Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten

Artefakte können Erbstücke, Trophäen oder rituelle Gegenstände sein. Wenn es nach manchen Spielgruppen ginge, sollten sie aber vor allem eines sein: In ihrem Besitz. Wie sich besondere Schätze in Kampagnen einbinden lassen, und warum der Besitz dergleichen manchmal eine gefährliche Überlegung sein kann, erfahrt ihr in diesem Artikel.

Artefakte bedeuten Abenteuer in Reinform. Es kommt dabei nicht nur oft zu Schatzsuchen, die die kindliche Faszination, ein „X“ zu finden, wiedererwecken, sondern oft geht es bei mächtigen Artefakten ebenfalls um Fragen von Moral und ethischem Handeln sowie den Kampf zwischen Gut und Böse. Insgesamt betrachtet also ideale Voraussetzungen, um Artefakte herum eine Pen-and-Paper-Geschichte zu entwickeln. Gleichwohl wird sich in diesem Artikel zeigen, dass es durchaus einige Hindernisse zu überwinden gilt, sowohl für die SL als auch für die Spieler*innen. Denn schließlich folgt aus großer Macht immer große Verantwortung.

Was macht ein gutes Artefakt aus?

Der Logik klassischer Abenteuergeschichten folgend sind Artefakte meist das letzte Puzzlestück eines komplizierten Rätsels. Sie sind umgeben von einer Aura des Mystischen, oft verbunden mit alten Legenden. Dies kann ein guter Anhaltspunkt sein, sie unauffällig ins Abenteuer einzubinden: Geplänkel auf der Straße oder eine uralte Legende, die vielleicht in Zusammenhang mit Figuren aus dem Metaplot zusammenhängt, sind erste Stichwortgebende. Klar ist aber auch, dass nicht jedes Rätsel gelöst werden muss oder kann. So kann verhindert werden, dass Artefakte ihren besonderen Dreh verlieren und zu einem von vielen Gegenständen im Inventar der Gruppe degradiert werden. Es ist ebenfalls nicht Pflicht, dass das Artefakt tatsächlich übernatürlich sein muss. Vielleicht liegt seine wahre Macht auch in der Wirkung der Legende, die um es herum gesponnen wurde.

Wertetechnisch sind Artefakte eine knifflige Sache. Sie sollten ungewöhnlich genug sein, dass sie als solche zu erkennen sind. Aber wenn sie mehr als ein paar Sonderfertigkeiten haben, werden sie schnell zum GAU in Kämpfen und Gefechten und sorgen für ein unausgewogenes Mächteverhältnis. Es liegt daher nahe, mächtige Artefakte der Gruppe erst an die Hand zu geben, wenn besonders starke Gegner*innen anstehen. So vermeidet man, dass die restlichen Kämpfe zu leicht werden. Um die Wirkung einzudämmen, hat das Artefakt vielleicht nur ein paar Ladungen, bis es keine Kräfte mehr hat, oder ist lediglich gegen einen bestimmten Gegner*innen-Typ effektiv und bringt bei anderen gar Mali. Vielleicht zehrt es auch Lebenskräfte der Spieler*innen und koppelt die Macht des Artefakts an ihre Lebenszeit, sodass sie abwägen müssen, was ihnen wichtiger ist. Dadurch ist von Anfang an die Motivation der Gruppe gegeben, das Artefakt nur so lange wie unbedingt nötig in ihrem Besitz zu haben und es nicht leichtfertig einzusetzen.

Daher kann es spannender sein und für ausgeglichenere Kräfte sorgen, die Fähigkeiten des Artefakts ins Rollenspielerische zu verorten. Was strahlt es aus, und was zieht es an? Korrumpiert es seine Besitzer*innen, macht sie paranoid oder unerwartet charismatisch und überzeugend? Dies hilft dabei, die Artefakte nicht nur als übermächtige, aber dennoch leblose Gegenstände, sondern als mehr oder wenige lebendige NSC in der Geschichte zu verankern.

Phantastische Artefakte und wo sie zu finden sind

Zwei Möglichkeiten bieten sich normalerweise an, Artefakte unter die Gruppe zu bringen. Entweder mit möglichst dramatischem Effekt als Abenteuer- oder Kampagnenbelohnung, am Ende eines tödlichen Dungeons zum Beispiel. Hier bietet es sich außerdem an, die Lokalität passend zum Ursprungsort des Artefaktes auszuwählen. Denn eine elfische Waffe wird eher selten im zwergischen Bergbau, ein filigranes Musikinstrument kaum in einem Militärlager zu finden sein.

