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Kultist*innen wollen fiese Rituale vollenden. Zum Glück gibt es clevere Ermittler*innen, die ihnen auf die Schliche kommen wollen. Um die bösen Machenschaften abzuwenden, sind sie auf der Suche nach den perfekten Würfelergebnissen. Das ist Roll for Great Old Ones – ein turbulentes Roll-and-Write-Abenteuer im Lovecraft-Universum.

Roll-and-Writes sind in den letzten Jahren erschienen wie Sand am Meer: von Würfel Welten und Paper Dungeons über Der Kartograph und Die Kartographin bis hin zu komplexen Vertretern wie Twilight Inscription. Ein weiterer Vertreter des Genres hat der Verlag Hodari Spiele nun mittels Crowdfunding realisiert. Was das kooperative Roll-and-Write im Lovecraft-Mythos bietet, haben wir getestet.

Triggerwarnungen

Abscheulichkeiten

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Spielablauf

Bei Roll for Great Old Ones stehen vier Szenarien in unterschiedlichen Komplexitäten zur Wahl. Auch wenn es szenariospezifische Regeln gibt, so ist das Grundspielprinzip immer gleich. Bis zu vier Ermittler*innen versuchen, das Ritual der Kultist*innen zu unterbinden, indem sie alle benötigen Hinweise sammeln, um damit je ein dunkles Siegel zu schließen.

Es ist ein Wettrennen gegen die Zeit, denn: Zu Beginn jeder Runde schreitet das Ritual der Kultist*innen voran. Auf der Ritualleiste werden dazu gemäß der Personenanzahl und der entsprechenden Szenariostufe die angegebenen Kreuze gesetzt. Wenn die Leiste komplett abgekreuzt ist, ist das Spiel verloren.

Das Ritual schreitet je nach Rituallevel immer schneller voran.
Das Ritual schreitet je nach Rituallevel immer schneller voran.

Um dies zu verhindern, wird Runde um Runde eine Auswahl an Würfeln geworfen. Der Würfelpool besteht aus einem W6 pro Spieler*in, einem weiteren W6 und einem W12. Alle Spielenden wählen aus dem Würfelergebnis einen W6, um durch das Eintragen des Würfelergebnisses Aktionen freizuschalten. Durch Wiederholungswürfe kann das eigene Würfelergebnis manipuliert werden und davon sollte auch ausdrücklich Gebrauch gemacht werden.

Nachdem alle Spielenden sich abgesprochen haben und ihren Würfel gewählt haben, bleiben noch ein W6 und der W12 übrig. Diese bestimmen die Aktion der Kultist*innen. Auch die Kultistenwürfel dürfen durch einen Wiederholungswurf manipuliert werden. Aber Achtung: Dies führt zu einer zusätzlichen Strafe für die Ermittler*innen.

Bevor aber die Kultist*innen böse Dinge tun, sind die Ermittler*innen am Zug. Gefällt ihnen das Würfelergebnis nicht, können sie den Würfelwurf wiederholen. Dies hat gegebenenfalls negative Auswirkungen, die in der entsprechenden Leiste auf dem eigenen Tableau aufgeführt sind.

Die gewürfelten Zahlen werden von links nach rechts in den Aktionsleisten eingetragen.
Die gewürfelten Zahlen werden von links nach rechts in den Aktionsleisten eingetragen.

Ist das Ergebnis final, tragen die Spielenden ihre Zahl in zwei unterschiedlichen Aktionsreihen ein. Dabei müssen die Bedingungen, zum Beispiel Zahlen in absteigender Reihenfolge oder nur ungerade Zahlen, erfüllt sein. Durch gute Absprachen bei der Würfelauswahl und geschicktes Eintragen der Zahlen können zusätzliche freie Zahlen freigeschaltet (Plus-Zeichen), Erfahrungspunkte (Sternsymbol) oder die wichtigen Hinweise (Lupensymbol) gesammelt werden.

Wird die Zahl in einem blau umrandeten Kästchen eingetragen, wird die dazugehörige Aktion ausgelöst. Insgesamt gibt es sechs Aktionsmöglichkeiten:

  • Seele erholen: Man darf selbst eine Schwäche (Augensymbol) verlieren.
  • Körper ausruhen: Man erhält selbst zwei Gesundheit (Herzsymbol).
  • Heilende Hände: Ein*e Mitspieler*in bekommt eine Gesundheit und zwei Erfahrung.
  • Kultist*innen angreifen: Ein Würfelwurf entscheidet, wie viele Kultist*innen vertrieben werden.
  • Spezialaktion ausführen: Zu jedem Szenario gibt es eine oder mehrere individuelle Zusatzaktionen.
  • Hinweise suchen: Mittels Würfelwurf können bis zu zwei Hinweise gefunden werden.

 

Der Wahnsinn – dargestellt durch ein Tentakelsymbol – spielt auch eine zentrale Rolle. Erhält ein*e Spieler*in einen Wahnsinn, wird ein Feld in der Wahnsinnsleiste angekreuzt. Dieser Wahnsinn kann die Spielenden beflügeln, indem sie eine Fähigkeit auswählen können, die ihnen (Sofort-)Boni erlauben. Der Wahnsinn kann sie aber auch behindern, indem sie eine der sechs Schwächen erhalten, die ausgewürfelt werden.

