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Nach zehn Jahren Gefängnis kehrt Catwoman in ein neues Gotham zurück: Batman ist tot und Two-Face ein tyrannischer Bürgermeister. In Catwoman – Lonely City 2 von Panini Comics steht die Diebin vor ihrer größten Herausforderung. Sie muss die alten Superschurk*innen vereinen, um den gefährlichsten Einbruch ihres Lebens zu vollbringen. Paul berichtet.

Das vielleicht einflussreichste Batman-Comic aller Zeiten war die Minireihe Der Dunkle Ritter kehrt zurück (auch: Die Rückkehr des Dunklen Ritters), mit der Frank Miller 1986 Batman neu erfand. Nach einem Jahrzehnt im „Ruhestand“ als Bruce Wayne setzt Batman wieder die Maske auf und stellt sich einer innerlich verrotteten Gesellschaft, in der Gangs die Straßen und Korruption und Selbstsucht die Autoritäten regieren. Die Reihe schlug ein wie eine Bombe und prägte das Bild von Batman nachhaltig, auch wenn die direkten Fortsetzungen an diesen Erfolg nicht anknüpfen konnten. Unter anderem auch, weil Frank Millers politisch rechte Tendenzen immer extremer wurden, was sich auch in seinen Comics

Catwoman – Lonely City 2 wirkt wie Cliff Chiangs Gegenentwurf zu Millers Klassiker. Hier kehrt Catwoman, eine Verbrecherin, in eine totalitäre Stadt zurück. Deren einzige Chance liegt darin, dass die ehemaligen Superschurk*innen Batmans sich zusammentun, um Gotham vor Stadtoberhaupt Harvey Two-Face Dent und seiner militaristischen Polizei zu retten.

Triggerwarnungen

Gewalt, Charaktere sterben, Leute werden lebendig verbrannt

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Handlung

Catwoman – Lonely City 2 setzt logischerweise Catwoman – Lonely City 1 fort. Der erste Band war zum Großteil nur Aufbau und Einführung in die Ausgangslage. Vor zehn Jahren feierte der Joker die sogenannte Nacht der Narren, in der er ganz Gotham City mit Terror überzog. Dabei starben sowohl Joker als auch Batman. Selina Kyle, Catwoman, die mal Batmans Feindin, mal seine Geliebte war, wurde verhaftet und kam ins Gefängnis. Nach ihrer Entlassung kehrt sie in eine völlig neue Gotham City zurück. Harvey Dent, der ehemalige Superschurke Two-Face, hat sich anscheinend rehabilitiert und wurde Bürgermeister von Gotham City. Die Polizei hat er in eine militärische Kampftruppe mit maskierten Stahlhelmen in Batman-Optik verwandelt, um jedwedes Verbrechen, aber auch politisch Andersdenkende auszuschalten. Wie in solchen Situationen üblich regt sich aber Widerstand. Barbara Gordon, das ehemalige Batgirl und Tochter des vorherigen Polizeichefs Commissioner James Gordon, tritt als Stadträtin in der Bürgermeister*innenwahl gegen Dent an. Wie Catwoman ist sie entsetzt davon, wie Dent das Andenken von Batman in Form seiner Bat-Polizei missbraucht. Aber auch auf den Straßen brodelt es, denn die normalen Bürger*innen Gotham Citys leiden unter dem Überwachungsstaat und der übergriffigen Polizeigewalt. Als Selina kurz nach ihrer Entlassung von der Polizei gejagt wird, aber entkommen kann, wird Catwoman zur Symbolfigur der Demonstrierenden.

Catwoman, eine unfreiwillige Heldin?

Catwoman ist daran zunächst aber wenig interessiert. Sie will Batmans letzte Bitte an sie erfüllen, „Orpheus“ zu suchen, auch wenn sie nicht weiß, was das Wort bedeutet. Ihre Lösung des Problems: In die Bathöhle einbrechen, um Batmans Geheimnis aufzudecken. Aber keine Heist-Story ohne Crew. Doch Catwomans ehemalige Zweckverbündete, Batmans andere Superschurk*innen, ging es in den letzten zehn Jahren kaum besser als ihr. Killer Croc ist zum Trinker mit schlimmem Knie geworden, die frühere Femme fatale Poison Ivy hat ein paar Pfunde zugelegt und baut in Brasilien Kaffee an, während der Riddler sich mit seiner Tochter Edie als Westentaschen-Trickbetrüger durchschlägt. Aber aus einer Mischung aus Nostalgie und Egomanie schließen sich alle Catwomans Plan an. Neben Edie, die Catwoman in den Künsten des Fassadenkletterns ausbildet, tritt auch noch der junge Hacker und Ingenieur Winston dem Team bei, der für die Ausrüstung zuständig ist.

