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Neue Spieler sind für jede Gruppe überlebensnotwendig, wenn man nicht im eigenen Saft schmoren möchte. Sie sorgen für Veränderung und Entwicklung und können eine wertvolle, wenn auch seltene Ergänzung zu eurem Spiel sein. Dieser Artikel gibt dir Hilfestellungen, wie man sie am besten in die eigene Spielrunde integriert.

Warum überhaupt ein neuer Spieler?

Ein Fremder ist nur ein Freund, den man noch nicht kennt.“

Grundsatz aus Diplomacy.

Jede Runde, die über mehr als ein paar Abende zusammenkommt, steht irgendwann vor dem Problem der Gewinnung neuer und „unverbrauchter“ Mitglieder. Gründe, eine Runde zu verlassen, gibt es viele: Ein Umzug aufgrund eines neuen Berufs, nachlassendes Interesse, weniger Zeit – oder schwerwiegendere Umstände wie Streitereien: Irgendwann sinkt die Anzahl der aktiven Teilnehmer einer Spielrunde unter eine Mindestzahl, mit der es noch Sinn und Spaß macht zu spielen.

Die Suche nach neuen Spielern bietet eigene Herausforderungen, welche die Kollegen schon mit einem eigenen Beitrag gewürdigt haben. Doch wie heißt man einen potenziellen Mitstreiter in der eigenen Spielrunde angemessen willkommen? Wie schafft man eine wohltuende Atmosphäre und sorgt für ein lang anhaltendes, gemeinsames Spielerlebnis?

Zu Beginn der Suche nach einem neuen Mitspieler sollte man sich die grundlegende Frage stellen, ob die Spielgruppe tatsächlich einen neuen Spieler benötigt, beziehungsweise überhaupt verkraften kann. Ein neuer Spieler, welcher motiviert sein mag, aber nicht in die Gruppe passt, kann sehr viel Schaden an der Spielrunde anrichten.  

Ein neues Mitglied stellt zunächst ein Risiko für die Gruppe dar, welches eingeschätzt und eingegangen werden möchte. Daher kommt man bei einem neuen Spieler um eine Kennenlernphase nicht herum. Idealerweise treffen sich zunächst der potentielle neue Spieler und der Spielleiter, um im kleinen Rahmen den Weg für ein gemeinsames Spiel zu bereiten.  

Das kann man auch als eine gute Gelegenheit sehen, den Menschen abseits vom Hobby kennen zu lernen. Schließlich wäre es schade, von seinem Gegenüber und Spielkollegen nichts, außer die Details am Spieltisch zu kennen. Ein neuer Spieler ist eine neue Gelegenheit für einen Freund, die man ergreifen kann.

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Vermeiden sollte man nach Möglichkeiten, einen neuen Spieler zur Gruppe stoßen zu lassen, ohne sich vorher ausführlich mit ihm beschäftigt zu haben. Selbstverständlich kann man einem neuen Menschen nicht sofort hinter die Fassade blicken, aber ein neutraler Ort wie ein Vereinsraum oder ein gemeinsames Ausgehen bieten sich dennoch zum Kennenlernen an. Eine Sammlung von problematischen Charakteren wurde vom ehemaligen Kollegen Dirk Walbrühl schon in einem eigenen Artikel zusammen gefasst.

Nach diesen Warnungen über die Gefahren neuer Spieler soll natürlich eines festgehalten werden: Diesen Risiken zum Trotz profitieren die allermeisten Gruppen natürlich davon, sich neuen Spielern nicht zu verschließen. Selbstverständlich kann man eine lange Zeit im eigenen Saft schmoren, und viele Spielrunden tun das auch und genießen es, ihren eigenen Spielstil gefunden zu haben und ihn nach Lust und Laune ausleben zu können, ohne den imaginären oder sehr real ausformulierten Gruppenvertrag ständig neu ausverhandeln zu müssen. Aber diesen sich selbst genügenden, abgekapselten Spielrunden bleiben durch die selbst auferlegten Einschränkungen potenzielle neue Ideen und der frische Wind, den Neulinge bieten können, versagt.

Wen braucht die Gruppe?

„Der Beginn ist eine sehr delikate Phase“. 

Prinzessin Irulan, Dune (1984)

Gibt es eine spezifische Nische, die ein neuer Spieler ausfüllen kann beziehungsweise muss? Wenn der Gruppe beispielsweise ein Magier, Decker oder Nahkämpfer fehlt, macht es bei der Suche nach einem neuen Mitstreiter natürlich viel Sinn, auf diesen Umstand hinzuweisen. Andererseits sollte man bei dieser Vorgangsweise besonderes Augenmerk darauf legen, dem Neuling nicht den Eindruck zu vermitteln, er wäre nur auf diese Rolle reduziert. Die Rolle mag zwar vordefiniert sein, aber trotzdem sollte man darauf achten, dass dem neuen Spieler auch Rampenlicht abseits seiner eigentlichen Kernkompetenzen geboten wird, um seinen gespielten Charakter über seine Klassenbeschreibung hinaus kennen lernen zu können.

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Man muss dem Charakter des neuen Spielers genug Raum zum Atmen geben. Der Spielleiter sollte in diesem delikaten Zeitraum besonders darauf bedacht sein, dass ein gesundes Gleichgewicht in Bezug auf Spielzeit und Rampenlicht zwischen den Spielern herrscht.

Einfacher ist es, wenn die Gruppe keine besonderen Anforderungen an ein neues Spielrundenmitglied voraussetzt. Gerade bei einem zeitintensiven Hobby wie Tabletop-RPG, ist es umso relevanter, dass man auf einer persönlichen Ebene versteht und weniger, welche Fertigkeiten und Stats auf dem Charakterbogen stehen. Das gilt umso mehr, da sich neue Charaktere genauso, wenn nicht schneller als die älteren Charaktere der anderen Spieler entwickeln können, exponentiellen Erfahrungspunkttabellen sei Dank.

Am besten trifft sich die Gruppe mit dem potentiellen neuen Spieler, sobald der Spielleiter einverstanden ist, zu einem unverfänglichen Bier- und Brezelabend oder auf eine Cola außerhalb des Spiels zum Kennenlernen. Man darf nicht vergessen, dass das Kennenlernen neuer Menschen immer Stress bedeutet, auch dann, wenn es in einer sicheren und angenehmen Umgebung stattfindet.

Diesem Stress kann man entgegenwirken, indem es an diesem Abend um das Kennenlernen und den Spaß und weniger um das Spiel an sich geht, bei welchem man eine Erwartung erfüllen und sich beweisen möchte. Das ist eine großartige Gelegenheit, um zu sehen, ob man auch spieltechnisch auf einer Wellenlänge schwimmt – was sind die jeweiligen Erwartungen der einzelnen Spieler und des Spielleiters, was möchte man besonders gerne und was überhaupt nicht im Spiel erleben, was sind die Vorkenntnisse, was ist der zu erwartende Wissenshorizont, den der Charakter und der Spieler bereits in seiner ersten Spielsitzung mitbringen sollte? Man darf nicht vergessen, dass jeder Spieler mit seinen eigenen Erwartungen an den Spieltisch kommt und diese dementsprechend unterschiedlich ausfallen können. Wie stark soll es in den nächsten Spieltreffen um Kämpfe, Intrigen oder Rätsel gehen? Schon die einfache Frage, ob auf alles gewürfelt werden wird oder ob man gewisse Sachen lieber erzählerisch abhandeln möchte, kann eine spannende und produktive Grundsatzdiskussion auslösen.  All diese Fragen zu Beginn abzuklopfen, hilft sicher, späteren Frust zu vermeiden.

Jeder Spieler hat einen Charakter, der in der bespielten Welt agieren kann. Da die meisten Rollenspielsysteme die Spielercharaktere als Helden behandeln, sollten es die Spieler genauso halten: Das bedeutet, dass das Erscheinen eines neuen Charakters analog zu einem neuen Kapitel in der Geschichte der Gruppe funktioniert. Ähnlich spontan wie bei dem Aufeinandertreffen von Luke Skywalker und Han Solo in Episode IV ergeben sich aus zufälligen Begegnungen durch die neue Zusammenstellung der Gruppe oftmals Möglichkeiten, welche die Gruppe zuvor nicht gehabt hatte. So gut wie jede Charakterklasse bringt etwas Besonderes ins Spiel, das zum Gelingen des Abenteuers beitragen kann.

Natürlich kann man das Aufeinandertreffen eines neuen Spielercharakters mit der Gruppe etwas einfacher handhaben, wenn alle am Tisch damit einverstanden sind. Einfacher ist nicht unbedingt schlechter. Einen neuen Spieler mit zu viel Information über die aufregenden, bereits bestandenen Abenteuer zuzuschütten, führt selten dazu, dass sich der neue Spieler angenommen fühlt. Hier besteht die Gefahr, dass sich der Neuling überfordert fühlt oder einfach irgendwann ab- und auf Durchzug schaltet, bis das eigentliche gemeinsame Abenteuer überhaupt erst beginnt.

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Wie passe ich zu euch?  Die Einbindung in die Gruppe.

Alte Spielrunden stehen vor der Herausforderung, dass sie eine bespielte Welt und erspielten Plot aufweisen, die auf einen neuen Spieler abschreckend wirken können. Wenn man beispielsweise erst mit Die Rückkehr des Königs oder mit Die Rache der Sith in eine Filmreihe eingestiegen ist, fällt der Anschluss an die Geschichte schwer. Neue Spieler bringen eine unverfälschte, unbefangene Perspektive in die bespielte Welt. Sie können auf Probleme aufmerksam machen, die im Tunnelblick der alten Runde nicht wahrgenommen wurden, oder neue Möglichkeiten und Hinweise aufzeigen, die das Spiel bereichern werden. So geben sie der Runde wertvolle neue Impulse.

Es ist ratsam, dem neuen Spieler entweder durch Erzählung oder eine geschriebene Gruppenchronik eine Zusammenfassung dessen, was ein Charakter unbedingt wissen muss, zukommen zu lassen. Vorausblickende Runden haben deswegen schon frühzeitig einen motivierten Spieler gefunden, der den Posten des Chronisten übernommen hat und eine übersichtliche Zusammenfassung aller relevanten erspielten Ereignisse und Verbindungen geschaffen hat.

Sollte das nicht der Fall sein, ist es immer noch nicht zu spät, eine Gruppenchronik zu beginnen. Man darf nicht voraussetzen, dass der neue Spieler sich alles selbst erspielen kann, wofür die alte Gruppe bereits Monate oder Jahre Zeit hatte. Natürlich ist nicht nur die Gruppe gefragt, wenn es darum geht, den Einstieg einfach zu gestalten. Der neue Spieler sollte verlässlich sein. Übliche Unsitten wie spontane Absagen oder ewiges Warten vor dem Doodle-Ausfüllen können mit Fug und Recht angesprochen werden – und wenn es nicht passt, sollte man es eher früher als später beenden.

Ein frisches faules Ei, welches den gesamten Betrieb aufhält, kann weitaus schädlicher als seine prinzipielle Abwesenheit sein.

Veteranen treffen auf Veteranen

Bislang wurde davon ausgegangen, dass neue Spieler auch generell mit Pen & Paper noch nicht so viel Berührung hatten, vielleicht sogar ihre ersten Schritte in diesem genialen Hobby mit euch verbringen. Ein neuer Spieler muss andererseits nicht zwingend Anfänger sein. Was tun, wenn jemand zu der Gruppen stoßen soll, der dem gespielten System oder im Bereichen Pen & Paper grundsätzlich deutlich mehr Erfahrung als die Gruppe aufweist?

Das ist zunächst eine Chance. Nicht nur müsst ihr dem Neuling die Grundlagen des Rollenspiels nicht lang und breit erklären und er kann gleich in eine aufregende Spielsitzung starten, vielmehr kann man von ihm noch so manches lernen. Für den Veteran gilt dasselbe wie für den Neuling: Idealerweise lernt man ihn auch abseits des Hobbys kennen und steckt die Erwartungen, Motivationen und eventuellen Grenzen so gut es geht im Vorhinein ab, um spätere Konflikte wenn nicht zu verhindern, dann doch zumindest abzufedern.

Die Erfahrungen des neuen Teilnehmers können aus älteren Systemen oder Editionen stammen. Daraus resultieren Erwartungen, die von den Erwartungen der Gruppe abweichen. Eine Umgewöhnung kann manchmal schwieriger als eine Erstgewöhnung sein.

Plot vs. Kompatibilität: Was ist wichtiger?

Kurz gesagt: Man soll sich nicht zu sehr den Kopf darüber zerbrechen, mit welchen Kniffen man den neuen Charakter irgendwie in die Geschichte einbauen, oder, noch schlimmer, ihn auf besonders elegante Weise in die laufende Spielrunde einbinden kann. Manchmal stolpern Charaktere einfach übereinander, während sie in der Wildnis oder bei einem Run unterwegs sind. Das geschieht und ist nicht unbedingt der schlechteste Ansatz, einen Neuzugang zur Gruppe stoßen zu lassen. Wenig ist schlimmer, als den anderen Mitspielern stundenlang zusehen zu müssen, bis die Szene, an der der Neuling dazustoßen soll, endlich erreicht ist.

Gerade kürzere Kampagnen mit einem weniger komplexen Plot haben hier schon rein aus ihrer Struktur heraus einen großen Vorteil gegenüber episch langen und byzantinisch verwirrenden Kampagnen, bei denen man dabei gewesen sein muss, um wirklich Bescheid zu wissen. Auch hartgesottene Erzählspielveteranen erinnern sich an weitaus weniger Details, als sie sich gerne selbst glauben machen. Eine gut geschriebene Chronik, sofern neue Spieler darauf Zugriff haben, wird Wunder wirken, um Neulinge in kurzer Zeit auf Stand zu bringen.

Ebenso ist es empfehlenswert, die alte Kampagne der Gruppe für den Neuling für eine gewisse Zeit zu pausieren. Man kann ein paar Oneshots spielen, ohne die Erwartungshaltung einer langen und aufgeladenen Kampagne. Wenn etwas schiefgeht und man merkt, dass die neu zusammengestellte Gruppe beziehungsweise die Charaktere doch nicht miteinander harmonieren, dann hat man nicht allzu viel verloren.

Fazit

Auch, wenn in diesem Text viel Negatives über Neuzugänge zu alten Spielrunden zu lesen war: Nachsicht und Fürsorge sind gegenüber neuen Spielern angebracht. Mann muss dabei bedenken, dass ein neuer Spieler sich oftmals dazu überwinden musste, sich einer Gruppe Fremder zu stellen und von ihnen akzeptiert zu werden, sofern man nicht das Glück eines bereits rollenspielenden Freundeskreises hat, auf den man zurückgreifen kann. Das stellt trotz einem gemeinsamen Hobby immer noch eine gewisse Hürde dar. 

Der Neuling sollte eigene Entscheidungen so früh wie möglich treffen. Sobald man sich sicher ist, dass er das Vertrauen verdient hat, darf er gerne auch Entscheidungen, die für die Gruppe von tieferer Bedeutung sind, treffen. Nichts drückt Vertrauen und ein gemeinsames Interesse besser aus als übertragene und geteilte Verantwortung. Es wird nicht allzu lange dauern und schon bald wird „der Neue“ das geschenkte Vertrauen mit guten Ideen und tollem Gruppenspiel danken. 

Viel Glück und Spaß mit eurem Neuzugang!

Artikelbild: Depositphotos
Layout und Satz: Verena Bach
Lektorat: Lukas Heinen

 

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