Der Bereich auf dem eigenen Tableau für gesammelte Hinweise, Wiederholungswürfe, Wahnsinn und Fähigkeiten.
Der Bereich auf dem eigenen Tableau für gesammelte Hinweise, Wiederholungswürfe, Wahnsinn und Fähigkeiten.

Und die Wahnsinnsstufe sollte nicht zu schnell steigen: Im Laufe des Spiels werden Wahnsinnsproben durchgeführt. Hier muss das Würfelergebnis über der aktuellen Wahnsinnsstufe liegen, um diese zu bestehen. Erreicht ein*e Ermittler*in das Ende der Wahnsinnsleiste ist das Spiel vorbei.

Fast jedes Kreuzchen, jede Zahl, die die Spielenden eintragen, zieht weitere Konsequenzen nach sich. Das kann zu einer unübersichtlichen und wahnsinnig oder glückselig machenden Kettenreaktion führen – die das Spiel aber bewusst provoziert und dadurch ein sehr thematisches Spielgefühl erzeugt. Die Spieler*innen sind immer auf der Suche nach dem optimalen Zug, um die Kultist*innen möglichst schnell zu stoppen.

 

Die Kultist*innen-Aktionen

Schauen wir uns nun, was die Gegner – die Kultist*innen – tun. Sie werden durch das jeweilige Szenariotableau repräsentiert. Jedes der vier Szenarien wird durch einen kurzen Text eingeleitet. Den Großteil des Szenariotableaus nehmen die Kultist*innen-Aktionen ein. Diese sind individuell auf das jeweilige Szenario abgestimmt. Daher werden wir nicht im Detail auf die einzelnen Aktionen aller vier Szenarien eingehen. Grundsätzlich können aber neue Kultist*innen sowie andere Monster erscheinen, die die Ermittler*innen auch angreifen, oder das Ritual kann fortschreiten. Alle Aktionen sind in Kurzform auch auf dem Tableau oder ausführlich in der Szenarioanleitung erklärt.

Dieses Würfelergebnis der Kultist*innen besagt, dass zwei Kreuzchen für neue Kultist*innen gesetzt werden.
Dieses Würfelergebnis der Kultist*innen besagt, dass zwei Kreuzchen für neue Kultist*innen gesetzt werden.

Nachdem die Ermittler*innen ihren Zug abgeschlossen haben, bestimmt nun der W12 auf dem Szenariotablau, welche Aktion die Kultist*innen ausführen. Der W6 bestimmt dabei die Auswirkung. Das war’s eigentlich auch schon. Es sei denn, es wurde ein Kästchen mit einer Zahl angekreuzt. Diese Zahl löst eine weitere Aktion der Kultist*innen aus. Die Stärke der Auswirkung wird dann entweder durch einen separaten Würfelwurf oder durch das aktuelle Szenariolevel bestimmt.

Sind die Kultist*innen mit ihren Aktionen durch, werden die Sieg- und Niederlagebedingungen geprüft. Ist nichts davon erfüllt geht es in die nächste Runde: Das Ritual schreitet vorwärts, Würfel werden geworfen und so weiter.

Um das Spiel zu gewinnen, müssen alle Spielenden alle benötigten Hinweise sammeln, damit die Siegel geschlossen werden. Verloren ist das Spiel, wenn das letzte Kästchen auf der Ritualleiste angekreuzt wurde.

Die Spielenden müssen sich gut absprechen und ihre Aktionen gemeinsam planen. Bei vier Mitspielenden kann das recht unübersichtlich werden. Wir empfehlen, zu zweit, zu dritt oder auch allein zu spielen. Trotzdem ist das Spiel gut auf die Anzahl der Spielenden skaliert und ist auch mit vier Personen gut spielbar.

Roll for Great Old Ones kann mit Würfelpech schnell vorbei sein. Eine Partie kann aber auch bis zu eineinhalb Stunden dauern. Da es aber von der ersten bis zur letzten Runde spannend bleibt, vergeht eine Partie wie im Flug. Je nachdem wie die Würfel fallen, kann jede Partie anders verlaufen. Hat man eine Partie verloren, will man es gleich erneut versuchen.

 

Optionales Karten-Modul

Mit den optionalen Karten geht’s rund: Links sind die Schwächen und rechts die Stärken zu sehen.
Mit den optionalen Karten geht’s rund: Links sind die Schwächen und rechts die Stärken zu sehen.

Wem das Grundspielprinzip, das bereits drei Schwierigkeitsgrade bereithält, noch nicht komplex genug ist, für diejenigen enthält die Box noch optionale Karten. Die doppelseitig bedruckten Karten haben je eine Stärke und eine Schwäche. Die Spielenden entscheiden sich für eine Seite und beginnen das Spiel mit der Stärke. Sobald diese ausgelöst wird, bekommt man den Bonus und die Karte wird um 180 Grad auf die Schwäche gedreht. Wird diese Schwäche aktiviert, bekommt man den Malus und die Karte wird wieder erneut gedreht.

