenden Absatz könnten Spoiler für das Abenteuer auftreten!

Die Charaktererschaffung entfiel, da zwei der vier Beispielcharaktere aus dem Buch gewählt wurden. Konkret fiel die Wahl auf die Arkanistin, die Ariadma genannt wurde, und den Waffennarren namens Mahas.

Die beiden Spielcharaktere waren klassisch auf der Hauptstraße unterwegs und machten Rast in dem kleinen Dorf Dímas. In der dortigen Taverne kamen ihnen gleich eine Vielzahl an Gerüchten und Klagen über eine Bestie zu Ohren, die das Umland terrorisierte. In der Taverne wurden die Charaktere auch schnell von einem reisenden Händler angesprochen, der sie als Begleitschutz für seinen Transportwagen anheuern wollte. Die Held*innen erbaten sich Bedenkzeit, um sich zu beraten und weitere Hinweise zu sammeln.

Durch Nachforschungen und Spurensuche per Würfelwürfe ergaben sich einige Erkenntnisse über das Vorgehen der Bestie. Mit diesen Informationen versuchten die Charaktere die Bestie aufzuspüren, was allerdings aufgrund der Größe des Gebietes scheiterte. Der Handlung zufolge war an dieser Stelle auch nicht vorgesehen, dass die Charaktere schon mit der Bestie zusammenstießen. Stattdessen streute die Spielleitung hier weitere Hinweise und Augenzeugenberichte der Einwohner*innen ein, um die Gefahr hervorzuheben.

Da die Spurensuche im Sand verlief, nahmen die Charaktere das Angebot des Händlers an und reisten am nächsten Tag mit ihm weiter. Für die bevorstehende Auseinandersetzung stellte die Spielleitung noch einen NSC in Form einer Kh`rell-Kundschafterin zur Seite.

Bald stieß der Wagenzug mit den Charakteren auf die Überreste einer anderen Karawane. Dort stießen sie auch auf die Bestie, die das Unheil angerichtet hatte. Nach einem kurzen Moment zum Orientieren kam es zum Kampf.

Die Bestie war eine Bärenmonstrosität aus dem NSC-Kapitel des Buches.
Die Bestie war eine Bärenmonstrosität aus dem NSC-Kapitel des Buches.

Durch die einfachen Regeln lief der Kampf recht zügig, wobei nur die ersten zwei Kampfrunden ausgewürfelt wurden und der Rest des Kampfes narrativ beschrieben wurde. Der Schaden beider Charaktere und der Bestie durch Magie und Waffe war moderat, sodass kein Gefühl der Machtlosigkeit auftrat. Der Einsatz von Zaubern wurde durch den Entzug schnell ausgeschöpft.

Nachdem der Kampf siegreich war, wurden Wunden versorgt und weitere Spuren gesucht.

Da die Bestie besiegt war, hätte hier auch das Abenteuer zu Ende sein können, aber es trat eine unerwartete Komplikation auf. Während die Charaktere mit der Bestie kämpften, war der Wagen mit dem Händler verschwunden.

Als Kritikpunkt ist hier anzumerken, dass die im Abenteuer vorgeschlagene Schwierigkeit für die weitere Spurensuche recht hoch angesetzt war und von beiden Charakteren die Würfelwürfe nicht geschafft wurden. Mit Augen zudrücken und weiteren Hinweisen von der Spielleitung wurden die Charaktere doch wieder auf die richtige Fährte gelenkt. Diese führte sie dann zum Strippenzieher und zur finalen Konfrontation mit der Antagonistin des Abenteuers.

Die Antagonistin hat einige Überraschungen parat.
Die Antagonistin hat einige Überraschungen parat.

Es ist noch erwähnenswert, dass bei der Konfrontation mit der Bestie die Regeln für psychischen Schaden durch deren dämonische Erscheinung zum Tragen gekommen wären. Bei dem Spieltest wurden diese allerdings außen vor gelassen, um die Auseinandersetzungen nicht noch komplizierter zu machen. Das Festhalten von Ausdauerschaden durch Magieentzug, physischen Schaden und psychischen Schaden erfordert einiges an Mikromanagement von den Mitspielenden.

Spielbarkeit aus Spielleitungssicht

Das Abenteuer ist linear aufgebaut, ohne die Mitspielenden zu sehr zu ziehen. Dabei enthält es alle wesentlichen Merkmale von Mythaloria: Magie, exotische Fantasy, Horror, Politik und Aberglaube. Die Magie ist allgegenwärtig, Horror wird mit der Bestie und politische Ränke durch die Antagonistin verkörpert. Die exotische Fantasy wurde durch neue Bezeichnungen von Spezies, Nutztiere und Pflanzen unterstrichen.

Um die Spielwerte der Bestie zu finden, musste man in das Kapitel mit den Kreaturen blättern, obwohl man diese auch direkt in das Abenteuer hätte drucken können.

Da das Grundbuch nicht sehr viel Hintergrundmaterial enthält, wird die geneigte Spielleitung etwas kreative Mühe aufwenden müssen, um weitere Abenteuer zu erstellen. Allerdings kann man auch recht einfach Geschichten aus anderen Fantasywelten ohne großen Aufwand nach Enìkien übertragen.

Spielbarkeit aus Spieler*innensicht

Das einfache und intuitive Regelsystem ist ein Pluspunkt von Mythaloria. Die Kampfregeln sind ebenso einfach. Das Magiesystem liest sich zu Beginn kompliziert, ist aber leicht zu lernen und anzuwenden. Durch die allseits verfügbare Magie sind alle Charaktere recht kampfstark und taktisch flexibel einsetzbar. Im Spieltest konnte die Arkanistin trotz der Erschöpfung durch Magieentzug weiterkämpfen und auch mit ihrer Nahkampfwaffe moderaten Schaden verursachen. Reguliert wird ein übermäßiger Gebrauch von Magie durch den Entzug.

Die Charaktere haben viele Fähigkeiten und sind damit recht flexibel. Dadurch können sie in fast jeder Spielsituation etwas beitragen. Natürlich sind Spezialist*innen in ihren jeweiligen Fachgebieten immer etwas besser. Im Spieltest war wie erwartet der Waffennarr im Kampf und die Mystikerin bei Zaubern effektiver.

Mikas Einschätzung:

Mythaloria ist ein Spiel, das aus jeder Schublade herausfällt, in die man es stopfen will. Zusammengefasst sind es Aliens in einer dystopischen antiken Fantasywelt. Kein anderes Setting auf dem Markt ist mit Mythaloria vergleichbar. Es passt nicht so recht in nur ein Genre hinein.

Das Regelsystem ist super einfach und für mich faulen Menschen und Matheallergikerin genial.

Würde ich Mythaloria noch einmal spielen? Vermutlich nicht. Dafür ist es zu speziell und deckt nicht meinen Geschmack ab.

Positiv sind die innovativen Völker und das einfache Regelsystem.

Als Contra kann man das Würfeln nur mit W4 aufzählen. Das wird möglicherweise schwierig, wenn nicht online oder mit Apps gewürfelt wird. Weiterhin wirkt das Startabenteuer wie generische Fantasy.

Alias Einschätzung:

Mythaloria ist ein interessantes System, aber nicht besonders auffällig oder neu. Letztendlich stechen vor allem die klassischen Fantasy-Elemente heraus. Auch das Regelsystem ist solide, aber nichts Besonderes. Ich frage mich allerdings, ob das Zusammenrechnen der Werte auf so vielen W4 länger dauert als nötig, wenn man nicht wie ich eine App benutzt.

Die spielbaren Völker fand ich interessant und abwechslungsreich, mit neuen und guten Ideen. Nicht alle angeborenen Fähigkeiten passten für mich zum sonstigen Konzept, aber man kann viel mit den angebotenen Optionen machen.

Das Einstiegsabenteuer war sehr klassische Fantasy-Kost und hat nicht wirklich gezeigt, was an dem Setting interessant und einzigartig ist. Dazu hätte es mehr soziale Interaktionen als zentrales Handlungselement gebraucht.

Ich hatte Spaß beim Spieltest und Ideen für ein Fantasy-Setting bekommen. Die Elemente der klassischen Antike ließen sich noch ganz gut herausstellen. Doch dass wir in einer Postapokalypse gespielt haben, hatte ich zwischendurch mal vergessen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Heinrich Tüffers Verlag
  • Autor: Nikolas Tsamourtzis
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover, PDF
  • Seitenanzahl: 80
  • ISBN: 978-3-941340-30-5 (Hardcover), 978-3-941340-31-2 (PDF)
  • Preis: 29,95 EUR (Hardcover), 14,95 EUR (PDF)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, DriveThruRPG

 

Fazit

Das Abenteuer aus dem Grundbuch hat alle Themen dabei, die in Mythaloria vorherrschend sind. Magie, Politik, Intrigen, Aberglaube und Horror. Obwohl die allgegenwärtige Magie gewöhnungsbedürftig ist, haben sich die Spielenden schnell damit zurechtgefunden.

Der Einstieg in Mythaloria kann schwierig sein, da nicht viel Hintergrund und Spielmaterial im Buch vorhanden sind. Es gibt auch nur eine Handvoll Antagonisten und Monster mit Spielwerten. Allerdings kann die geneigte Spielgruppe diese Lücken mit eigenen Ideen oder Material aus anderen Welten ergänzen.

Das Regelsystem ist einfach gehalten, schnell erlernbar und flüssig einsetzbar. Da geneigte Spielende wahrscheinlich nicht genug W4 in der Würfelsammlung haben, kann hier mit virtuellen Würfeltools ausgeholfen werden.

Das Abenteuer sollte von der Spielleitung unbedingt an die Gruppe angepasst werden. Dabei sollten die Schwierigkeiten einiger wichtiger Würfelwürfe flexibel angepasst werden, damit die Gruppe weiter der Handlung folgen kann.

Insgesamt ein gutes stimmungsvolles Abenteuer, dem es gelingt, alle wesentlichen Themen von Mythaloria den Spielenden zu vermitteln, und damit einen guten Einstieg bietet, um das System kennenzulernen.

 

  • Alle Charaktere beherrschen Magie
  • Einfaches Regelsystem
  • Einstiegsabenteuer enthält alle Spielthemen

 

  • Spielmaterial durch das dünne Grundbuch begrenzt
  • Würfelsystem ausschließlich mit W4

 

Artikelbilder: © Heinrich Tüffers Verlag
Layout und Satz: Mika Eisenstern
Lektorat: Gloria Puscher
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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