Noch nie hat ein X irgendwo, irgendwann einen bedeutenden Punkt markiert. © Depositphotos | molodec_

Dennoch müssen sich ungewöhnlichere Fundorte deswegen nicht ausschließen. Spiegeln sie doch auf individuelle Art und Weise die mitunter langjährigen Leben der Artefakte dar. Somit kann ein besonderer Gegenstand auch ganz beiläufig, etwa auf einem wuseligen Trödelmarkt, einem Basar oder einfach irgendwo in der Gosse gefunden werden. Dann entpuppt er sich erst im Laufe der Geschichte den Held*innen als mächtiges Artefakt. Die Herangehensweise hängt hierbei ganz von der SL ab und der Stellung, die der seltene Gegenstand in der Handlung einnehmen soll.

Folgend sollen einige Arten von gängigen Artefakten vorgestellt werden, was ihre Eigenheiten sein können und für wen sie sich anbieten.

Rituelle Gegenstände

Versteckt in alten Tempeln oder Kirchen lassen sich rituelle Artefakte finden. Sie führen bei den Spieler*innen dazu, sich mit untergegangenen Zivilisationen zu beschäftigen, oder auch kontroverseren Themen. Wenn rituelle Gegenstände im Spiel sind, stehen die Chancen gut, dass das auch der Grund für die Spieler*innen ist, nach selbigen zu suchen.

Ein rituelles Artefakt bietet die Möglichkeit, hinweisgebend oder sogar Teil eines magischen oder übernatürlichen Vorgangs zu sein, den die Spielenden hervorrufen wollen. Aufgrund der möglichen Macht eines solchen Artefakts sind nicht selten Geheimgesellschaften im Spiel, die das Artefakt bewachen, oder Kulte, die es sich unter den Nagel reißen wollen. Vielleicht nutzen sie es bereits und halten dann hervorragend als Antagonist*innen her.

Artefakte lassen sih immer gut in Tempeln verstecken. © Depositphotos | stefanophotographer

Das Familienerbstück und ideelle Werte

Immaterielle Werte sind es mitunter, die ein Artefakt mehr ausmachen können, als besondere Macht zu besitzen. Ein treffendes Beispiel wären hier zum Beispiel Familienerbstücke, wie ein altes Ölgemälde oder eine Brosche. Diese mögen für ein einzelnes Mitglied der Gruppe einen besonderen Wert haben, für den Rest der Gruppe aber wertlos sein. Ein möglicher Anhaltspunkt für die komplette Gruppe bietet sich erst wieder, wenn bestimmte familiäre Legenden oder Gründungsmythen ins Spiel kommen, die es zu erforschen gilt.

Mitunter entpuppt sich der*die Stammesvater*mutter einer Dynastie als dreiste*r Dieb*in eines nun hochgeschätzten Erbstückes – der Familiennimbus ist nachhaltig beschädigt, was wiederum Charakterentwicklung bedeuten kann. Vielleicht bringt das Artefakt aber auch Glück und war erst für den Aufstieg der Familie verantwortlich. Ganz egal, welche Geschichten geschrieben werden: Diese Art von Artefakt wird sich fast immer in gruseligen Villen und verwahrlosten Landsitzen finden lassen.

Blut, Schweiß und Tränen – Die Kampftrophäe

Etwas martialischer mögen Kampfestrophäen oder legendäre Waffen anmuten, die sich jedoch am ehesten anbieten, um Gegenstände mit besonders hohen Werten zu versehen. Genauso ist aber auch hier denkbar, das Artefakt vor allem wegen seines Moralboosts, den es auf Personen ausübt, besitzen zu wollen. Vor allem kampfgestählte Figuren dürften ihre Freude an besonderen Waffen oder Rüstungen haben.

Die Kampftrophäen können jedoch auch eine interessante Überraschung bieten. Etwa wenn die Spieler*innen anfangen, sich zu sehr auf die Wirkung des Artefakts zu verlassen, und es dann aufhört zu wirken. Denn nichts ist von Dauer, auch nicht die Magie uralter Artefakte.

Artefakte mal anders – Pseudo- und Biofakte

Bei Biofakten wird die lebendige Darstellung ein Kinderspiel, handelt es sich beispielsweise um eine K.I. oder einen Androiden. © Depositphotos | rolffimages

Auch abseits der gewohnten Pfade lohnt es sich zu schauen, wenn es um Artefakte geht. Denn es muss ja nicht immer ein alter Goldschatz, ein ritueller Kelch oder eine legendäre Streitaxt sein. Die Archäologie kennt Unterscheidungen von Artefakten. Zum Beispiel die Geofakte, welche auch Pseudoartefakte genannt werden. Sie bezeichnen beispielsweise Gestein, welches durch Zufälle so ausschaut, als wäre es zu früheren Zeiten von Humanoiden bearbeitet worden, de facto aber wertlos ist. Somit kann ein Artefakt auf diese Art und Weise auch als falsche Fährte oder mit der Erkenntnis dienen, dass wilde Schnitzeljagden nicht immer von Erfolg gekrönt sein müssen. Allerdings sollte dann Pathos wie: „der Schatz war die ganze Zeit in uns, es war Freundschaft“ auf ein erträgliches Minimum reduziert werden.

