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Doors wird als ein völlig neues Buchkonzept beworben. Markus Heitz, besonders bekannt für seine Reihe um Die Zwerge, lässt dem Leser die Wahl, durch welche Tür er gehen will. Doors ? führt dabei in ein Deutschland von 1944, das sich stark von dem in unseren Geschichtsbüchern unterscheidet.

Markus Heitz veröffentlichte im Oktober 2018 drei Bücher mit demselben Namen, die sich auf den ersten Blick lediglich durch das Cover unterscheiden. Der Klappentext betont, dass alle drei Bücher unabhängig voneinander gelesen werden können: entweder man begibt sich in das Mittelalter des 9. Jahrhunderts, setzt den Fuß in eine trostlose Zukunft oder begibt sich in den Winter 1944/45.

Ich bin niemand, der sich leicht entscheidet, und so übte das Konzept von vorneherein seinen ganz eigenen Reiz auf mich aus. Zeitlich gesehen wählte ich schließlich die goldene Mitte und damit die Tür, die mit einem Fragezeichen markiert ist. Man öffnet sie und findet sich in einer anderen, düsteren Welt wieder.

Story

Aber zuerst einmal zum Anfang. Anna-Lena, die Tochter Walter van Dams, verschwindet in den Katakomben unter der vor Jahren verlassenen Familienvilla, um ein Geheimnis zu ergründen, das in ihrer Familie gewahrt wurde. Ein Geheimnis, das sich um Türen dreht. Um sie zu finden und zu retten, entsendet ihr schwerreicher Vater ein Team aus sechs Menschen, die jeweils Spezialisten auf ihrem Gebiet sind: den ehemaligen Bundeswehrsoldaten Viktor Troneg, der zu den besten Freeclimbern zählt, Dr. Ingo Theobald, Parapsychologe, Carsten Spanger, Personenschützer, Coco Fendi, ein Medium, Dr. Wilhelm Friedemann, ein ins Alter gekommener Höhlenforscher, und Dana Rentski, ebenfalls Höhlenforscherin. Im Höhlensystem unter der Villa finden sie schließlich Spuren auf den Verbleib von Anna-Lena, die sie zu drei der fünf merkwürdigen Türen führen: eine davon ist mit einem X markiert, eine mit einem Ausrufezeichen und die letzte mit einem Fragezeichen. Dieser Teil der Geschichte passiert in jedem der drei Bücher und erst jetzt macht sich bemerkbar, dass man als Leser beim Kauf eine Wahl getroffen hat.

Unsere Helden landen in der Silvesternacht von 1944. Jedoch ist nichts so, wie sie es aus den Geschichtsbüchern kennen. Der Zweite Weltkrieg ist noch nicht ganz vorüber und es sind mehr die Menschen als die Umstände, die dem Team das Auffinden von Anna-Lena und die Rückkehr in die eigene Dimension und Zeit erschweren. Anna-Lena weiß nicht, dass ihr Vater ein Team ausgesandt hat, um ihr zu helfen, und versucht deshalb, sich selbst zu retten und wieder einen Weg zurück zu finden. Währenddessen macht sich Walter van Dam selbst auf den Weg, um seiner Tochter zu helfen, und trifft dabei auf seine ganz eigenen Komplikationen.

Der Aufbau des Romans ist spannend und in drei ineinandergreifende Abschnitte aufgeteilt: das Team um Viktor, Anna-Lena und Walter van Dam. Die Erzählperspektive wechselt von einem allwissenden Erzähler zu einem personalen Erzähler, der nicht auf einen der Charaktere festgelegt ist. Obwohl gerade in der Storyebene des Teams Viktor als Hauptfigur stilisiert wird (und das nicht nur, weil er auf dem Klappentext als Anführer des Teams beschrieben ist), bekommt der Leser auch Einblicke in das Innenleben der anderen Charaktere.

Der Autor schildert manchmal einfach ein wenig zu minutiös.

Dies ist beinahe schade, da man das Gefühl bekommt, der Autor fühle sich dazu verpflichtet, dem Leser alles genauestens zu erklären, anstatt ihn einen Teil des Denkens übernehmen zu lassen. Es scheint, als traue er seinen Lesern nicht genug zu, manche Schlüsse selbst zu ziehen. Zudem fällt es schwer, ein paar Teammitglieder wenigstens sympathisch zu finden, sodass ihre Schicksale mich ehrlich gesagt nicht groß interessierten. Dieser unsympathische Eindruck beginnt bereits bei der Einführung der eher klischeehaften Charaktere (harter, aber sympathischer Kerl mit dunkler Vergangenheit; geheimnisvoller Lara-Croft-Verschnitt; Möchtegern-Held, der die Situation aber nur verschlimmert) und zieht sich durch die gesamte Geschichte.

Gegen Ende des Buches werden große, moralische Fragen verhandelt, die zwar in den Kontext passen, aber dennoch unerwartet und forciert wirken. Die Fragen, ob man Grauen in einer anderen Realität verhindern sollte, wenn man die Möglichkeit dazu hat, obwohl es einen nicht betrifft, und ob es rechtens ist, Menschen, die grauenvolle Dinge taten, zu verdammen, anstatt sie zu retten, sind sicher keine, die man einfach so beantworten kann, würde man danach gefragt werden. Dass zwei Charaktere je eine davon durch ihre Taten beantworten, trägt deutlich zu ihrer Charakterisierung bei und lässt den Leser zurück mit der Frage, wie er sich entscheiden würde. Es ist, gelinde gesagt, ein mulmiges Gefühl.

Schreibstil

Doors ? ist das erste Buch von Heitz, das ich gelesen habe. Sein Stil ist sehr gut zu lesen und weitestgehend unkompliziert, sodass es ein leichtes ist, sich in dem Buch zu verlieren und es in einem Tag durchzulesen. Allerdings scheint er es mit der Regel von Creative Writing-Seminaren, dass man alles in Dreiergruppen beschreiben soll, etwas zu genau zu nehmen. Gerade bei Landschafts- oder Personenbeschreibungen ist dies sehr auffallend und fast ein bisschen störend; dies kann aber ein subjektiver Leseeindruck sein. Ein Beispiel für eine solche Dreiergruppe findet sich zu Beginn des Buches in der Beschreibung von Anna-Lena: „reine, glänzende, helle Haut“. Während die Beschreibungen zu Beginn des Romans noch ausschweifend sind, nehmen sie zum Ende hin ab und werden knapper. Dies gilt allerdings nicht für die Beschreibungen von insbesondere tödlichen Wunden. Hier legt Heitz eine makabre Faszination zutage, die vom Leser einen starken Magen verlangt.

Schade ist, dass Ausrufe oder Zitate auf Englisch und Russisch nicht übersetzt werden.

Während der Roman eigentlich in deutscher Sprache geschrieben ist, gibt es Ausrufe oder Zitate auf Englisch und Russisch, die an keiner Stelle übersetzt werden. Dieses Vorkommen ist nur spartanisch, aber es durchbricht doch den Lesefluss, da ich mich genötigt fühlte, zumindest die russischen Wortfetzen in Google Translator einzugeben. Ein Verständnis der Geschichte ist aufgrund der geringen Häufung allerdings sicherlich auch so gegeben. Dennoch wäre eine Übersetzung als Fußnote oder am Ende des Haupttextes wünschenswert gewesen.

Leider war man beim Lektorat nicht allzu genau und so finden sich ein paar grammatische Fehler, die scheinbar achtlos in den Text eingestreut sind. Sie sind nicht so übermäßig, dass man es direkt als störend empfindet, aber da sie mir aufgefallen sind, fand ich sie dennoch erwähnenswert.

Die popkulturellen Referenzen machen es einfach, den Text in unserer heutigen Zeit zu verordnen. Auffallend ist auch, dass Heitz anscheinend eine große Faszination für Automarken und Modelle legt, da immer, wenn ein Charakter mit einem Wagen unterwegs ist, großer Wert darauf gelegt wird, dem Leser Marke und Modell mitzuteilen. Sicher ist dies ein Teil der Charakterisierung, für mich macht es aber keinen Unterschied zu wissen, welchem Modell der Geländewagen angehört, da der Reichtum van Dams schon zuvor genügend betont wurde.

Der Autor

Markus Heitz wurde 1971 geboren und studierte Germanistik und Geschichte. Der gebürtige Saarländer veröffentlichte bisher über 40 Romane, für die er einige Auszeichnungen erhielt. National und international bekannt wurde er mit der Reihe um Die Zwerge, die ihn auf die Bestsellerlisten katapultierte, aber unsere Rezension zu Drachengift beweist, dass er sich auch mit anderen phantastischen Wesen bestens auskennt.   

Kolonie, Blutfeld und Dämmerung bilden die erste Staffel seiner neuen Buchserie Doors, deren zweite Staffel, die ebenfalls aus drei Büchern bestehen soll und dem Leser damit erneut die Wahl lässt (diesmal in Bezug auf die Geschichte anstatt eines speziellen, historischen Settings), im August 2019 erscheinen wird.

Erscheinungsbild

Eines der Cover ist mit einem X markiert, eines mit einem Ausrufezeichen und das letzte mit einem Fragezeichen.

Das Cover zeigt das Schloss einer steinernen, mit Schnörkeln versehenen Tür, in das eine Spinne ihr Netz gewebt hat. Die Muster in der Tür sind zudem als Relief gearbeitet, sodass man die Erhebungen spürt, wenn man mit dem Finger darüberfährt. Im unteren Viertel des Covers prangt der Name des Autors in roten Lettern sowie der ebenfalls rote Titel, der von einem Rahmen umschlossen wird.

Bemerkenswert ist dabei, dass das zweite O in Doors mit roter Farbe gefüllt ist und ein schwarzes Fragezeichen beinhaltet. Damit ist es, abgesehen von der Farbe und der Machart der Tür, das einzige Unterscheidungsmerkmal der Bücher. Der Untertitel Kolonie findet sich erst auf dem Rückumschlag und fungiert als Titel für den Klappentext, unterhalb dessen alle drei Cover abgebildet sind mit der Erklärung, dass sie drei Romane unabhängig voneinander gelesen werden können. Die ersten knapp achtzig Seiten, die sich in allen drei Büchern wiederfinden und den Abstieg des Teams in das Höhlensystem beschreiben, sind am äußeren Rand der Seite mit einer Art dunklen Marmordesigns markiert, was ein Überspringen der Vorgeschichte beim Lesen eines anderen Bandes einfacher macht.

Leider sind die Wortzwischenräume trotz Silbentrennung ungleichmäßig und die Silbentrennung tritt gehäuft auf, sodass man beim Satz an diesem Punkt noch hätte nachbessern können. Der Text ist in dreizehn, mit römischen Ziffern gezählte Kapitel geteilt, die die Hauptgeschichte erzählen. In den markierten Seiten finden sich zudem zwei kürzere, mit arabischen Ziffern gezählte Kapitel, die mit „Auf Abwegen“ betitelt sind und Anna-Lena begleiten, bevor sie in derselben Dimension landet wie das Team, das sie retten soll. 

Am Ende des Haupttextes findet sich ein „Nachklang“, der in Aachen im Frühjahr 841 angesiedelt ist. Obwohl dies das Setting eines der anderen Bücher ist, spielt dieser Epilog nach den Geschehnissen des vorliegenden Buches; ein weiteres Indiz darauf, dass die drei Bücher untereinander bis auf die Charaktere nicht verbunden sind.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Knaur TB
  • Autor: Markus Heitz
  • Erscheinungsdatum: 1. Oktober 2018
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 288 Seiten
  • ISBN: 978-3-426-52388-9
  • Preis: 9,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Auf den Innenseiten des Umschlags finden sich je vier Steckbriefe, die knappe Informationen zu den Mitgliedern des Teams um Viktor Troneg sowie Herrn van Dam und seiner Tochter Anna-Lena liefern. Über den knappen Informationen zu Namen, Beruf, Alter, Charakter und Aussehen ist ein Symbol abgedruckt, das mit den Charakteren in Verbindung steht und ein Erkennen erleichtert. Diese Steckbriefe sind insofern hilfreich, als dass die Protagonisten relativ schnell eingeführt werden und dem Leser damit eine Möglichkeit des raschen Nachschlagens geboten wird.

Fazit

Markus Heitz versucht sich mit der Doors-Reihe an einem Buchexperiment, das ich so zuvor noch nicht gesehen habe. Die Charaktere haben zwar ihre Schwächen, aber die Geschichte ist stimmig erzählt und zieht den Leser schnell in ihren Bann. Das Was-Wäre-Wenn?-Setting in einer alternativen Geschichtsschreibung macht neugierig, lässt mit den Charakteren mitfiebern und täuscht damit über die eher klischeehaft gezeichneten Charaktere hinweg. Auch wenn sich kleinere grammatische Fehler im Text finden lassen, schafft Heitz es, eine Welt lebendig zu beschreiben. Das Geheimnis der Türen zieht sich durch das ganze Buch und macht Lust auf mehr. Die moralischen Fragen, die gegen Ende verhandelt werden, regen zum Nachdenken an, auch wenn sie einen etwas forcierten Eindruck machen.

Zudem scheint Heitz seinen Lesern nicht immer zuzutrauen, Rückschlüsse auf die Motivation der Charaktere selbst ziehen zu können, da sein Erzähler ständig die Erzählperspektive wechselt, um uns einen Einblick in das Innenleben jedes Charakters geben zu können. Dennoch gibt es von mir eine klare Leseempfehlung. Das Mysterium der Türen und Viktor Troneg als geheimer (und, vor allem, sympathischer) Protagonist bieten genügend Motivation, Doors ? regelrecht zu verschlingen. Ich jedenfalls habe auch Lust, mir Doors X und Doors ! genauer anzusehen und herauszufinden, was Heitz dort mit den jeweiligen Settings anstellt und wie sehr sich die Geschichten ab der Wahl der Tür unterscheiden.

 

Artikelbilder: © Knaur TB, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

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