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Terraforming Mars – aktuell auf Platz 4 der höchstbewerteten Spiele bei Boardgamegeek. Nach zahlreichen Erweiterungen ist vor Kurzem, aktuell nur auf Englisch, eine Kartenspielvariante erschienen, die versucht, das Spielgefühl des großen Bruders auf eine kürzere Spielzeit zu komprimieren. Wie gut das gelungen ist haben wir uns für euch angeschaut.

Ein beispielhafter Spielaufbau für vier Spielerende, inklusive der Spielmatten, metallenen Ressourcenwürfel und Schalen aus dem Kickstarter.
Ein beispielhafter Spielaufbau für vier Spielerende, inklusive der Spielmatten, metallenen Ressourcenwürfel und Schalen aus dem Kickstarter.

Gerade einmal fünf Jahre ist Terraforming Mars aus der Feder von Jacob Fryxelius alt. Aber in der Zeit hat es das Spiel auf fünf Erweiterungen sowie eine Big Box mit aufgewertetem Spielmaterial gebracht. Ein echter Goldesel für alle beteiligten Verlage und damit war es nur eine Frage der Zeit, bis Spin Offs erscheinen würden. Seit Jahren halten sich Gerüchte über eine Legacy-Variante ebenso hartnäckig, wie sie von Verlag und Autor dementiert werden. Daher war es keine wirkliche Überraschung, als im Februar dieses Jahres der Kickstarter zu Terraforming Mars – Ares Expedition an den Start ging. Statt der Legacy-Version war es jedoch ein Kartenspiel, das hier um die Gunst der Käufer buhlte.

Das Spiel war zu dem Zeitpunkt bereits fertig entworfen und wurde über Kickstarter lediglich finanziert. Dabei kam es, wie aktuell bei vielen Kickstartern, zwar zu ein paar Verzögerungen, aber seit einigen Wochen wird das Spiel ausgeliefert und mittlerweile sollten nahezu alle Teilnehmenden des Kickstarters ihre Kopie erhalten haben.

Etwas Unmut gab es dabei vor einigen Wochen, als die amerikanische Kaufhauskette Target eine, zwar vom Spielmaterial weniger hochwertige, Kopie in den Verkauf nahm, allerdings noch bevor die Auslieferung des Kickstarters in den USA angelaufen war. Fehlende Kommunikation war die Hauptkritik, die aber mittlerweile weitestgehend der Vergangenheit angehört.

Aktuell ist Ares Expedition noch nicht auf Deutsch erhältlich. Laut Webseite des Schwerkraft Verlags, der auch alle anderen Terraforming Mars-Titel nach Deutschland gebracht hat, soll das Spiel aber noch dieses Jahr erscheinen.

Spielablauf

In Terraforming Mars: Ares Expedition übernehmen die 1-4 Spielenden jeweils die Rolle einer Firma, die den Mars mittels Terraforming auf eine Kolonisierung vorbereiten sollen. Dazu gilt es, die Atmosphäre mit Sauerstoff anzureichern, die Temperatur zu erhöhen und einige Ozeane zu schaffen.

Zwei dieser Korporationen stehen zu Beginn des Spiels jeweils zur Auswahl. Die Effekte können das eigene Spiel maßgeblich verändern.
Zwei dieser Korporationen stehen zu Beginn des Spiels jeweils zur Auswahl. Die Effekte können das eigene Spiel maßgeblich verändern.

Gespielt wird Ares Expedition in Runden und jede Runde besteht aus unterschiedlichen Phasen. Anders als beim großen Bruder und bei vielen anderen Spielen wird dabei jedoch nicht nacheinander, sondern weitestgehend gleichzeitig gespielt. Und auch die Phasen, die in einer Runde stattfinden, sind nicht immer die gleichen. Denn das Erste, was die Spielenden in jeder Runde tun, ist eine der fünf Phasenkarten verdeckt vor sich zu legen und damit dafür zu sorgen, dass diese Phase in dieser Runde stattfinden wird. Spielen mehrere Personen dabei die gleiche Phase, findet sie dennoch nur einmal statt. Ein wichtiger Aspekt ist daher, zu erahnen, was die anderen Spielenden an Phasen auswählen werden und seine eigene Auswahl daran anzupassen. Ist es wichtig genug, dass die Phase stattfindet, sodass ich sie selbst spiele? Oder reicht mir die Chance, dass jemand anders das tut und ich kann etwas anderes spielen, vielleicht als Vorbereitung auf die nächste Runde oder weil es mir einen besseren Bonus gibt? Diese Frage ist zentraler Bestandteil von Terraforming Mars: Ares Expedition.

Jede Runde wählen die Spielenden je eine dieser Karten aus. Die Marker oberhalb der Karten dienen zur Anzeige, welche Phasen diese Runde aktiv sind. Im Beispiel: II, III, V.
Jede Runde wählen die Spielenden je eine dieser Karten aus. Die Marker oberhalb der Karten dienen zur Anzeige, welche Phasen diese Runde aktiv sind. Im Beispiel: II, III, V.

Zwei der Phasen dienen zum Bau von Projektkarten, von denen es drei Typen gibt: Rote mit einmaligen Effekten, grüne, die die Produktion erhöhen, sowie blaue, die zusätzliche Optionen verleihen oder automatisch etwas generieren, wann immer bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Karten werden mit Megacredits bezahlt, was der Name für Geld in Terraforming Mars ist. Manche Karten haben Voraussetzungen, bevor sie gespielt werden können. Diese können von der eigenen Auslage abhängen oder, was häufiger der Fall ist, vom Erreichen bestimmter farbiger Bereiche der globalen Zielparameter Sauerstoff, Temperatur und Anzahl der Ozeane.

Die dritte mögliche Phase erlaubt zum einen, die Aktionen, die man auf blauen Karten zuvor ins Spiel gebracht hat, zu verwenden und zum anderen seine gesammelten Ressourcen – Megacredits sowie Hitze und Pflanzen – zu nutzen, um direkt die drei genannten Spielziele Temperatur, Sauerstoff und Ozeane voranzubringen.

Phase vier ist die Produktionsphase und versorgt die Spielenden mit frischem Geld sowie, je nach gespielten grünen Karten, Hitze, Pflanzen und eventuell sogar Karten.

Zu guter Letzt bietet die fünfte Phase noch die Möglichkeit, neue Karten zu ziehen.

Wer auch immer eine Phase gespielt hat, bekommt in dieser einen Bonus:

  • Weniger zahlen für das Spielen einer grünen Karte
  • Eine Karte ziehen oder zwei Karten ausspielen beim Bau von roten und blauen Karten
  • Eine der auf blauen Karten ausgespielten Aktionen zwei- statt nur einmal verwenden
  • Vier zusätzliche Megacredits produzieren
  • Drei Karten mehr anschauen und eine mehr behalten bei der Forschung nach neuen Karten

 

Auf den zweilagigen Spielertableaus werden das jeweilige Einkommen markiert, das durch Spielen von Karten erlangt wurde, sowie die aktuellen Ressourcen gelagert.
Auf den zweilagigen Spielertableaus werden das jeweilige Einkommen markiert, das durch Spielen von Karten erlangt wurde, sowie die aktuellen Ressourcen gelagert.

Da eine Karte jederzeit für drei Megacredits abgeworfen werden kann, sind die Boni, wenn man sie auf Megacredits herunterrechnet, alle in etwa gleich stark. Je nach Situation kann aber auch das Spielen einer zweiten Karte in Blau oder Rot oder das Ansehen von mehr Karten von größerer Bedeutung sein. Gerade der letzte Punkt ist etwas, wo sich Ares Expedition stark vom normalen Terraforming Mars unterscheidet. Insbesondere wenn man, wie viele Vielspielende es tun, die Variante des Drafting bei Terraforming Mars verwendet, sieht man im Verlauf des Spiels erheblich mehr Karten als man schlussendlich auf die Hand bekommt. Nahezu immer hat man die Wahl aus 4-10 Karten, von denen man eine oder mehrere kaufen kann. Nicht so bei Ares Expedition. Viele der Karten, die man bekommt, behält man direkt und ohne Auswahl, was auf der einen Seite das Spiel beschleunigt, da kein Entscheidungsprozess stattfinden muss, auf der anderen Seite aber dafür sorgt, dass das Glück beim Kartenziehen eine deutlich höhere Rolle spielt und es schwerer ist, gezielt eine Strategie zu verfolgen.

Eine Partie Terraforming Mars: Ares Expedition endet, sobald alle drei globalen Parameter (Temperatur, Sauerstoff, Anzahl der Ozeane) ihren Zielwert erreicht haben, und zwar direkt nach Ende der Phase in der das geschieht. Eine angefangene Runde wird also nicht immer auch bis zum Ende gespielt. Gewonnen hat dann, wer am meisten Punkte gesammelt hat. Diese Punkte gibt es dabei für:

  • Den Terraforming-Wert, der im Laufe der Partie durch Steigern der globalen Parameter erreicht wurde und zugleich ein Grundeinkommen an Megacredits generiert hat
  • Wald-Marker, die im Laufe der Partie für Pflanzen oder Megacredits erlangt wurden
  • Auf Karten angegebene Punkte: einige Karten verleihen dabei eine feste Anzahl an Punkten, andere variable Punkte anhand von gesammelten Symbolen oder Markern auf der Karte, die dann oft für Tiere oder Mikroben stehen

 

Die Spielzeit für eine Partie beträgt laut Schachtel 45-60 Minuten. Wie so oft unterschätzt diese Angabe die Bedenkzeit der Spielenden, so dass unsere Partien eher im Bereich 90-120 Minuten lagen. Diese Zeit wird mit besserer Kenntnis des Spiels sicherlich sinken, die angegebene Zeit halte ich aber für die meisten Gruppen für nicht realistisch.

Nach dem Ausspielen sind oft nur noch die Symbole am linken Rand der Karten wichtig, sodass es sich anbietet, diese platzsparend zusammenzuschieben.
Nach dem Ausspielen sind oft nur noch die Symbole am linken Rand der Karten wichtig, sodass es sich anbietet, diese platzsparend zusammenzuschieben.

Die Anzahl der Spielenden, zumindest im Bereich 2-4, hat keinen besonders großen Einfluss auf das Spielgeschehen. Bis auf die Phasenauswahl ist es in den meisten Situationen recht irrelevant für das eigene Spiel was die Mitspielenden veranstalten. Aber da die zu erreichenden globalen Parameter nicht von der Anzahl der Mitspielenden abhängen, ist der Anteil jeder einzelnen Person daran größer, je weniger am Spiel beteiligt sind.

Terraforming Mars: Ares Expedition hat auch einen Solomodus, den ich jedoch nicht getestet habe. Beim Lesen der Regeln ist auffällig, dass es in diesem Solomodus nicht primär um Punkte geht, sondern darum, innerhalb einer bestimmten Anzahl an Runden die globalen Parameter an den Anschlag zu bringen. Dies und das Fehlen der Spekulation, was die anderen wohl für Phasen wählen, werden das Spielgefühl im Gegensatz zum Spiel mit Mehreren stark verändern.

Eine kleine Auswahl der insgesamt über 200 spielbaren Projektkarten.
Eine kleine Auswahl der insgesamt über 200 spielbaren Projektkarten.

Durch die Tatsache, dass die Auswahl an spielbaren Karten bei Ares Expedition gewaltig ist, diese zufällig ins Spiel kommen und in den meisten Partien kaum die Hälfte des Stapels überhaupt verwendet wird, gleicht keine Partie der nächsten. Auch verändern die Korporationen, von denen jeder zu Beginn des Spiels zwei zur Auswahl erhält, manche Strategien grundlegend, sodass in Summe eine hohe Varianz und auch ein hoher Wiederspielwert erreicht werden. Gerade die Varianz kann jedoch je nach Gruppe als nachteilig angesehen werden, wenn die Spielenden eher strategische und planbarere Spiele bevorzugen.

Für alle, die Terraforming Mars bereits gespielt haben, sehr praktisch: neben der normalen Spielregel liegt dem Spiel ein deutlich kürzeres Heft bei, das die Unterschiede zwischen den beiden Spielen nennt und bis auf den Aufbau alles hinreichend erklärt, damit direkt losgelegt werden kann.

Ausstattung

Die Ressourcenwürfel aus dem großen Bruder (links), die üblichen bei Ares Expedition (Mitte) sowie die Metallwürfel aus dem Kickstarter (rechts) unterscheiden sich optisch stark.
Die Ressourcenwürfel aus dem großen Bruder (links), die üblichen bei Ares Expedition (Mitte) sowie die Metallwürfel aus dem Kickstarter (rechts) unterscheiden sich optisch stark.

Einer der wenigen anhaltenden Kritikpunkte an Terraforming Mars war schon immer das Spielmaterial. Sowohl die zum Zählen der Ressourcen verwendeten Plastikmarker als auch die Spielertableaus wurden oftmals ersetzt oder durch Holz- oder Plastikrahmen erweitert. Sogar der Verlag selbst brachte nach einiger Zeit zweilagige Spielertableaus heraus, um diesem Missstand zu begegnen. Gegen die äußerst durchwachsene und inkonsistente Illustration hingegen gab es kein Gegenmittel.

Bei Ares Expedition wurde aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt: Die Plastikwürfel für Ressourcen wirken weniger billig, die Spielertableaus sind stabil und zweilagig, damit nichts verrutscht. Auch die Karten sind von ordentlicher Qualität. Durch die hohe Anzahl kommt es nur einmal pro Partie zum Mischen, so dass sie lange Zeit halten sollten. Auch das Artwork ist konsistenter und durchweg gelungen.

Die Punkteleiste bietet nur gerade eben Platz für einen einzelnen Marker. Hier kann es schnell zum Verrutschen kommen.
Die Punkteleiste bietet nur gerade eben Platz für einen einzelnen Marker. Hier kann es schnell zum Verrutschen kommen.

Nicht so gelungen ist allerdings die Punkteleiste um das verbliebene, zentrale Spielbrett, das im Gegensatz zu Terraforming Mars deutlich kleiner ausfällt. Und zwar so klein, dass auf der Leiste nicht genug Platz für die Spielsteine der bis zu vier Spielenden bleibt, so dass es hier zu Problemen schon bei kleinen Rüttlern am Tisch kommen kann.

Im Kickstarter gab es zusätzlich noch Spielermatten aus Neopren, die nett anzuschauen sind, für das Spiel aber kaum Nutzen bringen. Auch gab es metallene Ressourcenwürfel, die das Spiel optisch wie haptisch ein gutes Stück aufwerten. Beide Dinge kosteten jedoch zusätzlich und fließen in keiner Weise in die Bewertung mit ein.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Fryx Games / Stronghold Games / Schwerkraft Verlag (in Kürze)
  • Autor*innen: Sydney Engelstein, Jacob Fryxelius, Nick Little
  • Erscheinungsjahr: 2021
  • Sprache: Englisch / Deutsch (in Kürze)
  • Spieldauer: 50-90 Minuten
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4
  • Alter: 14+
  • Preis: ca. 40-45 EUR
  • Bezugsquelle: Aktuell nicht im Handel verfügbar

 

Bonus/Downloadcontent

In der Kickstarter-Kampagne ist eine Vorab-Version der englischen Regeln zu finden. Ebenfalls finden sich dort Links zu diversen erklärenden Videos oder Playthroughs.

Fazit

Terraforming Mars: Ares Expedition ist der kleine Kartenspiel-Bruder von Terraforming Mars. Da auch in diesem Karten schon eine bedeutende Rolle spielten, ist der Sprung vom einen zum anderen kleiner als bei manch anderem Spin Off. Im Spiel selbst fällt dann aber schnell auf, dass das zentrale Spielbrett, mit allem was dazugehört, ein großes Loch hinterlässt. Denn das Zusammenspiel von Wäldern und Städten auf der Marsoberfläche sowie die Auszeichnungen und Meilensteine waren bedeutende Elemente der Interaktion mit den Mitspielenden.

Die Punkteleiste bietet nur gerade eben Platz für einen einzelnen Marker. Hier kann es schnell zum Verrutschen kommen.
Die Punkteleiste bietet nur gerade eben Platz für einen einzelnen Marker. Hier kann es schnell zum Verrutschen kommen.

Hinzugekommen ist mit der Phasenauswahl zu Beginn der Runde ein Mechanismus, den Fans von Engine Buildern mit Science Fiction-Thema sofort als wichtigen Aspekt von Race for the Galaxy / Roll for the Galaxy wiedererkennen werden. Gerade der Vergleich mit Race for the Galaxy als reinem Kartenspiel mit ähnlichem mechanischem Fokus drängt sich geradezu auf. Und wenn man sich die zu wählenden Phasen anschaut, erkennt man auch hier deutliche Ähnlichkeiten:

Zwei der Phasen dienen dem Bau unterschiedlicher Arten von Karten, eine Phase der Produktion von Rohstoffen und eine weitere dem Erlangen von neuen Karten. Auch die Boni dieser Phasen sind in beiden Spielen ähnlich: Man zahlt weniger beim Bau einer Art von Karte, darf eine Karte ziehen beim Bau der anderen, produziert mehr und sieht mehr Karten, von denen man dann auch noch eine mehr behalten darf bei der Erkundung. Das klingt alles, als sei es aus Race for the Galaxy abgeschrieben worden. Dennoch: spielt man Ares Expedition dann mal, stellt man schnell fest, dass die Ähnlichkeit zwar oberflächlich vorhanden ist, es aber vor allem die Unterschiede sind, die überwiegen.

Nimmt man all diese Aspekte zusammen, so erhält man mit Terraforming Mars: Ares Expedition ein Spiel, das an einigen Stellen die Grundprinzipien des großen Bruders verbessert und glattzieht, mit besserem Material aufwarten kann und eine kürzere Spielzeit hat. Dafür ist es aber auch deutlich glückslastiger und lässt die Interaktion zwischen den Spielenden an manchen Stellen vermissen.

  • Gefällige Komplexität
  • Hohe Wiederspielbarkeit
  • Sehr gelungener Engine Builder
 

  • Kaum Interaktion
  • Hoher Glücksanteil
  • Strategien lassen sich nur schwer verfolgen

 

Artikelbilder: © Fryx Games / Stronghold Games
Layout und Satz: Roger Lewin
Lektorat: Giovanna Pirillo
Fotografien: Holger Christiansen
Dieses Produkt wurde privat finanziert.

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