 

Ausstattung

Die schimmernde, schmale Box enthält einen übersichtlichen Inhalt. Die fünf Anleitungshefte schrecken zunächst ab. Aber keine Sorge, es müssen nicht alle vor dem ersten Spiel gelesen werden: Es gibt eine allgemeine Systemanleitung, die das Grundspielprinzip erklärt, und je eine Anleitung für jedes der vier Szenarien, die die individuellen Kultist*innen-Aktionen detailliert erklärt. Auf den Rückseiten der Anleitungen ist außerdem jeweils eine Spielübersicht über die zahlreichen Symbole mit Erklärungen.

Redaktionell bieten die Anleitungen und auch Tableau-Texte noch Luft nach oben. Beispielsweise ist in der Anleitung ist die Anzahl der benötigten Hinweise falsch angegeben. Wenn man bedenkt, dass Hodari Spiele ein kleiner Verlag mit begrenzten Kapazitäten ist, ist so ein Fehler aber verzeihbar.

Positiv fallen auch die doppelseitig bedruckten wiederbeschreibbaren Szenario- und Ermittler*innen-Tableaus, die Zettelwirtschaft vermeiden. Die Mine der beiliegenden Stifte ist leider etwas zu dick für die kleinen Felder auf den Tableaus. Hier muss man schon sorgfältig schreiben und im Eifer des Gefechts am besten nichts verwischen.

Das Artwork ist sehr speziell und vielleicht auch Geschmackssache. Aber uns hat es sehr gut gefallen. Die Würfel mit ausgestanztem Tentakelmuster sind thematisch passend gestaltet. Leider schauen sie teilweise etwas unsauber produziert aus. Die Würfel kommen aber in einem hübsch bedruckten Würfelsäckchen aus Stoff daher.  

 

Die harten Fakten:

  • Verlag: Hodari Spiele
  • Autor*in(nen): David Rimbach
  • Illustrator*in(nen): Daniel Jamie Williams
  • Erscheinungsjahr: 2023
  • Sprache: Deutsch
  • Spieldauer: 60 – 90
  • Spieler*innen-Anzahl: 1 2 3 4
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Preis: 39 EUR / 12 EUR (Print-and-Play-Version)
  • Bezugsquelle: Fachhandel, idealo

 

Bonus/Downloadcontent

Roll for Great old Ones gibt es auch als Download in einer günstigeren Print-and-Play-Version zu erwerben.

Im Februar 2024 stellte Hodari Spiele eine weitere Regelvariante One vs. Many auf BoardGameGeeks zum Download zur Verfügung. Zudem findet sich hier auch ein Creator Kit, mit dem man ein eigenes Szenario gestalten kann. Damit könnte der Wiederspielreiz in Zukunft weiter gesteigert werden.

 

Fazit

Roll for Great Old Ones ist ein knallhartes Zugoptimierungsspiel im Roll-and-Write-Gewand. Spieler*innen, die immer auf der Suche nach dem optimalen Spielzug sind, werden hiermit sicherlich viel Freude haben. Man sollte sich aber nicht zu sehr im Grübeln verlieren.

Optisch ist auf den Tableaus viel los und die kleine Schrift und Kästchen können auf den ersten Blick erschlagend wirken. Hat man aber die einzelnen Elemente verinnerlicht, ist das Spielprinzip recht eingängig. Die Komplexität des Spiels ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Szenarien, Aktionen, Wiederholungswürfen, Fähigkeiten und mehr. Denn fast jeder Eintrag auf den Tableaus hat Konsequenzen, sodass man schnell den Überblick verlieren kann.

Im Stoffsäckchen sind die hübschen Würfel gut verstaut.
Im Stoffsäckchen sind die hübschen Würfel gut verstaut.

Gewinnen lässt sich das Spiel nur, wenn die Spielenden gut zusammenarbeiten. Bei Roll for Great Old Ones malen die Spielenden nicht einfach nur still auf ihrem eigenen Tableau herum, sondern müssen sich absprechen und dabei manchmal auch den einen oder anderen Nachteil in Kauf nehmen.

Der Autor David Rimbach hat mit Roll for Great Old Ones definitiv einiges richtig gemacht, was andere Vertreter des Genres vermissen lassen, vor allem die Interaktion. Dies kann auch Leute begeistern, die von Roll-and-Writes bisher nicht so angetan waren – wie ich.

Für mich ist es eines der besten Roll-and-Write-Spiele, die ich gespielt habe. Deswegen vergeben wir vier von fünf glasklaren Lupen.

 

  • Sehr thematisch

  • Interaktives, kooperatives Roll-and-Write

  • Hoher Wiederspielreiz

 

  • Kleine Schrift auf Tableaus

  • Ein paar redaktionelle Defizite

 

Artikelbilder: © Hodari Spiele
Layout und Satz: Norbert Schlüter
Lektorat: Nina Horbelt
Fotografien: Michelle Saarberg
Dieses Produkt wurde privat finanziert.
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