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John Chu arbeitet als Sherpa und zeigt seiner Kundschaft die Weiten eines Computerspiels. Dass ihm ein Mr. Jones für seine Dienste eine astronomische Summe zahlt, kommt ihm zwar verdächtig vor, dennoch nimmt John an. Erst langsam kommt ihm der Verdacht, dass Mr. Jones nicht ist, wer er zu sein scheint.

Romane voller Anspielungen auf Geek-Kultur gibt es immer wieder, Ready Player One wurde sogar ein Bestseller. Mit 88 Namen legt Matt Ruff seinen neuesten Roman vor, der zeitlich zu einem ähnlichen Zeitraum spielt wie Ready Player One, aber deutlich weniger dystopisch daherkommt.

Handlung & Charaktere

John Chu ist professioneller Gamer und führt als sogenannter Sherpa Kund*innen durch das fiktive Computerspiel Call to Wizardry. Der junge Mann liebt seinen Beruf. Seine größten Probleme sind gelegentlich zahlungsunwillige Kundschaft und die Tatsache, dass seine Exfreundin Darla geschworen hat, ihn zu vernichten. Als sich ein Mr. Jones an ihn wendet und von ihm eine Einführung in die Welt und Geschichte der Computerspiele will, sagt er gern zu – auch weil ihn Mr. Jones sehr gut bezahlt. Dann kommen John jedoch Zweifel und schließlich der böse Verdacht, dass Mr. Jones der Diktator Nordkoreas sein könnte!

Die anfangs etwas schräge Geschichte nimmt nach einigen Reisen durch die virtuelle Welt im letzten Drittel enorm an Tempo zu, allerdings ließ mich die Auflösung am Ende etwas unbefriedigt zurück. Das ist schade, weil das Setting eigentlich sehr vielversprechend war.

Die Figuren sind glaubhaft und teilweise durchaus realistisch, wenn auch besonders Johns Mutter etwas sehr übermächtig ist. Darla ist keineswegs die klischeehafte rachsüchtige Exfreundin, mehr will ich aufgrund der Spoilergefahr jedoch nicht dazu schreiben.

Schreibstil

Erzählt wird alles aus Johns Perspektive, Leser*innen wissen also nie mehr als er selbst. Die Sprache ist, wie John spricht: locker, sehr direkt und voller Gameslang. Dieser wird teilweise aktuell verwendet oder wurde an das Setting angepasst. Für alle, die mit der Sprache virtueller Spiele nicht so vertraut sind wie John, enthält das Buch hinten ein Glossar.

Wenn es um Spiele und Geek-Kultur geht, weiß Ruff offensichtlich, wovon er schreibt. Wer einmal einige Stunden mit World of Warcraft verbracht hat, wird vieles wiedererkennen. Dazu kommen zahlreiche andere Anspielungen und Verweise, die John teilweise kommentiert, aber selten erklärt. Ein großes Lob an dieser Stelle an Übersetzerin Alexandra Jordan, die sich offensichtlich ebenfalls gut mit entsprechenden Themen auskennt.

Über die Welt abseits der virtuellen erfahren Leser*innen relativ wenig. Es gibt Trockenheit, Sony bestimmt in Hollywood, gezahlt wird vorwiegend per Paypal und die meisten Menschen verbringen einen Großteil ihrer Zeit in der virtuellen Welt. Diese ist geprägt von zahlreichen Computerspielen, Serien und anderem Nerdstuff.

Allgemeines zum Buch

Matt Ruff wurde 1965 in New York geboren. Einem breiten Publikum bekannt wurde er spätestens mit seinem Roman Lovecraft Country, der von schwarzen Lovecraft-Fans in Zeiten der Rassentrennung in den USA erzählt. In 88 Namen geht es in eine nähere Zukunft und in virtuelle Welten.

Die harten Fakten:

  • Verlag: FISCHER Tor
  • Autor: Matt Ruff
  • Erscheinungsdatum: 25.11.2020
  • Sprache: Deutsch (Aus dem Englischen übersetzt von Alexandra Jordan)
  • Format: Broschur
  • Seitenanzahl: 336
  • ISBN: 978-3-596-70093-6
  • Preis: 16,99 EUR (Print) + 14,99 EUR (E-Book)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, Amazon, idealo

Fazit

Mit 88 Namen liefert Matt Ruff ein Buch voller Geek-Kultur. Überall lauern Anspielungen, dazu kommt eine Art Crashkurs in der Geschichte des MMORPGs. Zentrales Thema ist immer wieder, dass im Internet niemand weiß, wer man wirklich ist – man könnte alles sein, ein Hund oder eben auch der Herrscher Nordkoreas.

All diese Bereiche manövriert Ruff großartig, die Thrillerhandlung um den möglichen Diktator ist jedoch leider weniger gelungen. Gerade die Auflösung war für meinen Geschmack unbefriedigend.

Wer eine anspielungsreiche Lektüre für Geeks sucht, kann bei 88 Namen jedoch bedenkenlos zugreifen.

 

 

Artikelbild: © FISCHER Tor
Layout und Satz: Verena Vach
Lektorat: Simon Burandt
Dieses Produkt wurde kostenlos zur Verfügung gestellt.

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