Biofakte hingegen bezeichnen die Vermischung von Lebendigem mit den technischen Aspekten eines Artefakts. Somit sind sowohl Funde von Artefakten in futuristischeren Settings denkbar, dann aber eben mit ihren Ursprüngen nicht in der Archäologie, sondern in der Gentechnik oder Kybernetik – ein neues Heilmittel oder ein kybernetisches Implantat sind hier die Objekte der Begierde.

Was sind mögliche Komplikationen bei Artefakten?

Bevor das Artefakt und seine besondere Aura Normalzustand werden, ist es besser, die Gruppe in die Richtung zu lenken, es wieder aufzugeben. Zu stark können diese Gegenstände an dem oft fein austarierten Regelkonstrukt rütteln. Vielleicht verkaufen die Spieler*innen es also, da der Ruf Mammons zu groß ist, oder sie verlieren es, und das Artefakt verschwindet so schnell aus ihrem Blickwinkel wie es dort landete. Im besten Falle kommt die Gruppe selbst auf die Idee, das Artefakt loszuwerden, es zu verstecken, da es zu mächtig ist, oder schlicht die Mühen, ständig vor böswilligen Gegenspieler*innen zu fliehen, nicht wert ist. Mitunter findet sich aber auch ein liebgewonnener (und überaus fähiger) NSC, der die Bürde auf sich nimmt, das Artefakt für die Gruppe zu bewachen.

Der ursprüngliche Besitzende taucht wieder auf – Tot oder lebendig

Artefakte leben von ihrer Altertümlichkeit. So ist es nicht unwahrscheinlich, dass ein Artefakt im Laufe der Jahrhunderte mehrere Besitzer*innen hatte und sie sich das wiederholen wollen, was sie als ihres erachten.

Dabei spielt die Herkunft des*der Antagonist*in keine Rolle, nicht einmal, ob er*sie tot oder lebendig ist. So sind beide Szenarien denkbar: Der Thriller, in welchem Verfolgungsjagd auf Verfolgungsjagd – nun ja – jagt, oder eine Geistergeschichte, die ihren Wert mehr aus dem Horror und dem Grusel der Vergangenheit ziehen kann.

Besonders Tote Besitzer*innen von Artefakten haben die Neigung, in möglichst dramatischen Gefährten aufzutauchen. © Depositphotos | grandfailure

Verflixt und zugenäht – Eine Auswahl an Flüchen

Der „Klunker“ mag zwar wertvoll sein, bringt aber großes Unglück über seinen momentanen Besitzenden und treibt ihn*sie in den Wahnsinn. Flüche sind eine der tückischsten Komplikationen, da die Spieler*innen sie in einer vorangegangenen Gefahrenanalyse nicht herausfinden können. Dies bietet die Möglichkeit für gruppeninternen Zwist, etwa bei geweckter Gier oder Paranoia. Es ist außerdem ein lohnender Anknüpfungspunkt, dem Artefakt eine Persönlichkeit zu verleihen und seine Hintergründe herauszufinden. Denn vielleicht ist es ja genau der Antrieb des Artefakts, aus dem Schlechten Kraft zu ziehen.

Fazit

In vielen Formen und an den unterschiedlichsten Orten lassen sich Artefakte aufbringen. Manchmal suchen Spieler*innen bewusst nach Artefakten, andere Male finden die Artefakte sie. Dabei treten sie in Form von rituellen Gegenständen, Familienerbstücken und Waffen auf, als technologische Errungenschaften oder wertloser Nippes. Unauffällig in die Kampagne eingebunden, etwa durch den Metaplot, können sie Treiber der Geschichte oder nützliches wie schmückendes Beiwerk sein.

Ein Artefakt hat im Idealfall mächtige Fähigkeiten, hält sich aber die Waage mit gravierenden Nachteilen, um das Reglement der bespielten Welt nicht vollends auf den Kopf zu stellen. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie das Artefakt die Spielenden beeinflussen und so mehr zu einem lebendigeren Aspekt der Geschichte werden kann – positiv wie negativ. Aber auch direktere Hindernisse im Stile verfolgender Antagonist*innen und Flüchen sind denkbar.

 

 

Artikelbilder: © Depositphotos | innovatedcaptures
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Rick Davids

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein