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Pen-and-Paper ist tot. Zumindest fast. Diese Wahrheit muss so schonungslos ausgeschrieben werden, denn jahrelang war der stetige Verfall deutlich sichtbar. Aber wurde etwas dagegen getan? Nein! Stattdessen steuerte man sehenden Auges in das Ende des Hobbys, das so viele Menschen in ihrem Leben begleitet hat.

Wir alle lieben Tischrollenspiel. Warum also lassen wir zu, dass es sich langsam, aber sicher dem Exitus nähert? Vieles läuft inzwischen nicht mehr so, wie es laufen müsste. Deshalb sollen hier endlich die größten Missstände Schwarz auf Weiß genannt werden.

Achtung! Dieser Artikel enthält eine hohe Dosis an Satire und ist somit als solche zu verstehen. Die hier geäußerten Meinungen entsprechen nicht zwingend denen der Autorin. Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie Ihre Regelbücher und fragen Ihre Spielleitung oder lokalen Rollenspielladen.

Triggerwarnungen

Pandemie, Tod

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1. Online-Spielrunden

Zugegeben, während der Pandemie waren diese virtuellen Treffen für viele der einzige Ausweg, um das Hobby Tischrollenspiel nicht gänzlich aufgeben zu müssen. Aber was passiert jetzt? Jetzt hören viele nicht mehr damit auf! Angeblich sei es einfacher so, man könne sich regelmäßiger treffen und sowieso ist es nur noch so möglich, weil die Gruppe inzwischen weit auseinander wohnt. Das Spielen an einem echten Tisch aufgeben, nur damit man sich regelmäßig treffen kann und niemand weit fahren muss? Wo kommen wir denn da hin?! Solch egoistisches Verhalten ist es, das über kurz oder lang Gruppen auseinanderbringt.

Diese wunderschönen Geschöpfe drohen, auszusterben!
Diese wunderschönen Geschöpfe drohen, auszusterben!

Der natürliche Lebensraum einer Rollenspielgruppe ist der Tisch – oder ein entsprechendes Äquivalent. Hinzu kommt, dass einschlägige Plattformen im Internet, auf denen Pen-and-Paper gespielt werden kann, den Spieler*innen zu viel abnehmen. Manche Regeln müssen nicht mehr erlernt werden und das Würfeln sowie das Errechnen der Ergebnisse werden ihnen abgenommen. Somit wird das Rollenspiel, so wie es sein sollte, verlernt und es ist grenzwertig, solche Personen noch als Rollenspielende zu bezeichnen. Das Schlimmste hierbei ist, dass eine Gruppe von unschuldigen Wesen vollkommen vergessen wird und darunter leiden muss: echte Würfel. Sie drohen, obsolet zu werden!

2. Einfache Regelsysteme

Über die Jahre wird der Markt immer mehr von Rollenspielsystemen überschwemmt, die ahnungslose Käufer*innen mit schlanken, einfach zu verstehenden Regelsystemen locken wollen. Insbesondere Neulinge sind stark gefährdet, auf diesen Trick hereinzufallen.

Dabei wird ihnen verschwiegen, wie viele Inhalte ihnen verwehrt bleiben, sollten sie sich für eines dieser einfachen Regelsysteme entscheiden: stundenlanges lesen des Grundregelwerks, nur um die Basisregeln zu erlernen. Ständiges Wiederholen dieser Regeln, Sitzung für Sitzung, bis sie sich tief in das Gedächtnis eingebrannt und anderes unwichtigeres Wissen verdrängt haben. Ewige Regeldiskussionen am Spieltisch, weil jede*r diesen einen unklar formulierten Satz etwas anders interpretiert. Nie enden wollende Kämpfe, da es Regeln für jedes noch so kleine Manöver gibt. Optionale Regeln, die einen bisher einfachen Sachverhalt um ein Vielfaches verkomplizieren.

Wie kann man (neue) Rollenspieler*innen nicht in den Genuss dieser Dinge kommen lassen? Zu allem Übel lässt man sich mit einfachen Regeln viel schneller auf etwas ein, das man kaum ausschreiben möchte: tatsächliches Rollenspiel. Dieses stellt das nächste Problem dar.

3. Ausuferndes Rollenspiel

Richtige Rollenspieler*innen wissen, worauf es ankommt.
Richtige Rollenspieler*innen wissen, worauf es ankommt.

Es ist der Feind eines jeden Dungeoncrawls und zielorientierter Gruppen. Dabei gibt es so viel zu tun, so viel zu erleben. Wieso sollte man sich da von den Befindlichkeiten eines einzelnen Charakters aufhalten lassen oder die Nachwirkungen einer durchzechten Nacht in allen Einzelheiten ausspielen? Wieso benötigt ein Charakter einen bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Hintergrund, der immer wieder angesprochen werden muss, nur damit er im nächsten Dungeon in eine Falle läuft und das Zeitliche segnet? Rollenspiel hält das Rollenspiel nur auf und lenkt von den wichtigen Dingen ab, welche die Charaktere wirklich weiterbringen: Loot und Erfahrungspunkte.

4. Rollenspielbücher in digitaler Form

Was ist schlimmer als passive Spieler*innen? Spielende, die gar nicht erst aufpassen. Durch Rollenspielbücher im PDF-Format steigt eben dieses Risiko immens an. Um in ihnen lesen zu können, benötigt man Handy, Tablet oder Laptop am Spieltisch. Leider bieten diese Geräte ein enormes Potenzial zur Ablenkung. Während also Spieler A noch schnell ein Level in Candy Crush zockt, Spielerin B sich die topaktuellen Nachrichten durchliest und Spieler C den Liveticker der Bundesliga verfolgt, sitzt Spielerin D ratlos daneben und schafft es nicht, die Wachen davon zu überzeugen, die Gruppe in die Stadt zu lassen, weil die sozialen SC in ein Wachkoma gefallen sind.

Bücher sind immer besser.
Bücher sind immer besser.

Davon abgesehen sind analoge Regelbücher ihrer digitalen Form überlegen. Nichts geht über die Haptik eines echten Buches und das Gefühl, darin herumzublättern und es mit dutzenden Notizzetteln zu versehen, weil zwei Lesebändchen einfach nicht genug sind. Zudem sind analoge Bücher teurer und die Hemmschwelle, sie zu kaufen, ist größer. So findet der Konsum hauptsächlich durch eingefleischte Rollenspielende statt und so sollte es auch bleiben.

5. Adaptionen von anderen Medien

Mit Voranschreiten der Jahre geschieht es immer häufiger, dass Rollenspielsysteme entstehen, die auf Film, Serie, Buch, Computerspiel oder Speisekarte basieren. Sind wir hier bei Monopoly? Auf das so bereits vorgegebene Setting wird ein einigermaßen passendes Regelsystem gelegt und fertig ist das neue Produkt! Aber wo bleibt die Kreativität, der Prozess, eine völlig neue Welt zu erschaffen? Sie bleiben auf der Strecke. Hauptsache die Fans der verschiedenen Franchises sind zufrieden, doch die traditionellen Rollenspieler*innen schauen in die Röhre.

Es ist einer der Grundpfeiler des Rollenspiels, sich in neue und unbekannte Welten einzulesen und zum ersten Mal gemeinsam mit der Gruppe darin einzutauchen. Das Spielen in einer bereits durch andere Medien bekannten Welt nimmt dem Rollenspiel einen Teil seiner Seele. Und seien wir mal ehrlich: Es ist vollkommen langweilig Star Wars oder Harry Potter zu spielen, wenn man alles darin schon kennt. Ideenreichtum, ade!   

6. Die SL ist nicht länger gottgleich

Die Allmacht liegt alleine bei der Spielleitung.
Die Allmacht liegt alleine bei der Spielleitung.

Das Wort der Spielleitung ist Gesetz, so war es schon immer und so sollte es auch immer bleiben. Nicht umsonst wird sie in manchen Systemen „Meister“ genannt. Und diesem ist man Gehorsam schuldig. Tendenzen, diese fundamentale Regel aufzuweichen oder gar komplett außer Kraft zu setzen, sind mit äußerster Sorge zu betrachten. Spieler*innen sind wie ungezügelte Kräfte mit einhundert absurden Ideen in der Minute und müssen von der Spielleitung auf die richtige Bahn gelenkt werden. Sie, und nur sie, entscheidet, was als Nächstes geschieht! Ihr dieses göttergegebene Recht in Teilen zu nehmen und auf die Spielenden zu übertragen, grenzt an Blasphemie. Hinzu kommt, dass diese sich, berauscht vom Geschmack der Macht, vermehrt gegen ihre eigene Spielleitung auflehnen. So ist bereits die Rede davon, Rollenspiele ganz ohne SL abzuhalten. An Absurdität kaum zu überbieten!

7. Der eigenen Gruppe fremdgehen

Eine Rollenspielgruppe hält zusammen, egal was kommt. Sie besteht entweder aus vier, fünf oder sechs Freund*innen und dabei bleibt es. Niemand kommt hinzu, niemand geht. Bei einer solch feststehenden Konstellation kann es nur böse enden, wenn einzelne nun beginnen, sich in fremden Revieren umzuschauen. Und schlimmer noch: Sie werden bereitwillig in diese neuen Gruppen aufgenommen und integriert. Die ursprüngliche Gruppe sieht sich nun unfreiwillig einem Problem ausgesetzt: Sie muss eines ihrer Mitglieder mit anderen teilen. Dadurch wird die Terminfindung schwieriger, neue Ideen werden in die bis dahin absolut problemlos funktionierende Gruppe gebracht und führen zu Uneinigkeiten. Man arrangiert sich der alten Zeiten willen irgendwie damit, aber eigentlich ist niemand so wirklich glücklich.

8. Gefahren von außen

Rollenspieler*innen sind eine Gemeinschaft und bleiben am liebsten unter sich. Der Rest der Welt ist ohnehin zu fantasielos, um sie zu verstehen. Probleme entstehen jedoch, wenn Außenseiter*innen in Berührung mit der Szene kommen. Das klassische Szenario: Obwohl ein Spieler sich so gut es ging jeden zweiten Abend in der eigenen Rollenspielrunde versteckte, hat er eine Freundin gefunden. Von nun an herrscht für die Gruppe Alarmstufe Rot. Will sie den Spieler nicht dauerhaft verlieren, bleibt nur eine Wahl: Die Freundin an das Hobby Tischrollenspiel heranführen und zu einer von ihnen machen. Hierbei ist Fingerspitzengefühl gefragt, denn meist besteht nur eine einzige Chance.

Beziehungen mit Außenstehenden sind eine Gefahr für jede Rollenspielgruppe.
Beziehungen mit Außenstehenden sind eine Gefahr für jede Rollenspielgruppe.

Ist diese vertan, war es das in den meisten Fällen. Der Spieler wird zunächst noch beteuern, beim nächsten Mal definitiv wieder dabei zu sein. Aber irgendwann taucht er gar nicht mehr auf, verbringt nur noch Zeit mit seiner Freundin und wird dabei auch noch glücklich! Die Gruppe jedoch bleibt zurück und muss versuchen das Loch zu füllen, welches er hinterlassen hat. Diese und ähnliche Erfahrungen zeigen: Es ist einfach am besten, man bleibt unter sich.

Was bleibt zu sagen?

Die momentanen Zustände des Pen-and-Paper sind desaströs. Eines der besten und unterschätztesten Hobbys hängt nur noch am seidenen Faden. Mit lediglich einem letzten Finger klammert es sich an der Klippe fest, doch auch dieser droht abzurutschen, wodurch es endgültig in seinen Tod stürzen wird. Aber noch ist es nicht zu spät. Noch kann es gerettet werden. Die aktuellen Entwicklungen müssen gestoppt und Lösungen gefunden werden, um diese dringenden Probleme zu beheben.

Ein erster Schritt wäre es, sämtliche Online-Portale für Rollenspiel zu verbieten, sodass die Menschen gezwungen sind, sich wieder zusammen an einen echten Tisch zu setzen. Des Weiteren ist es essenziell, dass Spielleitungen sich wieder den Respekt zurückholen, der ihnen zusteht. Auflehnungen von Seiten der Spieler*innen müssen unterbunden werden. Verschiedenste Sanktionen wie Konsequenzen für die Charaktere der betreffenden Personen sind hier denkbar. Ebenso müssen Adaptionen entschieden von allen Rollenspieler*innen boykottiert werden, damit die Verlage merken, dass so etwas nicht erwünscht ist. Die Probleme sind deutlich, können aber gelöst werden. Es liegt nun in eurer Hand. Make Rollenspiel great again!

Titelbild: Depositphotos / © NewAfrica 
Artikelbilder: Depositphotos / © blackregis2, ValeriHadeev, jag_cz, Healing63, YanaIdea 
Layout und Satz: Milanko Doroski
Lektorat: Maximilian Düngen

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