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Natürlich handelt es sich bei dem Spiel um einen Aprilscherz, aber einer jener Art, in den viel Arbeit reingeflossen ist! Und es ist ein spielbares Produkt entstanden. Wir wünschen euch viel Spaß in der Welt von Fischstäbchen, Tintenfischringen und Miesmuscheln!

Eine Rezension zum kommenden Rollenspielhit Fischstäbchen! – Rache aus der Tiefkühltruhe bei den Teilzeithelden! Möglich gemacht durch unsere guten Verbindungen zu Deutschlands Top-Spieleschmiede Vollzeitfeiglinge durfte unser Gastautor Thor Markbrügge einen exklusiven Blick hinter die Kulissen werfen. Lest weiter und erfahrt, was ihn begeistert hat – und was ihn in den Wahnsinn trieb!

Rollenspiele und fettige Lebensmittel sind schon lange zwei eng miteinander verwobene Themenfelder. Der Legende nach reicht diese Verbindung bis in jene Tage zurück, in denen die ersten Rollenspieler nach einer langen Runde Dungeons and Dragons merkten, dass das Essen, welches ihre Charaktere zu sich nehmen, in der realen Welt gar nicht sättigt. Ruckzuck wurden mehrere Pizzen bestellt und verspeist. Danach soll den Rollenspielern die Idee gekommen sein, ein eigenes System namens Pizzas and Pastas zu entwickeln. Darin übernahm jeder Spieler ein Gericht in einem italienischen Restaurant, dem Schauplatz eines ewigen Krieges mit der Anti-Pasti.

Pizzas and Pastas erfreute sich besonders in Deutschland großer Beliebtheit und war für wenige Wochen in den frühen Achtzigern Marktführer. Doch zwei Gründe bereiteten dieser Erfolgsgeschichte ein schnelles Ende. Erstens kam Das Schwarze Auge auf den Markt und verdrängte dank des großzügig bemessenen Budgets, das Schmidt Spiele für Bestechungsgelder bereitgestellt hatte, jede Konkurrenz. Zweitens fanden die Käufer von Pizzas and Pastas heraus, dass es sich gar nicht um ein Kochbuch handelte und entsorgten die Bücher enttäuscht.

Das Lebensmittel-Rollenspiel erlebt inzwischen aber wieder ein kleines Comeback. Neben dem erfolgreichen Pizzas and Pastas-Reprint im stilechten Pizzakarton konnte das schwedische Nischenprodukt Tales from the Bröd im letzten Jahr große Erfolge feiern. Aus deutschen Landen kommt nun ein richtiger Geheimtipp. Holt die Remoulade raus und backt die Brötchen auf – in diesem Rollenspiel wird es fischig!

Die Spielwelt

Die Spielwelt der Fischstäbchen-Chroniken entspricht der unsrigen Welt. Allerdings mit dem Unterschied, dass seit Äonen eine Welt der zubereiteten Meereskost im Verborgenen existiert. Seit der erste Koch einen Fisch brutzelte, wandeln die Erwachten unter uns. Meerestiere, die durch brodelndes Fett neue Kräfte erhielten und ihre Bestimmung suchen.

Weite Teile dieser geheimen Welt werden liebevoll beschrieben. Der Fokus liegt jedoch auf Europa, andere Kontinente bleiben außen vor. Es gibt aber Gerüchte, dass der Abschnitt über Australien bereits fertiggestellt ist. Diese Seite soll aber erst im Rahmen eines Crowdfundings als PDF nachgereicht werden. Zwar nur für jene, die das „Fischig-glücklich“-Paket für 222 Euro erwerben, aber über illegales File-Sharing sollte sie dennoch jeder bekommen. Also ein faires Angebot.

Ein Crowdfunding realisiert die Vollversion.

Von den eisigen Gestaden Norwegens bis zu den altehrwürdigen Häfen des Mittelmeers ist aber alles enthalten, um ein abwechslungsreiches Spielerlebnis zu gewährleisten. Der größte Feind der Fischstäbchen-Autoren ist dabei aber wahrscheinlich die Globalisierung. Wenn bald jede Küche zwischen Trondheim und Palermo gleich aussieht, dann bleibt das regionale Flair vermutlich auf der Strecke. Eine Spielerweiterung zur Fischverarbeitung im Mittelalter wäre deswegen zu begrüßen. „Fischstäbchen – Dark Ages“ wäre sicherlich ein voller Erfolg.

Hut ab! Eine derart fantasievoll gestaltete Spielwelt habe ich noch nie erlebt. Die Vermutung liegt nahe, dass bei diesem überbordenden Detailreichtum nicht nur ein einfacher Autor hinter dem Regelwerk steckt. Dass ein Insider aus der geheimen Welt der Erwachten hier maßgeblich an der Entwicklung beteiligt gewesen sein muss, liegt auf der Hand. Seit einst ein einsamer Tintenfischring in der Nacht rollend meinen Weg kreuzte, hatte ich schon meine Vermutungen. Endgültig sicher wurde ich, als unserer Redaktion klassifizierte Dokumente zugespielt wurden, die belegen, dass ein Co-Autor namens F. Ischer mit trockenen Brötchenkrümeln bezahlt wurde – wahrscheinlich die wertvollste Währung für Wesen, die stets ihre Panade pflegen müssen!

Die Regeln

Schnell erlernte und einsteigerfreundliche Regeln.

So übersichtlich wie ein Fischstäbchen sind die Regeln dieses Systems. Vier Attribute und frei erdachte Fertigkeiten umreißen die Möglichkeiten des Charakters. Ein simples Würfelpoolsystem dient zum Abwickeln der Proben. Das Kampfsystem ist erfrischend anders gestaltet und erhält durch die bröckelnde Panade zusätzliche Spannung. Lebenspunkte in dem Sinne gibt es nicht, stattdessen sinken Fertigkeiten und schließlich Attribute, bis sie 0 erreicht haben. Zaubern können die aufgetauten Helden auch, allerdings nur die Tintenfischringe unter ihnen. Das klingt kompliziert? Auf keinen Fall, denn die übersichtlichen Regeln sind schnell erlernt und einsteigerfreundlich!

Dennoch entsteht an keinem Punkt der Eindruck, dass dieses Rollenspiel von Laien, also zum Beispiel nebenbei von einer Handvoll Redakteure eines fantasyorientierten Online-Magazins entwickelt wurde. Nein, hier waren erkennbar Profis am Werk, die Wert auf ausgefeiltes Balancing und zur Spielwelt passende Regeln gelegt haben. Zwar werden einige Dinge nicht erklärt – zum Beispiel woher mein Fischstäbchen auf einmal Hände bekommen hat –, aber in diesen Punkten wird eben die Fantasie der Spieler angeregt. Wer braucht schon ein bis ins kleinste Detail geklärtes Regelwerk, wenn er seine Fantasie durch Fischstäbchen beflügeln lassen kann!

Charaktererschaffung

Auf eine ausgefeilte Charaktererschaffung wird verzichtet. Wozu wird die auch schon gebraucht? Helden werden schließlich nicht gemacht, sondern gepresst! Dementsprechend gibt es einige Archetypen zum direkten Losspielen. Je nach spielbarer Rasse – Fischstäbchen, Tintenfischring, Krebs oder Muschel – werden zwei mögliche Archetypen vorgestellt, die für jeden Spielgeschmack etwas bieten sollten. Vom flinken nautischen Kundschafter über den reichen Perlenmäzen bis hin zum magisch begabten Wandler der Flut ist für jeden was dabei.

Erscheinungsbild

Ein erster Blick ins Regelwerk vermittelt den Eindruck, dass in puncto Layout Abstriche gemacht wurden. Klar, denkt man sich, wer so viel Arbeit in die Texte steckt, der kann sich auch nicht mehr so ausgiebig um das Optische kümmern. Doch dann wird klar, dass hier alles so ist, wie es gewollt ist. Die dezenten Einrahmungen durch zarte Blautöne vermitteln den Eindruck, selber auf einem Tiefseetauchgang zu sein. Auf einer Reise durch die antike Heimat der Tiefkühlhelden. Zudem werden auf den überwiegend weißen Blättern Flecken schnell sichtbar. So entsteht nach einigen chipsreichen Spielabenden schnell der Eindruck, dass ein leibhaftiges Fischstäbchen über die Seiten gerutscht wäre – großartig!

Die harten Fakten:

  • Verlag: Vollzeitfeiglinge
  • Autoren: Norbert Schlüter, Yola Tödt, Johannes Weyrauch, Henning Lechner
  • Erscheinungsjahr: 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Format: PDF
  • Seitenanzahl: 30
  • ISBN: geheim
  • Preis: deine Seele
  • Bezugsquelle: Teilzeithelden.de  (Vorerst)

 

Fazit

Diese Rollenspiel-Newcomer sollte man auf dem Zettel haben. Aus dem Stand ist hier ein Rollenspielsystem entstanden, dass auf den ersten Blick zwar etwas ungeschliffen wirkt, bei näherer Betrachtung aber ein ausgeklügeltes Design vorweisen kann. Die Regeln sind zwar an manchen Stellen so unausgewogen wie eine Ernährung, die nur aus Fischstäbchen besteht, aber gerade das macht den Charme des Systems aus. Durch das Ungleichgewicht entstehen dramaturgische Fallhöhen, die man so nur aus den Werken antiker Dichter kennt.

Es bleibt aber auch der beklemmende Eindruck, dass noch mehr hinter dem Regelwerk steckt. Dass die Autoren einer ganz anderen Sache auf die Schliche gekommen sind. Seit dem ersten Spielabend habe ich das Gefühl, dass mich jemand oder etwas verfolgt. Zwei Mitspieler aus meiner Testrunde sind bereits verschwunden. In ihren Wohnungen war nur noch ein leichter Fischgeruch wahrnehmbar. Ich höre schon wieder dieses Schaben an der Tür, als würde ein kleiner verkrusteter Leib dagegen drücken. Es soll mich nicht finden. Gott, diese Panade! Das Fenster! Das Fenster!

 

Artikelbild: All colours aboard, Vollzeitfeiglinge
Dieses Produkt wurde gemeinsam mit einem Monatsvorrat Fischstäbchen zur Verfügung gestellt, damit die Wertung auch gut wird.

 

11 Kommentare

  1. Natürlich handelt es sich bei dem Spiel um einen Aprilscherz, aber einer jener Art, in den viel Arbeit reingeflossen ist! Und es ist ein spielbares Produkt entstanden. Wir wünschen euch viel Spaß in der Welt von Fischstäbchen, Tintenfischringen und Miesmuscheln!

  2. Habe mir schon vorab den geplanten Erweiterungsband „Käpt’n & Iglu“ gesichert, mit mächtigen neuen Sonder-Panaden und das Levelmaximum wird auf sagenhafte 200° angehoben. Ich besitze natürlich auch die Tabletop-Version. Die gab’s beim Lebensmittel-Discounter im Tiefkühlregal. Da hat sich jemand wirklich Gedanken um kreatives Marketing und alternative Vertriebswege gemacht.
    Deshalb Daumen hoch für ein in jeder Hinsicht cooles Produkt :-)

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