Soweit zu Band 1. In Lonely City 2 ist das Team versammelt und die Einbrüche können beginnen. Ein Teufel von einem Mitglied muss noch angeheuert werden, um die letzte Barriere um die Bathöhle zu durchbrechen, die einst eine zauberhafte Bekannte Batmans für ihn angelegt hat. Außerdem nähert sich der Tag der Bürgermeisterwahl immer mehr und die Spannung in der Stadt droht überzukochen. Barbara Gordon schließt sich den Demonstrierenden an und erschafft so eine schichtenübergreifende Front gegen Bürgermeister Dent. Dieser wiederum hat wirklich versucht, Gotham City mit seinem Überwachungsstaat sicher zu machen. So kurz vor der Wahl kommen aber die Risse in seinem System zum Vorschein, was ihn wiederum so unter Druck setzt, dass die Risse in seiner Psyche seine gewalttätige gespaltene Persönlichkeit wieder ans Licht bringen.

Harvey Dent hadert stets mit sich selbst.
Harvey Dent hadert stets mit sich selbst.

Neben der Inspiration durch Der Dunkle Ritter kehrt zurück zeigt Cliff Chiang in vielen kleinen Details, dass er sich mit dem Batman-Mythos auskennt. Die Katzenmasken, die Edie und die Demonstrierenden tragen, sind an das Cartoon-Katzengesicht angelehnt, das im Film Batman Returns von 1992 als Logo von Maximilian Schrecks Laden benutzt wird. Neben diversen Anspielungen auf das weitere DC-Universum zitiert Dent bei einem Geschäftsessen auch eine der berühmtesten Szenen aus Batman – Das erste Jahr, der anderen Geschichte, mit der Frank Miller den Dunklen Ritter neu definierte. In verschiedenen Rückblenden werden außerdem immer wieder alte Kostüme der Figuren zitiert.

Catwoman – Lonely City 2 ist gut erzählt. Die Geschichte wird klar vorgestellt und hat gut nachvollziehbare Motivationen, Gefahren und Ziele auf allen Seiten. Die alten Schurk*innen teilen sich Wehmut nach den alten Ruhmeszeiten, als sie sich in bunten und dramatischen Wettstreiten mit Batman messen konnten. Vor allem Catwoman leidet dazu noch unter Schuldgefühlen, dass sie weder Batman retten noch seinen letzten Wunsch erfüllen konnte. Und allen sieht man an, dass sie in die Jahre gekommen sind und nicht mehr so können wie früher. Catwoman – Lonely City 2 ist aber trotzdem nicht bloß ein nostalgisches Werk, in dem früher alles besser war. Die Probleme der Gegenwart werden als schlimm dargestellt und die älteren Leute sind durch ihre Erinnerungen und Erlebnisse gezeichnet, die junge Generation aber ist in Aufbruchsstimmung. Ohne die alten Zeiten kleinzumachen, sehen Edie, Winston und die Demonstrierenden die Zeit gekommen, für ihre Überzeugungen einzustehen und ihre eigenen Geschichten zu schreiben.

Dents Bat-Bullen gegen Barbaras Cat-Bürger
Dents Bat-Bullen gegen Barbaras Cat-Bürger

Catwoman – Lonely City 2 hat durch diese Mischung aus Nostalgie und Überzeugung etwas Bittersüßes. Das Alte vergeht, aber das Neue entsteht. Im Vergleich zu der unbestreitbaren Inspiration Der Dunkle Ritter kehrt zurück ist Catwoman – Lonely City 2 aber leichter und angenehmer zu lesen. Frank Millers düstere Zukunftsvision malt eine Stadt voller gewalttätiger Gangs und feiger Polizist*innen, und nur Batman kann als einziger der Stadt helfen, indem er allen den Krieg erklärt, bis zum bitteren Ende. In Catwoman – Lonely City 2 finden sich Bürger*innen, ehemalige Schurk*innen und Held*innen zusammen, um gemeinsam für eine bessere Zukunft zu kämpfen, die hier auch vorstellbar gemacht wird.

Charaktere

Die Charaktere sind wie erwähnt gut geschrieben. Es wird verständlich dargestellt, dass Catwoman von ihren Schuldgefühlen geleitet wird, weder Batman gerettet haben zu können noch seinem letzten Wunsch zu entsprechen. Darüber hinaus befindet sie sich in einer Sinnkrise. Nach zehn Jahren im Gefängnis dürfte sie sich langsam auf die 50 zu bewegen, und ihr persönlicher, extrem akrobatischer und körperlich höchst fordernder Stil des Einbrechens wird für sie immer schwerer ausführbar. Früher wurden ihre Diebstähle nicht primär von Geldgier, sondern von Adrenalinsucht getrieben. Aber jetzt, da sie beginnt, ihr Alter zu spüren, fehlt ihr das Geld und langsam vielleicht das Können, um sich ihren Lebensunterhalt zu sichern – sonst hat sie ja nichts gelernt.

Catwoman schafft es nicht mehr allein.
Catwoman schafft es nicht mehr allein.

Der Riddler fühlt sich andererseits wohl in seiner neuen Rolle als Trickbetrüger, der sich um seine Tochter kümmert. Doch mit der Herausforderung der Bathöhle konfrontiert, kann er nicht widerstehen, einmal mehr sein Genie als Planer zu demonstrieren. Außerdem fühlt er eine emotionale Verbundenheit zu Catwoman, von der er sich mehr verspricht. Während Catwoman der allgemeinen Charakterisierung der Figur entspricht, ist der Riddler etwas anders. In den meisten Darstellungen leidet er unter psychischen Problemen wie einer oft durch Minderwertigkeitskomplexe ausgelösten Zwangsstörung, Rätsel stellen zu müssen, die Hinweise auf seine Pläne enthalten. Der Riddler, den wir in Catwoman – Lonely City 2 sehen, leidet unter keinen solchen Problemen. In Rückblicken verhielt er sich früher, im Kampf gegen Batman, zwar als ähnlich überdrehter Superschurke, sein damaliges, teils manisches Verhalten führt der gealterte Riddler aber bloß auf zu viel Kokain zurück.

Riddler und Ivy werden im Einsatz nostalgisch.
Riddler und Ivy werden im Einsatz nostalgisch.

Poison Ivy und Killer Croc sind auch eher ungewöhnliche Versionen ihrer selbst. Ivy hat nach der Nacht der Narren, in der auch ihre geliebte Harley Quinn starb, Gotham verlassen und sich in Brasilien einer legalen Kaffeeplantage gewidmet. Die moderne Poison Ivy ist üblicherweise eine getriebene Ökoterroristin, die Pflanzen höher als menschliches Leben einschätzt oder mittlerweile durch ihre romantische Beziehung zu Harley Quinn definiert wird. Die Poison Ivy aus Catwoman – Lonely City 2 scheint sich hingegen eher an der älteren Poison Ivy zu orientieren. Sie erzählt davon, wie viel Spaß sie damals mit kitschigen, übertriebenen Superverbrechen und dem Geflirte hatte, und macht Witze darüber, dass sie keine perfekte Modelfigur mehr hat.

Killer Croc wird üblicherweise als geistlose, tierische Killermaschine dargestellt, oder als Pechvogel, der durch seinen mutierten Körper als Monster behandelt wird und sich so traumatisiert auch wie eines verhält, aber ein weiches Herz für Obdachlose und Schwache hat. Hier ist er in die Jahre und außer Form gekommen, trinkt, um die Schmerzen zahlreicher alter Verletzungen zu betäuben, und träumt davon, wieder wie zu Glanzzeiten als König von Gotham gesehen zu werden.

Das Team macht sich für den Einsatz bereit.
Das Team macht sich für den Einsatz bereit.

Harvey Dent hat einerseits klar die Schurkenrolle inne, andererseits wird aber auch sein Innenleben beleuchtet. Einstmals entwickelte er durch den Schock seiner Entstellung eine gespaltene Persönlichkeit, mit Two-Face als brutalem Mörder. Nur durch brutale Disziplin und eiserne Selbstkontrolle konnte er diese dunkle Seite loswerden. Das lenkt auch seine Taktik in Gotham: So wie er bei sich selbst Erfolg hatte, will er als Bürgermeister die Stadt mit harten Mitteln zum Guten zwingen. Gotham so zu retten ist außerdem sein Herzensprojekt, mit dem er seine Verbrechen wiedergutmachen und seine Schuldgefühle besänftigen will. Als dieses Projekt jedoch zu scheitern droht, greift Dent zu immer extremeren Mitteln, und seine Selbstkontrolle beginnt sich aufzulösen. Man ist beim Lesen nicht auf Dents Seite, kann aber verstehen, was ihn antreibt.

Zeichenstil

Von jetzt an ist niemand mehr sicher.
Von jetzt an ist niemand mehr sicher.

Cliff Chiang ist Autor und auch Zeichner von Catwoman – Lonely City 2. Man kann ihn getrost als Superstar unter den amerikanischen Comiczeichner*innen bezeichnen. Sein Durchbruch bei DC kam in den 2000ern, als er das Reboot des Creepers (früher in Deutschland als „Tarzino, die lachende Bestie“ übersetzt) und die Green Arrow/Black Canary-Reihe zeichnete. Den Ritterschlag erhielt er, als er im Rahmen des New 52-Reboots der DC Comics 2011 die neue Version von Wonder Woman designen konnte. Im Rückblick wird die von Brian Azzarello geschriebene Reihe inhaltlich zwar kritisch betrachtet, die Zeichnungen bleiben aber hochgelobt.

Chiangs Zeichenstil zeichnet sich durch eine leicht eckige Stilisierung bei realistischen Proportionen aus. Äußere Umrisse der Figuren werden mit dickeren schwarzen Linien markiert, Details der Figur wie Falten, Nasen, Lippen aber nicht wie üblich in schwarz, sondern in dunkleren Tönen der umgebenden Farbfläche gezeichnet. Bei Pinker Haut wird die Nasenlinie etwa in dunklerem Rot gehalten statt in schwarz. Das verleiht seinen Bildern einen einzigartigen, sofort erkennbaren Look.

Kein Bat-Comic ohne obligatorisches Joker-Cameo
Kein Bat-Comic ohne obligatorisches Joker-Cameo

Die Art, in der Chiang Figuren und Objekte stilisiert und simplifiziert, hat anders als übliche amerikanische Comicstile fast einen gewissen frankobelgischen Touch. Auf jeden Fall sehen die Zeichnungen hervorragend aus. Neben der figürlichen Darstellung beherrscht Chiang auch die Komposition innerhalb von Panels sowie die Anordnung von Panels auf der Seite hervorragend. Er zeichnet Figuren auf eine Art, die ihre Charakteristiken und Gefühle zur Geltung bringt, und verbindet die einzelnen Panels zu einem ausgezeichneten Erzählfluss.

Erscheinungsbild

Catwoman – Lonely City 2 ist im übergroßen Luxusformat produziert. Die Größe des Bandes erinnert an deutsche Ausgaben von frankobelgischen Comic-Alben, durch die Proportionen amerikanischer Comics ist Catwoman – Lonely City 2 allerdings breiter. Verarbeitung und Druckqualität sind gut gelungen. Auch das Umschlagbild ist gut gewählt und trifft eine ansprechende Mischung aus Noir und Pulp.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor*in(nen): Cliff Chiang
  • Zeichner*in(nen): Cliff Chiang
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 108
  • Preis: 22 EUR
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Panini ComicsAmazon, idealo

 

Fazit

Catwoman – Lonely City 2 erzählt eine mögliche Zukunft der diebischen Antiheldin. Nach zehn Jahren im Gefängnis kehrt sie in eine totalitäre Gotham City zurück, getrieben von Batmans letztem Wunsch. Während Two-Face als tyrannischer Bürgermeister die Stadt drangsaliert, vereint Catwoman die anderen ehemaligen Schurk*innen zu einem letzten großen Coup. Zusammen wollen sie in die Bathöhle einbrechen.

Die Geschichte von Catwoman – Lonely City 2 bietet eine etwas optimistischere Antwort auf den Klassiker Der Dunkle Ritter kehrt zurück. Die solide erzählte Abenteuergeschichte ist nachvollziehbar und unterhaltsam, an sich aber noch nicht außergewöhnlich. Die großen Pluspunkte von Catwoman – Lonely City 2 sind die sympathischen und nachvollziehbaren Charaktere sowie die schönen Zeichnungen. Damit ist Catwoman – Lonely City 2 ein qualitativ hochwertiger Comic, der sich lohnt, auch wenn das übergroße Hardcover-Prestigeformat den Preis für die Seitenzahl verhältnismäßig hoch treibt.

  • Cliff Chiangs Zeichnungen
  • Solide Story
  • Gute Charaktere
 

  • Vergleichsweise teuer
  • Übergroßes Format passt nicht in Schränke

 

Artikelbilder: © Panini Comics
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Simon Burandt
Fotografien: Paul Menkel
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