Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Geneve Cornelius, eine Heilerin aus einer Henkersfamilie, die mehrere hundert Jahre alt ist und sich im ewigen Kampf zwischen Gut und Böse bisher neutral verhielt, ist gezwungen, diese Haltung zu überdenken. An ihrer Seite: ein Mitglied der Bugattis, jener Familie, mit der die ihre in eine Fehde verwickelt ist.

Nach einer Serie über Türen, die in Parallelwelten führen, widmet sich Markus Heitz diesmal der Tochter einer Henkersfamilie, die in Leipzig lebt und sich dort um Menschen und Wesen der Anderswelt gleichermaßen kümmert. Zwar ist ihre Familie in eine jahrhundertelange Fehde mit den Bugattis, einer weiteren Henkersfamilie, verwickelt, jedoch will Geneve davon nichts wissen. Sie verhält sich seit jeher neutral. Doch es ist genau diese Neutralität, die gefährdet ist, als ihr Bruder getötet wird.

Story

Der größte Teil von Die Meisterin spielt in der Gegenwart in Leipzig. Geneve arbeitet als Heilpraktikerin, und wir lernen sie als jemanden kennen, der sich um die ihr anvertrauten Menschen und Wesen sorgt. Von ihrer Familie hat sie sich losgesagt; auf einen Anruf ihres Bruders reagiert sie erst einmal mit Misstrauen und Abneigung. Als dieser kurz darauf tot im Hinterhof eines Londoner Pubs aufgefunden wird, weigert sie sich auf die Bitte ihrer Mutter hin, anzureisen und gemeinsam herauszufinden, wer ihn warum getötet hat. Erst als auch die Mutter getötet wird, noch während sie mit Geneve telefoniert, macht sie sich auf den Weg, um herauszufinden, wer für die Morde verantwortlich ist.

Begleitet wird sie dabei von Alessandro Bugatti, ebenfalls Spross einer Henkersfamilie. Da sein Schwert für den Mord an Geneves Bruder verwendet wurde, hat er sich als Hauptverdächtiger von Rom aus auf den Weg gemacht, um Geneve zu versichern, dass er nichts damit zu tun hat. Stattdessen bietet er seine Hilfe bei den Ermittlungen an und begleitet Geneve nach London. Dabei finden die beiden heraus, dass sie einer sehr viel größeren Sache auf der Spur sind, als sie dachten.

Unterbrochen wird die Erzählung immer wieder von Rückblenden, die vom Leben der Familie Cornelius im Mittelalter erzählen – dass die Familie einen Weg gefunden hat, Jahrhunderte über der durchschnittlichen Lebenserwartung zu leben, wird bereits auf den ersten Seiten angedeutet. Als LeserIn begleitet man die Familie während eines Hexenprozesses, der dazu beiträgt, insbesondere Geneve näher zu charakterisieren und die Veränderung, die sie durchmacht, nachzuvollziehen. So tritt sie in den Rückblenden im Vergleich zum Rest des Romans deutlich naiver auf, was nicht zwingend mit dem weichen Herzen, das ihr immer wieder bescheinigt wird, einhergehen muss. Außerdem wird in diesem Teil der Geschichte erklärt, wie es zu der Fehde zwischen den Familien Cornelius und Bugatti kam.

Auch Dara, eine Gestaltwandlerin, der Geneve hilft, steht für ein paar wenige Abschnitte im Mittelpunkt, sodass wir erfahren, was während Geneves Abwesenheit in Lepzig geschieht. Eingeleitet werden diese Unterbrechungen der Hauptstory durch kursiv gesetzte Abschnitte, in denen sich die Erzählerin, die sich sehr schnell als Geneves Mutter herausstellt, direkt an die LeserInnen wendet.

Zwar dauert es eine Weile, bis Die Meisterin Fahrt aufnimmt, allerdings wirkt das Ende dann ein wenig zu gehetzt; beinahe so, als hätte Heitz den Roman unbedingt unter 500 Seiten beenden müssen. Der große Showdown wird diesem Namen nicht ganz gerecht. Stattdessen hat man das Gefühl, dass jemand den Schwierigkeitsgrad eine Stufe zu einfach eingestellt hat.

Während Geneve und Alessandro als runde Charaktere konzipiert sind, kann man das von den Nebenfiguren leider nicht ganz behaupten. Geneves Bruder ist ein Sadist und Dara lediglich ein Opfer. Das macht es schwer, etwas Überraschendes in der Story zu finden. Lediglich Ignatius, ein aus Rom gesandter Geistlicher, weckt Neugierde und ist nicht papierdünn.

Schreibstil

Die Meisterin ist flüssig geschrieben und lässt sich gut verfolgen. Wie bereits erwähnt, fungiert Geneves Mutter als Erzählerin. Dies tut sie als Omnipräsenz in der dritten Person. Merkwürdigerweise sind auch die Rückblenden in die Vergangenheit in der dritten Person verfasst, obwohl sie immer wieder durch die Erzählerin eingeleitet werden. Man könnte annehmen, dass diese Rückblenden in der ersten Person erzählt werden; schließlich berichtet sie darin nicht nur von Geneves Geschichte, sondern auch einem Teil ihrer eigenen. Die kursiv gesetzten Abschnitte, die als Überleitungen fungieren, haben eine zweite Funktion: Infodump. Heitz recherchierte das Leben der HenkerInnen und nutzt eben jene Abschnitte, um den LeserInnen diese Informationen zukommen zu lassen. Der belehrende Eindruck passt zu Geneves Mutter, allerdings nerven diese Stellen mich mehr, als dass sie mich interessieren. Auch das Spiel mit der Unwissenheit der LeserInnen („Wundern Sie sich ruhig […] Sie erhalten mein Versprechen, dass sich alles aufklärt.“) sorgt nicht dafür, dass sie mir als Erzählerin sympathisch wird.

Ebenso unvorteilhaft sind die überholten Klischees, die Heitz bedient. Zum Beispiel der Charakter, der oder die ohnmächtig wird, ehe der Gedanke oder Satz beendet werden kann, der den LeserInnen Hinweise gegeben hätte. Auch dass die Protagonisten und der Bösewicht als einzige bis auf ein paar Schrammen unverletzt einen Autounfall überleben, gehört auf die Liste der Dinge, die zu oft geschrieben wurden.

Zwar gibt es am Ende noch eine Erklärung für das lange Leben der Familie Cornelius, allerdings werden andere Fragen unbeantwortet gelassen. Warum wird so oft betont, dass Geneve zwei verschiedenfarbige Augen hat? Was ist mit Eric und Sia, die Geneve zu Beginn des Romans um Hilfe bitten und danach nie wieder erwähnt werden? Was hat es mit Geneves Ex-Freund auf sich, der ihr ständig schreibt und dem sie nicht antwortet, aber offensichtlich noch hinterhertrauert? Sicher, bei Die Meisterin handelt es sich nur um den ersten Band von dreien, und ich prophezeie, dass der Ex-Freund eine größere Rolle spielen wird; schließlich ist die sich anbahnende Beziehung zwischen Geneve und Alessandro nicht subtil gehalten. Dennoch hätte ich mir an dieser Stelle weniger offensichtliche Hinweise auf Handlungsstränge in den folgenden Bänden gewünscht.

Der Autor

Markus Heitz ist besonders für seinen Bestseller Die Zwerge und seine Drachen-Reihe bekannt. Mit Doors wagte er ein ungewöhnliches Experiment, und Die Meisterin ist nun der Auftakt zu seiner neuen Trilogie. Geboren 1971, hat er bisher über 50 Romane veröffentlicht und ist aus der deutschen Phantastik-Szene nicht mehr wegzudenken. Der zweite Band Die Meisterin: Spiegel und Schatten ist bereits für August 2020 geplant.

Erscheinungsbild

Das Cover unterscheidet sich leider nicht auffällig vom „Standardcover“ der Phantastikabteilung der Buchhandlung. In der Mitte prangt ein Stab, um den sich zwei Schlangen winden. Dieser bezieht sich auf die Protagonistin Geneve Cornelius (immerhin arbeitet sie in der Naturheilkunde), aber das war es schon. Die Gesichter einer Frau und eines Mannes, jeweils im Profil und zum Rand des Covers blickend, und die Silhouetten zweier Städte im Hintergrund, die vermutlich Leipzig und London darstellen sollen, lassen nicht viele Schlüsse auf den eigentlichen Inhalt des Romans zu.

Dass die Geschichte auch übernatürliche Wesen in nicht zu vernachlässigenden Nebenrollen enthält und die Geschichte ein Thriller ist (oder sein möchte), verrät das Cover nicht. Würde man rein nach dem Äußeren gehen, würde man in erster Linie einen Roman erwarten, in dem die Liebesbeziehung zwischen den beiden auf dem Cover dargestellten Personen im Mittelpunkt steht. Wer sich nicht die Mühe macht, den Klappentext zu überfliegen, erfährt nichts vom eigentlichen Inhalt.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Droemer Knaur
  • Autor: Markus Heitz
  • Erscheinungsdatum: März 2019
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschenbuch
  • Seitenanzahl: 480
  • ISBN: 978-3-426-22675-9
  • Preis: 14,99 EUR
  • Bezugsquelle Fachhandel, Amazon, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

  • Dramatis Personae
  • Vor- und Nachwort
  • Leseprobe zu Die Meisterin: Spiegel und Schatten

 

Fazit

Die Meisterin ist kein schlechter Auftakt. Die Protagonisten sind rund und man möchte durchaus wissen, wer hinter den Morden an Geneves Familie steckt. Leider sind die Nebencharaktere nur auf wenige Eigenschaften reduziert und die wenigen Twists, die es gibt, vorhersehbar. Auch Geneves Naivität in den Rückblenden ist ermüdend. Die Informationen zum Leben der Henker im Mittelalter und der frühen Neuzeit sind interessant, aber so aufdringlich präsentiert, dass sie eher stören, als dass sie die Geschichte weiterbringen. Auch die überdeutlichen Hinweise auf weitere oder fortzuführende Handlungsstränge in den noch kommenden Bänden wirken so aufgesetzt, dass man nicht anders kann, als sie zu bemerken.

Die Meisterin ist unterhaltsam, keine Frage. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass Heitz mir als Leserin nicht viel zutraut. Ich mag es, wenn Autoren mich selbst denken lassen, anstatt mir alles vorzubeten. Wenn aber die unsympathische Erzählerin mich immer wieder in Unwissenheit lässt – und mir dies deutlich mitteilt – weil sie sonst offensichtlich die Geschichte nicht so erzählen kann, wie sie es gerne möchte, bin ich genervt.

Uneingeschränkt kann ich Die Meisterin leider nicht empfehlen.

 

 

Artikelbild: © Droemer Knaur 
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Sabrina Plote
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

1 Kommentar

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein